Rötlingsfunde 2016

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 4.197 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von AlexanderK.

  • Hallo Pilzforum-Community,
    Ich bin schon seit einiger Zeit passiver Nutzer und möchte nun auf diesem Weg aktiv werden.
    Seit nunmehr sechs Jahren beschäftige ich mich intensiver mit der Mykologie. Zusammen mit einem Kollegen sammele und bestimme ich regelmäßig Pilze –“ ohne Einschränkungen (soweit Literatur und Zeit vorhanden). In den letzten Jahren begann ich mich stärker mit agaricalen Großgattungen wie Entoloma und Inocybe zu beschäftigen. Trotz umfangreicher Literatur und Internetrecherche ist es jedoch häufig nicht möglich eine Bestimmung –žkomplizierterer–œ Arten ohne Feedback von Erfahrenen zu verifizieren. Dies ist der Grund weshalb ich mich, trotz Zeitmangels, entschlossen habe Teil der Pilzforum-Community zu werden.
    Im Folgenden stelle ich einige diesjährige Rötlingsfunde von mehr oder weniger sauren und trockenen Wiesenstandorten vor und bitte ausdrücklich um Diskussion derer. Exsikkate der dargestellten Funde sind vorhanden.


    Entoloma dysthales
    Fundort: Bayrischer Wald, Zwieseler Waldhaus, Wiese
    Geschlüsselt mit Gröger (G) und Fungi Europaei 5 (FE5). Von E. dysthaloides durch längere Sporen (fast 20 µm erreichend) abgegrenzt.


    Entoloma lampropus
    Fundort: Bayrischer Wald, Ruckowitzschachten, Wiese
    Geschlüsselt mit G und FE5. Inkrustiertes UND intrazelluläres Pigment in Pileipellis vorhanden.


    Entoloma exile
    Fundort: Sachsen, Lückendorf, Kurpark, Wiese
    Geschlüsselt mit G und FE5. Aufgrund von Cheilozystiden von E. chloropodium abgegrenzt.


    Entoloma caesiocinctum
    Fundort: Sachsen, Lückendorf, Kurpark, Wiese
    Geschlüsselt mit G und FE5. Nach G und FE5 durch bräunlichen, durchscheinend gestreiften Hut von E. serrulatum abgegrenzt.


    Entoloma papillatum
    Fundort - Koll 1: Sachsen, Lückendorf, Kurpark, Wiese
    Fundort - Koll 2: Sachsen, Herrnhut, Hutberg/Gottesacker, Wiese
    Geschlüsselt mit G und FE5. Die Abgrenzung zu E. clandestinum (in FE5) erschließt sich mir nicht ganz (entfernter stehende, dickliche Lamellen), weshalb G beide Arten, meiner vielleicht zu Recht synonymisiert. Mikroskopische Dokumentation von Kollektion 1. Mikromerkmale von Koll. 2 stimmen mit denen von Koll. 1 überein. FK in Koll. 2 stets mit kleiner Papille. Von E. infula durch dunklere Farben abgegrenzt.
    Kollektion 1


    Kollektion2


    Die Beiden folgenden Funde sind meiner Meinung nach am kritischsten und daher noch als cf. geführt:


    Entoloma cf. coeruleoflocculosum
    Fundort: Sachsen, Lückendorf, Kurpark, Wiese
    Geschlüsselt mit G und FE5, abgeglichen mit E.Ludwig (2007) und ÖZP 4 (1998). Cheilozystiden vorhanden, gelegentlich mit bräunlichem Inhalt, Stiel nicht wie poliert, Sporen bis max! 11 µm lang, Pigment intrazellulär und vakuolär (? –“ siehe Dokumentation, rote Pfeile), nirgends Schnallen beobachtet.
    Mit G schlüsselt man bis zu E. coaeruleoflocculosum, dieser soll jedoch größere Sporen besitzen, danach kämen nur poliertstielige Arten in G. FE5a ist hier äußerst irreführend, da in –žKey 4–œ nach Punkt 21 - Sporen < oder > als 10 µm - Arten mit großen Sporen wie E. poliopus (Sporen 10 - 13.5 µm) eigentlich als Sporen < 10 µm zu schlüsseln wären (und auch anders herum). E. Ludwig (2007) verweist bei E. coaeruleoflocculosum auf eine Arbeit in der Österreichischen Zeitschrift für Mykologie (ÖZP 4 1995), in der ein Fund von E. coeruleoflocculosum mit kleineren Sporen (8.5 -11.5 x 6 - 7,5 µm) vorgestellt wird, dieser stimmt sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch gut mit meinem Fund überein. Aufgrund der vorangeführten Diskussion würde ich meinen Fund als E. coeruleflocculosum bezeichnen wollen. Da ich mir jedoch sehr unsicher bin, bekommt der Fund ein cf.


    Entoloma cf. rhombisporum var. floccipes
    Fundort: Sachsen, Zittau, Kaiserfelder, Wiese
    Geschlüsselt mit G und FE5, Funga Nordica und abgeglichen mit ÖZP 2 (1993) und ÖZP 7 (1998) und E. Ludwig 2007. Aufgund der kubischen Sporenform (und Größe, bis 11 µm x 10 µm) gelangt man zu E. rhombisporum. Nach Nordeloos und Hausknecht in ÖZP 7 ist –ždie echte–œ E. rhombisporum eine Art feuchter Standorte wie Moore etc. und var. floccipes eher auf trockenen Standorten anzutreffen. Letztere soll Kaulozystiden besitzten aber kein inkrustiertes Pigment. Mein Fund hat (soweit von mir korrekt beurteilt) intrazelluläres (A), inkrustiertes (B) und membranales (C?) Pigment aber auch Kaulozystiden an der Stielspitze und stammt von einem eher trockenen Standort. Andere Rötlinge mit kubischen Sporen sind E. galericolor, E. percuboideum und E. prismatospermum alles sehr seltene und daher kaum bekannte und eher kleine Arten (bis max 15 mm) mit zum Teil abweichenden Merkmalen.
    Falls mir jemand Tipps, Anmerkungen, Ergänzungen oder Kritik zu diesem, oder den anderen Funden geben kann, wäre ich äußerst dankbar!




    Viele Grüße,
    Alexander Karich

  • Hallo Alexander


    Herzlich willkommen hier im Forum.
    Und ganz Vielen Dank für die Klasse Rötlinge die du uns zeigst.


    Leider hab ich noch keine deiner Arten selbst finden können, und kenne sie daher auch nicht. Aber ich hab mal nach deinen Angaben zu den beiden kritischen Arten geschlüsselt (IHW) und bin ebenfalls zu deinen Ergebnissen gekommen. Auf jeden Fall interessante Arten noch denen es sich lohnt die Augen offen zu halten.
    Ich kann nur hoffen, das sich Karl evtl. noch zu Wort meldet.


    Mfg Sven

  • Hallo Alexander


    Sehr schön dokumentierte Funde stellst Du hier vor.


    Entoloma dysthales sollte passen.


    Entoloma lampropus sollte passen, auch wenn in FE5 die Art nur mit intrazellulärem Pigment beschrieben wird. Ludwig zitiert Noordeloos mit dem Hinweis, dass es sich möglicherweise um eine Sammelart handelt. Es wurden neben Kollektionen mit ausschließlich intrzellulärem Pigment auch solche mit verstreuten Cheilozystiden gefunden.


    Entoloma exile passt auch. Die blaue Stielfarbe ist nur bei sehr jungen und frischen Exemplaren zu sehen aber bei dem liegenden Exemplar in der Bildmitte ja noch zu erahnen. Sehr typisch ist die auch bei älteren Exemplaren dunkel abgesetzte Hutmitte.


    Entoloma caesiocinctum ist auch ok. Die jüngeren Exemplare wären bei E. serrulatum einheitlich schwarz. Das Bild von Meusers in FE5a ist übrigens viel zu dunkel reproduziert. So trifft man E. caesiocinctum nie an.


    Zu E. papillatum: Die Abgrenzung von E. clandestinum haben bereits mehrere Autoren in Frage gestellt, aber bisher hat keiner eine Konsequenz daraus gezogen.
    Kaulozystiden habe ich bei meinen Kollektionen nicht gefunden. Rochen Deine Funde denn deutlich mehlartig? Sonst würde ich mal mit E. favrei vergleichen.


    Zu Deinen weiteren Funden hast Du ja sorgfältig recherchiert. Mehr kann wahrscheinlich nur Machiel Noordeloos dazu sagen, falls neuere Erkenntnisse vorliegen.


    LG Karl

  • Hallo Sven und Karl,


    vielen Dank für Eure Einschätzung.


    Karl: E.lampropus habe ich gerade in FE5 nachgeschlagen, und Du hast Recht. Noordeloos erwähnt kein inkrustiertes Pigment in der Beschreibung des Pilzes, ich hatte mich von der Formulierung im FE5a Schlüssel (Schlüssel 4, Punkt 6) "frequently also incrusting" irritieren lassen.


    Zu cf. papillatum: Der Geruch war schwer zu beurteilen. Kein Mehl, eher ranzig und gerieben stark pilzig. Der "ranzige" Geruch führte mich nach G zu E. papillatum. Jedoch habe ich die Präsenz der Kaulozystiden "unterinterpretiert", was du zu Recht anmerkst. Somit passt E. favrei wirklich gut. Nur würde ich die Kaulozystiden eigentlich nicht kopfig nennen, zumindest seit ich die eine oder andere Galerina angeschaut habe ;) Darf E. favrei so dunkel sein?


    Viele Grüße,
    Alexander


  • Zu cf. papillatum: Der Geruch war schwer zu beurteilen. Kein Mehl, eher ranzig und gerieben stark pilzig. Der "ranzige" Geruch führte mich nach G zu E. papillatum. Jedoch habe ich die Präsenz der Kaulozystiden "unterinterpretiert", was du zu Recht anmerkst. Somit passt E. favrei wirklich gut. Nur würde ich die Kaulozystiden eigentlich nicht kopfig nennen, zumindest seit ich die eine oder andere Galerina angeschaut habe ;) Darf E. favrei so dunkel sein?


    Hallo Alexander


    E. papillatum riecht nach meiner Erfahrung sehr stark mehlig/ranzig wie E. sericeum (laut FE5 ist der Geruch aber nicht immer so deutlich). E. favrei riecht allenfalls schwach und unauffällig, was eher für E. papillatum spricht.
    Ich habe mir nochmal meine Aufzeichnungen angesehen. Bei E. papillatum keine echten Kaulos allenfalls etwas abstehende Hyphenenden.


    Ich kenne E. favrei seit Jahren von etlichen Stellen im NSG Brachter Wald. Die Kollektionen wurden auch schon von Gattungsspezialisten als solche bestimmt, sadass ich der folgenden Einschätzung sehr sicher bin. Die Beschreibung in FE5 kann ich zumindest in Bezug auf die Größe (1 Extremfall mit 42 mm, im Schnitt ca. 20mm) ergänzen. Die Farbe junger, feuchter Frk. kann dunkelbraun sein, jedoch blassen die Hüte sehr rasch aus. Die Kaulozystiden sind sehr variabel und durchaus nicht alle kopfig. Die beiden Mikroaufnahmen sind vom gleichen Fruchtkörper aus einem Präparat.


    Der Anteil von Kaulos mit über 100 m µ Länge ist sehr gering.


    LG Karl

  • Guten Tag Karl,


    Ich habe mich noch einmal ausführlich mit den Beschreibungen von E. papillatum und/oder E. clandestinum in FE5 und Ludwig befasst. Nach FE5 ist der Mehlgeruch mehr oder weniger obligatorisch ("sometimes absent") für E. papillatum. Ludwig synonymisiert beide Arten interessanter Weise unter E. clandestinum (nicht wie G). Nach FE5 und Ludwig ist E. clandestinum geruchlos bis banal pilzig. Wobei Ludwig betont, dass alle seine Aufsammlungen nicht besonders rochen - so wie bei meinen.


    E. favrei ist in Ludwig und FE5 wesentlich heller als E. papillatum/clandestinum dargestellt.


    Die Interpretation von Kaulozystiden vs Stielhyphenenden finde ich knifflig. Die "Kaulozystiden" meines Fundes sehen den "abstehenden Hyphenenden", die du zeigst, sehr ähnlich - und sind auch nicht so kopfig wie die Kaulozysstiden von E. favrei. Die Elemente waren ausschließlich an der Stielspitze, und da auch nur sporadisch in kleinen Büscheln, vorhanden.


    Ich denke daher, dass E. papillatum eigentlich ganz gut passen sollte.


    Ich werde mit die Stiele der Rötlinge noch einmal genauer anschauen, leider wird das erst am Montag.


    Grüße,
    Alexander


  • Ich denke daher, dass E. papillatum eigentlich ganz gut passen sollte.


    Hallo Alexander


    Der Meinung bin ich inzwischen auch. E. favrei ist mehr oder weniger geruchlos und bei sorgfältiger Suche findet man immer echte, kopfige Kaulos.


    Die Hutfarbe ist für mich allerdings kein Kriterium. Die Variabilität von E. favrei ist viel größer als in der Literatur angegeben. Ich wollte darüber immer schon einen kleinen Artikel schreiben, was aber aus Zeitgründen nie erfolgt ist. Ich glaube, dass die Art oft übersehen oder fehlbestimmt wird, weil kaum jemand bei Entoloma auf Kaulozystiden achtet. Als Anhang noch einige meiner Kollektionen von mikroskopierten Funden, die alle geruchlos waren und deutliche Kaulos hatten. Als ich die Art noch nicht so gut kannte, habe ich schon 3 Kollektionen am gleichen Tag fotografiert und eingesammelt, die ich bis zur mikroskopischen Überprüfung für verschiedene Arten hielt.

    LG Karl


    PS. Schön, dass sich jemand so intensiv mit der Gattung beschäftigt wie Du :thumbup:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Alexander!


    Wow, super schöne Pilze und ausgezeichnete Dokumentationen.
    Macht Spaß da zuzugucken. :thumbup:


    So weit bin ich da lange nicht drin, auch wenn diese lustigen Pilze mit den eckigen Sporen sehr wohl spannend sind.



    LG, Pablo.

  • Vielen Dank Pablo!


    Ich werde demnächst noch ein, zwei weitere spannende/kritische Rötlinge (vielleicht auch Risspilze) zur Diskussion stellen ;)


    Karl, ich habe mir die Stiele der E. papillatum Aufsammlung noch einmal genauer angeschaut und nur apikal "kaulozystidoide" Elemente gefunden.


    Viele Grüße,
    Alexander