Hallo Pilzfreunde,
ich suche derzeit die Voraussetzungen für die Erstbeschreibung eines Pilzes zusammen.
Ich bitte Euch um Eure Mithilfe um daraus eine Auflistung zu erstellen. Vielleicht gibt es ja schon eine solche (gefunden habe ich nichts).
Momentan geht es noch nicht um "Wie macht man eine Erstbeschreibung?" sondern wirklich nur um "Was sind die Voraussetzungen für eine Erstbeschreibung?".
Vielen Dank für jeden Hinweis dazu.
Beste Grüße
Dieter
Voraussetzungen für eine Erstbeschreibung
- Schwammer-Dieter
- Erledigt
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Hallo Dieter,
die Erstbeschreibung muss meines Wissens in lateinischer Sprache sein und alle charakteristischen makro- und mikroskopischen Bestimmungsmerkmale enthalten. Im Idealfall sind noch Angaben zum Habitat und eine Ikonografie, am besten in Form einer Farbzeichnung dabei. Und, klar: du musst dem Pilz einen formal korrekten wissenschaftlichen Namen verpassen. Ist er schön, nimmst du den Namen deiner Frau, ist er hässlich, den deines Vorgesetzten.
Du hast doch ziemlich viel Literatur. Meinst du nicht, dass da auch irgendwo Erstbeschreibungen dabei sind, die man sich zum Vorbild nehmen könnte?
FG
Oehrling -
Hallo Dieter
Eine lateinische Diagnose ist seit einigen Jahren nicht mehr erforderlich es reicht englisch. Soweit mir bekannt ist solltest Du eine IF oder Mykobank-Nr. beantragen. Zwingend ist ein Herbarbeleg und der Ort, wo dieser hinterlegt ist. Eine ausführliche makro- und mikroskopische Beschreibung sollte obligatorisch sein. Ein aussagekräftige Farbbild und Mikrozeichnungen gehören in meinen Augen ebenfalls dazu. Eine seriöse Neubeschreibung muss m. E. eine ausführliche Artendiskussion und die Abgrenzung zu Nachbararten enthalten, wozu ein Abgleich mit allen weltweit beschriebenen Arten gehört. In der heutigen Zeit würde ich ohne DNA-Sequenz keine Erstbeschreibung mehr verfassen, obwohl das (noch) keine Begingung ist.
Eine Neubeschreibung nur aufgrund von etwas unterschiedlichen Sequenzen halte ich für unseriös und der Vergelich mir meist nicht nachprüfbaren Sequenzen aus den gängigen Datenbanken allein ist in meinen Augen eine inzwischen verbreitete Unart. Eine Diskussion, ab wievie % Abweichung ich überhaut eine neue Art habe, würde hier zu weit führen.LG Karl
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Servus Dieter,
die Regeln für Benennung und Beschreibung von Taxa sind im Nomenklaturcode zusammengefasst. Du findest den aktuellen Code hier online: http://www.iapt-taxon.org/nomen/main.php
Wichtig ist, dass der Protolog (also die definierende Bedschreibung) klar erkennbar ist - als noch Latein Pflicht war, war das simpel, da ja nur der Protolog auf Latein verfasst wurde. Er ist aber auch auf Englisch erkennbar, da du ja mit dem Artnamen und der Bemerkung "spec. nov." beginnst und mit der Definition des Holotypus endest. Es wird empfohlen, den Holotypus (und auch Isotypen, falls vorhanden) durch "hic designatus" (oder entsprechend auf Englisch) hervorzuheben. Der Typus muss zugänglich hinterlegt sein, das heißt, der Hinterlegungsort muss angegeben werden. Sinnvoll ist ein offizielles Herbar.
Der Protolog muss Merkmale enthalten, die die neue Art definieren. Es würde also nicht reichen, wenn du einen neuenTrichterling beschreibst und nur beschreibst "cap, stipe and flesh whitish". Das würde die Art nicht erkennbar beschreiben.
Natürlich musst du auch prüfen, on der Name nicht bereits besetzt ist, den du wählst. Dank MycoBank und/oder Index Fungorum ist das heute einfacher als früher.
Oft genug passieren Formfehler bei der Definition des Typusbelegs. Man darf auch keine Mischbelege als Typus hinterlegen (also mit mehreren Sammeldaten, da mehrere Kollektionen zusammengeworfen wurden).
Die Publikation muss in einer Zeitschrift mit ISBN-Nummer erfolgen (die Zeitschrift muss offiziell existieren und zugänglich sein, also in einer der offiziellen Bibliotheken - bei uns z. B. Senckenberg - hinterlegt sein - das Publikationsdatum ist das Datum der Hinterlegung).Ansonsten gibt es viele Sollvorschriften - man muss also nicht. Man sollte (was sehr sinnvoll ist) einen MycoBank-Eintrag generieren und die MycoBank-Nummer in der Beschreibung angeben. Man sollte auch idealerweise eine Sequenz in der GenBank hinterlegen und angeben - meist nimmt man wohl die Barcoding-Region (ITS). Man sollte auch die Ethymologie des Epithetons erklären. Man sollte ausführlich diskutieren, warum man der Meinung ist, dass die Art neu ist. Man sollte die relevanten Merkmale alle erarbeitet haben. (usw.)
Beispiel: Jemand beschreibt eine neue Art der Gattung "Omphalina", gibt aber z.B. den Aufbau der Lamellentrama nicht an. Das kann man so machen, es ist erlaubt, aber es ist nicht sinnvoll. Dann muss ein anderer die Hausaufgaben für den Beschreiber machen, da die Lamellentrama wichtig ist für die Gattungszuordnung (Omphalina, Gerronema, Chryomphalina usw. - es gibt viele Nabelingsgattungen).
Der Code gibt dir die "rechtlichen" Minimalanforderungen an, die Qualität der Bedschreibung liegt beim Autor.
Und ich gebe Karl recht: man sollte nicht nur wegen einer Sequenz alleine neu beschreiben (was nicht auf dich gemünzt ist) - zumindest, wenn der Pilz Merkmale zeigt. Bei Hefen geht es ja oft nicht anders.
LG
Christoph -
Hallo Karl und Öhrling,
vielen Dank, aber (siehe oben) es geht in diesem Thread nicht um den Inhalt einer Erstbeschreibung, sondern um die Voraussetzungen.Hallo Christoph,
OK, da kann ich schon einiges an Voraussetzungen herauslesen.
Die Grundvoraussetzung, nämlich dass es nachweislich eine neue Art ist - ist natürlich klar.Speziell geht es mir auch um die Voraussetzung "Darf vorher noch nicht veröffentlicht gewesen sein" --> was hat es damit auf sich? Wo ist das zu lesen?
Beste Grüße
Dieter -
Speziell geht es mir auch um die Voraussetzung "Darf vorher noch nicht veröffentlicht gewesen sein" --> was hat es damit auf sich? Wo ist das zu lesen?
Formell - und darum geht es ja bei deiner Frage - muss nur der Name noch nicht verwendet worden sein (Synonymieentscheidungen sind was anderes - das ist immer Ermessenssache und hat mit den formellen Regeln nichts zu tun).
Beispiel:
Du beschreibst einen Agaricus oligolamellatus spec. nov.
Es kann sein, dass 1798 bereits ein Agaricus oligolamellatus beschrieben wurde, der aber als Synonym von was anderem, was bereits 1774 beschrieben wurde, quasi vergessen wurde. In dem Fall wäre deine Neubeschreibung aber ungültig, da der Name Agaricus oligolamellatus bereits besetzt ist. Das erläutert der Code aber ausführlich. Im Code sind insbesondere §32- §40 für dich wichtig - dort werden die Voraussetzungen für eine gültige Beschreibung zusammengefasst (mit Querverweisen auf andere Paragraphen, die z.B. die effektive Publikation definieren - da geht es umd ie Zeitschrift und die Anforderungen an selbige).Du musst also vorher prüfen, ob irgendwo auf der Welt der von dir gewählte Name schonmal für eine Neubeschreibung oder Umkombination verwendet wurde.
Bei Agaricus und Boletus ist das sehr anstrengend, da alle Lamellenpilze früher Agaricus waren und alle Röhrlinge und(!) Porlinge Boletus. Da niemand den Überblick über alle Zeitschriften weltweit hat, kann es immer passieren, dass ein Pilz so illegitim beschrieben wird. Deshalb ist hier MycoBank gold wert, wie ich schon schrieb. Will man aber eine neue Art in einer Gattung beschreiben, so sollte man ohnehin alle Arten, die in der Gattung beschrieben wurden, kennen. Sonst kann man ja die Entscheidung nicht treffen, dass die Art neu ist. Nur ist es sehr aufwändig, auch alle Kombinationen, die jemals in der Gattung verwendet wurden, zu recherchieren.
LG
Christoph -
Vielen Dank Christoph,
ich sehe ich muss nochmals mein Frage erklären, denn auch das ist nicht das was ich meine.
Was Du beschreibst ist schon einen Schritt zu weit, nämlich bei den Schritt bei dem man schon die Beschreibung macht, und zum Beispiel einen gültigen Namen auswählt. Darum geht es mir noch nicht.
Es geht um die Voraussetzungen, die vorhanden sein müssen, dass man überhaupt eine Erstbeschreibung machen kann.
Bislang haben wir nur eine einzige Voraussetzung genannt:
- Der Pilz muss eine neue Art sein
Vom Hören-Sagen weiß ich, dass es evtl aber noch weitere Voraussetzungen gibt, nämlich z. B. dass Teile der Erstbeschriebung vorher noch nicht veröffentlicht worden sein dürfen.
Und dazu muss es ja ein Regelwerk geben. Und diese Regeln sowie alle weiteren die es evtl gibt suche ich.
Beste Grüße
Dieter -
Hallo Dieter,
das gesuchte Werk ist der –žCode–, siehe oben.
Aber klar können Teile einer Beschreibung einer neuen Art oder eine komplette schon vorher irgendwo stehen. Da liest man dann gern dahinter ad. int., Beschreibung geplant. Sowas verwirrt und ist eigentlich doppelt gemoppelt. Beispiel Psathyrella agraria Enderle. Oder irgendeine kleine Formalie wird vergessen, obgleich sonst alles rund gemacht wurde. Bespiel Psathyrella sachariolens Enderle (Status spec. nov. vergessen).
Eine andere Frage ist, ob –“ wenn eine –žoffizielle–œ ausführliche Neubeschreibung ansteht - ein Journal die gern annimmt, wenn man schon vorher drüber woanders (!) lang und breit geschrieben hat (–žmykologisch nichts Neues–œ).
Beste Grüße,
Andreas -
Und dazu muss es ja ein Regelwerk geben. Und diese Regeln sowie alle weiteren die es evtl gibt suche ich.Servus Dieter,
wie Andreas richtig bemerkt, habe ich dir genau dieses Regelwerk empfohlen und dir den Link dazu angegeben:
ZitatServus Dieter,
die Regeln für Benennung und Beschreibung von Taxa sind im Nomenklaturcode zusammengefasst. Du findest den aktuellen Code hier online: http://www.iapt-taxon.org/nomen/main.php
Dann habe ich dir auch ein paar Paragraphen empfohlen, die du zuerst lesen solltest ( §32- §40).
Da das alles aber Juristendeutsch ist, habe ich versucht, die wichtigsten Punkte zusammenzufassen.
ZitatVom Hören-Sagen weiß ich, dass es evtl aber noch weitere Voraussetzungen gibt, nämlich z. B. dass Teile der Erstbeschriebung vorher noch nicht veröffentlicht worden sein dürfen.
Gerade das ist im Code ausführlich abgehandelt. Das wäre ja dann der Fall, wenn die Art z. B. wegen Formfehlern ungültig beschrieben wurde, aber z.B. ein Protolog schon publiziert ist. Da kannst du dann entweder auf diesen verweisen und nur noch die fehlenden Formalia ergänzen oder du kannst es ignorieren und die Art komplett neu beschreiben. Das kann man aber schlecht allgemein erklären - da bräuchte ich bzw. bräuchte man ein konkretes Beispiel. Der Code enthält zu den meisten Paragraphen auch noch Beispiele aus der Praxis.
LG
Christoph -
Hallo Dieter,
die Antworten werden möglicherweise zielgenauer, wenn du dazuschreibst, was du vorhast und wo du gerade stehst. z. B. hast du eine neue Art entdeckt?
FG
Oehrling -
Hallo Dieter,
tut mir leid, aber ich kapiere deine Frage auch nicht so recht.
Natürlich muss eine Art neu sein wenn du sie neu beschreiben willst - aber ob sie wirklich neu ist, dass weißt du doch eh nie 100%ig. Das kannst Du nur nach der dir zur Verfügung stehenden Literatur und sonstiger Mittel nach bestem Wissen und Gewissen machen.
Eine neue Art wird ja auch vorgeschlagen genau genommen, und ob sich das durchsetzt wird die Zukunft weisen.
Genau genommen gibt es überhaupt keine Voraussetzungen um eine Art neu zu beschreiben, du kannst tun und lassen was du willst. Ob du das in entsprechenden Journalen publiziert bekommst ist eine andere geschichte, aber Du kannst ja notfalls deine eigene Zeitschrift gründen ....
Dass deine neu beschriebene Art auch gültig publiziert ist, dafür gibts dann den Botanischen Code. Die Voraussetzungen zur gültigen Publikation sind denkbar wenige: Englische oder lateinische Diagnose, Typusangabe, Registriernummer. Das war schon so ziemlich alles. Alles weitere ist gewünscht, vieles auch eigentlich selbstverständlich, aber nicht bindend vorgeschrieben.
beste Grüße,
Andreas -
Hallo zusammen,
vielen Dank an alle. Das hilft mir schon - es gibt also keine weiteren Voraussetzungen, als nur die eine, dass man eben eine neue Art gefunden hat.
Damit ist die Frage abgehakt.
Wo wir nun schon beim Thema "Inhalt" einer Erstbeschriebung sind: Hat jemand vielleicht ein Muster-Besipiel für eine moderne Erstbeschreibung (ideal wäre für mich Englisch) parad?@ Öhrling:
> die Antworten werden möglicherweise zielgenauer, wenn du dazuschreibst, was du vorhast und wo du gerade stehst. z. B. hast du eine neue Art entdeckt?Momentan habe ich noch nichts weiter vor - es hat mich einfach interessiert - obwohl ich tatsächlich eine neue Art gefunden habe, die nun quasi als neu "abgesegnet" ist.
Beste Grüße
Dieter -
Hallo zusammen,
vielen Dank an alle. Das hilft mir schon - es gibt also keine weiteren Voraussetzungen, als nur die eine, dass man eben eine neue Art gefunden hat.
Damit ist die Frage abgehakt.Was hattest du denn gedacht, welche weiteren Voraussetzungen in Frage kämen? Denn die Voraussetzung, dass die Art neu ist, ist ja für sich genommen eine Banalität, als Voraussetzung würde ich das nicht bezeichnen.
Und was meinst du mit "nun quasi als neu abgesegnet" bzw. wer hat die Art als neu "abgesegnet"?
FG
Oehrling
[hr]Wo wir nun schon beim Thema "Inhalt" einer Erstbeschriebung sind: Hat jemand vielleicht ein Muster-Besipiel für eine moderne Erstbeschreibung (ideal wäre für mich Englisch) parad?
So etwas müsste sich in einer Fachzeitschrift oder einer Monografie finden lassen. Du bezeichnest dich selbst als Monografien-Sammler, da ist in deiner Sammlung bestimmt was moderneres dabei.
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Hallo Dieter,
in jeder zweiten Z. Mykol. sind Erstbeschreibungen zu finden, in allen möglichen auch im Internet frei zugänglichen Journalen (Persoonia z. B., auch die Z. Mykol. ist ab 5 Jahre zurück über die DGfM-Homepage einsehbar).
Theoretisch liefert der Botanische Code auch die Antwort auf alle derartiger Fragen - allerdings gebe ich zu dass der etwas spröde zu lesen ist ....
Vielleicht klären wir deine Fragen heute abend beim Stammtisch?
beste Grüße,
Andreas -
Hallo,
danke nochmal. Habe passende Beispiele gefunden - somit auch abgehakt.
Falls ich wirklich mal eine Erstbeschreibung machen sollte wende ich mich mit dem Entwurf nochmals direkt an Euch...
Beste Grüße
Dieter