@pilzmel: AM1883 Psathyrella cf. microrhiza - Sequenzierung

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 2.207 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Schwammer-Dieter.

  • [font="Arial"]Hallo Pilz-Freunde,
    dieser Bericht wird vor allem die Psathyrella-Freunde interessieren.
    Unser Forianer Andreas (pilzmel) schickte mir eine etwas rätselhafte Psathyrella-Sequenz:
    AM1883 --> nach einer Kurzprüfung irgend etwas in Richtung Psathyrella microrhiza, bzw. 98%ige Psathyrella boreifasciculata.

    Ich versuchte den Pilz über eine Sequenzanalyse näher in ein neues Phylogramm in dieser Ecke einzuordnen.
    Was ich herausfand zeig ich Euch wieder mal... Viel Spaß...

    Zunächst sah ich mir die Rohdaten an:

    Wie man sieht: Hohe Amplituden - gute Qualität - kaum eine Dachschräge... damit kann man arbeiten.

    Das Chromatogramm (hier schon in der Richtung korrigiert) schaut entsprechend gut aus.
    Hohe Confidence-Scores. Allerdings gibt es ein paar Double Peaks und Bad Reads (gelb markiert), die wir unbedingt näher anschauen müssen um keine Fehlbestimmung zu machen:

    Es stellte sich später heraus dass alle Basen richtig waren. Keine Korrektur war erforderlich.

    Über Blast suchte ich die guten Kandidaten für die Sequenzanalyse heraus:
    KC992868 (zwar als "Psathyrella sp." benannt, jedoch später als P. microrhiza bestimmt von Leif Örstadius - Schweden - in Unite ist diese Sequenz bereits richtig benannt!)
    KF891350 (P. boreifasciculata - Finnland)
    FN396130 (P. microrhiza - Ungarn)

    AM712282 (P. microrhiza - Oesterreich)
    DQ389684 (P. microrhiza - Schweden)
    FN396141 (P. prona - Ungarn)
    KC992856 (P. psammophila - Schweden)
    KC992863 (P. magnispora - Schweden)
    AM712273 (P. senex - Oesterreich)
    FN396120 (P. senex - Ungarn)
    AM712274 (P. senex - Oesterreich)

    Als nächstes ging ich auf die Suche in Unite.
    Hier finden sich noch mehrere

    UDB024636 P. senex - Estland (liegt mir nicht vor)
    UDB019604 P. microrhiza - Estland


    Ebenso durchsuchte ich ENA:
    keine weiteren Funde

    Ebenso durchsuchte ich Ensembl:
    keine Funde.

    Als Outgroup verwendete ich DQ389681.

    Damit führte ich das Alignment - zunächst nach dem Muscle-Automatismus durch. Die Feinkorrektur passierte von Hand.
    Keine besonderen Vorkommnisse ;)

    Dann erstellte ich das Phylogramm.
    Modell: Maximum Likelihood
    Statistik-Methode: Neighborhood joining
    Test: Bootstrap mit 500 Replikationen
    Gaps und Missings: entfernt

    Ergebnis:


    Dazu brauchen wir noch eine schöne Distance Chart:


    Was können wir also dazu sagen:
    Andreas' Fund passt am besten - mit 0,64% Abweichung - zu KC992868.
    Da Leif Örstadius diesen als Psathyrella microrhiza bestätigt hat, würde ich AM1883 auch so benennen.
    Allerdings ist mit 89%iger Sicherheit eine Abspaltung des Astes geschehen.
    Eine Psathyrella microrhiza var. 1 und var. 2 dürfte zwar zulässig sein, aber wegen wahrscheinlicher Untrennbarkeit nicht besonders sinnvoll.

    KF891350 (P. boreifasciculata - Finnland) steht mit 2,26% weiter ab als die anderen Psathyrella microrhiza mit 2,09%.
    Deshalb würde ich den Namen P. boreifasciculata ausschließen.
    Nach dem momentanen Wissensstand über diesen Ast wäre P. boreifasciculata mit P. microrhiza var. 3 wohl besser benannt gewesen.
    Dass eine weitere Abspaltung geschah ist ja zu 98% sicher.

    Es gibt also quasi 2 Möglichkeiten:
    Entweder man findet ein Trennungsmerkmal und macht aus AM1883 und KC992868 eine Varietät von P. microrhiza oder eine neue Art.
    Dann wäre P. boreifasciculata gerechtfertigt.
    Oder: man fasst alle die oben zu sehen sind zu P. microrhiza zusammen.
    Entscheiden könnte man das nur anhand eines sichtbaren, immer sichtbaren Trennungsmerkmals.

    Andreas schrieb mir zum Fund:
    "Die Merkmale sind sowas von abweichend [er meinte zu P. microrhiza], und der Standort war eine Brandstelle. Dem Rätsel möchte ich mal nachspüren."

    Hält man diese Merkmale fest und findet Übereinstimmungen zu KC992868 könnte eine neue Art geboren werden.

    Einen Fund auf Brandstelle hatte ich übrigens auch.

    Fundort:
    ca. 550 müNN. ca. N50, O12, in einer Brandstelle in einer Wiese am Laubwaldrand
    Fundzeit: 23.10.2015
    Wuchsform: gesellig
    Hutform:
    konvex
    Huthaut: im Zentrum braun, nach außen heller werdend, jung runzelig, Lamellen durchscheinend, leicht befasert
    Hygrophanität: ja
    Hutrand: kantig
    Lamellen: rotbraun, mit Zwischenlamellen
    Lamellenschneiden: weinrot beflockt

    Lamellen- Hutübergang:
    gerade
    angewachsen
    Fleisch: beige
    Stiel: beige, hohl, bereift bis faserig
    Stielbasis:
    weißfilzig
    Größe:
    Hutdurchmesser ca. 1-2 cm; Stiellänge 5-7 cm, Stieldurchmesser ca. 2 mm
    Sporenpulverfarbe: nicht getestet
    Geruch:
    neutral
    Geschmack: nicht probiert

    [/font]



    [font="Arial"]Wurzelnde Faserling (Psathyrella microrhiza):

    [/font]
    [font="Arial"]
    [/font]
    [font="Arial"]
    [/font]
    [font="Arial"]Mikrodaten:
    Cheilos:
    sehr viele vorhanden und büschelig

    [/font]
    [font="Arial"]Pleuros und Cheilos:

    [/font]
    [font="Arial"]Cheilos:
    (27) 32.2 - 39.7 (45.1) x (8.1) 9 - 13.1 (14.4) µm
    Q = (2.4) 2.6 - 3.9 (4.3) ; N = 31
    Me = 36 x 11.1 µm ; Qe = 3.3

    [/font]
    [font="Arial"]Pleuros: viele zu finden
    (51.8) 52.2 - 60.2 (61.9) x (11.9) 12.9 - 14.7 (14.9) µm
    Q = (3.6) 3.7 - 4.6 (5) ; N = 10
    Me = 56.4 x 13.8 µm ; Qe = 4.1
    [/font]
    [font="Arial"]Marginalzellen: nur einige zu sehen. Absolut nicht dominierend
    22.63 - 25.5 x 11.91 - 12.9 µm
    Q = 1.9 - 2 ; N = 3
    Me = 23.7 x 12.3 µm ; Qe = 1.9
    [/font]
    [font="Arial"]Basidien: 4-sporig (einige 2-sporig)
    9.65 - 23.1 x 9.6 - 11.57 µm
    Q = 1.72 - 2.3 ; N = 5
    Me = 21.5 x 10.9 µm ; Qe = 2
    [/font]
    [font="Arial"]Schnallen: keine gesehen
    [/font]
    [font="Arial"]Sporen:
    (10.4) 10.6 - 11.7 (13.1) x (5.8) 6 - 6.7 (6.8) µm
    Q = (1.6) 1.7 - 1.8 (1.9) ; N = 62
    Me = 11.2 x 6.4 µm ; Qe = 1.7

    [/font]
    [font="Arial"]Offensichtlich mag P. microrhiza (s. l.) also auch Brandstellen.
    Somit wäre die Brandstelle geritzt.

    @ Andreas: Hoffe ich konnte ein bisschen etwas zur Lösung des Rätsels beitragen.
    Du kannst ja mal den Fund mit den Mikrodaten von meinem vergleichen und dich hier melden.

    @ alle Profis: ich bitte um angeheizte Diskussion und weitere Tipps. ;))


    Beste Grüße
    Dieter
    [/font]

  • Hallo Dieter,
    grandios! Und schnell; ich sagte eigentlich, es sei kein Nagelbrenner–¦ Herzlichen Dank!
    Mal kurz, auch für die Runde, etwas zur Geschichte.
    Ich habe den Pilz partout nicht bestimmen können, wusste also nichts Besseres, als eine Sequenzierung in die Wege zu leiten. Das mache ich immer nur dann, wenn mein Gehirn in der stabilen Seitenlage ausharrt und keinen Namen verrät. Einschränkend muss ich sagen, es ist nur die ITS (sozusagen als Wegweiser, der für Psathyrella brauchbar ist); vielleicht wäre noch die LSU angezeigt. Aber es ist bereits jetzt mehr als eine bloße Tendenz erkennbar.
    Der Pilz hat schon eine gewisse Ähnlichkeit mit microrhiza, aber zu kleine Sporen und Pleurozystiden, zu lückige und etwas ungewöhnlich geformte Cheilos, untermischt mit viel zu vielen keuligen Zellen, darüber hinaus gibt es keine pigmentierte Lamellenschneide.
    Nach der Sequenzierung und dem üblichen Vergleichen wies die höchste Übereinstimmung eine Kollektion aus Schweden, leg. Leif Örstadius (oberste Instanz in Sachen Psathyrella weltweit) auf, danach folgte boreifasciculata (ich kenne nur den Protolog; keiner der Autoren war für mehr Info zu überreden). Der schwedische Pilz ist in der Genbank nur als spec. hinterlegt. In der zugehörigen Publikation dann allerdings als microrhiza benannt. Dort in der Tabelle mit dem untersuchten Material mit dem Zusatz –žtype–œ. Das war sehr verdächtig (und unmöglich, weil microrhiza keinen Typus hat). Ich habe mich dann schlau gemacht. Leif hat den Pilz ebenfalls nicht bestimmen können und an eine neue Art gedacht. Nach der molekularen Auswertung (Baum) kam der Pilz aber zwischen zwei guten microrhiza zu liegen (in der Publikation nur neben einer). Also wurde beschlossen, das Ganze als merkwürdige microrhiza zu bezeichnen, und fertig. Das Wort –žtype–œ wurde vergessen zu löschen.
    Ich persönlich vermute allerdings eine gute Art. Die hat sich nicht umsonst der Bestimmung entzogen. Und die Mikromerkmale lassen eine deutliche Trennung von microrhiza zu. Die Brandstelle ist da nicht wichtig, microrhiza wurde auch auf Dung gefunden.
    Sollte jemand nicht wissen, wie Psathyrella microrhiza aussieht, ein Stück nach oben auf Dieters Doku gucken.
    Beste Grüße,
    Andreas

  • [font="Arial"]OKI DOKI Andreas,
    dann dürfte kaum mehr etwas dagegen sprechen wenn wir diesen Zweig wie folgt auftrennen:

    Schon mal viel Spaß bei der Erstbeschreibung ;)
    Beste Grüße
    Dieter
    [/font]

  • Danke Hias,
    ich hatte dazu keine ---> müssen wir auf Andreas' Antwort warten.
    Beste Grüße
    Dieter


    PS: Bin ein großer Fan Deiner Bestimmungs-Berichte und sie haben mir schon sehr oft weiter geholfen.
    Danke dafür! ==Pilz23

  • Hallo zusammen,
    sicher gibt es ein Foto, aber ich kanns nicht hochladen. Hier herrscht fast Funkstille nach einem Bltztreffer.
    Ich habe ewig gebraucht, die Seite hier zu erreichen. Melde mich hoffentlich bald wieder.
    Dieter, ich habe mails von dir, kann die aber weder lesen geschweige denn drauf antworten. Herzlichen Dank für das update an anderer Stelle; damit muss ich mich näher befassen.
    Beste Grüße,
    Andreas

  • [font="Verdana"]Hallo zuammen,[/font]
    [font="Verdana"]ich bin wieder halbwegs flüssig online.[/font]
    [font="Verdana"]Hier das Bild der noch mysteriösen Art; ist nicht gerade spektakulär:[/font]

    [font="Verdana"] [/font]


    [font="Verdana"] [/font]
    [font="Verdana"]Beste Grüße,[/font]
    [font="Verdana"]Andreas[/font]