Der Schilderwahnsinn ist ausgebrochen.

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 2.427 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Safran.

  • Hallo liebe Pilzfreunde,
    ich weiß nicht, wie es in Eurer Region ist, aber hier rund um Münster wurden in den letzten zwei Wochen an (gefühlt) jeder Straßenecke überall die in NRW üblichen dreieckigen Schilder mit "Landschaftsschutzgebiet" und "Natuschutzgebiet" aufgestellt. Plötzlich steht hier so ziemlich jeder halbwegs interessante Wald unter Naturschutz. Selbst Gebiete von denen ich es vorher noch gar nicht wußte. Jetzt muß ich wohl jedes Mal ein schlechtes Gewissen haben wenn ich abseits der Wege ein paar Pilzfotos machen möchte oder mir ein paar Maronen zum Eigenbedarf mitnehmen möchte. Trotzdem stehen nun Windkraftanlagen mitten im NSG oder ich sehe das in einem älteren NSG jemand mit einem Harvester eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat um 5-6 Buchen zu ernten.
    Könnte es mit dem neuen Naturschutzgesetz in NRW zusammenhängen das solche Gebiete besser gekennzeichnet werden?
    Jedenfalls ist es eine ziemliche Verschwendung von Steuergeldern, es verschandelt die Landschaft und ich glaube auch nicht das es 99% der Leute interessiert ob das Gebiet durch das sie gerade mit dem Auto brausen unter Landschaftsschutz steht oder nicht.
    Sorry, das ich hier gerade mal etwas Frust ablassen mußte aber vielleicht könnt ihr mich verstehen.


    Grüsse
    Plejades

  • Hallo Plejades,
    Landschaftsschutzgebiete kannst Du in Bezug auf Deine Anforderungen (Bilder machen, Pilze entnehmen) ignorieren.
    In Naturschutzgebieten musst Du auf den Wegen bleiben... ...und von dort aus Bilder machen und Pilze entnehmen. ==11

    Schönen Gruß,
    Hans aus Bremen
    ------------------
    "Es gibt Gottsucher, Ichsucher und Schwammerlsucher" (G. Polt)


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    Einmal editiert, zuletzt von nochn Pilz ()

  • Hallo Plejades,



    Trotzdem stehen nun Windkraftanlagen mitten im NSG oder ich sehe das in einem älteren NSG jemand mit einem Harvester eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat um 5-6 Buchen zu ernten.


    Sowas finde ich auch seltsam. Ich darf im NSG nicht mal den Weg verlassen, aber so ein Typ mit Kettensäge darf ruhig mittendrin arbeiten und kann mir nicht mal auf Anfrage sagen ob das hier ein NSG ist oder nicht. Von Menschen mit freilaufenden Hunden oder ReiterInnen ganz zu schweigen.


    Ich sehe immer wieder auch in den NSGs abgeschnittene Pilze, oder treffe auf Pilzsammler die blauäugig mit offenen Pilzkörben durch das NSG marschieren und nicht mal Ahnung davon haben was sie eigentlich dürfen und was nicht. Müll und vor allem Flaschen finde ich ebenso in jedem Wald wo ich hin gehe, auch in den NSGs - das ist das einzige was ich garantiert finde.


    Die Schilder stehen bei uns nicht überall (da hat man gleich gute Ausreden), aber grundsätzlich schaue ich hier wo NSG ist und wo nicht.

  • Hallo,


    hans
    die Unterschiede kenne ich wohl. Nur leider stehen jetzt plötzlich fast alle interessanten Wälder die ich immer besuche unter Naturschutz. Wo soll man sich dann jetzt noch unbeschwert erholen, fotografieren oder gelegentlich ein paar Pilze mitnehmen wenn man welche findet? Die guten Stellen sind nun mal nicht direkt neben den Wegen.


    Alexander
    Gerade weil sich ohnehin kaum jemand an die Verbote hält finde ich es besonders sinnlos überall Schilder aufzustellen. Selbst an der Zufahrt zu einem einzigen Wohnhaus tief im Wald den kaum jemand anderes als die Bewohner selbst nutzt mußte man ein Schild "Landschaftsschutzgebiet" hinstellen.
    Außerdem ärgert es mich wenn man sich als Erholungssuchender in der Natur durch Verbote gängeln lassen muß während falsche Forstwirtschaft noch viel größere Schäden anrichtet.
    Das Gebiet wo zwei riesiger Windräder drin stehen wurde interessanterweise auch erst kurz nach dem Errichten der Windräder als NSG gekennzeichnet. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

  • Hallo Plejades,



    zu jedem Naturschutzgebiet gibt es zumindest hier im Saarland jeweils eine eigene Verordnung. Während Du in dem einen auf den Wegen bleiben sollst, ist es in einem anderen wiederum völlig egal, wo du rumläufst. In NSGs darf auch Waldwirtschaft betrieben werden. Wenn es um die Kohle geht, spielt das nämlich dann alles keine Rolle mehr, und wenn ich solche Bilder sehe...





    ...lege ich - ganz ehrlich gesagt - einen großen Haufen auf das Schild!

    Grüße aus dem Saarland, Holger smilie_ga_006.gif 

    "I'm only happy when it rains
    I'm only happy when it's complicated
    And though I know you can't appreciate it
    I'm only happy when it rains"
    (Garbage)


  • ...lege ich - ganz ehrlich gesagt - einen großen Haufen auf das Schild!


    :D :D :D hast ja sooo recht

    Grüße aus dem Moseltal

    Marco
    ----------------------------------------------------------------------------
    Wenn das Leben Dir einen Korb gibt... geh Pilze sammeln. ==18

  • Hallo zusammen,
    ja die Sache mit den NSG ist schon reichlich verworren und meiner Meinung nach so ziemlich der dämlichste Weg überhaupt, die Natur zu schützen.
    Langfristiger Naturschutz funktioniert meines Erachtens nach nur über Naturverständnis. Dieses kann man aber nur erlangen wenn man die Natur auch mit allen Sinnen erleben darf, sie fühlen, begehen, begreifen, erklettern, riechen und schmecken darf. All dies funktioniert nur von den Wegen aus mal gar nicht. In NSG wird der Mensch aber quasi von diesen Erlebnissen ausgesperrt und kann so niemals nachhaltig ein Verständnis für und eine gewisse Liebe zur Natur entwickeln. Kein Naturverständnis=kein Naturschutz.
    Soweit ich informiert bin gilt in NSG ein generelles Sammelverbot für ALLES, Beeren, Kräuter, Blumen, Brennholz und eben auch Pilze. Die Wege dürfen nicht verlassen werden und Hunde sind stets an der Leine zu führen, man hat sich ruhig und schonend zu verhalten und bei Einbruch der Nacht sollten die Gebiete gar nicht mehr betreten werden. Forstwirtschaft und Jagd haben zwar Auflagen, sind aber, wohl wegen derer pecuniären Eigenschaften :evil: , unproblematisch möglich.


    Seit dem 1.1. diesen Jahres ist hier bei mir in Bottrop ein neuer Landschaftsplan in Kraft getreten der 16% unserer Stadtfläche als NSG ausweist( die Beschilderung erfolgte erst im Oktober/November, auf der Seite des BfN sind die neuen NSG noch gar nicht zu finden). Wohlgemerkt befinden wir uns nicht in einer besonders waldreichen Gegend oder einer generell naturnahen Landschaft sondern inmitten der einstmals größten Industrieregion der Welt. Soll heißen: jeder Grünstreifen mit mehr als drei Bäumen ist hier jetzt NSG.
    Nach wie vor frage ich mich allerdings was der Schutzzweck dieser Gebiete sein soll? Die übersäuerten und reichlich eutrophierten Böden? Die Belastung mit Schwermetallen und anderen Hinterlassenschaften der Industrie? Waldgebiete in denen jede dritte Buche von Hallimasch und Zunderschwamm besiedelt ist? große Teile existieren nur noch als Wald weil das Grundwasser permanent abgepumpt wird. Der Knaller aber ist das wir sogar Bergehalten (Abraum aus dem Steinkohlebergbau) haben die als NSG ausgewiesen wurden........


    Natürlich gibt es auch bei uns hier interessante und schützenswerte Gebiete und besondere Kleinode, nur sind diese allesamt erst durch menschliches Handeln oder die Industrie (große Brachflächen, Halden, Bergsenkungen) entstanden und werden durch ihren Status als NSG zukünftig vernachlässigt und die darauf angewiesene Flora, Fauna, Funga, die ja den Schutzzweck dieser Gebiete ausmacht, wird in einigen Jahren nicht mehr existieren....
    Der Heidesee in der Kirchheller Heide ist ein FFH-Gebiet und hat somit nochmal einen stärkeren Schutzstatus als ein "normales" NSG.
    In dieser ehemaligen Kiesgrube wurden sechs oder sieben verschiedene Arten von Armleuchteralgen nachgewiesen die recht selten sein sollen und auf nährstoffarmes, klares Wasser angewiesen sind. Der ansässige Angelverein sowie die erholungssuchende Bevölkerung sind extremen Repressalien unterworfen um den Status dieses Sees zu erhalten, die direkt angrenzende Landwirtschaft hingegegen düngt weiter fleißig ihre Felder und man wundert sich warum der See von Jahr zu Jahr nährstoffreicher und trüber wird. Achso, das Laub aus den umliegenden Wäldern (welches natürlich ebenfalls reichlich Nährstoffe in den See verfrachtet) muss man hinnehmen, die Wälder sind ja NSG.....


    Von der Bevölkerung wurde das natürlich gefeiert...... bis man hingeht und jedem den man im Wald trifft mal erzählt das er seinen Hund ab sofort anleinen muss, Mountainbiking(oder wie immer man das nennt :/ ) nur noch auf den Wegen zu bleiben hat, er jetzt hier keine Brombeeren und Pilze (Ja auch keinen Hallimasch) mehr sammeln darf und im Herbst Laub und Eicheln oder Kastanien zum Basteln mit den Kindern zu sammeln ist jetzt auch nicht mehr, Geocaching? gut, ab jetzt steht die Kiste halt auf dem Weg.......Da werden die Gesichter plötzlich ganz lang :/


    Zwar sind mir noch keine Fälle von Bußgeldern oder Kontrollen durch Förster/Ranger oder Ordnungsbehörden bekannt geworden und ich gehe davon aus das das ob der personellen Unterbesetzung und mangelndem Kontrollwillen durch die Behörden auch so bleiben wird, aber andererseits weiß ich von einem Waldgebiet etwas nördlich von hier wo im letzten Jahr ein Ehepaar für ein Körbchen Steinpilze ein Bußgeld in hoher Dreistelligkeit latzen musste. Dort wird im Herbst eine regelrechte Jagt auf Pilzsammler veranstaltet.


    Das Fazit für mich:
    Ich habe den Schritt gewagt mich an die zuständige untere Landschaftsbehörde zu wenden und eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Diese habe ich auch bekommen, nur darf ich in unseren NSG natürlich auch mit dieser Genehmigung keine Speisepilze sammeln sondern mich dort nur rein wissenschaftlich mit den kleinen Strolchen auseinander setzen.
    Mein Plan im kommenden Jahr Pilzlehrwanderungen an zu bieten ist dadurch ebenfalls stark eingeschränkt da mir auf Bottroper Stadtgebiet dafür nun mehr nur noch 2 Bergehalden und ein mittelmäßig bewaldeter Park übrig bleiben. Bin gespannt ob sich damit wohl Leute locken lassen.......


    Interesse und Verständnis für die Natur zu vermitteln ist wohl nicht sonderlich erwünscht :shy:

  • Gdno,
    Oh das klingt ja wirklich schlimm bei Dir. Da verliert man ja echt schon die Lust an Natur.


    Eigentlich kann ich die Wegebeschränkung nur bei Bodenbrütern in der Brutzeit verstehen- da macht das Sinn.


    Ich kenne ein Naturschutzgebiet in Bremen, da haben die das eigentlich ganz gut gelöst, da sind nur einige Inselähnliche Gebiete vom Betretungsrecht ausgenommen wegen der Bodenbrüter und Hunde sollen auch nur deswegen angeleint werden, weil manche die Wasserflächen überschwimmen , um in die geschützen Gebiete zu gelangen. Ansonsten wird das da mit dem Anleinen aber nicht so eng gesehen, die meisten Hunde laufen weiterhin frei. Aber einen Hundebesitzer mit schwimmfreudigen Hund habe ich dann dochmal gebeten , den Hund anzuleinen- mt Erklärung.


    Und hier vor Ort sollten die riesigen Uferschwalbenkolonien mal geschützt werden, aber nur mit einer einzigen Maßnahme: Paraglidung zur Brutzeit in dem Gebiet zu verbieten, na zum Glück kommt Paragliding hier nicht oft vor. Aber noch bedrohter sind die durch den Küstenschutz- ist natürlich doof, wenn an der Stelle immer mehr Land ins Meer gespült wird. Aber mit Küstenschutz verschwinden die Brutgebiete. Aber, wenn da Menschen langgehen, oder auch Hunde lassen sich die Uferschwalben davon Null beeindrucken, eine Absperrung deswegen wäre also vollkommen bescheuert (ist aber auch nicht angedacht).


    Aber im Kreis Segeberg ist es besonders apart, da stehen an vielen harvesterdurchforsteten Wäldern doch tatsächlich Schilder, daß das Verlassen der Wege, Sammeln von Beeren, Pilzen... aufgrund § 3 des Schweswig-Holsteinischen Waldgesetzes verboten seien, besonders apart: den § 3 gibt es gar nicht mehr - und zwar schon seit etlichen Jahren.


  • ..., besonders apart: den § 3 gibt es gar nicht mehr - und zwar schon seit etlichen Jahren.


    Konnte ich kaum glauben, hab ich gegoogelt: § 3 LWaldG ist aufgehoben!


    Grundsätzlich gilt: Es ist egal, was auf einem Schild steht, entscheidend ist, was im hier und jetzt gültigen Gesetz steht!
    [hr]
    Das Wichtigste zum Thema hatte ich hier schon mal aufgeschrieben.

    Schönen Gruß,
    Hans aus Bremen
    ------------------
    "Es gibt Gottsucher, Ichsucher und Schwammerlsucher" (G. Polt)


    Hier könnt Ihr abstimmen und das Pilzgedicht des Jahres 2024 wählen!

    Letzter Tag!!!!



    Einmal editiert, zuletzt von nochn Pilz ()

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    Konnte ich kaum glauben, hab ich gegoogelt: § 3 LWaldG ist aufgehoben!


    Grundsätzlich gilt: Es ist egal, was auf einem Schild steht, entscheidend ist, was im hier und jetzt gültigen Gesetz steht!


    [hr]


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    Wir fühlten uns dann auch sehr sicher, und gingen hemmungslos ohne Fürchten in den Wald. Zumindest eine Erstkonfronation konnten wir unbeschadet bestehen. Bisher kam es noch zu keiner Konfrontation und wir suchen sie auch nicht (man kann sich immer alles mögliche Neues einfallen lassen). Aber ein Sammel- und Betretungsverbot aus einem gar nicht mehr exististierenden § abzuleiten ist schon ein starkes Stück.


    PS: Besonders prekär ist, daß das ein Landesforst ist, also kein Forst eines kleinen Waldeigentümers, der es halt nicht schafft, sich auf dem laufenden zu halten.