Hallo zusammen,
hier kommt der zweite Teil meines Fundberichts aus dem Leindorfer Wald. Er ist ein bisschen "mykologischer" als Teil 1, doch keine Angst. Es dreht sich um die problematische Sektion der Weißbraunen Ritterlinge.
Nun zu den aktuellen Funden. Am gestrigen Dienstag waren fünf Arten der Weißbraunen Sektion klar unterscheidbar, dazu noch die durch einen wattigen Stielring sehr gut gekennzeichnete Art Tricholoma focale (Halsbandritterling).
Die erste Art können wir gleich ad acta legen, an der ist nichts problematisch: Tricholoma imbricatum (mit Guajak innerhalb der ersten 30 Minuten völlig negativ, feinschuppig-filzige, niemals schmierige Huthaut):
Ebenso der Halsbandritterling (neben dem vorhandenen Stielring sind die auf dem Hut meist vorhandenen orangen bis olivgrünen Stellen typisch; stark Guajak-positiv, Blaufärbung nach wenigen Sekunden):
Doch jetzt die schwierigen Fälle. Gestern fand ich extrem typisch aussehende Tricholoma pessundatum (schmierig glatte Huthaut, nicht striat oder schuppig, Hutfarbe ein eigentümliches blasses Kupferrot, ziemlich reinweißer, oft seidig glänzender, glatter Stiel, erst ganz spät schwach braunfleckig werdend, Guajak-positiv, Verfärbung setzt nach ca. 10 Sekunden ein und erreicht nach 30 Sek. ein ansehnliches Blau). Sogar die konzentrischen Huttropfen waren vorhanden. An denen ist schwierig, als dass sie in FNE4 mit dem Pappelritterling (T. populinum) synonymisiert, also in den gleichen Arttopf geworfen werden:
Direkt neben diesen kamen folgende Exemplare, ebenfalls Guajak-positiv wie die oberen. Man beachte, dass die Hutfarbe nicht ganz übereinstimmt, außerdem haben diese am Hutrand dunkelbraune kerbenartige Erhebungen (nicht wirklich Kerben). Beides scheint zur Variationsbreite von T. pessundatum zu gehören. Beim Pappelritterling habe ich nie dergleichen gesehen.
Edit: Irrlicht plädiert für diesen Kandidaten auf Tricholoma stans statt T. pessundatum. Ich schließe mich dieser Meinung an.
Im Feld oftmals fehlinterpretiert wurde Tricholoma stans. Bei dieser Art handelt es sich um einen stattlichen Pilz (Hutbreite bei ausgewachsenen Exemplaren bis 15 cm) mit porphyrbrauner Farbe (nicht direkt lilabraun, aber das geht farblich in diese Richtung), deutlich striater Huthaut, allmählichem Braun-Weiß-Übergang am Stiel ohne Pseudoringzone und nur schwacher Guajak-Reaktion (etwa nach 1 bis 2 Minuten ist ein leichter Anflug von Blau zu sehen).
Verwechselt wurde dieser seltene Pilz mit Tricholoma albobrunneum, einem sehr schmächtigen Ritterling, dem kleinsten in der Weißbraunen Sektion, der aber sonst in allen optischen Merkmalen T. stans gleicht, was wohl zu den häufigen Fehlinterpretationen geführt hat. Erwähnenswert ist noch, dass T. albobrunneum stark bitter schmeckt, am Stiel und an den Lamellen schnell braunfleckig wird und auch nur schwach Guajak-Positiv ist. Die Autoren haben das stans/albobrunneum-Problem mMn sehr gut gelöst, indem sie daraus zwei Arten machten.
Auf dem folgenden Foto sieht man rechts die T.-stans-Kawenzmänner und links die Mini-Ausgaben davon, die T. albobrunneum.
Zum Schluss zu Ingos und meinen Lieblingen. In FNE4 werden diese Pilze mit Tricholoma batschii/fracticum, einen unter Kiefern auf Kalkboden wachsenden, oft am Rand von Saftlingswiesen über kalkigem Lehmboden zu findenden Weißbraunen, synonymisiert. T. batschii hat im Gegensatz zu den vorher gezeigten Arten eine Pseudoringzone am Stiel, also einen abrupten Übergang von braun zu weiß, an dem üblicherweise ein zartes braunes Häutchen hängt. Daher der deutsche Name "Fastberingter Ritterling".
Diese im Leindorfer Wald gefundenen Pilze haben zwar ebenfalls einen abrupten Braun-Weiß-Übergang, aber kein Häutchen. Sie unterscheiden sich außerdem durch die Hutfarbe (T. batschii maronenbraun - etwa wie der Maronenröhrling, diese hier dagegen mit einem helleren, ins Orange gehenden Ziegelbraunrot) und durch die krass abweichende Fundortökologie, nämlich den sauren, nährstoffarmen Sandboden. Ingo und ich kennen die Art als Tricholoma striatum und halten sie für etwas Anderes als T. batschii.
Zunächst mal eine Kollektion. Kollektion bedeutet, diese Pilze sind alle hexenringartig nebeneinander gewachsen, so dass man davon ausgehen kann, dass alles dieselbe Art ist.
Man sieht hier auch gleich die Probleme: bei nicht allen Exemplaren ist ein abrupter Braun-Weiß-Übergang vorhanden. Er ist mal mehr, mal weniger deutlich.
Auch am gleichen Pilz ist das nicht einheitlich. Hier ein Exemplar von vorne, mit einem geradezu vorschriftsmäßigem Braun-Weiß-Übergang:
Doch ach, derselbe Pilz um 90 Grad gedreht - schon sieht das gar nicht mehr vorschriftsmäßig aus:
Nie aber ist ein braunes abstehendes Pseudoringhäutchen wie bei T. batschii zu sehen. Abschließend noch die Kurzbeschreibung: Pilz ziemlich groß (Hutbreite bis etwa 12 cm), Huthaut schmierig, schnell abtrocknend, hell mahagonibraun bis orangeziegelbraun, striat, abrupter Braun-Weiß-Übergang am Stiel ohne Pseudoringhäutchen, schwach Guajak-positiv (nach ca. 1 bis 2 Minuten entwickelt sich ein schwaches Blau).
So, der Input ist da - Feuer frei für die Diskussion.
Damit ihr wisst, warum wir uns überhaupt über Weißbraune Ritterlinge den Kopf zerbrechen, empfehle ich, zunächst diese Geschichte zu lesen. Glaubt mir, sie ist spannend und lehrreich. Manche kennen sie ja vielleicht auch schon, sie ist ja nun schon 60 Jahre alt.
FG
Oehrling