Hilft es den Pilzmycelien die Fruchtkörper stehen zu lassen?

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  • In der Praxis finde ich z.B. 3 Steinpilze in verschiedenem Alter.
    Ein golfballgroßes Baby.
    Einen Jungen mit noch beigen Röhren.
    Einen großen mit grünen Röhren.


    Mein Revier ist mir viel Wert und ich möchte es pflegen. Die Erntemenge ist mir nicht so wichtig.
    Wie gehe ich korrekt vor? Schade ich den Pilzen durch Sammeln überhaupt?
    Was haltet ihr von folgenden Gedanken?


    Ich lasse das Baby stehen. Es wird noch groß.
    Ich nehme das Baby mit. Champignonzüchter schneiden ihre Pilze auch ganz klein ab und schaden der Kultur nicht.
    Ein Fruchtkörper weniger stärkt das Mycel.


    Ich sehe dass der jugendliche Pilz schon von angefressen ist und schneide ihn ab. Der wird eh von Würmen zerfressen. Ich kann zumindest noch Teile der Kappe verwenden.
    Ich lasse den Jungspund stehen. Vielleicht sport er noch aus.


    Ich nehme den großen Steinpilz mit, auch wenn ich mit großer Wahrscheinlichkeit 2/3 davon wegwerfen muss. Er hat seine Sporen ohnehin schon verbreitet.
    Ich mache dem großen einen Schnitt in die Kappe und schaue rein ob es das abschneiden lohnt. Wenn nicht bleibt er stehen.
    Ich lasse den großen stehen, auch wenn er verrottet wird er noch wertvoll zur Verbreitung beitragen.
    Ich verteile die verwurmten Pilzstücke im Wald um Nachwuchs zu fördern.

    • Offizieller Beitrag

    Hi.


    Naja, dem Mycel, das die Fruchtkörper produziert, schadet das Absammeln nichts.
    Die Sache ist nur die: Für den Gesamtbestand einer Art sind die Fruchtkörper wichtig, damit sich die Mycelien reproduzieren und entwickeln können. Je mehr Fruchtkörper im Wald stehen und Sporen verbreiten, desto besser funktioniert das evolutionäre System der genetischen Durchmischung, die Art (als Gesamtbestand aller einzelnen Organismen / Mycelien) kann sich viel besser auch kurzfristig an Veränderungen anpassen, wird wiederstandsfähiger und damit weniger bedroht.


    Und die Sporulation funktioniert eben am besten, wenn die Fruchtkörper einfach da stehen blieben, wo sie wachsen. Allerdings: Bei einer häufigen Art wie dem Fichtensteinpilz (Boletus edulis) muss man dennoch kein schlechtes Gewissen haben, wenn man Fruchtkörper sammelt. Nun ist es ja so, daß man alte Fruchtkörper ohnehin stehen lassen sollte, auch weil die einfach nicht mehr frisch sind und ersten nicht mehr so gut schmecken und zweiten rasch verderben oder schon verdorben sind. Zur Sporenverbreitung taugen sie aber allemal noch.


    Bei Steinpilzen ist es so: Die Sporulation beginnt, wenn sich die Röhren umfärben (von weiß nach gelb). Vorher verbreitet der Pilz keine Sporen, die sind einfach nicht reif. Die Sporulation hält dann sehr lange an: Auch wenn der Reifeprozess abgeschlossen ist (also alle Sporen zur Reife gebracht sind und keine neuen mehr produziert werden), verteilt der "Steinpilzopa", der im Wald steht immer noch fleißig seine Sporen. In den Röhren, auf Hut- und Stieloberfläche eines vergehenden Fruchtkörpers liegen immer noch hunderttausende Sporen, die nach und nach in die Umgebung freigesetzt werden. und das auf ganz unterschiedliche Weisen: Nicht nur Wind und Regen verteilen die Sporen, sondern auch sämtliche Waldtierchen, die über den Pilz krabbeln, davon naschen und dann weiter ziehen. Die Sporenverteilung durch Tiere ist vermutlich noch effizienter als die durch die Luft. Die Sporen legen zwar keine so großen Distanzen zurück, werden aber im kleineren Umkreis großzügig verteilt, auch im Radius benachbarter Mycelien und direkt in der passenden ökologischen Nische, so daß eine sehr effiziente Durchmischung entsteht.


    Bei ganz jungen ist es halt mengenmäßig wenig effizient, die zu sammeln, wenn sie nach zwei Tagen ausgewachsen sind, hat man da einen viel besseren Ertrag. Sofern nicht die Schnecken schneller waren. Und Sporen haben sie ja auch nicht verbreitet. Aber hier ist eben auch richtig, daß das Mycel in die versorgung und das Wachstum Energie verwendet, wenn der Fruchtkörper entnommen wird (egal ob von einer Schnecke oder von einem Pilzsammler verspeist), kann die Energie anders verwendet werden.


    Persönlich nehme ich dennoch keine "Embryos" mit, also solche Fruchtkörper, die eben erst als noch völlig geschlossene Knubbel dir Erdoberfläche durchbrechen, bleiben immer stehen.
    Und bei allen Röhrlingen lasse ich alles stehen, was einen weichen Hut hat oder einen weichen Stiel. Beides kann man ja testen ohne den Fruchtkörper abzumachen, da reicht ein leichter Druck mit dem Finger. Somit habe ich nur wirklich hübsche "Ware" im Korb und es bleiben immer eine Menge Fruchtkörper im Wald zurück.



    LG; Pablo.


  • Auch wenn der Reifeprozess abgeschlossen ist (also alle Sporen zur Reife gebracht sind und keine neuen mehr produziert werden), verteilt der "Steinpilzopa", der im Wald steht immer noch fleißig seine Sporen. In den Röhren, auf Hut- und Stieloberfläche eines vergehenden Fruchtkörpers liegen immer noch hunderttausende Sporen, die nach und nach in die Umgebung freigesetzt werden.



    LG; Pablo.


    Dann nutzt es also, die alten Schwämme die ohnehin entfernt werden an einem anderen Ort zu verteilen?

  • Dann nutzt es also, die alten Schwämme die ohnehin entfernt werden an einem anderen Ort zu verteilen?


    Genau. Wenn du selber mykorrhizabildende Bäume im Garten hast (v. a. Buche, Hainbuche, Eiche, Fichte), verteile die Schwämme praktischerweise dort, vielleicht bekommst du irgendwann mal im eigenen Garten Steinpilze.


    Zum Thema Stehenlassen junger Pilze:
    kannst du natürlich machen, aber sei nicht enttäuscht, wenn du ein paar Tage später wieder hinkommst und sie weg sind (Schnecken, andere Sammler...)


    FG
    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Wobei natürlich die Ökologie passen muss. Also mal den Steinpilz (Boletus edulis) als Beispiel: Wenn in deinem Garten und den Nachbargärten nur Ahorn, Eberesche und Rosskastanie wachsen, dann kannst du da tonnenweise Stienpilzschwämme ausbringen, es wird trotzdem nie einer wachsen. Weil es keinen Mykorrhizapartner gibt.
    Ebenso kannst du die Schwämme in einem Auwald mit schwerem, zeitweise überschwemmtem Schwemmsandboden selbst dann nicht ausbringen, wenn da zufällig eine Pappel, Eiche oder Hasel drin steht: Dann wäre zwar ein möglicher Mykorrhizapartner da, aber die Bodenökologie geht nicht.
    Insofern: Es müssen schon mehrere Faktoren zusammenpassen.



    LG, Pablo.


  • Zum Thema Stehenlassen junger Pilze:
    kannst du natürlich machen, aber sei nicht enttäuscht, wenn du ein paar Tage später wieder hinkommst und sie weg sind (Schnecken, andere Sammler...


    In meinem Revier gibt es keine anderen Sammler, so dass ich wunderbar die Entwicklung studieren kann.
    Pfifferlinge habe ich gelegentlich schon 2 Wochen wachsen lassen vor der Ernte.


    Bei Stehenlassen von Steinpilzen habe ich eher das Problem, dass ich es einem Pilz kaum ansehen kann ob er noch wachsen wird.
    Manchmal funktioniert es, aber genauso oft ist es dann 4 Tage später ein vergammeltes Baby, das nicht mehr in die Puschen gekommen ist.