Hallo, zusammen,
Wir hatten wieder unsere Cortinarienwoche in Chur.
Dies ist die Fortsetzung des Berichts "1001 Cortinarien" vom letzten Jahr.
Der Uwe Winkler ist erst nächstes Jahr wieder dabei,
darum war ich mit Anna Maria allein fünf Tage unterwegs.
Das Foto der glücklichen Cortinarienjäger auf diesem Bänkchen kennt Ihr vom letzten Bericht,
es sind diesmal jedoch nur zwei von ihnen drauf:
Persönliche Erstfunde machen glücklich.
Dieses Glück sollte man teilen:
Cortinarius cupreorufus Brandr.
Wunderschön!
So richtig der Prototyp eines prachtvollen Klumpfusses!
Der Hut oxidiert von der Mitte her lustig ins Ziegelrote,
der Rand behält lange seine olivgraue Färbung.
Das Fleisch ist im Schnitt weisslich mit grünlichem Schimmer,
in der Stielbasis ist es rötlich.
Die Reaktion mit KOH im Fleisch ist (ungewöhnlich bei den Fulvi)
nicht wirklich gelb, sondern etwas grünlichgelb.
Die Art wird teilweise unter dem Namen C. orichalceolens
oder auch als C. orichalceus geführt.
Der sehr seltene Klumpfuss wächst im Bergnadelwald auf Kalk.
Die Sporen sind breit zitronenförmig
und fast etwas schollig-warzig:
Da persönliche Erstfunde ja bekanntlich glücklich machen -
hier der nächste:
Cortinarius claricolor (Fr.) Fr.
Auch eine sehr charakteristische, zauberhafte Art!
Der deutsche Name lautet
Weissgestiefelter Schleimkopf,
und das charakterisiert den Pilz sehr gut.
Das üppige Velum ist meist auch als Fetzen am Hutrand zu sehen.
Die Sporen sind klein, schmal und fast glatt.
Der Pilz wächst oft auch fast büschelig,
die ähnlichen C. turmalis/sebaceus
kommen weniger faserig-zottelig daher
und haben nur sehr feine, silbrige Velumreste in Hutmitte.
Nicht jeder persönliche Erstfund macht glücklich.
Beim nächsten bin ich mir nämlich nicht sicher.
Alte, völlig verwurmte Exemplare sind zur Bestimmung ungeeignet.
Aber der Fund wäre so interessant und selten,
dass ich ihn hier doch vorstellen möchte:
Cortinarius patibilis Brandr.& Melot
Der Pilz war am letzten Tag der letzte unbestimmte Pilz auf dem Tisch.
Ich hatte keine grosse Hoffnung, etwas ausrichten zu können,
ich war sehr erschöpft vom Schlüsseln
und drehte die braunfleckig werdenden Dinger unlustig in den Händen.
Da fiel mir der kaum mehr wahrnehmbare Violettschimmer in den Lamellen auf.
Ich gab etwas KOH auf das Fleisch - und war verblüfft.
Gelb mit gelber Umrandung, in den Frasstellen feuerwehrrot!
Das würde auf etwas aus den Variecolores hindeuten,
aber da gibt es doch keinen so ähnlichen Pilz, oder?
Doch gibt es!
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Die Sporen stimmten genau mit den Abbildungen überein:
Heftig zitronenförmig mit lustigen Einschnürungen.
Leider war die Reaktion mit Guajac nicht eindeutig:
Statt einer Reaktion in deutlich dunkel-olivgrün gab es
nur eine sehr unlustige, schwach bräunlich-grünliche Reaktion.
Aber eben: verwurmte Pilzleichen...
Falls jemand die Art kennt, lasse ich mich gerne überzeugen,
dass ich mit der Bestimmung falsch liege.
Falls niemand etwas zu sagen weiss:
Ich habe die Koordinaten und werde nächstes Jahr
nachschauen, ob etwas frischere Exemplare da sind.
Die meisten unserer diesjährigen Funde sind
schon im Bericht vom letzten Jahr aufgeführt.
Ich will sie nicht alle noch einmal mit neuen Fotos zeigen,
sonst sprengt es wieder den Rahmen der max. möglichen Bilder...
Von der folgenden, sehr hübschen Art
hatten wir letzten Jahr nur ein Exemplar gefunden,
dieses Jahr war sie Massenpilz im Bergnadelwald auf Kalk:
Cortinarius callochrous var. coniferarum (Mos.) Nezd. (Cortinarius piceae)
Die Art ist sehr wandelbar und kann einen beim Aufnehmen narren.
Auffallend sind die jung mehr ins Lilafarbene denn ins Violette gehenden Lamellen.
In der Hutmitte hat der Pilz meist angedrückte Schuppen,
die alt ins Schwärzlich-Faulige übergehen können,
(siehe Foto vom letzten Jahr)
doch viele unserer diesjährigen Exemplare hatten dieses Merkmal nicht.
Das Fleisch ist stets weisslich,
der Knollenrand reagiert mit KOH charakteristisch rosa.
(Edit September 2018:
Günther Saar hat mir mitgeteilt,
dass wir da einer Fehlinformation
aus der Flora Photographica von Brandrud/Lindström
aufgesessen sind:
C. picae reagiert nicht mit KOH am Basalfilz!
Es könnte sich bei der gezeigten Aufsammlung
um C. subgracilis oder C. barbarorum handeln.)
Von der langstieligen, flachknolligen var. parvus
haben wir dieses Jahr ein sehr zierliches Exemplar
unter Laubbäumen gefunden.
Leider ist das Foto nichts geworden.
Eine andere Art, von der wir letztes Jahr nur wenige Exemplare hatten,
war dieses Jahr ebenfalls unermüdlicher Massenpilz:
Cortinarius elegantior (Fr.) Fr.
Der Name "Messingfarbener Klumpfuss"
oder "Strohgelber Klumpfuss"
charakterisiert den Pilz recht gut.
Ja?
Nein!
Exemplare unserer Gegend passen schlecht
zu den meisten Abbildungen.
Da sind oft deutlich gelbliche Exemplare
mit gelblichen, strohgelben Lamellen abgebildet.
Bei uns sind die Pilze oft schon jung
wie Karamel gefärbt. Auch in den Lamellen.
Typisch ist die schwach rosafarbene Reaktion
mit KOH im Fleisch der Knolle
(im Hut oft ohne Reaktion).
Das Fleisch ist im Schnitt im Hut weisslich,
gegen unten schwach gelblich.
Auch von dem folgenden hübschen Pilz
hatten wir letzten Jahr nur ein Exemplar,
dieses Jahr war er relativ häufig:
Cortinarius dionysae R. Hry.
Er gehört zu den "Glaucopodes",
die keine makrochemischen Reaktionen zeigen.
Der Pilz ist dank seiner Ähnlichkeit mit C. glaucopus,
dem starken Mehlgeschmack (ähnlich Tr. argyraceum)
und dem gelblichen Knollenrand unverwechselbar.
Hier noch die Typusart (dieses Jahr auch sehr häufig)
mit dem eingewachsen fasrigen, etwas olivbräunlich-graulichen Hut
und dem typischen metallisch-bläulichen Glanz am Stiel:
Cortinarius glaucopus (Schaeff.: Fr.) S. F. Gray
Die gelben Phlegmacien haben uns dieses Jahr Mühe bereitet.
Vor allem die Gruppe um C. percomis/nanceiensis/mussivus
Ich hatte im letztjährigen Bericht
bei der Gruppe eine Theorie über die makrochemischen Reaktionen aufgestellt.
Ich war mir ziemlich sicher. Das bin ich nicht mehr.
Möglicherweise reagieren die drei Arten unberechenbar, je nach Feuchtigkeit.
C. percomis und C. nanceiensis riechen intensiv, nach Bananenschale.
C. mussivus stinkt fürcherlich. Das ist alles, was ich weiss.
Darum die folgenden Bestimmungen mit Unsicherheit.
Nach meiner letztjährigen Theorie (feuerwehrrote KOH-Reaktion)
müsste dies C. nanceiensis sein:
Cortinarius nanceiensis (?) R. Maire
dies hingegen (KOH bräunlich, rötlichbraun, unscheinbar)
Cortinarius percomis:
Cortinarius percomis (?) Fr.
Zusätzliche Schwierigkeit:
Wie ihr aus den Bildern erseht, haben die Pilze der Gruppe
in unserer Gegend oft eine etwas gerandete Knolle,
was sie überhaupt nicht dürften.
Gewisse, gerandet knollige Exemplare mit in der Mitte dunkelfleckigem Hut
hatte ich am Standort für C. meinhardii gehalten.
Doch bin ich mir sicher, dass der nicht vorkam...
(Edit September 2018:
Da war ich wohl etwas übermüdet vom Schlüsseln,
als ich zur obigen Anmerkung dieses Bild eingehängt habe.
Es zeigt wohl eher C. meinhardii.)
Wie Ihr seht, haben wir uns dieses Jahr
etwas auf die Phlegmacien konzentriert.
Aber natürlich nicht nur.
Den folgenden Pilz aus den Azurei/Anomali zeige ich auch deshalb,
weil er dieses Jahr Massenpilz war,
letzten Jahr war er selten:
Cortinarius caninus (Fr.:Fr.) Fr.
Der Pilz ist sehr wandelbar,
Von zierlichsten Exemplaren bis riesigen, fleischigen "Ritterlingen",
die gar nicht mehr an einen Haarschleierling erinnern,
ist so ziemlich alles möglich.
Typisch ist der gelblich-bräunliche Fasergürtel, der nach oben abrupt endet,
mit glatter Stielspitze, ähnlich wie bei Tricholoma batschii.
Hier noch die Typusart aus den Azurei/Anomali,
hier mit ungewöhnlich bräunlichen Hüten:
Cortinarius anomalus (Fr.:Fr.) Fr.
Der Pilz ist nicht etwa hygrophan,
sondern wechselt die Hutfarbe von jung lila
hin zu etwas geflammt-bräunlich.
Charakteristisch ist das feine, gelbe Fädchen als Ringzone.
Exemplare mit klebrigem Hut
gehören zu den Phlegmacien
und nennen sich Cortinarius porphyropus.
Apropos Scauri:
Den folgenden Pilz wage ich kaum zu zeigen.
Ich habe ihn frostgefroren aufgenommen,
er ist denn auch auf dem Tisch nach dem Fotografieren
rasch den Weg aller Pilze gegangen.
Die Ökologie ist nicht sicher, der Berghang ist Kalk,
nur im unteren Teil mit ein paar Heidelbeeren und Gestrüpp,
die rote Lugol-Reaktion konnte ich in dem Zustand nicht testen.
Doch da es ein persönlicher Erstfund wäre,
wage ich die Pilzleiche zu zeigen
(Kritik an der Bestimmung erwünscht):
Cortinarius Scaurus (?) (Fr.: Fr.)
Von ähnlicher Art, aber von sehr bitterem Geschmack,
ist der folgende Pilz, dieses Jahr ebenfalls Massenpilz:
Cortinarius infractus (Pers.:Fr.) Fr.
Bei den Telamonien war die folgende Art dieses Jahr häufig.
Die Bestimmung bleibt etwas spekulativ,
aber da wir die Art jeden Tag in der Hand hatten,
möchte ich sie hier auch zeigen.
(Die Telamonien werden immer noch sequenziert,
es werden etwa 500 Arten entstehen.)
Die Bestimmung also bitte "cum grano salis":
Cortinarius dolabratus (?) Fr.
Die Art gehört wohl zu den "Duracini"
steifstieligen, oft wurzelnden Pilzen,
alt auch mit etwas hohlem Stiel.
Nicht nur der Hut, auch der Stiel ist hygrophan,
Aber, wie gesagt: Bestimmung mit Vorbehalt.
Auch mit viel Vorbehalt bei der folgenden Art:
Cortinarius aurantiomarginatus (?) J. Schäff. ex Mos.
Sie gehört möglicherweise zu einem Komplex um
C. aurantiomarginatus/colus/miniatopus.
Die Sporen würden eher zu C. colus passen,
vom Aussehen her geht sie eher zu C aurantiomarginatus.
Dies alles, wie gesagt, spekulativ,
der Grund, warum ich die Pilze zeige, ist der,
dass wir uns halt intensiv befasst haben,
und dies auch teilen möchten.
Kritik natürlich gerne willkommen.
Dies gilt generell!
Wir sind Cortinarien-Liebhaber,
nicht Cortinarien-Kenner!
Ich hoffe, hier besteht kein Missverständnis...
Zu den obigen "Bestimmungen" nehmen wir gerne
Anregungen oder Kritik entgegen.
So, ich glaube, das langt, für's Erste...
Die übrigen diesjährigen Arten siehe letztjähriger Bericht.
Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt...
Lieben Gruss, Euer Harald Andres
P.S.
Der Pilz gehört nicht hierher,
aber aus Freude über den persönlichen Erstfund,
zwischen all den Cortinarien:
Tricholoma fucatum Fr. Kummer