[font="Arial"]Hallo Pilz-Freunde,
dieser Bericht wird vor allem die Psathyrella-Freunde interessieren.
Unser Forianer Andreas (pilzmel) schickte mir eine etwas rätselhafte Psathyrella-Sequenz:
AM1883 --> nach einer Kurzprüfung irgend etwas in Richtung Psathyrella microrhiza, bzw. 98%ige Psathyrella boreifasciculata.
Ich versuchte den Pilz über eine Sequenzanalyse näher in ein neues Phylogramm in dieser Ecke einzuordnen.
Was ich herausfand zeig ich Euch wieder mal... Viel Spaß...
Zunächst sah ich mir die Rohdaten an:
Wie man sieht: Hohe Amplituden - gute Qualität - kaum eine Dachschräge... damit kann man arbeiten.
Das Chromatogramm (hier schon in der Richtung korrigiert) schaut entsprechend gut aus.
Hohe Confidence-Scores. Allerdings gibt es ein paar Double Peaks und Bad Reads (gelb markiert), die wir unbedingt näher anschauen müssen um keine Fehlbestimmung zu machen:
Es stellte sich später heraus dass alle Basen richtig waren. Keine Korrektur war erforderlich.
Über Blast suchte ich die guten Kandidaten für die Sequenzanalyse heraus:
KC992868 (zwar als "Psathyrella sp." benannt, jedoch später als P. microrhiza bestimmt von Leif Örstadius - Schweden - in Unite ist diese Sequenz bereits richtig benannt!)
KF891350 (P. boreifasciculata - Finnland)
FN396130 (P. microrhiza - Ungarn)
AM712282 (P. microrhiza - Oesterreich)
DQ389684 (P. microrhiza - Schweden)
FN396141 (P. prona - Ungarn)
KC992856 (P. psammophila - Schweden)
KC992863 (P. magnispora - Schweden)
AM712273 (P. senex - Oesterreich)
FN396120 (P. senex - Ungarn)
AM712274 (P. senex - Oesterreich)
Als nächstes ging ich auf die Suche in Unite.
Hier finden sich noch mehrere
UDB024636 P. senex - Estland (liegt mir nicht vor)UDB019604 P. microrhiza - Estland
Ebenso durchsuchte ich ENA:
keine weiteren Funde
Ebenso durchsuchte ich Ensembl:
keine Funde.
Als Outgroup verwendete ich DQ389681.
Damit führte ich das Alignment - zunächst nach dem Muscle-Automatismus durch. Die Feinkorrektur passierte von Hand.
Keine besonderen Vorkommnisse
Dann erstellte ich das Phylogramm.
Modell: Maximum Likelihood
Statistik-Methode: Neighborhood joining
Test: Bootstrap mit 500 Replikationen
Gaps und Missings: entfernt
Ergebnis:
Dazu brauchen wir noch eine schöne Distance Chart:
Was können wir also dazu sagen:
Andreas' Fund passt am besten - mit 0,64% Abweichung - zu KC992868.
Da Leif Örstadius diesen als Psathyrella microrhiza bestätigt hat, würde ich AM1883 auch so benennen.
Allerdings ist mit 89%iger Sicherheit eine Abspaltung des Astes geschehen.
Eine Psathyrella microrhiza var. 1 und var. 2 dürfte zwar zulässig sein, aber wegen wahrscheinlicher Untrennbarkeit nicht besonders sinnvoll.
KF891350 (P. boreifasciculata - Finnland) steht mit 2,26% weiter ab als die anderen Psathyrella microrhiza mit 2,09%.
Deshalb würde ich den Namen P. boreifasciculata ausschließen.
Nach dem momentanen Wissensstand über diesen Ast wäre P. boreifasciculata mit P. microrhiza var. 3 wohl besser benannt gewesen.
Dass eine weitere Abspaltung geschah ist ja zu 98% sicher.
Es gibt also quasi 2 Möglichkeiten:
Entweder man findet ein Trennungsmerkmal und macht aus AM1883 und KC992868 eine Varietät von P. microrhiza oder eine neue Art.
Dann wäre P. boreifasciculata gerechtfertigt.
Oder: man fasst alle die oben zu sehen sind zu P. microrhiza zusammen.
Entscheiden könnte man das nur anhand eines sichtbaren, immer sichtbaren Trennungsmerkmals.
Andreas schrieb mir zum Fund:
"Die Merkmale sind sowas von abweichend [er meinte zu P. microrhiza], und der Standort war eine Brandstelle. Dem Rätsel möchte ich mal nachspüren."
Hält man diese Merkmale fest und findet Übereinstimmungen zu KC992868 könnte eine neue Art geboren werden.
Einen Fund auf Brandstelle hatte ich übrigens auch.
Fundort: ca. 550 müNN. ca. N50, O12, in einer Brandstelle in einer Wiese am Laubwaldrand
Fundzeit: 23.10.2015
Wuchsform: gesellig
Hutform: konvex
Huthaut: im Zentrum braun, nach außen heller werdend, jung runzelig, Lamellen durchscheinend, leicht befasert
Hygrophanität: ja
Hutrand: kantig
Lamellen: rotbraun, mit Zwischenlamellen
Lamellenschneiden: weinrot beflockt
Lamellen- Hutübergang: gerade angewachsen
Fleisch: beige
Stiel: beige, hohl, bereift bis faserig
Stielbasis: weißfilzig
Größe: Hutdurchmesser ca. 1-2 cm; Stiellänge 5-7 cm, Stieldurchmesser ca. 2 mm
Sporenpulverfarbe: nicht getestet
Geruch: neutral
Geschmack: nicht probiert
[/font]
[font="Arial"]Wurzelnde Faserling (Psathyrella microrhiza):
[/font]
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[/font]
[font="Arial"]
[/font]
[font="Arial"]Mikrodaten:
Cheilos: sehr viele vorhanden und büschelig
[/font]
[font="Arial"]Pleuros und Cheilos:
[/font]
[font="Arial"]Cheilos:
(27) 32.2 - 39.7 (45.1) x (8.1) 9 - 13.1 (14.4) µm
Q = (2.4) 2.6 - 3.9 (4.3) ; N = 31
Me = 36 x 11.1 µm ; Qe = 3.3
[/font]
[font="Arial"]Pleuros: viele zu finden
(51.8) 52.2 - 60.2 (61.9) x (11.9) 12.9 - 14.7 (14.9) µm
Q = (3.6) 3.7 - 4.6 (5) ; N = 10
Me = 56.4 x 13.8 µm ; Qe = 4.1
[/font]
[font="Arial"]Marginalzellen: nur einige zu sehen. Absolut nicht dominierend
22.63 - 25.5 x 11.91 - 12.9 µm
Q = 1.9 - 2 ; N = 3
Me = 23.7 x 12.3 µm ; Qe = 1.9
[/font]
[font="Arial"]Basidien: 4-sporig (einige 2-sporig)
9.65 - 23.1 x 9.6 - 11.57 µm
Q = 1.72 - 2.3 ; N = 5
Me = 21.5 x 10.9 µm ; Qe = 2
[/font]
[font="Arial"]Schnallen: keine gesehen
[/font]
[font="Arial"]Sporen:
(10.4) 10.6 - 11.7 (13.1) x (5.8) 6 - 6.7 (6.8) µm
Q = (1.6) 1.7 - 1.8 (1.9) ; N = 62
Me = 11.2 x 6.4 µm ; Qe = 1.7
[/font]
[font="Arial"]Offensichtlich mag P. microrhiza (s. l.) also auch Brandstellen.
Somit wäre die Brandstelle geritzt.
@ Andreas: Hoffe ich konnte ein bisschen etwas zur Lösung des Rätsels beitragen.
Du kannst ja mal den Fund mit den Mikrodaten von meinem vergleichen und dich hier melden.
@ alle Profis: ich bitte um angeheizte Diskussion und weitere Tipps. ;))
Beste Grüße
Dieter[/font]