Hallo liebe Pilzfreunde,
mein letzter Pilz-Lagebericht liegt ja nun schon Monate zurück und nun habe ich lange überlegt, ob ich das Folgende posten soll oder nicht, aber ich denke, es macht doch Sinn, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt "oute"... (besonders Rainer, der mich früher schon mal "be careful" gewarnt hatte, sollte jetzt besser nicht weiterlesen)
Von den Funden der letzten langen Pilzsaison hatte ich mir immer wieder mal Pilzrationen für die mageren Wintermonate eingefroren.
Dies beschränkte sich zumeist auf die mir bekannten Sorten Maronen, violette Rötelritterlinge, Krause Glucke, Schirmlinge und ('tschuldige, Rainer) Nebelkappen.
Bisher war ich meinem Prinzip treu geblieben, nur die Pilze zu sammeln, bei denen ich mir stets zu 101% sicher bin bzw. die nicht mit (hoch-) giftigen zu verwechseln sind.
Nun, eine Tiefkühl-Portion bestand aus einer Mischung aus Perlpilzen und Stockschwämmchen. Diese Pilzmahlzeit hatte ich mir an einem Donnerstag Abend vor einigen Wochen zubereitet. Am folgenden Morgen, ziemlich genau 11 Stunden später, mußte ich meinen Weg zur Arbeit abbrechen, da sich langsam Übelkeit und Erbrechen und etwas später auch Durchfall bemerkbar machten.
Innerlich schrillten bei mir die Alarmglocken, aber es waren doch nur Perlpilze und Stockschwämmchen, oder??? Das Problem war: genau in diesem Zeitraum hatte auch das Novo-Virus in unserem Betrieb gewütet und die Gefahr einer Ansteckung mit diesem war für mich genauso wahrscheinlich. Nun wirkt dieser Erreger bekanntermaßen recht stark, aber die Beschwerden - eben auch heftiges Erbrechen und Durchfall) klingen dann meist nach einem Tag wieder ab. Außerdem hatte ich auch kaum Bauchschmerzen, die ja im Verwechslungsfalle bei den von mir befürchteten Pilzgiften heftigst zu erwarten gewesen wären.
Also hab' ich mich entschlossen, erst mal abzuwarten, mich zu übergeben, des öfteren das WC zu besuchen und auf baldige Besserung zu hoffen...
Ich habe jedoch unterschätzt, wie hoch der Wasserverlust bei den anhaltenden Durchfällen gewesen sein musste, denn am darauf folgenden Morgen, also 24 Stunden nach den ersten Symtomen, hatte ich genau 10 Kg abgenommen (von knapp 85 auf unter 75 Kg). Durchfall und Erbrechen hatten zwar allmählich nachgelassen aber durch den Wasserverlust traten die ersten Wadenkrämpfe auf, und mein Zustand verschlechterte sich recht deutlich. Meine Frau sollte mich daraufhin in die nächste Klinik fahren, da ich selbst mitterweile nicht mehr an den Novo-Virus glaubte.
Dort angekommen, gab's erst einmal die wohl üblichen Voruntersuchungen,
Blutabnahme, Ultraschall etc.
Später auf dem Zimmer (eine Entlassung aus der Klinik war erst mal ausgeschlossen) kam ich an den Tropf, damit endlich der Flüssigkeitsverlust ausgeglichen wurde.
Auf Befragen informierte ich die Stationsärztin über die vorangegangene Pilzmahlzeit und gab ironischerweise auch gleich die in Frage kommenden Pilz-Verwechslungs-Möglichkeiten mit an. Die daraufhin von der Ärztin angerufene Mainzer Giftnotrufzentrale bestätigte die Möglichkeit einer Knollenblätterpilzvergiftung, und die extreme Verwechslungsgefahr mit dem Gifthäubling, bzw. Nadelholzhäubling.
Dem Kurzbesuch im Krankenhaus folgte daraufhin ein umgehender Transport im Pritschenwagen zur Bonner Uniklinik.
Dort verbrachte ich genau 4 Tage auf der Intensiv-Station, die ich wohl noch lange in Erinnerung behalten werde. Ich wurde in der Nähe der Halsschlagader mit 4 oder 5 verschiedenen Kanülen versorgt, die mich u.a. auch mit dem Antidot Silibinin versorgten. Als Giftpilzbuch-Leser ist mir Silibinin als Wirkstoff der Mariendistel bekannt, der speziell bei einer Amanitin-/Amatoxin-Vergiftung als Gegengift eingesetzt wird. Von diesem Silibinin habe ich mehrere Flaschen Infusion erhalten, über 3 Tage. Parallel dazu erfolgte die Einnahme von 6x 1/2 Liter aufgelöster medizinischer Kohle innerhalb von 24 Stunden und das ebenfalls an 3 aufeinander folgenden Tagen. Dieses Zeug zu schlucken kostet schon einiges an Überwindung, es ist, als wenn Ihr feinen Sand in eine Flasche füllt, mit lauwarmen Wasser auffüllt, gut schüttelt und in kurzer Zeit herunter kippen sollt, und das alle 4 Stunden wiederholt.
Am 2. Tag auf der Intensiv-Station wurden bei mir erhöhte Transanimasen-Werte in Verbindung mit einer leicht verminderten plasmatischen Gerinnung festgestellt. (Auf dem Klinik-Bericht wurde später ein Höchstwert von GOT 310 U/l bzw. GTP 735 U/l angegeben, wem es was sagt). Auf Nachfrage beim Chefarzt meinte dieser zu mir, dass dieser Wert noch kein Grund zur Besorgnis sei, es gäbe Werte, die im hohen tausender-Bereich liegen würden, naja.
Nachdem sich am 4. Tag mein Allgemeinzustand allmählich besserte, wurde ich in die Normalstation verlegt. Paradoxerweise begannen dort recht heftige Bauchkrämpfe, die nur mit der Gabe von Buscopan (alles noch über die Kanülen) einigermaßen in Schach gehalten werden konnten.
Am 8. Tag wurde ich vom Tropf befreit und am 9. Tag durfte ich auch die Klinik endlich verlassen.
Resümierend kann ich sagen, dass das Schlimmste an der Intensivstation die Hilflosigkeit und Abhängigkeit vom Pflegepersonal ist. 4 Tage in einem Bett auf dem Rücken zu liegen (Umdrehen war durch die Verkabelung nicht möglich) und alle paar Stunden das Personal um das Wechseln der Bettpfanne zu bitten (Der Tropf und die medizinisiche flüssige Kohle taten Ihre Wirkung), ist nicht wirklich angenehm. Dass man in diese Zeit kaum ein Auge zukriegt und zudem auch noch das Leid der anderen Stations-Genossen in dem offenen, nur durch Vorhängen abgetrennten Raum mitbekommt, fällt da kaum noch ins Gewicht.
Leider hat die ganze Klinik-Aktion weder einen Nachweis auf den Novo-Virus noch eine bestätigte Amanitin-/Amatoxin-Vergiftung ergeben.
Der leitende Oberarzt sagte mir, dass leichte Leberschäden auch bei einem extremen Wasserverlust - wie bei mir geschehen - vorkommen können. Die erhöhten Transanimasenwerte, die den Verdacht auf eine Knollenblätterpilzvergiftung nahe legen, machte ihn jedoch schon stutzig.
Es wurde letzten Endes aber weder ein Virus noch ein toxischer Befund festgestellt. Im Nachhinein denke ich, dass es sich wohl tatsächlich um eine Knollenblätterpilz-Vergiftung gehandelt hat. Die Symptome und der Krankheitsverlauf hätten nicht exakter mit den Beschreibungen in den Giftpilzbüchern übereinstimmen können. Den allerletzten Beweis dafür habe ich jedoch (leider) nicht.
Ich denke, das soll's erst mal gewesen sein.
Dieser Bericht ist vor allem für diejenigen Pilzsammler unter Euch gedacht, die noch nicht so lange als Pilzjäger aktiv sind und sich noch recht unsicher sind oder auch für die alten Hasen, die gerne mal "russisch Roulette" spielen. Tut's nicht! Ich hab den Fehler gemacht, auf Stockschwämmchenjagd zu gehen, obwohl ich über die Gefahr mit der Verwechslung des Gifthäublings und deren Folgen wusste. Ich hab daraus, denke ich, schon eine Lehre gezogen, das Pilze Bestimmen und -Sammeln gebe ich jedoch nicht auf.
Ich freue mich schon lange auf die ersten Morcheln, die letztes Jahr sogar bei uns im Vorgarten aufgetaucht sind. Aber von Stockschwämmchen, Samtfussrüblingen und ähnlichen Gesellen lass' ich erst mal die Finger, Silibinin ist sehr teuer....
Auf ein Neues ! Und bitte, schimpft nicht zu sehr mit mir...
Norbert