Hallo in die Runde!
Wie seit vielen Jahren war ich mit meiner Frau und einigen Freunden am letzten Septemberwochenende im Fichtelgebirge bei Vordorfermühle unterwegs.
Und wie bereits im letzten Jahr war während zweier Wanderungen Matthias (Mreul) mit von der Partie, ohne den dieser Beitrag nicht entstanden wäre.
Warum?
Nun, so pilzarm habe ich die ausgedehnten Wiesen und Wälder in dieser Region noch nie in dieser Jahreszeit gesehen.
Großpilze, über die man sonst Ende September, Anfang Oktober regelrecht stolpert, gab es so gut wie keine bis auf....................Doch dazu später.
Keine Pilze ist natürlich kein Thema für Matthias, der immer etwas findet und das auch noch einzigartig im Bild festhalten kann.
Und so waren es vor allem einige seiner Bilder, die mich zu diesem Thread inspirierten.
So etwas Schönes muss einfach gezeigt werden, dachte ich mir, weswegen ich im Moment am Schreiben dieser Zeilen bin.
Die moosigen Waldränder sind bei optimalem Wetter normalerweise ein Eldorado für Wiesenpilze - dieses Jahr bisher leider nicht.
Auch wenn wir einige wenige Saftlinge, Ellerlinge, Rötlinge und natürlich die obligaten Häublinge fanden. (Die nächsten beiden Fotos: Matthias)
Und diesen hübschen Gesellen: Gelbweißer Helmling (Atheniella flavoalba, einst Mycena).
Den Zunderschwämmen macht die Trockenheit nichts aus - Hauptsache, sie haben ihre alten Buchen.
Ab hier übernimmt wieder Matthias die Kamera.
Und hat auch bald darauf den König der Fliegenpilze entdeckt.
Dann war Matthias verschwunden. Ich fragte meine Freunde, ob sie ihn gesehen hätten. Sie deuteten nach hinten und meinten, er läge da.
Und tatsächlich sah ich einige Meter zurück ein paar Füße auf dem Weg liegen, während der restliche Körper inklusive Fototechnik in einem Farndickicht verschwunden war.
Soviel Einsatz muss man schon zeigen, um solch atemberaubende Aufnahmen wie die folgenden zu machen.
Hier war Matthias einem der kleinsten heimischen Blätterpilze auf der Spur, dem
Farn-Helmling (Mycena pterigena)
Die ganze Schönheit dieser Winzlinge hat er in der folgenden Collage eingefangen. Und ein Fadenkeulchen (Typhula) vielleicht auch?
Nun ja, für Matthias waren das Großpilze!
Was er unter Kleinpilzen verstand, sollte sich bald zeigen.
Am Zinnschützweiher entdeckte ich eine Weide mit vielen "verschimmelten" Blättern!
Die Diagnose Mehltau war schnell gestellt und Matthias nahm einige der befallenen Blätter zur weiteren Bearbeitung mit nach Hause.
Die Untersuchung ergab, dass es sich hier um den Salweiden-Mehltau (Erysiphe capreae) handelt, der an sich nur als weißlicher Belag an Blättern der Salweide
(Salix caprea) wahrnehmbar ist. Das ist natürlich nur das Myzel. Die braunen Kügelchen (Cleistothecien) darauf sind die eigentlichen Fruchtkörper.
Diese sind etwa 0,1 bis maximal 0,2 mm klein!
Die hyalinen, an den Enden spazierstockartig gekrümmten Haare sind etwa ebenso lang. Matthias hat sie auf den folgenden Bildern ins rechte Licht gerückt.
Hier ist es ihm wieder einmal gelungen, das "Unsichtbare" sichtbar zu machen.
Sind die Aufnahmen nicht der Wahnsinn!!!
Und weiter geht's.
Aus einem mit Wasser gefüllten Graben zog Matthias schließlich ein Holzstöckchen mit "einem weißen Hauch von Nichts".
Selbst unter der 10fach-Lupe konnte ich an der Oberfläche nur einige unglaublich winzige Pünktchen ausmachen.
Matthias hatte spontan die Idee, dass es sich um Pseudaegerita corticalis handeln könnte, einen aero-aquatischen Hyphomyceten,
den er bereits kannte und was sich nach der mikroskopischen Untersuchung auch bestätigte. Es geht also noch kleiner!
Die Sporodochien (Sporenlager) sind um die 50 µm groß, mit anderen Worten 0,05 mm!
Und so sieht das extrem vergrößert aus.
Aero-aquatische Hyphomyceten - was ist das denn?
Für alle, die es interessiert, eine kurze und einfache Erläuterung (frei nach Hermann Voglmayr "Die aero-aquatischen Pilze des Sauwaldgebietes").
Aero-aquatische Hyphomyceten sind niedere Pilze, die an ein Leben in stehenden Gewässern angepasst sind. Sie brauchen sowohl Luft als auch Wasser zum Leben.
Deshalb muss man sie in den Uferbereichen gelegentlich trockenfallender Gewässer suchen.
Die komplexen und vielzelligen Sporen müssen in den Trockenphasen Luft aufnehmen,
um bei Reife im Gewässer an der Oberfläche zu treiben und ins Wasser gefallene Blätter oder Ästchen besiedeln zu können, bevor diese auf den Grund sinken.
Nach dem Absinken entwickeln sich die Mycelien unter Wasser weiter und bilden die erwähnten Sporochondien.
Diese benötigen nun wieder Luft, damit die Sporen für die weitere Verbreitung Sauerstoff aufnehmen können. Womit der Zyklus geschlossen wäre!
Nach all der Theorie dürft Ihr nun die folgende Collage ganz in Ruhe genießen!
Jemand noch wach? Nach diesem Ausflug in die Mikrowelt!
Gut, dann habe ich doch noch einen Großpilz für Euch, wenn auch keinen essbaren.
Mit den Schönfuß-Röhrlingen hätte man einen ganzen Korb füllen können. Massen gab es von denen, und manche waren richtig fotogen.
Nach all der Filigranfotografiererei von Matthias ist die Kamera für die letzten beiden Bilder wieder in meinen Händen!
Und dann trat etwas ein, womit niemand rechnen konnte.
Mit halbvollem Pilzkorb und ohne große Hoffnungen näherten wir uns dem Ende einer schönen Wanderung, als es plötzlich Rotkappenalarm gab.
Auf einmal standen sie vor uns. Zuerst einige Espen-Rotkappen (Leccinum albostipitatum),
wenig später drei Birken-Rotkappen (L. versipelle) und schließlich noch ein Trupp Laubwald-Rotkappen (L. aurantiacum, ehemals L. quercinum).
Wie gelähmt und völlig unfähig, Standortbilder zu machen, legte ich die rote Pracht schließlich in unseren Sammelkorb.
Zu einigen Schopftintlingen, Sandpilzen, Steinpilzen, Pfifferlingen und anderem Gepilz.
Dass wir uns die großen Pilze am Abend haben schmecken lassen, lecker mit Semmelknödeln und Roulade, sei noch am Rande erwähnt. :yumyum: :yumyum: :yumyum:
Danke, Matthias, dass ich Deine wunderbaren Bilder verwenden durfte.
Immerhin sind das 75% der Beitragsfotos! Weswegen jegliches Lob in erster Linie natürlich an Dich geht! Eventuelle Kritik natürlich auch!
Schade, Dieter, dass es wieder nicht mit dem Kennenlernen geklappt hat. Aber das wird schon noch.
Und natürlich allen Lesern Danke für's mitgehen.
LG Nobi