Kostenlose mykologische Beigaben aus dem Supermarkt

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 3.400 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Wutzi.

  • Hallo zusammen,


    vielleicht hat ja jemand Spaß an was Gewöhnlichem, deshalb möchte ich mal zwei Pilze zeigen, die wohl jeder schon ungewollt aus dem Supermarkt heimgetragen hat, und zwar im Kartoffelsack. Im Internet finden sich zu den Veränderungen viele Beiträge.


    Der erste Pilz läuft unter den Namen Wurzeltöterkrankheit, Weißhosigkeit, Dry Core und mehr. Verursacher ist Rhizoctonia solani, die asexuelle Form (Anamorphe) von Thanatephorus cucumeris (Teleomorphe), ein Basidiomycet aus der Ordnung Cantharellales. Die Infektion der Kartoffel geschieht im Boden und sieht wie "Lochfraß" aus, was vom Pilz kommen kann, manchmal ist es aber auch ein nachträglicher Befall von Fraßgängen der Drahtwürmer, also Käferlarven. Man sieht dunkle bis schwarze Löcher in der Kartoffelschale, die darunter Einsenkungen oder Gänge haben mit wattig-weißer Myzelfüllung. Unterm Mikroskop erkennt man Rhizoctonia am ehesten an der Hyphenverzweigung annähernd im rechten Winkel, Artbestimmungen sind mir mit Hobbymitteln wie Mikroskop nicht möglich.


    Silberschorf werden silbrige Flecken auf der Kartoffelschale genannt. Der Verursacher ist Helminthosporium solani, ein Ascomycet aus der Ordnung Pleosporales. Die Infektion der Kartoffel geschieht sowohl im Boden wie auch während der Lagerung der Ernte.


    Der mykologische Namensbestandteil von Streptomyces scabies des Kartoffelschorfes täuscht, es handelt sich um eine bakterielle Erkrankung - ich zeige es nur zur Vervollständigung der häufiger zu findenden Kartoffelveränderungen.


    Alle drei Kartoffelkrankheiten beeinträchtigen die Verzehrfähigkeit nicht.


    Viele Grüße
    Dieter

  • Danke Dieter, jetzt weiß ich endlich, mit wem ich ständig um die Kartoffeln konkurriere.


    Liebe Grüße Claudia

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    ich hab hier noch so einen Kandidaten, der allerdings schon in die Kategorie "ungewöhnlich" gehören dürfte.


    Es ist der Kartoffelkrebs, der von dem Chitridiomyceten Synchytrium endobioticum ausgelöst wird. Eine ähliche Art, wurde beim Salamanderfresser schon diskutiert.


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Hallo Stefan,


    Kartoffel scheinen entweder sehr anfällig gegen Krankheiten zu sein, oder vielleicht sind auch nur so viele bekannt, weil sie besonders aufmerksam, halt Nahrungsmittel, beobachtet werden. In meiner Sammlung von Phytoparasiten-Dokus aus dem Internet hab ich zur Kartoffel 27 Pilzarten belegt und das sind sicher nicht alle. (Die Fotos oben sind aber von mir.)


    Die Chytridiomyceten sind zweifellos eine interessante Pilzklasse, leider hab ich bisher nur einen Vertreter gefunden, an Buschwindröschen, und den hab ich zuhause nichtmal als Pilz erkannt oder identifizieren können und wurde erst kurz danach durch eine Fundpräsentation von Julia erleuchtet. Um ehrlich zu sein, wusste ich bis dahin (vor ca. 8 Jahren) nicht mal, dass es die Abteilung der Chytridiomycota gibt.


    Solltest Du hier eigene Chytridiomyceten-Funde vorstellen wollen, würde ich mich sehr freuen.


    Viele Grüße
    Dieter

    • Offizieller Beitrag


    Hi,


    ich kannte die Klasse bis letztes Jahr auch nicht. Ich hab sie erst beim Fachberater-Phyto-Kurs bei Meike Piepenbring kennengelernt. Von Kartoffelkrebs habe ich persönlich nicht gefunden, aber mal live gesehen. Ansonsten habe ich bisher nur einmal einen Chitridiomyceten an Löwenzahn "finden" können und zwar im Wissenschaftsgarten der Uni Frankfurt/Main; eben bei dem Phyto-Kurs von Meike und dem Einführungskurs von Hermine. Hast du den Klenke/Scholler? Da sollten die Chitridiomyceten eigentlich mit drin sein.


    Noch eine Sache zu den Rhizoctonias. Die kannst du mehr oder minder nur genetisch bestimmen. Diese typsiche T-Verzweigung auf den Hyphen ist übrigens wirklich sehr markant. ;)


    l.g.
    Stefan

  • Hallo,


    da fällt mir zu Rhizoctonia noch was aus älterer Zeit ein: Vertreter dieser Gattung sind ja Symbiosepartner von Orchideen an den Wurzeln. Ich hab mal eine Orchidee gefunden, bei der der Pilz mit durchgehendem Belag auf der Blattunterseite wuchs, aber nicht parasitisch, also mit irgendwelchen erkennbaren Blattschädigungen, sondern symbiontisch. Der Beleg wird wie alle meine anderen in der Botanischen Staatssammlung, München aufbewahrt, falls sich das jemand näher ansehen will.


    Viele Grüße
    Dieter

    • Offizieller Beitrag


    Hallo,


    da fällt mir zu Rhizoctonia noch was aus älterer Zeit ein: Vertreter dieser Gattung sind ja Symbiosepartner von Orchideen an den Wurzeln. Ich hab mal eine Orchidee gefunden, bei der der Pilz mit durchgehendem Belag auf der Blattunterseite wuchs, aber nicht parasitisch, also mit irgendwelchen erkennbaren Blattschädigungen, sondern symbiontisch. Der Beleg wird wie alle meine anderen in der Botanischen Staatssammlung, München aufbewahrt, falls sich das jemand näher ansehen will.


    Viele Grüße
    Dieter


    Hi,


    ich dachte bisher, dass die Symbiosepartner von Orchideen zu den Glomeromycota gehören würden. Das ist seltsam. oder irre ich mich da? :/ Rhizoctonia zählt, wie du schon sagtest zu den Cantharellales.

    • Offizieller Beitrag

    Hi.


    Und so am Rande noch erwähnt: Die Teleomorphen (also Thanatephorus) müssen nicht symbiontisch wachsen.
    Thanatephorus cf ochraceus ist mir neulich begegnet, als großflächiger Belag an einem liegenden Pappelstamm in einem Auwald.
    Kann natürlich sein, daß die sich ähnlich wie tomentelloide Pilze verhalten und ihre teleomorphen Fruchtkörper halt irgendwo ablegen, das Mycel aber in einer symbiotischen verbindung mit einer Pflanze nebenan steht.



    LG; Pablo.

  • Hallo Stefan,


    nicht dass ich von symbiontischen Pilzen, Mykorrhiza o.ä. viel verstehen würde und ich hab im Netz auch gelesen, dass manche Rhizoctonia-Arten an Orchideen parasitisch und somit schädigend wachsen können, aber es gibt wohl auch symbiontische Arten, wie z.B. hier nachzulesen: http://www.ageo.ch/index.php?page=b_2006_2_4


    Viele Grüße
    Dieter

  • Hallo Ihr lieben Fachmänner :) ,


    ich traue mich ja fast nicht mehr zu schreiben ;) , aber es gibt eine Frage zu den Kartoffeln die mir beim Lesen der Texte sofort eingefallen ist. Aber zunächst einmal Dieter, vielen Dank für diesen interessanten Thread :thumbup: .


    Also: Die Kartoffel kommt ja aus der Andenregion und dort gibt es unglaublich viele Sorten, es müssten glaube ich einige Hundert sein. Hier bei uns, und in der gesamten sogenannten "Westlichen Welt" gibt es dagegen nur sehr, sehr wenige (überzüchtete) Kartoffelsorten. Diese Pilze, gibt es die nur bei diesen wenigen (überzüchteten) Sorten? Oder gibt es die bei allen Kartoffelarten und -sorten?


    Würde mich einfach nur so einmal interessieren :)


    Liebe Grüße


    Maria

    • Offizieller Beitrag


    Hi,


    das ist eine gute Frage. :) Soweit, wie ich das einschätzen kann sind die Krankheiten überall vertreten. Der einzige Unterschied ist, dass die Kartoffeln in den Andenregionen zumindest früher sich an die Pilze gewöhnt haben und auch Abwehrmechanismen entwickelt haben. Als dann die Kartoffeln ins "saubere" Europa gebracht wurden, wo es die Krankheitserreger nicht gab, haben sie die Awehmechanismen "verlernt". Das war auch einer der Gründe dafür, dass in Europa, besonders aber in Irland, in den 1850er Jahren durch Phytophtora infestans die große Hungersnot ausgebrochen ist. Mit einer "klassischen" Überzüchtung, wie wir sie bei Hunden kennen, hat das aber aus meiner Sicht nix zu tun. Heute werden resistente Sorten. z.B. gegen Kartoffelkrebs gezüchtet.
    Übrigens: Bist du dir sicher, dass du die Sortenzahl nicht mit den Tomaten verwechselst? Von denen gibt es ca. 5000 Sorten weltweit, das weiß ich zufällig... ;)


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


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    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Übrigens: Bist du dir sicher, dass du die Sortenzahl nicht mit den Tomaten verwechselst? Von denen gibt es ca. 5000 Sorten weltweit, das weiß ich zufällig... ;)


    l.g.
    Stefan


    Hallo Stefan,


    ja, ich bin mir sicher. Wie viele Sorten es genau (also ungefähr genau ;) ) gibt, da müsste ich erst einmal nachschlagen, goggeln etc. Ich weiß aber, dass nicht alle Sorten überhaupt erfasst sind, dass es nach wie vor viele Wildsorten gibt. Wenn Du z.B. in Kolumbien in einen Supermarkt gehst, hast Du dort bereits eine unglaubliche Sortenvielfalt (20 werden es in großen Märkten wohl schon sein), gehst Du auf Bauernmärkte auf dem Land, dann trifft Dich manchmal schier der Schlag wie viele unterschiedlichste Kartoffeln dort angebaut werden! Und die Sorten ändern sich teilweise je nach Region ... und sie ändern sich je nach Andenland ...


    Mal so ganz nebenbei - diese Kartoffeln sehen nicht nur komplett unterschiedlich aus, sondern sie schmecken auch komplett unterschiedlich. Und WIE sie schmecken!!!


    Liebe Grüße


    Maria

  • Hallo Maria,


    weil ich Deine Frage interessant fand, habe ich in Google mal die Begriffe papa, colombia und rhizoctonia eingegeben. Da wird schnell deutlich, dass Kartoffelkrankheiten auch dort ein Problem sind.


    Viele Grüße
    Dieter

  • Danke Dieter.


    Heute Nacht war ich zu müde zum googeln, nun, frisch und munter, habe ich dies auch getan. Mit der Anzahl der verschiedenen Kartoffel-Sorten habe ich mich wohl gründlich getäuscht: Es scheint wohl weit über 5.000 Zuchtformen der Kartoffel zu geben.


    Beim querlesen einiger der Studien zu dem Pilzbefall ist mir aufgefallen, dass verschiedene Kartoffelsorten untersucht wurden, aber anscheinend nur die, die je nach Land im größeren Stil kommerziell angebaut werden und damit für die Landwirtschaft wichtig sind. Aber ich habe wie gesagt nur einige wenige Studien quergelesen und mein Englisch ist nicht das Beste.


    Für mich stellt sich da dann immer die Frage, ob durch das intensive hinein- und herauszüchten, die genetischen Eingriffe usw. in eine Pflanze, nicht erst solch ein Problem im größeren Umfang, so wie hier, überhaupt entstanden sein könnte. Und diese Frage stelle ich mir übrigens nicht nur bei der Kartoffel und diesem speziellen Pilzbefall.


    Liebe Grüße


    Maria

  • Hallo Dieter, hallo Maria,


    in dem Zusammenhang bin ich wieder mal auf Glyphosat gestoßen. Das Zeug scheint wirklich die Pest zu sein.
    Glyphosat wird auch bei Kartoffeln als "Roundup" eingesetzt. Man verwendet es um die Reife zu beschleunigen. Nach dem Versprühen von "Roundup" stirbt das Kraut ab und die Reife wird beschleunigt.
    Dazu fand ich Folgendes:
    "Nicht zuletzt hat Glyphosat hohe negative Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit und das Bodenleben: bestimmte krankheitserregende Pilze wie Fusarien (parasitäre Schimmelpilze, die ihren Wirt töten) werden gefördert, die Aufnahme von Mikronährstoffen und die Krankheitsabwehr von Pflanzen werden gestört, die für die Durchlüftung von Böden unverzichtbare Regenwürmer meiden mit Glyphosat belastete Böden."
    Ernüchternd.


    Liebe Grüße Claudia

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


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    Einmal editiert, zuletzt von Wutzi ()