Phlebiopsis gigantea = Großer Zystidenkammpilz

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    Phlebiopsis gigantea (Fr.) Jülich
    Großer Zystiden - Kammpilz



    Synonyme:
    - Thelephora gigantea Fr.
    - Corticium giganteum (Fr.) Fr.
    - Phanerochaete gigantea (Fr.) S.S. Rattan
    - Phlebia gigantea (Fr.) Donk
    - Scopuloides gigantea (Fr.) Spirin & Zmitr.
    - Peniophora gigantea (Fr.) Massee


    Familie: Phanerochaetaceae
    Ordnung: Polyporales
    Klasse: Agaricomycetes



    makroskopische Eigenschaften: Beginnend als kleine Flecken, die sich aber bald ausweiten und zu großflächigen Belägen von teils stattlicher Ausdehnung zusammenfließen; Oberfläche weißlich, bleigrau, ockergrau bis orangeocker; Fruchtkörper ziemlich dick, frisch von wachsartiger Konsistenz, trocken eher fest schaumstoffartig und dann auch gelegentlich ablösend, undeutlich zweischichtig (dünne Hymenialschicht und dickeres Subikulum); Ränder unauffällig, schmal bis fransig gewimpert, meist hell; Oberfläche selten glatt, oft unregelmäßig warzig, auch mit annähernd zähnchenförmigen bis stacheligen Auswüchsen, die zu größeren Gebilden zusammenfließen können und auf Stämmen und Stümpfen abgelagerten Detritus umwachsen und so noch irregulärere Formen annehmen.


    mikroskopische Eigenschaften: Subikulum aus dickwandigen, septierten Hyphen, meist ohne Schnallen (lt. Literatur hier auch mit vereinzelten Schnallen), diese +/- parallel zum Substrat und überwiegend in dichten Bündeln verknüpft und verklebt; Hyphen im Subhymenium mehr aufsteigend, ebenfalls in dichter Struktur, hier alle Septen ohne Schnallen; Basidien schlank keulig bis zylinrisch, vor allem bei jungen Kollektionen sehr lang, meist mit 4 Sterigmen und immer ohne Basalschnalle; Zystiden als Lamprozystiden (dickwandig), meist stark und grob inkrustiert, gelegentlich mit einer oder mehreren Septen, spitz zulaufend oder apikal etwas abgerundet, oft im Hymenium eingebettet (Ursprung im Subhymenium oder Hymenium) einzelne Zystiden aber auch herausragend; keine Gloeozystiden oder Leptozystiden; Sporen recht variabel: Elliptisch bis zylindrisch, oft mit einer abgefachten Seite; im Mittel 5-8 x 2,5-4 µm (eigene Messungen)


    Vorkommen: Häufige Art, in (vor allem beforsteten) Gebieten wo Waldkifer dominiert wohl einer der häufigsten Rindenpilze überhaupt. Pinus sylvestris (Waldkiefer) ist das bevorzugte Substrat, kann aber auch an anderen Nadelhölzern vorkommen; vor allem an dickeren, liegenden Stämmen und Ästen, sowie an Stümpfen in der Initialphase bis zur frühen Optimalphase der Vermorschung; überzieht oft großflächig Stämme und Stümpfe, besonders auffällig ist das massive Auftreten an relativ frischen, gelagerten Stämmen; dort oft vergesellschaftet mit Stereum sanguinolentum (Blutender Nadelholz –“ Schichtpilz) und Trichaptum abietinum (Gemeiner Violettporling).



    Bilder (Anklicken für volle Auflösung):













    Verwechslungen: Trotz etlicher sehr ähnlicher Pilze (sowohl makro- als auch mikroskopisch) lässt sich Phlebiopsis gigantea schon im Feld relativ treffsicher ansprechen. Die großflächigen, dicken, wachsartigen Fruchtkörper mit allerhand irregulär –“ warzigen Auswüchsen, dem weißlichen, cremefarbenen bis ockergelblichen Farbspiel und üppigem Wachstum an relativ frischem Totholz von Nadelbäumen sind einigermaßen charakteristisch. Dennoch lohnt es sich, auch die Mikromerkmale ins Auge zu fassen. Zum einen um eine Bestimmung wirklich abzusichern, zum anderen weil es einfach spannend aussieht.
    Ähnliche Phlebia –“ Arten haben Schnallen an den Septen (vor allem subbasidial kontrollieren), ausgenommen ein paar Arten um Phlebia deflectens, aber da finden keine Lamprozystiden statt. Die fehlen natürlich auch bei Phlebia centrifuga.
    Bei Phanerochaete –“ Arten mit Lamprozystiden (wie zB Phanerochaete velutina, sordida, laevis, leprosa, sanguinea usw.) sind die Hyphen im Subikulum anders strukturiert, bilden eine viel lockerere Textur; dadurch ist das Subikulum bei Phanerochaete meist auch in der Haptik anders: lockerer, weicher, mehr gaze –“ artig und auch im Frischzustand nicht so wachsartig wie bei Phlebiopsis.
    Hyphoderma –“ Arten (einschließlich Peniophorella) haben Schnallen an (nahezu) allen Septen, Hyphoderma –“ Arten ohne Schnallen haben keine Lamprozystiden. Peniophora –“ Arten haben entweder Schnallen, oder (wenn sie keine haben) größere Sporen oder zusätzlich Gloeozystiden.
    Dacryobolus hat eine andere Sporenform, D. karstenii istzudem dimitisch.
    Phlebiopsis roumegueri (= Phlebiopsis ravenelii) soll Laubholz besiedeln (ob ausschließlich?) und hat kleinere Sporen. Wer mit Fungi Europaei 12 arbeitet: Im Schlüssel zu den beiden Phlebiopsis –“ Arten sind die Sporengrößen vertauscht. In den Beschreibungen stimmt es dann wieder.


    Anmerkungen: Wenn die momentane Definition der Verwandschaftsbeziehungen (Einordnung in Gattungen, Familien, Ordnungen–¦) auf ITS –“ Sequenzen basiert, sollte man mittelfristig mit Korrekturen dieser Einordnung rechnen. Sobald sich herauskristallisieren lässt, welche Sequenzen für eine Einschätzung von Verwandschaftsbeziehungen jenseits der Artdefinition besser geeignet sind als ITS, die in der Hinsicht nicht immer ein sinnvolles Bild zu ergeben scheint.
    Morphologisch ist die Abgrenzung der Gattungen Phanerochaete –“ Scopuloides –“ Phlebiopsis heikel. In allen Gattungen gibt es Arten mit Lamprozystiden (teils auch mit Septozystiden), Schnallen fehlen überall oder sind nur vereinzelt im Subikulum ausgebildet, alle sind monomitisch und in Basidienform und sonstigen Merkmalen sehr ähnlich.
    Scopuloides ist von Phanerochaete und Phlebiopsis dadurch zu unterscheiden, daß die Fruchtkörper nie ein deutliches Subikulum bilden. Das fehlt entweder völlig oder besteht nur aus einer sehr dünnen Lage horizontal verlaufender Hyphen, die kaum von den Hyphen des Subhymeniums zu unterscheiden sind.
    Phanerochaete und Phlebiopsis sollen sich durch die Konsistenz unterscheiden, was nicht immer funktioniert, da auch frische Phanerochaete –“ Fruchtkörper gelegentlich deutlich wachsartig in der Haptik sein können. Damit bleibt zur Trennung von Phanerochaete und Phlebiopsis im Grunde nur noch die Beschaffenheit des Subikulums, das bei Phanerochaete aus lockerer verknüpften, nicht bündelig ineinander verklebten Hyphen besteht. Doch auch hier sind die Übergänge fließend, und da die aus ITS –“ Sequenzen erstellten Verwandschaftsbäumchen zu hinterfragen sind, kann man auch den Autoren folgen, die Phlebiopsis bei Phanerochaete einordnen.


    Links zu verwandten und ähnlichen Arten im Archiv:
    >Phlebiopsis roumegueri = Laubholz –“ Zystidenkammpilz<
    >Phlebia centrifuga = Heidelbeerfarbiger Kammpilz<
    >Phlebia deflectens = Ockerlila Kammpilz<
    >Phlebia livida = Bleifarbener Kammpilz<
    >Phanerochaete velutina = Samtiger Lamprozystidenrindenpilz<
    >Hyphoderma setigerum = Feinborstiger Rindenpilz<
    >Peniophorella pubera = Flaumiger Samtrindenpilz<
    >Dacryobolus karstenii = Nördlicher Höckerrindenschwamm<
    >Scopuloides rimosa = Feinzahniger Lamprozystidenrindenpilz<
    –¦ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Ein bisschen was von mir.


    Am 26.11.2017 an abgefallene Kiefer.




    Zystiden dickwandig stark inkrustiert und spitzendend




    Subikulum Hyphen dick und in Bündel verklebt



    Basidien



    Sporen etwas kleiner als in die Literatur aber nicht aus Sporen Abwurf.


    Gruß Mario
    Ein Gruß aus den Bergischen Land


    Pilzchips 40 / 13 PC fürs APR.


    Bei Geschmackprobe bitte nicht runter schlucken.

    Einmal editiert, zuletzt von Trino ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Mario!


    Prima Dokumentation!
    Ziemlich typisch ausgeprägt, aber das ist er ja meistens.


    Seltener kommt mal einer an, der irgendwie ungewöhnlich ist. So wie der, der letztens beim Mikrosamstag im verein auf dem Tisch lag:



    Den Fruchtkörper hatte der Pilzkollege von einem Kiefernstumpf eingesammelt, und anfangs hatten wir unsere liebe Not damit, weil erstmal keine Zystiden zu sehen waren, ebensowenig wie Sporen. Beides fand sich nachher noch (Sporen nicht im Bild), aber in der Ausprägung ist der dann tricky. Kann auch am nasskalten Wetter zur zeit liegen, da sind viele Rindenpilze durch Durchfeuchtung und rasantes Wachstum aufgedunsen, aufgequollen, dazu unreif und sehen komisch aus.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    ja der sieht echt untypisch aus als wäre der Pilz her in die Höhe gewachsen, wie sieht der denn in trochenen zustand aus? Hast du den Beleg noch. Interessant finde ich auch das P.g. wenn trocken sehr Art ist fast wie Plastik.

    Gruß Mario
    Ein Gruß aus den Bergischen Land


    Pilzchips 40 / 13 PC fürs APR.


    Bei Geschmackprobe bitte nicht runter schlucken.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Mario!


    ich hatte den nur untersucht, zusammen mit zwei Vereinskollegen. Den Beleg habe ich nicht aufgehoben, aber es passt alles: Das war ja ein frischer Fruchtkörper, von der Konsistenz über Substrat, Hyphenstruktur und Charakteristika der Hyphen, Aussehen der Basidien, und die wenigen Sporen und Zystiden passten auch dazu.
    Es wurde noch an Scopuloides gedacht, aber die Gattung zeichnet sich ja durch megadünne fruchtkörper nahezu ohne Subikulum aus, kam also hier nicht in Frage.
    Die Fruchtkörperform ist etwas extrem, aber durchaus im Rahmen nach meinen Erfahrungen der Art.



    LG; Pablo.

  • Moin Björn

    heute habe ich wohl diesen Pilz finden können. Für mich ein Erstfund, das liegt vermutlich daran, dass ich mir selten Rindenpilze anschauen. Hier ein paar Bilder, die Sporen passen auch dazu.

    Was meist du, gehört er hierhin? LG Harzi







    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Harzi!


    Der mag ganz gerne +/- stark beförsterte Wälder, und macht sich da auf den recht frischen (noch voll berindeten) gestapelten Nadelholzstämmen breit.

    Greift dabei das Holz kaum an, und wird deshalb von den Holzverwertern auch gar nicht so ungerne gesehen, auch wenn er oft in Gesellschaft mit Trichaptum abietinum & Stereum sanguinolentum auftritt (die das Holz stärker angreifen), aber er verdrängt erstmal andere, stärker holzzersetzende Arten.

    Diese frischen Stämme und Stümpfe in intensiv bewirtschafteten Wäldern sind ja ansonsten auch nicht gerade das Zielsubstrat auch von normalerweise oft rindenpilzbeobachtenden Pilzbeobachtern. :gzwinkern:


    Bei deinem Fund häte ich keine Einwände wegen der Einordnung, ohne Schnallen und mit solchen Sporen kommt man sonst höchstens noch zu Phanerochaete, wo aber die Zystiden etwass anders aussehen (wenn so stark inkrustiert, dann etwas anders geformt), und die Fruchtkörper meistens nicht so fett und wachsig daher kommen.



    LG, Pablo.