Übersicht: Systematik der Boletaceae in Europa

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 4.450 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von eberhardS.

  • Hallo Röhrlingsfreunde,


    nachdem sich bei den Pilzen aufgrund von DNA-Untersuchungen und den daraus resultierenden Verwandtschaftsbeziehungen taxonomisch einiges getan hat, habe ich mir für meine Arbeit in der Wikipedia eine Übersicht erstellt, um trotz den zahlreichen neuen Gattungen den Überblick zu behalten:


    https://de.wikipedia.org/wiki/…_der_Boletaceae_in_Europa


    Vielleicht hilft dies auch anderen Pilzfreundinnen und Pilzfreunden, sich zu orientieren.


    Gruß, Andreas

  • Gefällt mir. Man muß sich nur noch dran gewöhnen.
    Die dt. Bezeichnungen finde ich auch gelungen. Parkröhrlinge, daß das nicht längst mal jemand eingefallen ist. :)
    Wenn man die Idee weiterspinnt könnte man damit auch andere Gattungen kräftig durcheinanderschütteln. Aber ich glaube daß kommt dann nicht so gut an.

  • Hallo Karl,



    Sehe ich das richtig, dass Suillus, Gyrodon und Gyroporus nicht dazu gehören oder hab ich was übersehen?


    völlig richtig: Die Schmierröhrlinge (Suillus) begründen mit den Schmierröhrlingsverwandten (Suillaceae) in der Unterordnung Suillineae eine eigene Familie, die Grüblinge (Gyrodon) zählen zur Familie der Kremplingsverwandten (Paxillaceae) in der Unterordnung Paxillineae und die Blasssporröhrlinge (Gyroporus) begründen mit den Blasssporröhrlingsverwandten (Gyroporaceae) ebenfalls eine eigene Familie, allerdings in der Unterordnung Sclerodermatineae, sind also um ein paar Ecken mit den Kartoffel-/Hartbovisten verwandt.


    Wenn ich mal Zeit und Lust habe, erweitere ich meine Übersicht auf die komplette Ordnung der Dickröhrlingsartigen (Boletales), aber das kann dauern.


    Gruß, Andreas

    Einmal editiert, zuletzt von Gelöschter Nutzer ()

  • Hallo Andreas!
    Ein ganz schönes "Brett", danke, dass Du diese Arbeit gemacht hast und mit uns teilst. Ich werde mir das wahrscheinlich ausdrucken und die alten Namen dazuschreiben, ich bin zugegebenermaßen leicht verwirrt. :)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Andreas!


    Eine hervorragende Arbeit. :thumbup:
    Endlich mal eine Übersicht über die neue systematische Ordnung, die auch tatsächlich alle in Europa bekannten Taxa beinhaltet - jedenfalls fällt mir beim Durchlesen keine fehlende Art auf.
    Im Gegenteil: Mir gefällt das sehr gut, daß auch Taxa mit strittigem Status nicht unter den Tisch fallen sondern zumindest erwähnt werden.


    Einen Vorschlag habe ich dennoch, wo man noch dran feilen könnte:
    In den tabellarischen Teilen zu den einzelnen Arten vielleicht noch eine Spalte mit jeweils dem ensprechenden Synonym (nach "alter" Systematik) einfügen.
    Oder das jeweils in der Übschrift noch mal deutlich machen, was nun zur ehemaligen sammelgattung "Boletus" bzw. zur ehemaligen Sammelgattung "Xerocomus" oder "Leccinum" gehörte.
    Das wäre sicherlich für viele Leser hifreich, die eben die neuen Gattungsnamen nicht kennen oder gar auswendig gelernt haben, um sich rascher zurechtzufinden.



    LG, Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Andreas,


    danke für die Zusammenstellung. :thumbup: Soweit ich das Überblicken konnte, deckt sich das mit dem Vortrag von Toffel vor ein paar Wochen vor der Dresdner mykologischen Fachgruppe.


    l.g.
    Stefan

  • Hallo in die Runde,


    es freut mich, dass ihr die Übersicht als nützlich erachtet. Allerdings muss ich gleich klarstellen, dass ich die Listen nicht mit den Synonymen erweitern werde, weil mir das zu viel Arbeit macht - selbst weiß ich ja, wo die Arten früher beheimatet waren - und mich das von meinem derzeitigen Vorhaben, Licht ins Dunkel der Systematik der Morcheln zu bringen (was habe ich mir da nur angetan :rolleyes: ), abhalten würde. Ich hoffe auf euer Verständnis.


    Nichtsdestotrotz habe ich heute den Gaukler-Röhrling (Neoboletus praestigiator), der Ende März dieses Jahres von Vizzini aus Boletus umkombiniert wurde, in der Artengruppe um den Flockenstieligen Hexen-Röhrling (Neoboletus luridiformis, Syn. Boletus erythropus) ergänzt. Die Art ist mir gänzlich unbekannt. Ohne meine Bücher gewälzt zu haben, bin ich in einer Buchbesprechung der Neubearbeitung von Michaels –žFührer für Pilzfreunde–œ durch Roman Schulz aus dem Jahr 1923 auf folgende Information gestoßen:



    Zitat

    ...sodann auch die neuartige Behandlung der vielumstrittenen Röhrlinge aus der Gruppe der Luridi. Der von Fries in Sveriges ätliga och giftiga Svampar, Taf. 12, als Boletus luridus var. erythropus abgebildete, farbenprächtige, eßbare Pilz, der überall in Wäldern auf Urgestein und Sandboden vorkommt, ist eine selbständige, stets sicher kenntliche Art und nicht nur vom typischen, giftigen B. luridus, dem Hexenpilz, sondern auch von dessen Varietät erythropus Pers. durchaus verschieden. Demgemäß mußte er auch selbständig benannt werden. Er ist als Gaukler-Röhrling oder Gauklerpilz, Boletus praestigiator aufgeführt



    Schön zu lesen, dass auch schon vor mehr als 90 Jahren die Systematik der Hexenröhrlinge kontrovers diskutiert wurde. :cool:


    Gruß, Andreas

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Andreas!


    Keine Sorge: Im grunde ist es gut verständlich, die Synonymlisten wegzulassen. Denn wenn man die Baustelle mal aufmacht...
    Diese Büchse der Pandora bekommst du ja nie mehr zu. Das würden also lange Listen werden.
    Und in irgendeine Synonymie wird mit Sicherheit auch dieser ominöse Neoboletus praestigiator gehören.
    Das ist so ein Punkt, den ich überhaupt nicht verstehe:
    Anscheinend gibt es zu dem Taxon nicht mehr, als diesen einen Literaturhinweis, den du zitierst.
    Bestenfalls ist das eine völlig ungenügend definierte Art, also ein "Nomen dubium".
    Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit aber eben nur ein Synonym zu einer bereits bestehenden, bekannten Art.
    So ein Taxon dann auch noch umzukombinieren, darin sehe ich derzeit absolut keinen Sinn.
    Besser wäre man dem Pilz / dem taxon mal nachgegangen und hätte versucht, das irgendwie sinnvoll einzuordnen.
    Dann ergibt sich die sytematische Stellung von alleine.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,




    Anscheinend gibt es zu dem Taxon nicht mehr, als diesen einen Literaturhinweis, den du zitierst.
    Bestenfalls ist das eine völlig ungenügend definierte Art, also ein "Nomen dubium".
    Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit aber eben nur ein Synonym zu einer bereits bestehenden, bekannten Art.
    So ein Taxon dann auch noch umzukombinieren, darin sehe ich derzeit absolut keinen Sinn.


    kann ich gut nachvollziehen. Werde dem Fall bei Gelegenheit auf den Grund gehen.


    Gruß, Andreas

  • Einen schönen Abend, zuerst mal natürlich ein Lob für die Mühe, doch würden mich Eure Überlegungen zu folgenden Fragen interessieren: Reichen die Ergebnisse aus molekularbiologischen Untersuchungen für so umfangreiche Änderungen? sprich, wie laesst sich begründen, dass diese ( schlussendlich auf Rechenmodellen basierenden) Auswertungen ein um so vieles genaueres Bild ergeben als alles bisherige, wie beispielsweise Untersuchungen morphologischer Merkmale durch bisherige Röhrlingsspezialisten? Wie ist aus den Ergebnissen beispielsweise herauszulesen, bzw. wie argumentieren die Autoren, dass ein Taxon umbenannt werden oder auf die Ebene einer neuen Gattung gehoben werden "muss" und nicht nur "könnte"? Oder auch wie variabel eine Art sein kann? Gibt es auch aktuelle Arbeiten, die dem ganzen widersprechen? Bin gespannt auf Eure Gedanken, LG eberhard

    Chiprechnerei:

    284 (goldene Zeit < APR 2020), dann viele Min-, wenige Plusse, APR 21 + andere Rätsel: 272. Nach -20 Startgeld APR22: Tiefpunkt bei 252.

    Dort: nach Wetten, Abrackern, Platz 1 und Prozenten f. GI warens: 300. Dann APR '23-Startgebühr: =>280. Dort: 5 (Platz 7) + 6 (Platzwette) + 3 (500. Beitrag Rätsel) + 5 (Jokerschnellstrauswurf) + 3 (Frühjoker) + 3 (Kurzphal) + 3 (Teamphal) + 3 (Kreativ-Bonus) - 5 (Gewinnsteuer-GI) + 4 (get. viertbester Phal ) => 310. Minus 20 Teilnahme APR 2024 = 290.

    Einmal editiert, zuletzt von eberhardS ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Eberhard!


    Durchaus ein berechtigter Einwand. :thumbup:
    Hier kann man natürlich ganz unterschiedlicher Meinung sein. Im grunde sind sich auch die Forscher unter sich nicht einig, was genau die Aussagekraft welcher Sequenzen und welcher Abweichungen sind.
    Man kann auch sagen, daß das gewissermaßen schon in einen philosophischen Bereich geht. Am Ende steht die Frage: Was ist ein Pilz wirklich im Unterschied zu unserem wissenschaftlichen Bild von einem Pilz?
    Denn wenn wir versuchen, ein so komplexes Lebewesen irgendwie zu verstehen und einzuordnen, dann tun wir das immer von unserem subjektiven, menschlichen Standpunkt aus. Und das ist eben immer nur eine subjektive Beschreibung dessen, was wir beobachten: Es gibt nie die wahre Natur des beobachteten Organismus wieder. Der müssen wir uns auf andere Weise nähern, als durch das Beschreiben von Mikromerkmalen oder Gensequenzen; diese sind nur Mittel zum Verständnis und unterliegen immer einer subjektiven Interpretation.
    Aber stellen wir Heidegger & co mal zurück: Es fällt doch birgendwie auf, daß die genetischen Gattungszuordnungen durchaus auch einem morphologisch einleuchtenden Muster folgen.
    Die neue Gattung Butyriboletus gibt (morphologisch) ein ziemlich homogenes Bild ab, ebenso die neue Gattung Caloboletus sowie auch Imperator.
    Einige Arten, die bisher nirgendwo wirklich rein gepasst haben, finden nun auch ihr Plätzchen (zB Imleria, Hemileccinum, Cyanoboletus).
    Insofern ist die Logik schon nachvollziehbar und die Genetik bestätigt in weiten Teilen einmal mehr das, was sich nach rein morphologischer Betrachtung schon erahnen ließ.
    Gewisse Ausnahmen bestätigen die Regel: Was der Wolfsröhling (ex-Boletus lupinus) und der Blutrote Hexenröhrling (ex-Boletus dupainii) bei Rubroboletus verloren haben, lässt sich morphologisch freilich nicht nachvollziehen. Im Gegensatz zu allen anderen Arten dieser neuen Gattung sind das ja Röhrlinge mit stark blauendem Fleisch (sowie Hutoberfläche wenn frisch) und ohne jede Netzzeichnung.


    Das allerdings ist dann wieder eine Problematik, die mir auch durch die Beschäftigung mit Rindenpilzen und Porlingen vertraut ist:
    Genetische Verwandschaften müssen nicht immer mit morphologischen Merkmalen korrelieren.
    Dennoch ist es ja nicht falsch: Es verschiebt sich lediglich etwas der Fokus, welchem merkmal man bei der Einordnung der Verwandschaftsverhältnisse momentan mehr Gewicht beimisst.


    Und all das hat nun wenig damit zu tun, daß ich persönlich momentan im Alltagsgebrauch schlichtweg weiter die Bezeichnung "Boletus" für alle diese arten verwende. Denn es ist einfach praktischer und praktikabler. Immerhin darf ich von jedem, der mit den neuen Gattungsnamen vertraut ist voraussetzen, daß ihm die alten Boletus - Synonyme bekannt sind.
    Umgekehrt setze ich auf keinen fall bei jedem Pilzfreund, der sich möglicherweise gerade mühsam an lateinische namen gewöhnt voraus, daß der sich sofoert mit einem Haufen neuer Synonyme vertraut macht. Ergo: Derzeit - und solange in allen Büchern noch der alte gattungsname steht: Ich verwende weiterhin Boletus als Name, schlichtweg zum besseren verständnis.



    LG, Pablo.

  • Lieber Beorn,
    dein jetziger Beitrag ist nur der Anlass. Ich wollte schon vor kurzem Folgendes mitteilen.
    Ich möchte mich einfach mal ganz herzlich, besonders bei dir, für deine vielen interessanten und lehrreichen Beiträge bedanken. Es steckt viel Arbeit und Zeit dahinter. Auch wenn ich merke, dass du dies mit viel Freude machst, der Aufwand bleibt der gleiche.
    Natürlich gilt mein Dank allen, die hier so engagiert und fleißig ihr Wissen teilen.
    Herzliche Grüsse.
    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.

    Einmal editiert, zuletzt von Bergwald ()

  • Hallo Pablo, (alle anderen natürlich auch!)
    nochmal, spät aber doch, vielen Dank für Deine ausführlich argumentierte Antwort, mich freuen solche Denkanregungen immer!


    Ich hätte hier noch einen Link zum Thema:
    eine Arbeit von P.A. Moreau und R. Cortecuisse, zwei bekannten französischen Mykologen: "Les noms qui changent–¦ (2) Agaricales, Boletales et Tricholomatales" (in documents mycologiques, 36), in der sie sich auch zu diesem Thema Gedanken gemacht haben, und wo man am unter anderem (!), vielleicht ganz praktisch für viele, zum Überblick die wesentlichen Änderungen zu dem, was wir bisher als Boletus, Xerocomus etc kennengelernt haben, auch in einer Tabelle zusammengefasst findet:
    https://www.researchgate.net/p…etales_et_Tricholomatales


    (hier erst etwas nach unten scrollen, wo die erste Seite der Arbeit angezeigt wird und auf den Knopf "read full publication" klicken...)


    schöne grüße
    Eberhard

    Chiprechnerei:

    284 (goldene Zeit < APR 2020), dann viele Min-, wenige Plusse, APR 21 + andere Rätsel: 272. Nach -20 Startgeld APR22: Tiefpunkt bei 252.

    Dort: nach Wetten, Abrackern, Platz 1 und Prozenten f. GI warens: 300. Dann APR '23-Startgebühr: =>280. Dort: 5 (Platz 7) + 6 (Platzwette) + 3 (500. Beitrag Rätsel) + 5 (Jokerschnellstrauswurf) + 3 (Frühjoker) + 3 (Kurzphal) + 3 (Teamphal) + 3 (Kreativ-Bonus) - 5 (Gewinnsteuer-GI) + 4 (get. viertbester Phal ) => 310. Minus 20 Teilnahme APR 2024 = 290.

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