Ritterspiele im Sandkasten

Es gibt 19 Antworten in diesem Thema, welches 4.640 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Die Sache mit den braunen Ritterlingen ist bekanntlich nicht ganz einfach. Nur leider stehen hier um Mannheim erstaunlich viele herum, die erstmal alle beinahe gleich aussehen. Und es aber bei genauerer Betrachtung doch nicht sind.
    Die ersten fielen mir ungefähr vor zwei Jahren auf, im letzten Jahr dann etwas mehr, in diesem Jahr taste ich mich noch ein wenig näher ran und im nächsten Jahr hoffe ich, auch mal welche bestimmen zu können.


    Die Rede ist hier ausschließlich von braunhütigen Arten, die bei Kiefern wachsen und mehr oder weniger mehlgurkig riechen.
    Was schon mal die hier vorkommenden Buchenbegleiter (Tricholoma ustale = Brandiger Ritterling) ausschließt, ebenso den Birken- und Fichtenbegleiter –žGelbblättriger Ritterling–œ (Tricholoma fulvum und / oder Tricholoma pseudonictitans), zudem den Pappelritterling (Tricholoma populinum), der sich in diesem jahr übrigens an keinem bekannten Standort gezeigt hat. Der Bärtige Ritterling (Tricholoma vaccinum) sieht ja sehr eigen aus und ist auch unkritisch. Die Arten mit Pseudoringzone oder echtem Ring aus der Braunhütigen Gruppe kommen hier nicht vor, oder wenn, dann habe ich sie noch nicht gefunden.
    Auch den Feinschuppigen Ritterling (Tricholoma imbricatum) kann man da rausnehmen, das ist eine unkritische Art, die zwar bei Kiefern wächst, aber eben keineswegs mehlgurkig riecht.
    Von der habe ich der Vollständigkeit aber auch in diesem Jahr ein Bildchen gemacht. Dieses wie auch alle weiteren Bilder kann man Anklicken und groß machen!

    Nicht irritieren lassen, das ist keine positive Guajak - reaktion. Das Bild ist knapp 10 Minuten nach dem Auftragen zustande gekommen.


    Das aber nur so am Rande.
    Los geht's mit ein paar Funden, die mir eher unvorbereitet ins Netz gegangen sind und einen heftigen Massenaspekt gebildet haben:

    Das ist eine mittelalte Kiefernschonung auf nährstoffarmem, sandigem Boden. Durch die dicken Nadelstreupolster sollte der Untergrund ordentlich sauer sein, wenn auch in der Ecke (Oberrheinebene nahe Mannheim) immer wieder mit basischen Flugsandablagerungen gerechnet weden muss.
    In diesem Waldstück dominieren ansonsten Gemeine Erdritterlinge (Tricholoma terreum), Butterpilze (Suillus luteus), Edelreizker (Lactarius deliciosus) und diverse Risspilze und Gürtelfüße, die ich meist nicht näher bestimme.
    Das Problem: Da kommen offenbar mehrere braune Ritterlingssarten vor, die teils üppige Hexenringe bilden, die sich gegenseitig überlagern, durcheinanderlaufen und die Fruchtkörper dann teils eher einen chaotischen Teppich bilden, wo es schwer fällt, einzelne Kollektionen sicher zusammenzustellen.


    Eine Dokumentation ist es trotzdem wert, auch wenn ich da keine Transportkapazität dabei hatte, kein KOH, kein Guajak. Das wird im nächsten jahr mit mehr Zeit akribisch nachgearbeitet, das Ziel dieser Zusammenstellung ist primär auch nicht, den einzelnen Kollektionen irgendwelche endgültigen Namen zuzuweisen.


    Darum nun einfach mal der Reihe nach.


    Aufsammlung 1 aus oben gezeigtem Waldstück:

    FK eher klein (Skala auf Alex–˜ Messer: 1 Strich = 1 cm), Hutoberfläche fein aber deutlich radialfaserig, kaum schmierig schmierig; Geschmack ca. 2-3 Sekunden mehlgurkig, dann sofort exorbitant bitter; Geruch mehlgurkig
    Diesen Pilz kenne ich schon vom letzten jahr, auffällig sind die bräunenden Stiele, dieoft auch schuppig sind (nicht so in dieser Kollektion), striate Hutoberfläche und der abartig bittere Geschmack und die kleinen Fruchtkörper.


    Aufsammlung 2 aus oben gezeigtem Waldstück:

    Die Fruchtkörper sind etwas größer, aber eben auch etwas älter; Hutoberfläche hier noch feiner radialfaserig, aber immer noch mit blosem Auge gut erkennbar, nicht schmierig; Stiele hier schon deutlicher bräunend und teils fein faserschupppig. Auch schlägt der Geschmack nach wenigen Sekunden kauen von mehlgurkig nach intensiv bitter um, wenn auch nicht so brutal bitter wie bei Aufsammlung 1.
    Das ist für mich die selbe Art wie Aufsammlung 1, nur eben einen Ticken weiter in der Fruchtkörperentwicklung.


    Aufsammlung 3:

    Dieser hier gehört auch dazu, stand einige Meter abseits, wieder eine junge Kollektion, diesmal mit noch deutlicher radialfaseriger Hutoberfläche. Auch hier wider der brachial bittere Geschmack, der bei jüngeren Fruchtkörpern noch wesentlich intensiver zu sein scheint, als bei älteren.


    Aufsammlung 4:


    Ist ein etwas größerer Pilz (siehe Messerskala), die Huthaut nur leicht schmierig / klebrig, aber vor allem: Ohne jede Radialfaserung.
    Die Hutränder haben vor allem bei jüngeren Pilzen eine etwas feinfilzig –“ wattige Haptik und sind recht trocken.
    Bei älteren Fruchtkörpern deutet sich eine leichte Rippung des Hutrandes an.
    Der Geschmack ist nur schwach bitter, viel weniger als bei den Aufsammlungen 1 bis 3. Auch kommt hier der bittere Geschmack zögerlicher, allmählicher beim Kauen aus dem Mehlgurkigen hervorgekrochen. Einzelne Exemplare mögen dabei auch fast mild sein.
    Die Stiele bräunen ebenfalls, wobei die Stielspitze aber (zumindest bei dieser Kollektion) weiß abgesetzt ist. Da ist aber keine Pseudoringzone, also kein Faserband, es ist lediglich ein recht abrupter Farbübergang nahe dem Lamellenansatz.


    Aufsammlung 5:

    Ist vermutlich die selbe Art wie Aufsammlung 4, mit noch etwas weiter entwickelten Fruchtkörpern, die auch größer sind. Geschmack ist identisch (leicht bitter nach einiger Zeit), nur die Hüte pp ein wenig schmieriger, wobei nach wie vor die Hutränder diese Filzigkeit haben.


    Aufsammlung 6:

    Und nochmal das Ganze, also aus meiner Sicht die gleiche Art wie Aufsammlung 5, nun aber mit richtig schönen, gerippten stans –“ Huträndern und auch in der richtigen, klotzig-großen stans-Wuchsweise


    Aufsammlung 7:


    Scheint erstmal das selbe zu sein. Die in den Kollektionen 5 und 6 vorgestellte Art kann bisweilen auch mal solche Tropfflecken entwickeln, auch wenn–™s auf den Bildern oben kaum zu sehen ist.
    Hier aber sind die Flecken viel ausgeprägter, die Hüte richtig schleimig. Auch die Hutränder, aus den kleinen Tropfkratern quillt regelrecht der Schleim hinaus. Wenn man mit dem Finger den Hutrand antippt, kann man da regelrechte Fäden ziehen, das hat kein Fruchtkörper aus den Aufsammlungen zuvor zu bieten gehabt.
    Was ebenfalls auffällt: Die Stärker und länger eingerollten Hutränder. Vor allem aber: Die Hutoberflächen sind hier wieder ganz fein eingewachsen radialfaserig.
    Und das war bei keiner anderen Aufsammlung im Umkreis der Fall. Hier liegt kein Messer daneben, die Hutbreiten gingen so bis 10 oder schwach 12 Zentimeter. Also auch durchaus größere Pilze.
    Beim Geschmack wird–™s hier schwierig. Notiert hatte ich –žbitter?–œ, das Problem ist aber, daß nach knapp einer halben Stunde rumkauen auf diversen braunen Ritterlingen alles bitter schmeckt, was man in den Mund nimmt.


    Aufsammlung 8:

    Nur der Vollständigkeit halber. Der gehört zur selben Art wie die Aufsammlungen 5 & 6, nur noch älter. Den Fruchtkörper ganz rechts muss man wohl rausnehmen, der sollte zu was anderem gehören. Beachtlich: Die nach wie vor weißen Lamellen (auch Lamellenschneiden nicht gefleckt).


    Aufsammlung 9:


    Ist die vielleicht lustigste Kollektion. Davon gab es mehrere Büschel zwischen all den anderen Ritterlingen. Wegen den schuppipgen Hüten dachte ich freilich an Tricholoma imbricatum, aber die Hutfarbe passt nicht und: Der hier riecht deutlich mehlgurkig. Geschmack: Eher mild, soweit das nach den ganzen Proben noch zu beurteilen war.
    Jung sind die Hüte ganz fein eingewachsen radialfaserig, etwas schmierig, und eben bald deutlich aufschuppend (und das machen die immer so). Gerippte Hutränder finden sich nur andeutungsweise vereinzelt bei älteren fruchtkörpern, Tropfpunkte kann der auch haben, aber das sind eher richtige Dellen, Schleim kommt da jedenfalls nicht raus.


    Aufsammlung 10, anderes Waldstück, aber ähnliche Ökologie:

    Der stammt aus einem Kiefernwald nördlich von Mannheim, ebenfalls Oberrheinebene und wächst vergesellschaftet mit Grünlingen (Tricholoma equestre) und Feinschuppigen Ritterlingen (Tricholoma imbricatum).
    Das sind ziemlich kleine, schlanke Fruchtkörper (ohne Guajak –“ Reaktion) mit radialfaseriger, aber deutlich klebriger Huthaut. Hutränder im Alter gerippt, das kommt wohl in den besten Familien vor. Der Geschmack bei diesen Pilzen ist mild, was mich erstmal ziemlich schockiert hat. Aber gut, es gibt halt mehr als eine Tricholoma albobrunneum.


    Aufsammlung 11, Nordoe, Dünenlandschaft:

    Ebefalls ein kleines, dünnes Pilzchen mit striater Hutoberfläche, aber eben auch etwas schmierig, wobei das auf dem Bild noch extremer aussieht, als es ist. Die standen beim Aufsammeln in strömendem Regen. Geschmack: mild. Reaktion mit Guajak: negativ.
    Auffällig ist der Hutbuckel, ansonsten passt das für mich sehr gut zu Aufsammlung 10.


    Nun habe ich mir zu allen Aufsammlungen noch den Spaß gegönnt, denen Namen zu geben, sie mit FNE4, Riva und Ingos Artikeln im Tintling abzugleichen. Was nicht immer ein eindeutiges Ergebnis brachte, aber doch einige interessante Erkenntnisse.
    Die Namen lasse ich aber vorerst noch weg. Wer mag, möge sich bitte eigene Namen für diese Aufsammlungen ausdenken. Kann ja nicht schaden, wenn wir dann die Ideen so ein bisschen vergleichen.


    Wie gesagt, das oll jetzt nicht primär der Bestimmung dienen.
    Ist eher so als Ritterlings –“ Brainstorming zu verstehen.
    Oder noch besser: Als Tafelrunde.


    Ein wenig Entspannung könnte jetzt gut tun, oder? Mit ein wenig Beifang?
    Tricholoma portentosum = Schwarzfaseriger Ritterling:


    Tricholoma equestre = Kieferngrünling:



    LG, Pablo.

  • Liebe Ritterlingsfreunde,
    wir kommen nicht drumrum: irgendwann müssen wir mal einen Arbeitskreis aufmachen, etwa so wie ihn die Risspilzfreunde haben, und dann zusammen im Verbund die sandigen Kiefernwälder Deutschlands der Reihe nach abklappern. Danach sehen wir hoffentlich klarer.
    FG
    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Pablo,


    wow, so viele Sammlungen! 8| Ich warte neugierig auf die Benennung der Arten. Leider kann meine Wenigkeit dazu nichts sinnvolles beitragen,... vielleicht bis auf wenige Bilder von braunen Ritterlingen aus exakt demselben Waldstück, die ich im jungeren Zustand zuerst für Butterpilze hielt.



    Das war ca. eine Woche vor Deinen Aufnahmen.


    Kleine Anmerkung: dort stehen zwischen den Kiefern auch einzelne kleine Birken, zwar selten aber gut verteilt. Sie fallen kaum auf, aber in diesem Waldstück gibt es definitiv Flaumige Birken-Milchlinge (Lactarius pubescens), sowohl am Waldrand als auch mittendrin.


    PS: was für eine Ehre für mein Messerchen! ==Pilz24

    • Offizieller Beitrag

    Hallo liebe Rittersfreunde,


    das sind wirklich beeindruckende Kollektionen Pablo. :thumbup: Ich gebe gerne heute Abend meine Meinung zu den einzelnen ab. Nur an dieser Stelle erst mal so viel:


    1. Ich bin auch für die Schaffung eines Ritterlings-Arbeitskreises. Getreu nach dem Motto: "Wenn du nicht mehr weiter weist, gründe einen Arbeitskreis." :D
    2. Nach der Schaffung des Arbeitskreises können wir dann sagen, dass wir mit Hochdruck an der Thematik arbeiten. :evil: :saint: :giggle:


    Ok, jetzt mal ernsthaft. Ingo K. wird denke ich auch hier reinsehen. Exsiccate von den Kollektionen existieren Pablo? Die könnten wir ggf. sequenzieren lassen (IÜch hab da Möglichkeiten, wie du weißt). Ein "verbundsweises Abklappern" von diversen Sandkiefernwäldern Deuschlands ist auch eine schöne Idee. Ich hoffe, dass mal so was zustandekommt.


    l.g.
    Stefan

  • [quote pid='345124' dateline='1479382411']


    Ok, jetzt mal ernsthaft. Ingo K. wird denke ich auch hier reinsehen. Exsiccate von den Kollektionen existieren Pablo? Die könnten wir ggf. sequenzieren lassen (IÜch hab da Möglichkeiten, wie du weißt). Ein "verbundsweises Abklappern" von diversen Sandkiefernwäldern Deuschlands ist auch eine schöne Idee. Ich hoffe, dass mal so was zustandekommt.


    l.g.
    Stefan
    [/quote]


    Jo!
    Tolle Bilder und Funde. Bis heute Abend dann.


    GR Ingo

  • Hallo zusammen,
    gibt's denn eigentlich auch in Bayern Sand Kiefernwälder und gegebenenfalls wo?
    V.G.
    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.

  • [quote pid='345122' dateline='1479380365']




    [/quote]


    Hallo Alex und Pablo,


    ich hatte ja seinerzeit etwas dazu geschrieben. Ich hoffe, irgend Jemand von euch hat von dieser Kollektion Belege angefertigt.


    GR Ingo

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, zusammen!


    Huch, so viel Resonanz bei so einem gruseligen Thema? 8|
    Adventspilzrätselsymptome? ;)


    Leider habe ich von den betrachteten Aufsammlungen aus diesem Jahr nichts getrocknet. Aber das kann man im kommenden Jahr nachholen. Ich finde immer mehr stellen, wo solche Pilze stehen.
    Ein Workshop wäre eine hervorragende Sache. Denn der Austausch ist wichtig, ebenso wie Besuche an den jeweiligen "Hotspots".
    Jedenfalls fände ich das hochinteressant.
    Müssen wir mal gucken, wie man da was machen kann und ob es eventuell sogar Möglichkeiten übers Forum gibt.


    Wie gesagt, mir ging es hier primär nicht um "Bestimmungen", was ja in dem Bereich eh nicht so ganz funktioniert, da nicht alle Arten auch einheitliche oder überhaupt gültige Namen haben. Was bei mir zB "Aufsammlung 9" ist nennt Ingo im Tintling "Tricholoma cf. muricatum", ein Taxon zu dem ich so gut wie kaum etwas überhaupt finden kann, ist das überhaupt eine gültige Beschreibung?


    Die Kollektion von Alex hatte ich leider selbst nicht in der Hand. Die stammt aus der gleichen Ecke wie hier die Aufsammlungen 1 bis 9, und wenn der auch so abartig bitter geschmeckt hat, dürfte es die selbe Art sein wie Aufsammlung 1 und Aufsammlung 3. Vielleicht auch wie Aufsammlung 2, wenn das nicht eine eigene Art ist, die ich momentan noch nicht wirklich verstehe und nicht sinnvoll abgrenzen kann.
    Also in dem Bereich mit Kiefern und Birken am Nordende des Halbmonförmigen Wäldchens, Alex?


    Übrigens gibt es selbstverständlich auch in Bayern Sandkiefernwälder mit entsprechenden Ritterlingen. Wenn man Bayern "sensu lato" versteht, dann hat Stephan in diesem Jahr schon einen >interessanten Beitrag aus dem Nürnberger Raum< gezeigt.



    LG, Pablo.


  • Hallo zusammen,
    gibt's denn eigentlich auch in Bayern Sand Kiefernwälder und gegebenenfalls wo?
    V.G.
    Thomas


    Servus Thomas,


    natürlich gibt's in Bayern auch Sankdkiefernwälder. Im Oberpfälzer Hügelland ist das das dominierende Biotop. Wenn Du Franken auch zu Bayern rechnest ( ;) ), findest Du auch im Großraum Nürnberg viele solcher Wälder. Solltest Du eher aus dem südlichen Bayern sein ("Bergwald" kling danach), sind die Binnendünen bei Abensberg und Siegenburg ein wenig näher. Die Abensberger und Oberpfälzer Gebiete werden kommendes Jahr Ziele unserer Bayerischen Mykologischen Tagung Mitte Oktober im Landkreis Regensburg sein. Andere Biotope gibt's natürlich auch noch (z. B. wärmeliebende Laubwälder auf Kalk). Ritterlinge sind neben Cortinarien (und natürlich Inocyben) um diese Jahreszeit die dominierenden Gattungen.


    Dazu noch ein kleiner Literaturtip (Vorsicht Eigenwerbung!): Zitzmann, H. (2005): Die Pilze des Oberpfälzer Waldes: Die Gattung Tricholoma. Myc. Bav. 7:27-42.


    Die Abgrenzungen in der striatum-/pessundatum-/stans-Gruppe waren damals noch ein wenig unterentwickelt (sind's eigentlich immer noch).


    Gruß


    Helmut

  • Hallo Freunde der weißbraunen Ritter,


    ich versuche es mal mit einem nicht ganz so langen Text. Also- eine sichere Benennung der gezeigten Arten ist natürlich unmöglich. Vor allem mangels passender Bestimmungsliteratur. Nimmt man sich die FNE4 vor die Brust, gibt es eben mal drei Beschreibungen, die zu den hier gezeigten Arten passen könnten. T. stans und pessundatum für die glatthütigen Arten und albobrunneum für die striaten.


    Die besagten Tintlingsbeiträge bieten etwas mehr Lösungsansätze. Genau drei für jede Sippe und damit imho doppelt so viele wie die FNE4.
    Wobei der Fokus hier auf Ansatz liegt. Die Beiträge stellen den Momantanzustand (m)eines Meinungsbildungsprozesses dar - nicht mehr und auch nicht weniger. So ist es gut möglich, dass noch weitere Arten in den jeweiligen Gruppen existieren. Andererseits könnte es auch sein, dass es tatsächlich nur drei oder vier Arten gibt, die dann aber extrem variabel, vom Aussehen und vom Geschmack her sein sollten. Ein weiteres aktuelles Ritterlingswerk ist das der Nordamerikanischen von Bessete at. al von 2013. Dort ist die Beschreibung von T. muricatum drin - nicht ganz unwichtig, wie ich finde.


    Die aus meiner Sicht einfachere Gruppe scheint momentan die der striaten Ritterlinge aus dem albobrunneum -Komplex zu sein. Wer den Beitrag aus dem Tintling aus Aug. 2014 kennt, wird mitbekommen haben, dass ich heftigst nach dem Original-albobrunneum von Persoon fahnde.


    Den habe ich hier seit langem mal wieder gesehen - Kollektion 3 und noch viel ausgeprägter - die Funde von Alex. So ein Mist, dass ihr davon nichts mitgenomen hattet. :haue: Diese Textur auf der Hutoberfläche hatte ich bisher nur einmal selbst gesehen. Dazu noch die relativ stämmigen, verdrehten Stiele, die Größe der Fruchtkörper und der beschriebene, saubittere Geschmack. Ich hoffe, dass wir damit in den nächsten Jahren ins Geschäft kommen.


    Die beiden ersten Kollektionen stimmen ziemlich sicher mit meiner Beschreibung von Kollektion 1 - Arbeitsname T. pini - überein. Die Beschreibung dieser Kollektion wurde bei MHK (Michael-Hennig-Kreisel) sehr zutreffend (als T. albobrunneum) vorgenommen.
    Meiner Meinung nach handelt es sich bei der Beschreibung von T. albobrunneum in den FNE4 um eine Sammelbeschreibung, die eher auf die von mir beschriebene Kollektion 3 - striate Hüte, teils geriefte Hutränder und wenig bis nicht bitter - zutrifft. Hutdurchmesser nach FNE4 bis 9 cm und kaum bitter. Die Kollektion 10 trifft hier auch auf diese Beschreibung zu. Dazu - völlig mild. Kollektion 11 aus dem Norden - vielleicht auch, nur etwas etwas untypisch verkümmert.


    Es spricht einiges dafür, dass die milden Vertreter (Nummer 3) eher in den nördlichen Regionen zu Hause sind während die bitteren Winzlinge im Norden nicht vorhanden sind. Verbreitungsgrenze eventuell Mitte Brandenburg. Bei Konrad (Irrlicht) gibt es sie nicht mehr. Das sollte man vielleicht im Auge behalten


    So - wie angedroht - dass schwierige (interessantere) Zeugs lasse ich mir für später.
    Noch einen Satz zu Kollektion 9. Auch wenn die mehlig rochen - es sind ziemlich sicher Feinschuppige Ritterlinge (T. imbricatum). Von denen hatte ich in den letzten 25 Jahren hunderte gesehen und, vor allem nach ergiebigem Regen, sehen sie auch mal so aus.


    LG Ingo


  • Also in dem Bereich mit Kiefern und Birken am Nordende des Halbmonförmigen Wäldchens, Alex?


    Das Wädchen stimmt, aber ich glaube das war eher am Südende.

    • Offizieller Beitrag

    Hi.


    Am Südende gibt's auch Birken? Die müssen mir fast durch die Lappen gegangen sein. Oder doch: So ein paar hatte ich gesehen, kurz bevor sich das Gelände wieder zu dieser Sandlandschaft mit Heidekraut öffnet.


    Und ja: Was die Bezeichnung einzelner Arten in den gruppen betrifft, da muss man sich eben langsam rantasten. Meinungen bilden, Merkmale vergleichen, die Variationsbreiten untersuchen...
    Sicher müssen dabei auch irgendwann Sequenzen ins Spiel kommen. Was bei Ritterlingen ja offenbar auch nicht immer eindeutig ist.


    Insofern kann man hier schon die einzelnen Aufsammlungen bestimmten Arten "im weiteren Sinne" zuordnen. Aber das ist nicht der Weisheit letzter Schluss und auch nicht ganz das, worum es mir geht. Lieber lasse ich die Namen vorerst offen und versuche, morphologisch zusammengehörende Kollektionen zu finden.
    So also wie die von Alex wohl mit der "Aufsammlung 3" zusammen gehört.
    Ich hätte bis eben noch gedacht, daß Aufsammlung 3 auch zu Aufsammlung 1 (ebenso bitter, aber tatsächlich weniger deutlich striat) gehört, aber da ist dein Kommentar sehr hilfreich, Ingo.
    Keine Sorge, dieser sehr striate Vertreter mit dem extrem bitteren Geschmack taucht hier immer wieder mal auf. Da lässt sich im kommenden Jahr sicher mehr als ein beleg anfertigen zusammen mit ausführlichen Dokumentationen.
    Wenn der "milde albobrunneum" tatsächlich eine nördlichere Ausbreitung hat, was macht der dann bei Mannheim in der Oberrheinebene? "Aufsammlung 10" sollte zu der Art gehören, die ist aus der Viernheimer Heide...


    An der Zuordnung von Aufsammlung 9 zu zu Tricholoma imbricatum habe ich irgendwie schwer zu kauen gerade. Das ist nicht nur der intensive Mehlgeruch, sondern auch die Färbung (Tricholoma imbricatum bei mir stets trüber, fast ins Graubraun spielend), die Struktur der Schuppen und die Tropfpunkte sowie die angedeuteten Hutrandrippen, die ich bei Tricholoma imbricatum noch nie gesehen habe, egal wie stark es gepladdert hat.
    Der Pilz ist für mich auch weiter zu beobachten. Natürlich kann es möglich sein, aber gefühlsmäßig wiederstrebt mir das, den als Feinschuppigen abzulegen.


    Ebenso wie ich mich schwertue, in Aufsammlung 7 eine Tricholoma stans (im Sinne von FNE4) zu sehen, da die anderen Pilze die dazu passten, an dem Standort am selben tag doch irgendwie anders aussahen.
    Aber das sind vorerst nur Überlegungen, könnte, sollte und vielleicht...
    Meinungsbildungsprozesse eben.



    LG, Pablo.

  • [quote pid='345230' dateline='1479470031']


    Hi back!


    Wenn der "milde albobrunneum" tatsächlich eine nördlichere Ausbreitung hat, was macht der dann bei Mannheim in der Oberrheinebene? "Aufsammlung 10" sollte zu der Art gehören, die ist aus der Viernheimer Heide...

    Du hast recht. ich hatte etwas unglücklich formuliert. Der milde scheint überall verbreitet zu sein. Der kleine bittere könnte eine nördliche Verbreitungsgrenze haben.

    Ebenso wie ich mich schwertue, in Aufsammlung 7 eine Tricholoma stans (im Sinne von FNE4) zu sehen, da die anderen Pilze die dazu passten, an dem Standort am selben tag doch irgendwie anders aussahen.


    Habe ich etwas überlesen? Wer hat denn da schon einen Namen dran geschrieben? Die gezeigten Pilze deiner Kollektionen 4 bis 8 sind meiner Ansicht nach weder Fisch noch Fleisch. ich muss noch ein wenig darüber nachgrübeln.


    GR Ingo


    [/quote]

  • [quote pid='345230' dateline='1479470031']
    An der Zuordnung von Aufsammlung 9 zu zu Tricholoma imbricatum habe ich irgendwie schwer zu kauen gerade. Das ist nicht nur der intensive Mehlgeruch, sondern auch die Färbung (Tricholoma imbricatum bei mir stets trüber, fast ins Graubraun spielend), die Struktur der Schuppen und die Tropfpunkte sowie die angedeuteten Hutrandrippen, die ich bei Tricholoma imbricatum noch nie gesehen habe, egal wie stark es gepladdert hat.
    Der Pilz ist für mich auch weiter zu beobachten. Natürlich kann es möglich sein, aber gefühlsmäßig wiederstrebt mir das, den als Feinschuppigen abzulegen.
    [/quote]


    Nun Ja!


    Wir alle wissen ja, dass Ritterlinge variabel sein können. Daher hier noch zwei Bildchen zum Thema. Funde aus 2007!




    Tricholoma imbtricato-pessun-populinum würde ich sagen!



    Gruß Ingo

  • Servus Ingo,


    also die hätte ich jetzt ohne zu zögern als imbricatum abgelegt. Der matte, fast filzige Hut und etwas abgegrenzte hellere Farbzone Richtung Hutrand entsprechen "meiner" Vorstellung von der Art.


    Wie ist das aber eigentlich mit der Hybridbildung bei Pilzen? Das gibt's bei Tieren und Pflanzen - warum nicht auch hier?


    Gruß


    Helmut

  • [quote pid='345316' dateline='1479557563']
    Wie ist das aber eigentlich mit der Hybridbildung bei Pilzen? Das gibt's bei Tieren und Pflanzen - warum nicht auch hier?
    [/quote]


    Servus Helmut,
     
    da kann ich nicht viel zu sagen. Vielleicht wissen die Pilzzüchter hier im Forum darüber besser Bescheid.


    GR Ingo
    [hr]


    Ebenso wie ich mich schwertue, in Aufsammlung 7 eine Tricholoma stans (im Sinne von FNE4) zu sehen, da die anderen Pilze die dazu passten, an dem Standort am selben tag doch irgendwie anders aussahen.


    So - etwas verspätet meine tagesaktuelle Meinung zu den mehr oder weniger bglatthütigen Exemplaren - hier Aufsammlungen 4 bis 8 und ev. auch 9.
    Zuerst einmal - die gezeigten Exemplare der Kollektionen 4 - 6 kommen rein optisch fast an die Beschreibung von T. stans in den FNE4 heran. Bis auf die wattigen Hutränder! Diese sind hier Ursache für den markanten Farbübergang im Bereich der Stielspitze. Ich würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn du irgendwann mal an jungen Pilzen einen Cortinarest fändest. In solch gewaltigen Gruppen kenne ich eigentlich nur Pappelritterlinge und, von Bildern her, Niedergedrückte Ritterlinge. Nicht wundern - das ist die 1:1 Übersetzung für Tricholoma pessundatum. Auch die Proportionen deiner Funde erinnern eher an die beiden vorgenannten Arten. Die Ritterlinge, die ich in meiner Region T. stans nenne, sehen schon etwas anders aus:






    Die Hutfarben sind eigentlich immer in diesem hellen Braunton gehalten. Egal, ob es nass war oder einige Tage trocken. Roh probiert sind die jüngeren Pilze ähnlich bitter wie die kleinen Striaten. Bei älteren Exemplaren verliert sich die Bitterkeit zunehmend. Wenn ich die mal fand, dann meistens einzeln oder in kleinen Gruppe mit max. drei Exemplaren. Ob das die gleiche Art ist wie deine Funde - ich habe da große Zweifel!


    Die Kollektionen 7 + 8 könnten zur selben Art gehören wie die Aufsammlungen 4 - 6. Zumindest die Hutfarben und auch die Proportionen scheinen ähnlich zu sein. Die allergrößte Schnittmenge gibt es allerdings, von der Beschreibung her, zu Tricholoma muricatum. Im Web sollte doch etwas dazu zu finden sein. In dieses Schema könnte dann auch deine 9. Aufsammlung, falls es tatsächlich keine Feinschuppigen R. sind, hineinpassen.
    Allerdings ist die muricatum Theorie - wie bereits ich im Tintlingsbeitrag Aug. 2016 zum Thema der 3. Kollektion beschrieben, eher so etwas wie eine Gehhilfe für mich. Vielleicht solltest du tatsächlich mal ganz oldschool-mäßig Sporenmessungen durchführen. Möglicherweise gibt es ja doch konstante Ergebnisse. Zusammen mit der Guajak-Reaktion. Wobei du, allein zum Abgelich mit internationalen Ergebnissen, schlussendlich nicht um die genetische Absicherung herumkommen wirst.


    Das wäre es erstmal zu diesem Thema.


    Gibt es eigentlich schon eine aktuelle Veröffentlichung zu den vier Grünlingsarten?


    Grüßlis Ingo

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ingo!


    Das ist doch schon mal was, wo ich auf jeden Fall mit weiter komme! :thumbup:


    Die vermutung, daß Aufsammlungen 4 bis 8 zusammengehören ist wichtig, auch wenn Aufsammlung 7 etwas aus der Reihe fällt. Das mag altersbedingt sein und muss einfach weiter beobachtet werden.
    Und in der Tat, typischere Tricholoma stans müssten ja so aussehen:

    Heller Pilz eben. Etwas andere Beschaffenheit der Hutoberfläche. Bild aufgenommen im letzten Herbst.
    Steht ein paar Kilometer nördlich des Wäldchens, wo die meisten diesjahrigen Funde her sind.
    Vergleichsmaterial wäre also da.


    Keine Frage, wenn ich das machen will, dann richtig.
    Zu jedem Beleg dann nicht nur mit makrodokumentation wie hier, sondern auch KOH- und Guajak - reaktionen und auch Mikros. Sporen (aus Abwurf), HDS, ev. Stielkortex. Schadet ja nichts, die Details einfach mal zu dokumentieren, auch wenn nachher rauskommt, daß da nichts bei rauskommt.


    Ich meine mich übrigens zu erinnern, daß ich Tricholoma imbricatum zwar noch nie mit mehlgurkigem Geruch, aber durchaus mit einem solchen Geschmack gefunden habe. Wenn man das als variabel betrachten muss, dann wäre es gut möglich und die Hutfarben und Schuppenanatomie würde mich nicht weiter stören.



    LG, Pablo.

  • Hallo zusammen,


    sehr spannender Beitrag!
    Persönlich hatte ich in Ermangelung von Kieferwäldern leider bislang kaum braune Ritterlingsfunde.


    Ich hätte aber die Bitte, ob jemand den Unterschied zwischen farblich abgesetzter Stielspitze und einer Pseudoringzone nochmal anhand von Detailfotos verdeutlichen könnte? Ich verstehe das so, daß die Pseudoringzone von Fasern herrührt, die sich jung als Cortinareste am Hutrand ausmachen lassen.
    Ich wüsste jetzt aber nicht, ob ich das an einem ausgewachsenen Exemplar unterscheiden könnte, oder ist das wirklich so deutlich sichtbar faserig? ...Daher die Frage, ob jemand von Euch evtl. aussagekräftige Bilder zur Verdeutlichung hat.
    Vielen Dank.

    LG Inken


    _____________
    Essensfreigabe nur beim PSV vor Ort!


    Pilzchips: 92 (100 + 20 APR 2013 + 5 APR 2014 - 15 Kollekte APR2015 + 17 APR 2015 -10 Kollekte APR2016-10 Einsatz Podiumswette- 15 APR2020 +9 APR2020 )=101 -APRStartgeb.2021= 86

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Inken!


    Das ist für mich schwer zu beschreiben, da ich noch keinen Ritterling mit richtiger "Pseudoringzone" in der Hand hatte. Klar, Tricholoma cingulatum und Tricholoma focale kenne ich, aber das sind Arten mit richtiger Ringzone. Bei Tricholoma batschii zB geht es in die Richtung, sollte aber tatsächlich nur ein ganz dünner Fasergürtel sein, ebenso wie bei Tricholoma colossus.
    Nur einen scharfen, farblichen Übergang dürfte dann Tricholoma ustaloides zB haben, gelegentlich haben es auch einzelne Fruchtkörper aus meinen "albobrunneum - s.l. - Kollektionen" (siehe oben). Den tricholoma batschii vom Nordtreffen jedenfalls hätte ich zu gerne auch angeguckt, das wäre was Neues für mich gewesen.



    LG, Pablo.