Gensequenzierung - wissenswertes?

Es gibt 62 Antworten in diesem Thema, welches 19.232 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Craterelle.

  • Hallo zusammen,
    hallo Ingo,


    Das mag vielleicht eher ein Winterthema sein, aber mich interessiert es auch jetzt: wie geht so etwas so ganz grob und v.a. welche Erkenntnisse gewinnt man daraus? Vielleicht auch noch interessant: was sind aktuell die Kosten, und sind die Ergebnisse bisheriger Sequenzierung öffentlich oder zumindest Fachleuten zugänglich?


    Ich würde mich freuen, wenn dazu jemand ein bisschen was schreiben könnte.


    LG, Craterelle

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Craterelle!


    In der Tat, das ist ein gewaltiges Thema. Und vor allem in den Details alles andere als einfach zu erklären, zumal es durchaus unterschiedliche Ansichten bezüglich Interpretation und beurteilung von genetischen Sequenzen gibt.
    Was die Dokumentation der Ergebnisse betrifft: Das findet einerseits Eingang in Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, Fachbüchern und im Netz; dazu gibt es auch sowas wie "Gen - Datenbanken", wo viele Ergebnisse eingepflegt sind. Beispiele dafür wären:
    >Genbank<
    oder
    >Unite<


    Was die Kosten für Sequenzierungen betrifft, müsste ich auch erstmal gucken, wie das im Moment ist. Unterschiede gibt es auch da. Viele Intitute machen auch keine Einzelsequenzen, sondern nehmen dann eine größere Anzahl an Proben auf einmal an. Wenn es um Pilze geht ist es natürlich ideal, die Funde und Untersuchungen über Fachleute laufen zu lassen, die sich mit der entsprechenden Gattung / Gattungsgruppe beschäftigen und ohnehin regelmäßig an ihre jeweiligen Institute Kollektionen von Proben schicken.


    Welche Erkenntnisse das im Einzelnen bringt, und wie das zu bewerten ist, das ist ein hochkomplexes Thema, das für mich zumindest an dieser Stelle den Rahemn sprengten würde.



    LG, Pablo.

  • Hallo Craterelle!


    Wir müssen uns da Stück für Stück vorkämpfen. Normalerweise wahrscheinlich eher ein Abend-Thema in trauter Runde mit einem Kasten Bier unter oder Weingläser auf dem Tisch.


    Also ich bin ja auch nur Nutzer, und kriege lediglich so am Rande einiges mit, wovon ich aber auch gar nicht alles verstehe.


    Fangen wir mal an, was man so braucht.
    Also zum 1. einen Finder.
    Das hört sich nach dem leichten Part des ganzen an, ist aber für 2., den Bestimmer eigentlich nur dann von Interesse, wenn er sich ordentlich am Standort umguckt und das Wichtige dokumentiert, sich also das Substrat oder die Begleitbäume und Pflanzen oder die Lage am Substrat, Vermorschungsgrad usw. ordentlich anschaut und als Info weitergibt. Den Wert von Infos kennen wir ja vom Forum.


    Nach erfolgter Dokumentation und vielleicht sogar gelungener Artbestimmung brauchen wir 3. jmdn., der eine Kultur anlegt, damit wirklich später auch genau eben dieser Organismus die Sequenz hergibt, die wir wollen. Dazu gibt es verschiedene Verfahren, vielleicht sagt da Florian was dazu.


    Irgendwann ist die Kultur so weit, dass man ihr tatsächlich so eine schöne lange Eiweißkette entlocken kann. Wie das genau geschieht, kann ich mir noch nicht vorstellen, da bekomme ich aber vielleicht mal einen kleinen Einblick, wenn es passt.


    Aus dieser Kette, bestehend aus einer Aneinanderreihung von 4 verschiedenen Basen (gekürzelt C,G,T und A) sucht sich ein weiterer Wissender genau den Abschnitt heraus, der z.B. bei Weichbecherchen, der veränderliche ist, also der, aus dem man was lesen kann, was Unterschiede betrifft.
    Um so gleicher jetzt der veränderliche Abschnitt ist, desto näher sind demzufolge die untersuchten Arten verwandt.
    Um das zu managen, braucht man aber jetzt jmdn, der sich mit dem richtigen Auslesen des Sequenzabschnittes auskennt, auch die Programme dazu hat, das ganze vor- und rückwärts zu lesen und richtig interpretieren kann usw.


    Und dann ist es natürlich gut, wenn derjenige, die Information über die Nähe der Verwandtschaft der untersuchten Arten der Übersichtlichkeit halber in so Genbäumchen bastelt. Das wirst du im Netz finden oder ich kann beim nächsten Mal sowas einstellen. Aufpassen muss man halt bei so einer Gemeinschaftsproduktion, dass sich keiner übergangen fühlt. Also ich werde da jetzt kein aktuelles Genbäumchen zeigen, dass die Verwandtschaftsverhältnisse der "holzbewohnenden, verstecktwachsenden Weichbecherchen im Sommer 2016" präsentiert oder so ähnlich.


    Manchmal sind Sequenzen in der Genbank hinterlegt, auf die man Zugriff hat (da ist aber auch viel Bestimmungsmüll dabei).
    Andere behalten ihre Erkenntnisse logischerweise erst mal für sich, weil sie die irgendwann selbst publizieren wollen.


    Das ist alles sehr vereinfacht erzählt. Da kommt noch einiges an Problemen dazu, z.B., dass mitten in den Gensequenzabschnitten auch mal Stücke sind, die man rausschneiden muss oder auch verschiedene Untersuchungsmethoden, die natürlich je umfangreicher sie sind auch immer teurer werden.


    Ich las mal eine Anzeige eines spanischen Anbieters, der bot die Gensequenz (war es ITS?) für um die 35 Euronen an.
    Schätze, da gibt es aber erstens Qualitätsunterschiede, und dann wird man vielleicht auch Mengenrabatt bekommen. Inzwischen kann sich das auch geändert haben, schließlich ist das Thema momentan ein großes Thema.


    Das soll es erst mal für ´s erste sein. In meinem Geschriebenen sind sicherlich einige Dinge unfachmännisch oder suboptimal dargestellt, aber dann fühlt sich vielleicht der nächste bemüßigt, was dazu zu schreiben oder zu verbessern.


    Ich hänge später mal so einen Sequenzabschnitt mit an oder auch ein Bäumchen.


    VG Ingo W
    [hr]
    Hallo!


    Hier also mal ein unscharf gemachtes Sequenzbäumchen (damit ich keinen Ärger kriege), aber das Prinzip wird sicherlich klar.

    Mittig sind 3 grüne Einträge, das ist eine häufige Mollisia-Art, für die es aber bisher keinen guten Namen gibt.
    In dem Zusammenhang hat sich aber eine hinterlegte Sequenz einer Nebenfruchtform als höchstwahrscheinlich zugehörig erwiesen (die Gabel drüber, zwischendrin der "Zweig" ist unklar.).
    Da diese NFF einen publizierten Namen hat, wäre also das Problem der Mollisia-Namenslosigkeit theoretisch gelöst.



    VG Ingo W
    [hr]
    Und so muss man sich den in Buchstaben übersetzten relevanten Sequenzabschnitt vorstellen, den es auszuwerten gilt.
    Wie gesagt, 4 unterschiedliche Basen in Buchstabenform:


    AACCTGCGGAAGGATCATTAACAAACCTCAGGCGCTCGCGCCCACAGGTAACCCTTGAATAAACTAC


    CTTTGTTGCTTTGGCGGGCCGCCTTAGACTCTATAGCGAGGAGAAATTACTACCGTAGAACCTATCGGAACCGCCCGTGGACT
    TGAGGGCTGCAGCCAAAGCCGCAACCCCAACATCAAGCCTAAGCTTGGTCATTTGTGTTGTTCTTACGACGCTCGACTCCGGC
    CAGCGGCTTCGGCTGCTGCGCGCCCGCCAGAGGACCACAACTCTTGTTTTTAGTGATGTCTGAGTACTATATAATAGTTAAAAC
    TTTCAACAACGGATCTCTTGGTTCTGGCATCGATGAAGAACGCAGCGAAATGCGATAAGTAATGTGAATTGCAGAATTCAGTGAA
    TCATCGAATCTTTGAACGCACATTGCGCCCTTTGGTATTCCGAAGGGCATGCCTGTTCGAGCGTCATTATAACCACTCAAGCCTTC
    GCTTGGTATTGGGGCTCGCGGTCGCGCGGCCCCTAAAATCAGTGGCGGTGCCGGCTGGCTCTACGCGTAGTAATACTCCTCGCGTCT
    GGGTCCGGTCGGTTGCCTGCCAGCAA


    VG Ingo W

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    "Pilz nur von oben ist wie Käfer nur von unten"

    150-15 (APR 2022) = 135-5 (GnE-Wette verloren "über 11 gelöst") = 130+4 (am nächsten an der 222.Schnapps-Punktzahl) = 134+7 (7.Platz im APR 2022) = 141+4 (KISD-Prozente von GnE) = 145-15 (APR 2023) = 130+3 (10. Platz) = 133+3 (Unbewusst-Phal) = 136+5 (Lupus-Wette-APR-Sieger=ü300) = 141+5 (GnE-Gewinnsteuer-APR23) = 146+7 (Phalplatz 1) = 153-20 (APR 2024) = 133

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    Einmal editiert, zuletzt von Ingo W ()

  • Irgendwann ist die Kultur so weit, dass man ihr tatsächlich so eine schöne lange Eiweißkette entlocken kann.


    Aus dieser Kette, bestehend aus einer Aneinanderreihung von 4 verschiedenen Basen (gekürzelt C,G,T und A) ...


    Hallo Ingo,
    da bin ich jetzt neugierig, was du mit dem anlegen einer Kultur meinst, um die Pilz-DNS zu gewinen? Auf jeden Fall darfst du nicht Proteine (Kette aus Aminosäuren) mit DNS (Kette aus Basenpaaren) verwechseln ;)


    Wie genau ein Molekularbiologe bei der Pilz-Sequenzierung vorgeht, weiß ich auch nicht. Ich habe nur mal für die Diplomarbeit ein Protein gebastelt, das ich dann untersuchen konnte:
    Aus einer Gen-Datenbank eine Sequenz kopiert, am Rechner die Basen ein wenig umgeschrieben (für etwas andere Eigenschaften und mit Codons, die E. coli lieber mag), dann die DNA von einer Firma sythetisieren lassen. Kam wenige Tage später per Post für ein paar Euro. Die konnte ich dann mit passenden Restriktionsendonukleasen zerschnippeln, mit Ligasen in ein Plasmid kleben und in Bakterien packen, die mir dann mein Protein gebastelt haben. Kurzform.


    Umgekehrt habe ich auch einmal eine kleine DNA-Sequenz per PCR (lohnt sich, das Prinzip der Technik zu verstehen. Nicht schwierig) vervielfältigt und sequenzieren lassen. Das Wichtigste hierbei sind die Primer, also Genseuenzen an Anfang und Ende des gewünschten Abschnitts. Diese müssen also vorher aus den Datenbanken bekannt sein, das wird bei den Pilzen nicht anders sein. Da gibt es bestimmt für einzelne Gattungen/Fragestellungen bestimmte Regionen, die sinnvollerweise zu untersuchen sind.

  • Hallo Verena!


    Ja, genau, "Primer" schon hundertmal gehört.
    Und ITS4 und LSU und sicherlich 20 andere Begriffe in dem Zusammenhang. Ich bin da aber nicht im Detail auf der Versteherseite. Schätze, das ist ein Fachgebiet, das man lernen muss.


    Um auf deine Frage zurückzukommen: ich weiß, dass die schnelle Variante ist, wenn man ein sauberes Pilzstück dazu bringt, für die Sequenz tauglich zu sein und dann kenne ich eben das Verfahren, dass man über die Sporen erst eine Reinkultur anlegt.
    Genaueres über diese Sequenzierungen müssen die erklären, die vom Fach sind, ich fühle mich eher zum Pilzbestimmen und -dokumentieren berufen.


    VG Ingo W

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    das Thema umfassend in einer Antwort zu erläutern ist ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem finde ich das schon sehr schwierig, solch ein Thema in einfachen Worten zu beschreiben, zumal auch viele Leute hier im Forum nicht einmal die Grundlagen für die ganze Sache kennen. (nicht als Vorwurf gemeint) Ich habe dieses Jahr im Februar ein Pilzsequenzierkurs bei Marco Thines absolviert; nebenbei bin ich auch noch studierter Biochemiker. ;) Heute schreibe ich garantiert nix mehr dazu, aber in den nächsten Tagen bin ich gern bereit auf einzelne Sachen einzugehen punktuell einzugehen, so dass im Laufe der Zeit ein vollständiges Bild von der Thematik entsteht.


    Übrigens ist das auch kein Thema für nur einen Abend mit einem Kasten Bier. ;) Machen wir mal ne Woche draus, dann trifft es die Sache schon eher.


    l.g.
    Stefan

  • Hi Stefan!

    Zitat


    Übrigens ist das auch kein Thema für nur einen Abend mit einem Kasten Bier.


    Wer mich kennt, weiß, dass meine Abende im richtigen Umfeld immer länger dauern. Da kann man schon einiges bereden.
    Und bis zum Aufbau der einzelnen Moleküle muss man am ersten Abend sicher nicht gehen.
    Hast aber recht, wir sollten 2 Kästen kaufen!


    Zitat


    das Thema umfassend in einer Antwort zu erläutern ist ein Ding der Unmöglichkeit.


    Hat keiner verlangt.


    Zitat


    Außerdem finde ich das schon sehr schwierig, solch ein Thema in einfachen Worten zu beschreiben,.....


    Liegt das am Thema oder an dir?


    Zitat


    Ich habe dieses Jahr im Februar ein Pilzsequenzierkurs bei Marco Thines absolviert;


    Wie kann man da jetzt von dir profitieren? Wozu kann man dich einspannen?


    Zitat


    Heute schreibe ich garantiert nix mehr dazu, aber in den nächsten Tagen bin ich gern bereit auf einzelne Sachen einzugehen punktuell einzugehen, so dass im Laufe der Zeit ein vollständiges Bild von der Thematik entsteht.


    Na ist doch super!


    VG Ingo W

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  • Außerdem finde ich das schon sehr schwierig, solch ein Thema in einfachen Worten zu beschreiben.


    Eine Thematik sich selbst aneignen oder didaktisch für andere aufarbeiten sind zwei paar Schuhe. Ich wette, Armin Maiwald könnte problemlos die Gentechnik auf Grundschulniveau abhandeln :D


    Aber hast schon recht, Stefan. Ich wüsste auch nicht, wie ich an dieser Stelle etwas zum Thema beitragen könnte - das Publikum wäre einfach in seiner Heterogenität nicht greifbar.
    => also gerade deshalb absolut etwas für einen Bierkasten-Abend :thumbup:


    Man könnte aber ein paar Dinge zur Auffrischung des Allgemeinwissens empfehlen, die heutzutage auch im Bio-Schulunterricht vorkommen. Ich finde, wer in Sachen Gentechnik eine Meinung haben will, sollte zumindest eine grobe Vorstellung davon haben, wie DNA/RNA aufgebaut sind und wie ein Gen zum Protein translatiert wird. Gibt es schön bunt und beliebig stark vereinfacht. Nebenbei versteht man auch, warum Galerina marginata giftig ist ;)


    Vielleicht noch die Werkzeuge/Methoden des Gentechnikers. Was bald (auch buchstäblich :D ) in aller Munde sein wird, ist die CRISPR/Cas-Methode. Revolution!


    Wer will, kann natürlich beliebig tief in Bioinformatik oder -chemie abtauchen, aber damit muss man Leute nicht verschrecken. Ist ja kein Hexenwerk.


    Mich würde dann konkret die Arbeit eines Pilz-Sequenzierers interessieren. Z.B., wie Ingo bereits schrieb, dass man nicht einfach ein beliebiges Pilzstückchen aus Hutfleisch oder Stiel zur DNA-Gewinnung verwendet (Gefahr der Kontamination? Mehrere Zellkerne pro Hyphe schlecht?), sondern eine Kultur aus den Sporen anzieht. Wie man Sequenzabschnitte auswählt, Stärken und Schwächen der Methoden, usw...

  • Wow, ich glaube, wenn ich die Antworten von Euch oben so lese, das ist kein Thema für mich... aber wenn Armin das erklärt, versteh' ich es bestimmt auch. ;)


    Liebe Craterelle, da hast Du Dir was vorgenommen! Aber es gibt bestimmt einige, die hier interessiert mitlesen werden.

    • Offizieller Beitrag

    MoinMoin!


    Aber das mit dem Anlegen von Kulturen, aus denen man die Sequenz zieht, galt ja nur notwendigerweise für die Ascomyceten - Gruppen, bei denen die ITS - Sequenzen nutzlos sind, dachte ich? Bei den allermeisten Basidiomyceten nimmt man ja diesen Abschnitt (bitte nicht mich fragen, wofür genau der steht und nach welchen Primern der abzulesen ist), was sich bislang bewährt hat. Da reicht dann ja ein Fitzelchen Hymenium, auch aus Exsikaten, um an eine ITS - Sequenz zu kommen (mit relativ geringer Fehlerquote).



    LG; Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    äähm ja, wo fange ich an? :D Erstmal eins vorweg. Dass ich hier sehr große Probleme haben werde bestimmte Dinge einfach und verständlich zu beschreiben liegt an mir; andererseits auch am Thema. Das ist immer das Problem, wo fängt man an, wo hört man auf und wie detailliert soll es werden?
    Es soll ja das ganze Forum was davon haben und nicht nur diejenigen unter euch mit einer Molekularbiologischen Ausbildung. :evil:


    Thema Kulturen anlegen: das ist sehr wichtig; egal ob die ITS-Region nun sequenziert werden soll oder eine andere Gensequenz. Man braucht für die Seqenzierung den Pilz sorten- ääh "artenrein". :giggle: Es ist sehr wichtig, dass keine pilzliche Fremd-DNA in der Probe enthalten ist, denn dann kommt bei der Sequenzierung nur Müll raus (Probe nicht auswertbar). Das ist insbesondere dann wichtig, wenn das Pilzmaterial (meist anamorphe Pilze) schon auf einem Substrat (Agarplatte) angezüchtet wurde. In den allermeisten Fällen kommt dann nämlich neben dem "Bestimmling" noch andere Schimmelpilze auf die Agarplatte, die neben dem "Bestimmling" lustig darauf wachsen. Also muss man den "Bestimmling" auf eine frische neue Agarplatte aufimpfen und hoffen, dass die Begleitpilze nicht mehr auf der neuen Platte erscheinen. Erst dann lohnt sich die Sequenzierung...


    Dass viele Ascomyceten mittels der ITS-Region nicht bestimmbar sind, liegt daran, dass sich die besagte Gen-Sequenz bei denen nicht oder nur marginal unterscheidet. Die Methode funktioniert theorethisch wunderbar, nur kann man dieser dieser Sequenz dann sehr viele Arten zuordnen...


    Bei den Großpilzen mit Hut und Stiel ist das Anlegen von Kulturen nicht notwendig, da man einfach den Fruchtkörper/Exsiccat zerteilen kann und dann vom "Inneren" eine Probe für die Sequenzierung zu entnehmen.


    l.g.
    Stefan

  • Hallo,


    euch allen danke für eure Antworten. Ich hatte das Thema übrigens absichtlich nicht im Wissenschaftsbereich platziert und bin froh, wenn es möglichst allgemeinverständlich bleibt.


    Ingo: große Klasse! Guter Start, um sich das ganze besser vorstellen zu können anstatt es als 'ohnehin zu kompliziert' abzutun.


    Den Schritt mit den Kulturen hatte meine Imagination einfach übersprungen. Aber das wird ja anscheinend auch nicht immer gemacht, sondern wenn ich Pablos Post richtig verstehe nur bei Ascos?


    Richtig spannend wird es dann wieder bei der Buchstabenfolge. Dabei steht jeder Buchstabe also für ein Basenpaar, richtig?


    Und diese Folge dürfte ziemlich lang sein. Ich kriege nicht so recht raus, wie lang. Die Bäckerhefe (zumindest mal etwas aus dem Pilzreich) soll um die 20 Mio. haben, andere Organismen (Mensch, Fichte u.a.) mehrere bis ziemlich viele Milliarden. Nehmen wir mal an, wir liegen irgendwo dazwischen.


    Die guckt man sich jetzt aber nicht alle an, sondern nur ganz bestimmte Abschnitte (und man braucht im Idealfall auch gar nicht das vollständige Genom zu sequenzieren, sondern eben nur Teile davon, die man mit Hilfe geeigneter Primer gezielt, also nur abschnittsweise, replizieren kann).


    Das funktioniert evtl. nicht bei allen Pilzen(?), aber bei ziemlich vielen, und dieser "interessante" Abschnitt (oder gibt es mehrere?) hat dann nur noch 500-600 Basenpaare.


    Ganz interessant fand ich dieses Dokument: http://www.lag-gentechnik.de/dokumente/uam-methoden/028.pdf
    Darauf bin ich gestoßen, als ich versucht habe herauszufinden, wofür ITS steht. Wird da u.a. auch erklärt.


    Ich bin noch nicht durch damit...


    LG, Craterelle

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Klar kann man auch bei Basidiomyceten Kulturen anlegen. Das ist natürlich besser als Sequenzen aus Exsikaten. Nur braucht man dann halt auch lebendiges Material.
    Bei vielen Krusten und Porlingen werden auch Kulturversuche gemacht, um das Verhalten des Mycels zu beobachten. Auch das ist oft sehr aufschlussreich, ebenso wie Kreuzungsversuche.
    Bei vielen Symbionten ist das mit der Kultur halt ungleich komplizierter und mit enormem Aufwand verbunden.



    LG, Pablo.

  • Hallo Craterelle,


    Danke für das Protokoll! Darin sind alle Details beschrieben, man könnte also sofort loslegen :thumbup:


    Wie man sieht, ist eine PCR technisch ganz einfach: 25 µl Puffer, Primer, DNA-Probe, Polymerase und Nukleotide zusammenpipettieren und dann abwechselnd (hier 35 x) heiß-kalt machen. Geht prinzipiell auch mit Stoppuhr im Wasserbad, wenn man keinen Thermocycler hat. Man muss nur höllisch aufpassen, sauber zu arbeiten. Theoretisch reicht nur ein DNA-Molekül als Verunreinigung, denn jede (!) Zelle jedes (!) Lebewesens hat ja Ribosomen (deren Codierung auf der DNA hier untersucht wird, rDNA).


    Stefan, wollen wir versuchen, noch etwas nach Art der Maus zu beschreiben? Z.B.
    - Unterschied DNA - RNA (rDNA, rRNA)
    - was ist ein Ribosom (Proteinsynthese, Kennzeichnung Untereinheiten im obigen Protokoll)
    - wieso eignet sich gerade dieser DNA-Abschnitt im Genom von Lebewesen, der für die Ribosomen codiert (rDNA), so gut für phylogenetische Untersuchungen
    - was hat es mit den ITS-Sequenzen auf der rDNA auf sich (Exons, Introns, Spleißen)
    - Sequenzierungsmethoden
    - Bioinformatik (Sequenz-Alignments, Datenbanken)


    Ich glaube, viel mehr bräuchte man gar nicht an Theorie für dieses Thema. Der Teufel steckt dann in der Praxis :D

  • Hallo Ingo,


    das Sequenzbäumchen verstehe ich übrigens nicht wirklich. Was genau passiert an den Verzweigungen? Irgendeine Übereinstimmung bis dahin und ab da keine Übereinstimmung mehr, soviel ist wohl klar. Gibt das Bäumchen mehr Info her, wenn die Schrift leserbar ist?


    Noch ein sehr gute Erläuterung, wie man es überhaupt hinbekommt, gezielt nur bestimmte Teile der DNA zu untersuchen: http://forum.pilze-bayern.de/index.php?topic=1112.0 Hier das ganz am Ende verlinkte PDF. Zuvor muss man natürlich herausgefunden haben, welche Teile interessant sind.


    Dann noch einmal zurück zu der Frage, wie variabel das Genom einer Pilzart nun ist. Da die Vermehrung ja asexuell ist, sollte die genetische Variabilität innerhalb einer Art wohl ziemlich gering sein? Das in meinem letzten Post verlinkte Dokument gibt zwar Grenzen an, aber die Einheiten (bits?) werden nicht erklärt.


    Verena (& Stefan?): Ich wäre begeistert, wenn ihr euch das Mauskostüm anzieht!


    LG, Craterelle

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    also erstmal bezweifel ich, dass ich mir ein Mauskostüm anziehe, denn da passe ich gar nicht rein. :giggle: Gut Scherz beiseite.


    Die Sache mit den Kulturen anlegen habe ich ja schon oben erklärt. DAs dient nur dazu einen artenreinen Pilz für die Sequenzierung zu haben. Mit Wachstumsversuchen auf welchem Substrat welcher Pilz wächst, bzw. wie das Mycel auf dme Substrat aussieht, hat das nix zu tun. Exsiccate sind sehr wohl für eine Sequenzierung geeignet; sie dürfen nur nicht zu heiß getrocknet werden. Das ist aber eine andere Geschichte.


    Kommen wir zu dem phyllogenetischen Bäumchen. Das wichtigste, was man dazu verstehen muss, dass es sich dabei nur um eine Art wahrscheinlichkeitsbasiertes Modell handelt. Es ist keinesfalls so, dass die Arten/Gruppen, die weiter vorne abgespalten werden, sich auch eher im Gensquenzverlauf voeinander abweichen. Dem ist defintiv nicht so.
    Die ermittelte Sequenz des Bestimmlings wird mit anderen Sequenzen anderer Arten verglichen. Die daraus ermittelten Unterschiede werden nach bestimmten, von Menschen nicht mehr manuell durchführbaren, Algorithmen berechnet.
    Der Baum sagt aus, wie nahe verwandt bestimmte Pilzarten sind. Zu jeder Abzweigung gehört noch ein Signifikanzniveau. Je höher das ist (im Idealfall 99%) desto statistisch wahrscheinlicher ist auch, dass die dort aufgespaltenen Gruppen, Arten auch wirklich "was eigenes" sind. Solche Bäume richtig zu lesen ist eine Kunst, die ich auch nur teilweise beherrsche. Was man sich aber in jedem Fall im Hinterkopf haben sollte, dass hinter solchen Bäumen statistische Rechenmodelle stehen.


    l.g.
    Stefan



    l.g.
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    MoinMoin!



    Da die Vermehrung ja asexuell ist,


    Prinzipiell können Pilze beides. Die meisten Arten, die man so als Sammler mit Einstieg über die Speisepilze wahrnimmt, verzichten auf asexuelle vermehrung (Nebenfruchtformen, Konidien usw.), sondern vermehren sich ausschließlich geschlechtlich. Dazu sind ja die ganzen fruchtkörper da, die dienen der Produktion von Sporen zur geschlchtlichen Vermehrung.
    Andere Pilze (Hefen usw.) bilden gar keine Fruchtkörper und vermehren sich ausschließlich asexuell über Konidienbildung.


    Eine große große Vielzahl von Arten kann beides, und das in ganz unterschiedlicher Form. Bisweilen hat man dann beides schön zusammen (Anamorphe und Teleomorphe), wie zB bei den Holzkeulen und Verwandten. Bei anderen Pilzen ist das bisweilen völlig diffus, die ungeschlechtlichen nebenfruchtformen treten zu anderen Zeiten, an ganz anderen Stellen und auf anderen Substraten auf als die Hauoptfruchtformen. Da kommt es dann zu solchen lustigen Konstellationen wie oben von Ingo beschrieben: Man forscht lange an einem Becherchen (Hauptfruchtform, fertil) herum, und findet irgendwo dann in einer Genbank eine passende Sequenz zu einer Nebenfruchtform (asexuell). Morphologisch hätte man beides niemals zusammen gebracht, aber genetisch sind die Ähnlichkeiten in den relevanten Abschnitten eben so groß, daß es nur eine Art sein kann.



    LG, Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Andere Pilze (Hefen usw.) bilden gar keine Fruchtkörper und vermehren sich ausschließlich asexuell über Konidienbildung.


    Hallo,


    Hefen vermehren sich sehr wohl sexuell; ich habe schon Bilder der Bäckerhefe gesehen, die Asci bilden. ;)


    l.g.
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Oha?


    Na dann sollte ich es besser so ausdrücken: Von vielen Pilzen kennen wir nur die asexuellen Formen, von anderen nur die Sexuellen. Das zusammen zu bringen ist nicht immer leicht, bei so komplizierten und wenig untersuchten lebewesen wie Pilzen.



    LG; Pablo.

  • Ok, noch mal zu der Sache mit dem Sex.


    Da sich Pilze also sexuell vermehren, kommt es zu ständiger Rekombination genetisch leicht verschiedener Varianten, und auch die Herausbildung lokaler "Stämme" erscheint nicht ausgeschlossen. Genetisch identisch wären dann ja vermutlich nur mehrere Pilzkörper desselben Mycels.


    Wie zieht man aber jetzt die Abgrenzung zwischen genetisch (weniger) verschiedenen Individuen einer Art und genetisch (stärker) verschiedenen Individuen zwei nahestehender Arten?


    Im Tierreich macht man das soweit ich weiß an der (biologischen) Fähigkeit fest, sich miteinander erfolgreich zu vermehren. Also: Wolf und Haushund miteinander kreuzbar => keine Arten, nur Unterart. Pferd und Esel kreuzbar, aber sterile Nachkommen => verschiedene Arten. Bei Pflanzen vermute ich ähnliches. Aber bei Pilzen? Für mich praktisch nicht so recht vorstellbar.

    • Offizieller Beitrag


    "Da sich Pilze also sexuell vermehren, kommt es zu ständiger Rekombination genetisch leicht verschiedener Varianten, und auch die Herausbildung lokaler "Stämme" erscheint nicht ausgeschlossen. Genetisch identisch wären dann ja vermutlich nur mehrere Pilzkörper desselben Mycels."



    :thumbup: Vollkommen richtig.


    "Wie zieht man aber jetzt die Abgrenzung zwischen genetisch (weniger) verschiedenen Individuen einer Art und genetisch (stärker) verschiedenen Individuen zwei nahestehender Arten?"



    Das erfolgt mehr oder minder willkürlich. Der Mensch setzt eine Grenze, wie stark die Sequenz abweichen darf. Alles was an Abweichungen über dem Schwellenwert liegt, ist dann eine neue Art. Natürlich ist auch die Auswahl der Gensequenz wichtig. Diese muss konservierte Bereiche haben und auch "artindividuelle". Bisher hat sich zumindest bei den Basidiomyceten die sog. ITS-Region eingebürgert. Ich denke mal, dass noch weitere Genabschnitte in den nächsten Jahren hinzukommen, so dass der Vergleich der Sequenzen unterscheidlicher Bereiche dann noch eine größere Aussagekraft hat.

    "Im Tierreich macht man das soweit ich weiß an der (biologischen) Fähigkeit fest, sich miteinander erfolgreich zu vermehren. Also: Wolf und Haushund miteinander kreuzbar => keine Arten, nur Unterart. Pferd und Esel kreuzbar, aber sterile Nachkommen => verschiedene Arten. Bei Pflanzen vermute ich ähnliches. Aber bei Pilzen? Für mich praktisch nicht so recht vorstellbar."


    Das ist die klassische Artdefinition. Das lässt sich bei Großpilzen nur schwer prüfen, ob mögliche Nachkommen auch fruchtbar sind. Während man bei Tieren und Pflanzen die Fruchtbarkeit der Nachkommen recht einfach prüfen kann, gestaltet sich das bei den Pilzen als recht schwer, eben weil viele Arten erst bei bestimmten Bediungen sich sexuell fortpflanzen, bzw. viele Arten ( ua. die ganzen Mykorrhizapilze) nicht kultivierbar sind.


    l.g.
    Stefan

  • Das erfolgt mehr oder minder willkürlich. Der Mensch setzt eine Grenze, wie stark die Sequenz abweichen darf. Alles was an Abweichungen über dem Schwellenwert liegt, ist dann eine neue Art. Natürlich ist auch die Auswahl der Gensequenz wichtig. Diese muss konservierte Bereiche haben und auch "artindividuelle". Bisher hat sich zumindest bei den Basidiomyceten die sog. ITS-Region eingebürgert. Ich denke mal, dass noch weitere Genabschnitte in den nächsten Jahren hinzukommen, so dass der Vergleich der Sequenzen unterscheidlicher Bereiche dann noch eine größere Aussagekraft hat.


    Hallo Stefan,


    Danke für deine Antwort.


    "Willkürlich" lässt erstmal aufhorchen 8|


    Es gibt aber dann sicherlich wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit dieser Festlegung beschäftigen?


    LG, Craterelle

    • Offizieller Beitrag


    Hallo,


    na ja. Das ganze steckt noch mehr oder minder in den Kinderschuhen. Aber diese Kritik ist auf alle Fälle berechtigt. Es geht ja nicht nur um die abwechende Gensequenz, sondern auch um die makro- und mikromorphologischen Unterschiede. Inwieweit neue Arten definiert werden, die alle die gleiche morphologischen Merkmale haben, nur stark unterscheidliche Gensequenzen. Ich werde die Frage gern mal mit Marco Thines und/oder Bernd Oertel diskutieren. Die sehe ich ja auf der DGfM-Tagung.


    Übrigens fällt mir zu dem Thema auch noch eine Aussage von Heinrich Dörfelt ein. "Es gibt eigentlich keine Arten". :giggle: :evil: Er hat das etwas provokant formuliert, hat aber im Grunde recht. Der Mensch will/muss alles in Schubladen stecken. Dem Pilz ist es egal, wie er heißt...


    l.g.
    Stefan