Hallo, Pilzeanguckerinnen und Gucker!
Lang ist es jetzt schon her, gefühlt sogar noch länger. Darum eigentlich ja schon veraltet (= –žobsolet–œ).
Vieles kam dazwischen und ich bislang nicht dazu, den Bildbericht zusammenzuschrauben.
Bevor es gar nicht mehr klappt –“ nach dem Nordtreffen ist auch wieder genug anderes los –“ kommt das ganze jetzt und in etwas abgespeckter Form.
Es geht um einen kleinen Urlaub in Norditalien, im Valle Cannobina beim Lago Maggiore. Ewig ist das schon her, und zwar ist die Rede von Ende August / Anfang September.
Besonders schön in diesem Jahr war, daß außer meinen Geschwistern auch Anna und Stefan mit dabei waren. Also auch wenn dort das Wetter ebenfalls meist schlecht war (sonnig und trocken) hatten wir eine ganze Hand voll Spaß und eine rundum gelungene, gute Zeit zusammen.
Ab und an gab es auch ein paar Pilze, wobei ein ziemlich übler Schlechtwettereinbruch (Nordföhn) nicht wirklich viel hat sprießen lassen. Insbesondere Steinpilze waren so gut wie gar nicht zu finden, dank der Massen an Pfifferlingen hatten wir aber auch immer genug dieser –žWaldfrüchte–œ um den gröbsten Hunger zu stillen.
Wichtig, denn zum Einkaufen muss man immer etwas fahren, im Bergdorf selbst gibt–™s keinen Laden mehr.
Nun aber mal los. Um das ganze einordnen zu können, hier erstmal ein Bild des Dörfchens (Haus ungefähr siehe roter Pfeil), vom gegenüberliegenden Bergsattel aus: Also Blick von Alpe Archia auf Falmenta mit hausberg (Monte Riga), rechts dahinter Spoccia, darüber rechts in den Wolken Rocce di Gridone, links über Monte Riga Monte Torriggia:
Bei diesem Aufenthalt habe ich kaum Bilder von Haus und Umgebung gemacht. Da müsste ich bei vorangegangenen jahren kramen. Vielleicht hielt mich auch dieser Gnolm auf der Grillterasse davon ab:
Besser also mal ein paar Pilze.
Zunächst welche, von denen ich selbst keine Ahnung habe.
01. Unbekannter Stäubling:
Magerwiesenbewohner in einem Hochtal auf knapp 1300 Meter. Ein paar kleine Sträucher und größere Kühe drum rum, sowie vereinzelte Saftlinge. Ich habe keinen blassen Dunst was das ist, wenn Lycoperden nur mikroskopisch bestimmbar sind, dann wandert der halt als Speck in den Speckordner.
02. Russula auf Bergpass:
Auf 1000 Meter, feuchte Senke auf einem Bergrücken mit einigen Quellen, Untergrund Granit, ordentlich sauer, unter Birken und Hasel. Die sind recht groß (Hutbreiten bis über 15cm), mild, aber mit leicht schärflichem Hauch in den Lamellen. Dottersporer, Chemie hatte ich keine dabei, die Fruchtkörper haben den Transport nicht überlebt.
Ein paar weitere Funde waren dann kooperativ und ansprechbar, oder gaben sich nachher daheim nch einigen Diskussionen zu erkennen.
03. Trametes versicolor = Schmetterlingstrameten
04. Russula cyanoxantha = Frauentäubling
Grünhütige Form, in bodensaurem Steinpilz-Rotbuchenwald auf ca. 1100 Meter.
05. Rheubarbariboletus armeniacus = Aprikosenfarbiger Röhrling
Ist an verschiedenen Stellen aufgetaucht. Ein paar hatte ich auch mitgenommen um mal zu gucken, ob nicht doch ein persicolor dabei ist, ist aber nicht. Alles armeniacus.
06. Phlebia rufa = Rötlichwerdender Kammpilz
07. Phanerochaete laevis = Glatter Zystidenrindenpilz
07. Leccinum aurantiacum (ss.orig.) = Laubwaldrotkappe
Da sieht man mal, was der Föhn anrichtet. Besonders viel rot war da nicht mehr am Hut.
08. Lactarius volemus = Brätling
Ist übrigens kein Kalkzeiger. Hier wächst er auf saurem Boden, Granit, in Rotbuchenwäldern und bei Eichen auf Höhen zwischen 700 und 1300 Metern. Zahlreich und lecker.
09. Cortinarius delibutus = Violettblättriger Schleimfuß
10. Coltricia perennis = Gebänderter Dauerporling
Der fand sich an ganz unterschiedlichen Stellen, in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. War erstmal schwer zu glauben, daß das alles eine Art ist. Also flugs diverses material eingepackt, ob nicht doch irgendwo Coltricia montagnei dabei ist, aber leider nein. Alles perennis.
11. Artomyces pyxidatus = Becherkoralle
12. Amanita fulva = Fuchsiger Streifling
Mit –žPseudoringzone–œ. Bestehend aus einem Tausendfüßler, der sich um die Stielspitze gerollt hat.
13. Amanita spadicea = Nattern –“ Streifling
Besonderen Spaß machen in der Gegend auch Stachelinge und Saftlinge, was mir auch erst in diesem und im letzten Jahr auffällt.
Anfangen wir mal mit ein paar Stachelpilzen.
In dem Tal bereits gefunden und auch heuer wieder zahlreich an diversen Standorten vertreten ist–¦
14. Phellodon confluens = Verwachsener Duftstacheling
Und in der dunklen Form:
Wobei man auch darauf achten muss, daß das Fleisch im Stielinneren auch bei dunklen Formen und auch im Alter eben nicht rein schwarz ist, auch nicht schwarzblau oder grauschwarz. Sondern immer mit einem Braunton dabei.
Die KOH –“ Reaktion variiert ein wenig, bei den dunklen Formen ist auch mal ein blasses Restchen olivbraun mit drin. Aber kein Vergleich zum Olivgrün von Phellodon niger.
Rechts helle Form, links dunkle Form, in KOH 10%:
15. Hydnellum compactum = Derber Korkstacheling
Ist leider gar nicht einfach, bei schwierigem Licht an einer steilen Böschung balancierend ordentliche Bilder hinzubekommen.
Wie im Schriesheimer Tal wächst der übrigens auch hier im reinen Laubwald (nur Rotbuchen und eine vereinzelte Birke um die Ecke vergesellschaftet mit Phellodon confluens. Die Art ist im Grunde gut erkennbar durch das schon frisch sehr feste, kompakte und helle Fleisch, die klotzigen, oft irregulär geformten Fruchtkörper ohne jegliche auffällige Farben. Die sehen dann von oben gerne erstmal aus wie Erdklumpen. Im Geschmack entwickeln die beim Kauen eine zwar nicht sehr intensive, aber unangenehm nachwirkende Schärfe.
16. Hydnellum spec.
Wenn man den schlüsselt (nach Otto, Hrouda oder Krieglsteiner /GPBW), landet man recht zielsicher bei Hydnellum tardum. Ist es aber vermutlich nicht, das wäre eine Art mit ganz anderen ökologischen Parametern, Nadelbaumbegleiter in eher kühlen Gebirgslagen oder nordischer Verbreitungstendenz.
Hier in einer Tallage in den Südalpen, also durchaus mit mediterranem Einfluss und als Mykorrhizapartner kommen nur Esskastanie und Hasel in Frage.
Kann auch ein arg ungewöhnlich ausgeprägte Hydnellum concrescens oder eine bisher nicht definierte, eigene Art sein. Bleibt abzuwarten.
17. Hygrocybe glutinipes = Schleimfuß –“ Saftling
An einer Böschung im Wald. Wirklich schleimig war der nicht mehr (kein Wunder, bei dem schlechten Wetter), wurde er auch beim Anfeuchten kaum noch. Ist dennoch kaum zu verfehlen, wenn man bei Boertmann systematisch schlüsselt und über die Lamellentrama vom langzelligen Typ, mikroskopische Eigenschaften von Hut- und Stieloberflächen, Basidienlänge und Sporen geht.
18. Hygrocybe helobia = Knoblauchsaftling
Der nicht nach Knoblauch roch. Einzelexemplar auf den Magerwiesen im Hochtal wo auch der Stäubling oben wohnt. Muss man halt auch systematisch mit Boertmann schlüsseln, dann kommt man auch zum richtigen Ergebnis. Auch hier sind Lamellentrama (Langzellig, terminale Zellen zugespitzt und an der lamellenschneide pp. ausragend) und Sporen sehr wichtig, ebenso wie Basidiengröße und Oberflächen.
Der daneben war übrigens tatsächlich eine andere Art. Also völlig richtig beobachtet, Anna.
Rechts Hygrocybe helobia (Lamellen nur kurz herablaufend), links Hygrocybe cantharellus (Lamellen stärker herablaufend):
Sieht mikroskopisch übrigens auch total anders aus.
19. Aconitus napellus = Blauer Eisenhut
Wächst zahlreich und bunt überall auf den Saftlingswiesen zwischen 1300 und 2100 Metern.
Danke für–™s Erklären dieser Pflanze, Anna. Möglicherweise bin ich in Zukunft etwas vorsichtiger, wenn ich beim Bergsteigen mit nackten Waden durch Felder dieser hübschen Blumen latsche.
Und zu guter Letzt noch eine Kurze Zusammenfassung einer kleinen, aber ordentlichen bertour, die ich mit meinem Bruder gemacht habe.
Wer–™s nachgucken will: Ausgangspunkt ist der letzte Parkplatz im >Valle Loana<.
Wer einfach nur Saftlinge und andere spannende Wiesenpilze beobachten will, ist jetzt schon am Ziel. Besser aber etwas später im Jahr hinfahren als wir, weil es wohl erst bei Nässe da richtig bunt wird. Wer unten bleibt, verpasst halt Hygrocybe salicis-herbaceae. Und ein paar hübsche Ausblicke.
Der Weg geht also rauf zur Alpe Scaredi, von dort weiter richtung Cima Laurasca, aber rechtzeitig rechts abbiegen zur Bocchetta di Scaredi und von da immer on the Top und konstant auf über 2000 Meter bis zur Bocchetta di Campo.
Wir haben da nicht übernachtet, bietet sich aber mal an, wenn man zB weiter will über die Strette del Case runter und tiefer ins Val Grande rein. Mein Bruder und ich wollten eigentlich zur Cima Pedum (2111), ging aber nicht. Schon in Alpe Scaredi war der Brunnen defekt und es gab kein Wasser. Ist halt blöd, wenn man sich drauf verlässt, dort die Flaschen zu füllen. Und ohne Wasser wäre der Aufstieg fahrlässig gewesen. Also sind wir wieder zurück, mit kleinem Abstecher über den Gipfel der Cima Laurasca (2195).
Nun die Bildchen.
Blick von Alpe Scaredi zur Bocchetta di Scaredi, links im Bild Cima della Laurasca:
Kleiner Tümpel auf ca. 1800 bis 1900 im Aufstieg kurz nach Alpe Scaredi:
Im Hintergrund die Ostwand des Monte Rosa. Erschreckend ausgeapert in diesem Jahr, wie ich finde.
20. Panaeolus cinctulus = Ringdüngerling
Im Aufstieg immer wieder zu sehen und wegen der Größe auch kaum zu übersehen. Stets an nicht allzu alten aber schon gut getrockneten Kuhfladen.
Blick von der Cima della Laurasca auf Bocchetta di Campo (Blauer Pfeil):
21. Hygrocybe salicis-herbaceae = Zwergweiden –“ Saftling
Oben an der Bocchetta di Scaredi auf ungefähr 2050 Meter. Lustiger Pilz, der bei einer Kauprobe erstmal etwas bitter, dann lang anhaltend und heftig scharf schmeckt. Besonders interessante Erfahrung, wenn man kein Wasser mehr dabei hat und noch ein Weilchen bis zur nächsten Quelle zu gehen hat. Lässt erstmal an Hygrocybe mucronella denken, sieht aber mikroskopisch anders aus, vor allem die Sporen. Hier übrigens mal mit Lamellentrama vom kurzzelligen Typ, vielleicht sieht man ja den Unterschied.
Saftlinge an Exsikaten zu bestimmen ist übrigens echt kein Zuckerschlecken. Vor allem so pinschidderige Pilze wie den glutinipes, die getrocknet zu so einem winzigen Krümel zusammenschnurren. Viel Spaß, da dann eine Lamelle rauszräparieren und einen davon ordentlichen Querschnitt zu machen.
Darum freue ich mich schon auf viele frische Saftlinge jetzt am Wochenende.
Und am liebsten doch auch schon wieder auf den nächsten Italien –“ Trip. Sehr gerne auch wieder mit der Gesellschaft von diesem Jahr.
LG, Pablo.