Ein Anthracobia - Problem

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 5.318 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Freunde der Brandstellen!


    Was mich gerade umtreibt ist die Frage, ob sich Anthracobia nitida und Anthracobia melaloma tatsächlich nur anhand der verzweigten vs. unverzweigten Paraphysen trennen lassen.
    Weil wenn ja, wäre das dann nicht etwas dünn? :/


    Das Pilzchen sieht folgendermaßen aus, und heißt bei mir wegen den doch oft verzweigten Paraphysen vorläufig Anthracobia cf nitida:






    Das sind übrigens ziemlich große Bilder. Ziemlich groß, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Man kann ja spaßeshalber draufklicken, um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu prüfen.


    Diese schicke Brandstelle befindet sich in einem Auwald am Rhein bei Wyhl in Südbaden, ist eine von einem halben Dutzend solcher Stellen, beherbergt außer der Anthracobia noch mindestens Peziza petersii und Ascobolus carbonarius. Klar, daß man in Eile ist und keine Zeit für eine ausgiebige Untersuchung hat, wenn man mal so schöne Brandstellen findet...



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo



    Hier erfolgt die Trennung schon zu Beginn über die Haare



    DIE GATTUNG ANTHRACOBIA Boud.
    (PEZIZALES, PYRONEMATACEAE)
     
    Schlüssel von H.H.Hohmeyer u. H.Schnackertz
    aus "AMO III" (1987)



    1a) Haare lang, hyphoid, schlank, mehrfach septiert, mittel- bis dunkelbraun. ................................... 2



    1b) Haare kurz, zylindrisch bis keulenförmig, breit, mit 0-2 Septen, hell- bis mittelbraun. ................. 5



    2a) Hymenium orangegelb, orangeocker bis gelbbraun ...................................................................... 3



    2b) Hymenium dunkelbraun, schwarzbraun bis meist schwarz. Fruchtkörper bis 4 mm, manchmal bis 15 mm breit gefunden, becherlingsartig bis abgeflacht und wellig verbogen, breit sitzend. Außenseite etwas heller und bis zum Rand mit verklebten Haarbüscheln. Haare hyphoid, bis 100 µm lang, schlank, mehrfach septiert, zu Büscheln verklebt. Paraphysen fädig, oben braun gefärbt, an der Spitze breit keulig bis fast kopfig erweitert und mit einer Haube aus amorphem, braunem, gelatinösem Material versehen, daneben auch lanzettliche Paraphysenspitzen. Sporen (17-)19-21(-22) x 9-11 µm. Auf Brandstellen:


    ANTHRACOBIA SUBATRA



    3a) Auf Brandstellen, auf verkohltem Holz usw. ................................................................................ 4



    3b) Auf Mist. Fruchtkörper bis 2 mm Durchmesser, becherlingsartig, dann verflachend, kissenförmig. Hymenium orange. Außen punktiert von braunen Pusteln der büschelig verklebten Haare. Haare hyphoid, schlank, mit zwei bis drei Septen, hauptsächlich büschelig verklebt, aber auch einzeln vorkommend. Paraphysen fädig, an den Enden zur wenig erweitert. Sporen 13-16,5 x 7,5-9 µm:


    Larsens "taxonomic species B"



    4a) Paraphysen oben gerade. Fruchtkörper bis 5 mm Durchmesser, becherlingsartig bis abgeflacht. Hymenium sehr variabel: orange, orangerot, ockerorange, gelbbraun, rostbraun bis rotbraun. Außenseite mit Pusteln oder breiten Streifen von braunen, angedrückten Haarbüscheln, die insbesondere am Rand, spärlicher aber auch gegen die Basis vorkommen. Haare hyphoid und schlank, mehrfach septiert, bis zu 100 µm lang, meist zu Büscheln verklebt. Paraphysen fädig, oben etwas keulig erweitert. Sporen (15-)17-20(-22) x 7-10(-11) µm:


    ANTHRACOBIA MELALOMA



    4b) Paraphysen oben stark krückstockartig gekrümmt. Apothecien bis 5 mm im Durchmesser, flach becherlingsartig bis abgeflacht. Hymenium orange bis rotbraun. Außenseite glatt erscheinend, aber am Rand mit braunen, keulenförmigen, schlanken, mehrfach septierten Haaren, die ihn etwas punktiert oder gesprenkelt erscheinen lassen. Sporen 10-12 x 5-6 µm. Auf Brandstellen:


    ANTHRACOBIA UNCINATA



    5a) Sporen im Mittel bis 21 µm lang, normal oder breit elliptisch, wenn schmal elliptisch, dann an den Polen nicht zugespitzt. ................................................................................................................. 6



    5b) Sporen (19-)25-29(-34,5) x (6,5-)9-11(-12) µm, spindelig mit zugespitzten Polen. Fruchtkörper bis 5 mm breit, flach becherlingsartig. Hymenium ockerbraun, hellbraun bis braun, außen heller, mit Büscheln und Streifen von braunen, verklebten Haaren. Haare 35-75 x 10-15 µm, mit 1-2 Septen, an der Spitze etwas keulig. Paraphysen fädig und oben nur leicht erweitert. Brandstellen.- Persoonia 12:331; Pilzfl.NWOFr.23/74:


    ANTHRACOBIA REHMII



    6a) Haare hellbraun (und dann ziemlich unauffällig) bis mittelbraun, bis 50 µm lang. ....................... 7



    6b) Haare mittelbraun, auffällig, ziemlich dick und lang, 45-80 x 10-20 µm. Fruchtkörper bis 3 mm, flach becherartig bis abgeflacht. Hymenium orange bis gelborange. Außen versehen mit Pusteln von braunen, zu Büscheln verklebten Haaren. Paraphysen fädig, oben auffällig keulig, im unteren Drittel verzweigt. Sporen 16-19 x (6-)7-9 µm. Brandstellen.-PDS I/96:


    ANTHRACOBIA NITIDA



    7a) Sporen normal bis schmal elliptisch, über 16 µm lang ................................................................. 8



    7b) Sporen 13-16 x 7-9 µm, breit bis normal elliptisch. Fruchtkörper bis 3 mm breit, becherlingsartig, verflachend bis kissenförmig. Hymenium gelborange, außen gleichfarbig oder leicht dunkler, glatt bis spärlich kleiig (insbesondere gegen den Rand) durch Pusteln aus angedrückten Haarbüscheln. Haare 20-45(-60) x 7-10(-15) µm, zylindrisch, mit 0-1 Septen. Brandstellen:


    Larsens "taxonomic species A"



    8a) Haare ziemlich hell und sehr unauffällig (am Fruchtkörper aufzusuchen). Fruchtkörper bis 4 mm breit, erst tiefer, dann abgeflacht becherlingsartig. Hymenium gelborange bis orange. Außen blasser, glatt bis sehr unauffällig granuliert erscheinend. Haare 15-45(-60) x 4-8 µm, mit 0-2 Septen, stumpf zylindrisch bis keulenförmig. Paraphysen fädig, oben keulig erweitert, unverzweigt. Sporen (16-)17-20(-23) x 7,5-10 µm, normal bis schmal elliptisch. Brandstellen.- Boud.388;


    Dennis IX O; PDS I/94:


    ANTHRACOBIA MACROCYSTIS



    8b) Haare mittelbraun, zu Büscheln verklebt, auffälliger. Fruchtkörper bis 4 mm breit, becherlingsartig bis abgeflacht. Hymenium orangegelb bis ockerlich orangebraun. Außen mit Haarbüscheln breit gestreift oder vertikal gerippt. Haare 20-40(-60) x 7,5-15(-18) µm, mit 0-2 Septen, zylindrisch. Paraphysen fädig, oben keulig erweitert, unverzweigt oder (seltener) verzweigt. Sporen 15,5-18(-21) x 7-9 µm, schmal elliptisch bis fast zylindrisch, d.h. mit breit abgerundeten Polen. Brandstellen:


    ANTHRACOBIA TRISTIS



    • Offizieller Beitrag

    Danke, Karl! :thumbup:


    Inzwischen habe ich sogar eben diesen Artikel in meinem Fundus ausfindig gemacht. Sehr aufschlussreich, zumal da ja auch noch Zeichnungen der Haare dabei sind.
    Die Schwierigkeit in diesem Fall: Die Haare sind nicht konstant verteilt, sondern in einzelnen, dichten Büscheln am Becherrand und an der Außenseite angeordnet. Die einzelnen Zellen aus diesen Büscheln sind total dicht ineinander verklebt und sehr schwierig isoliert zu beobachten.
    Ich meine aber, daß das nicht das sein kann, was Hohmeyer und Schnackertz mit "hyphoid" meinen. Zylindrisch bis keulenförmig trifft es viel besser, zumindest die Endzellen der Haarbüschel sehen so aus.
    Ein weiterer Versuch, das noch mal isoliert darzustellen, aber auch nicht besonders gelungen:


    Ich würde diesen Fund weiterhin als Anthrocobia nitida betrachten wollen, nun vor allem ausgehend von der Form der Haare, aber ein cf kann man ja stehen lassen. Gut möglich, daß das so ein Fall ist, wo man einfach mal die "Nachbarart" auch beobachtet haben muss, um die Unterschiede richtig zu verstehen.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,


    Anthracobia nitida kenne ich aus eigener Anschauung nicht. Wohl aber A. melaloma. Ich füge mal zwei Bilder der Haare von A. melaloma an. Vielleicht hilft das bei der Unterscheidung.
    So dicke Haarbüschel wie Du sie zeigst, habe ich bei A. melaloma nicht gesehen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ralf!


    Und solche schlanken, eher isoliert oder in kleinen Büschelchen wachsenden Haare, finde ich in dieser Kollektion bislang gar nicht.
    Was ein weiterer Indiz sein sollte, daß es eben die andere Art ist. :thumbup:


    Wenn du Lust und irgendwie zu wenig zu tun hast, kann ich dir die Pilzchen natürlich zuschicken. Noch sehen die ganz fit aus und wenn morgen vormittag früh abgeschickt sollten die bis Freitag bei dir sein denke ich. Peziza petersii und Ascobolus carbonarius könnte ich spaßeshalber noch dazu legen, wenn dich davon was interessieren sollte.
    Muss aber nicht sein, das wäre wirklich nur sinnvoll, wenn du Spaß dran hättest und ausreichend Zeit, daß der Spaß auch Spaß macht und nicht nervt. ;)



    LG; Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ralf,


    da es gerade um das Thema geht: Tut sich bereits etwas an der Brandstelle, die wir letztes Jahr im Wald entdeckt haben? :)


    LG, Jan-Arne

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Oh, Pilze der Schweiz hatte ich gar nicht angeguckt dazu. Kann man mal nachholen, um noch ein paar mehr Ansichten zu bekommen. :thumbup:
    Ich packe dir mal was zusammen, Ralf, und schicke das morgen früh los. Es schadet nie, wenn mehr Leute durch die Pilze gucken. Vor allem solche, mit mehr spezialisierter Erfahrung.



    LG; Pablo.


  • Hallo Ralf,


    da es gerade um das Thema geht: Tut sich bereits etwas an der Brandstelle, die wir letztes Jahr im Wald entdeckt haben? :)


    LG, Jan-Arne


    Wenn es mal ein paar Tage feucht bliebe, würde sich da gewiß was tun :)
    [hr]
    Hallo Pablo,


    auf Grund der wirklich dick verklebten Haarbüschel würde ich hier zu A. nitida tendieren. Diese Proben sind jedenfalls völlig anders, als meine A. melaloma. Und wenn die raus ist, bleibt nach den restlichen Mikromerkmalen nur nitida übrig.


    Aber das ist fast schon Nebensache.


    Ich habe in der ersten Probe unter dem Mikro gleich Sporen eines Pyrenomyceten gefunden. Eben erst hab ich geshen, dass auf Deinen Bildern auch min. eine zu sehen ist.
    Ich denke hier ziemlich sicher an Cercophora arenicola. Das wäre ein sehr schöner und gar nicht häufiger Fund. Ich will morgen mal sehen, ob ich da noch mehr finden kann, vielleicht noch ein intaktes Perithecium.
    Sehr schön !!


    Die Peziza muss noch bis morgen warten.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ralf!


    Danke dir. :thumbup:
    Dann lässt es sich wohl anhand der Haare doch so beurteilen, wie schon vermutet. Vielleicht begegnet mir A. melaloma ja auch mal noch, dann habe ich den direkten vergleich.
    Stimmt, einige dieser "Fremdsporen" sind mir auch aufgefallen. Hatte aber nicht nach Perithecien gesucht. Vielleicht ein Fehler, wie sich nun andeutet.
    Jedenfalls gibt's jetzt gedrückte Daumen, daß du sie noch finden kannst. Das wäre ja ein schöner Beifang.
    Mal gucken, in zwei Wochen bin ich wieder unten, vielleicht bietet sich die Gelegenheit, diese Brandstellen noch mal unter die Lupe zu nehmen.


    Der Ascobolus war dann der, der zu Mus wurde?
    Schade. Aber da denke ich, daß die Bestimmung schon passen sollte. Bilddoku ist noch nicht ganz fertig, aber ich hänge sie mal eben an.
    Ascobolus carbonarius:





    LG; Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ralf!


    Und ein ausgesprochen schöner Pilz dazu. Ist ja oft so bei Ascobolussen, die Sporen sind einfach eine Pracht. :)


    Die Doku zur Peziza ist immer noch nicht fertig, kommt aber auch, sobald ich die Bilder einigermaßen sinnvoll zusammengebaut habe.



    LG; Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Tach.


    Also hier mal noch eine kurze Doku zu Peziza petersii:






    Sporen auf dem letzten Bild in Wasser, leider auch im Ascus. Ein paar freie hatte ich aus einem anderen Präparat auch vermessen, die nicht wirklich größer waren. Daß diese einigermaßen nahezu reif sind, zeigt auch das bereits gut ausgeprägte Ornament. Unterm Strich kann man immerhin sagen, daß die Sporen hier für diese Gattung eher klein sind.


    Ich hoffe ja, daß sich immerhin aus denen noch was rausholen ließ, Ralf. ZB ein paar wirklich reife Sporen.
    Bestimmungstechnisch bin ich eigentlich sehr zuversichtlich, zumindest schlüsselt man mit Hohmeyer sehr zielstrebig und ohne Turbulenzen zu dieser Art.



    LG; Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ralf!


    Wenn die sich auch so lange auf dem Postamt einen flotten Lenz machen müssen... X/
    Aber Peziza petersii scheint dann ja wirklich eine gut zu bestimmende und solide definierte Art zu sein. Lustig fand ich auch die geschlitzten, nicht verflächenden Fruchtkörper, da dachte ich anfangs sogar mal an eine Otidea. Wenn beim ersten Blick durchs Mikro noch die gekrümmten Paraphysen dazu kommen noch mehr, und wenn man das Lugol reinlaufen lässt, dann zerpufft natürlich die Idee sofort.


    Schade, daß man so selten auf wirklich potente Brandstellen trifft.



    LG, Pablo.


  • Schade, daß man so selten auf wirklich potente Brandstellen trifft.


    Das ist tatsächlich ein Drama!


    Als ich vor gut 25 Jahren in die Nähe eines wunderschönen Waldes gezogen bin, sah das noch ganz anders aus.
    Statt zu schreddern wurde verbrannt.
    Also Brandstellen gab es reichlich.


    Wurzellorchel (Rhizina undulata), Kohlenbecherling (Geopyxis carbonaria), Kohlen-Graublatt (Lyophyllum atratum) u.v.m. waren Massenpilze!
    Ich sehe manche Brandstellen noch vor mir, durchwachsen von Hunderten Pilzen.


    Mittlerweile muss man viele Brandstellenpilze als vom Aussterben bedroht betrachten.


    Nein. Ich beginne jetzt nicht über dieses Thema zu philosophieren. ;)


    Liebe Grüße vom Nobi

    Hier geht es zu meinen Themen.

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    Chips: 72

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, nobi!


    OK, heben wir uns die Pholosophie für bessere Zeiten auf. Es philosophiert sich besser mit Blickkontakt (bestenfalls gebrochen im Prisma eines Glases). ;)
    Solange kann man sich aber immerhin über die Brandstellen freuen, die es noch gibt und die nicht durch Zusätze von papier, Plastik und so weiter derart vergiftet sind, daß kein Pilz mehr darauf wachsen mag.



    LG, Pablo.