Hallo zusammen,
alternative Titel hätten geheißen:
–žBoah, wat is–˜ hier kalkich!–œ
–žPilzforum.eu –“ eine Liebesgeschichte–œ
2 ½ Tage in Bad Laasphe. Ihr erinnert euch? Dieses gallische Siegen-Wittgensteinsche Dorf Städtchen, das sich den Pilzunkundigen widersetzt und weiterhin versucht, Wissen ins Dunkle zu bringen? Dieses Städtchen, bei dem niemand weiß, wie man es eigentlich ausspricht? Dieses Städtchen mit dem Park, der kindskopfgroße Cortinarien (Schleierlinge) in Hexenkreisen, 4 x 4 m Flächen mit unbestimmbaren Ramarien (Korallen) und in seinem Anschluss NRW-Erstfunde aufweist? Oh, ich nehme zu viel vorweg–¦
Also los: Alles begann mit Hans. Und zwar hier, also sagt nicht, ihr wärt nicht gefragt worden–¦ –“ Nach diesem Aufruf fragte ich unsere Pilz-Whatsapp-Gruppe, ob sie nicht Lust hätte, und so stürmten letztlich wir (genauer: melanieoderimmer, Kuschel, woba62, waldstrolch, gdno81, nochn Pilz und ich, dazu noch Erich vom MAB) den Fortgeschrittenen-Kurs von zuehli. Besonders schön war–™s, dass Tuppie am Samstagabend noch vorbeischaute.
Jetzt aber genug gequatscht. Lasst uns mit Pilzen beginnen. Meine Mutter (waldstrolch) und Björn als Fahrer (gdno81) machten uns schon früh auf den Weg und nach rund 2 Stunden waren wir in der Nähe unserer Ferienwohnung und gingen erst einmal in den Wald. Harald hatte uns mitgeteilt, dass wir am besten schon Pilze mitbringen sollen für die ersten Besprechungen am Freitagabend.
Nachdem es bei uns im Ruhrgebiet die letzten Wochen kaum geregnet hatte, erwarteten wir nicht besonders viel. Was dann geschah, war allerdings unglaublich. Direkt 15 Arten auf den ersten 10 Metern und der Spaß begann–¦
(Einige Bilder können beim Klicken vergrößert werden, um mehr Details zu sehen. Die entsprechenden Bilder habe ich mit einem Hinweis versehen)
1)
Die Zungenkernkeule (Elaphocordyceps ophioglossoides) konnten wir erst entdecken, als wir mit dem Kopf in Bodennähe waren. Nach den dazugehörigen Hirschtrüffeln buddelten wir umsonst.
(kann vergrößert werden)
2)
Das erste richtige Highlight war dann der Weiße Polsterpilz (Ptychogaster albus), der beim Stöckchendrehen (Ein Schrei ertönte!) in direkter Nachbarschaft seine Hauptfruchtform, den Bauchpilz-Mehlstaubporling (Oligoporus ptychogaster) zeigte. Eigentlich findet man fast immer nur die kuscheligen runden Anamorphen.
3)
Diese hier sahen erst aus wie Nectrias, waren sie doch jung komplett rundlich. Mittlerweile sind sie nachgereift und sehen so aus. Einen Namen habe ich bisher noch nicht, die kommen noch unters Mikro. Irgendwo habe ich die Form schon mal gesehen. An klassische Hymenoscyphusse oder Ähnliches mag ich nicht glauben. EDIT: Spindelsporiger Aggregatbecherling (Byssonectria terrestris) - Danke für den Tipp!
4)
Eine der wenigen Ramarias, die auch unsereins bestimmen kann: Die Grünende Fichtenkoralle (Ramaria abietina).
5)
Noch ein paar richtige Pilze. Nachdem wir einige Zeit lang einen Fichtenhang entlang gelaufen waren, erreichten wir einen Weg, der uns schließlich auch zu ein paar Laubbäumen führte. Da gab's dann u. a. den Strubbelkopfröhrling (Strobilomyces strobilaceus).
6)
Und auch der Safran-Scheidenstreifling (Amanita crocea) hatte sich schick gemacht.
7)
Auch kein seltener Pilz, aber dafür ein Schmuckstück: Gelborangemilchender Helmling (Mycena crocata)
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Abends gab es dann das erste Treffen am Seminarort und das Bestaunen aller mitgebrachten Pilze. Am nächsten Tag ging es dann in ein interessantes Gebiet, bei dem wir bereits auf dem Parkplatz von einer Rotkappe begrüßt wurden. Und auch der Weg dahin machte es einem schwer, nicht bereits vorher anzuhalten, um nach den ganzen Pilzen zu sehen, die bereits von der Straße sichtbar durch die Bäume blitzten.
8)
Besonders gefreut hat mich dieser Fund. Bei uns gibt es den meines Wissens nicht. Der Pilz vereint den Habitus eines Weichritterlings mit Merkmalen eines Schleierlings, dazu die deutliche Knolle führt zur Bestimmung: Knolliger Schleierritterling (Leucocortinarius bulbiger). Ein tolles Ding.
9)
Wenig später gab's mit dem Habichtspilz (Sarcodon imbricatus) direkt den nächsten schönen Fund, der einen Schrei wert war. Den scheint's ja sonst fast überall zu geben, in NRW allerdings sind nur wenige Stellen bekannt. Einige junge Exemplare nahmen wir zum Verkosten mit - Fazit: Nicht wieder.
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10)
Zwei Birken-Klassiker sind der Fliegenpilz (Amanita muscaria) - meine ersten dieses Jahr! ...
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11)
und der Wollige Raufußröhrling (Leccinum cyaneobasileucum) - Danke für die Korrektur!
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Deutlich nach Kokos und dadurch leicht erkennbar ist der Dunkle Kokos-Milchling (Lactarius mammosus)
13)
Bisher erst einmal gesehen hatte ich die meines Wissens eher kalkliebenden Totentrompeten (Craterellus cornucopioides). Es sollte an dem Wochenende nicht das letzte Mal bleiben.
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14)
Bereits auf dem Rückweg, sofern man das bei einem Rundweg sagen kann (Mann, hatten wir getrödelt...), meldete Hans Tintenfischpilze (Clathrus archeri). Neben dem einen Exemplar am Wegesrand wuchsen eine Etage tiefer noch weitere richtig schöne Exemplare, die meisten waren allerdings noch im Eierstadium. Ich will nicht wissen, wie es jetzt dort aussieht und ... riecht.
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15)
Keine Absicht war die Mitnahme dieses Pilzchens, der erst im Seminarraum entdeckt wurde. Ein sehr kleines und junges Exemplar des Orangeschneidigen Helmlings (Mycena aurantiomarginata). Sehr schön die Bildvergleiche, die dank "The genus Mycena s.l." möglich waren.
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Nach dem Päuschen und den ersten Besprechungen im Seminarraum ging es hinaus in den Bad Laaspher Park, der auch einiges zu bieten hatte.
16)
Man durfte wieder schreien, als die meisten von uns einen weiteren Erstfund verbuchen konnten. Ich hätte nicht gedacht, dass es den Dottergelben Spateling (Spathularia flavida) in unseren Breiten (damit meine ich nicht Mitteleuropa, sondern NRW bis Nordhessen :D) überhaupt gibt.
17)
Man ließ mich zum Knipsen zurück und war schon weiter gewandert, als meine Mutter mir noch eine weitere Stelle mit Spatelingen am Wegrand zeigte. Und dann waren da noch seltsame Keulen, die ich fotografierte und dabei sah, dass sie Perithecien am Kopf besaßen. Das kenne ich vor allem von Cordyceps und auch wenn keine der mir bekannten Arten passte, fing ich an zu buddeln. Erfolglos. Björn und ich hatten unsere Mikros in der Ferienwohnung und so konnten wir nach einiger Überlegungs- und Blätterzeit mithilfe der PdS Band 1 auf die richtige Spur gebracht werden: Eine gestielte Hypocrea. Sehr hilfreich war an der Stelle dann der Artikel: Jaklitsch, W.M., Gruber, S. and Voglmayr, H. (2008c) Hypocrea seppoi, a new stipitate species from Finland, der einen Schlüssel der 4 gestielten Hypocrea-Arten enthielt. Durch den Wuchs auf Boden (statt Holz), die Farbe (gelblicher Hut, weißer Stiel), die Verteilung der Perithecien (am Kopf, aber keinesfalls am Stiel), die Anamorphe (hier nicht zu sehen, aber vorhanden - weiß statt grünlich) und die Sporengröße kamen wir dann eindeutig zu Hypocrea leucopus - nach Pilze-Deutschland und der NRW-Liste neu für NRW. Hier noch eine sehr schöne Dokumentation von Thorben, erst wenige Wochen her, aber - wenn ich das richtig sehe - ein Fund aus Baden-Württemberg. Deshalb spare ich mir mal das Einstellen der Mikro-Bilder. So macht Pilzbestimmung Spaß.
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Nach einem gemütlichen Abend inklusive zweier Pilzpfannen mit Nudeln (Köstlich!) und gemütlichen Beisammenseins ging's am nächsten Tag in ein Bachtal, bei dem wir uns fragten, wie es die Pilzfunde des Vortags noch toppen sollte. Naja, seht selbst.
18)
Es begann harmlos. Nicht selten, aber immer wieder schön, ist der Helmlingsschimmel (Spinellus fusiger).
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Bei uns ebenfalls recht häufig, im Exkursionsgebiet wohl nicht wirklich ist der Violette Mehlschirmling (Cystolepiota bucknallii). Mit violetten Guttations(?)tropfen habe ich den aber auch noch nicht gesehen.
20)
Ein weiterer Schrei ertönte schließlich bei einem Fund, auf den ich insgeheim schon die ganze Zeit gehofft hatte. Lehmige Hänge unter Buchen sind ideal für die nicht häufige Graugrüne Erdzunge (Microglossum griseoviride) - noch nicht mikroskopisch abgesichert, aber eigentlich klar. Die kannte ich bisher nur von Ralf.
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21)
Ein Stück weiter wuchsen dann am Wegrand Saftlinge, die sehr nach dem Kirschroten Saftling (Hygrocybe coccinea) aussehen. Die muss ich aber auch noch absichern. Hier ein einzeln stehendes, junges Exemplar.
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22)
Falls ihr euch schon einmal gefragt habt, wie ein Igel ohne Stacheln aussehen würde... Naja, so oder so ähnlich. Das hier ist der Igelstäubling (Lycoperdon echinatum).
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Ein echter Brocken und für viele von uns, die nur saure Böden gewohnt sind, ebenfalls neu: Tricholoma sejunctum - Grüngelber Ritterling.
24)
Und ebenfalls kalkliebend ist die (insgeheim erhoffte) Herkuleskeule (Clavariadelphus pistillaris), die sich uns am Wegrand präsentierte.
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Der Sparrige Raukopf (Cortinarius humicola) mit seiner einmaligen skurrilen Optik wuchs an zwei Stellen.
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Erstfund an Erstfund gereiht. Im Vorbeigehen zeigte uns zuehli noch den Gestielten Schütterzahn (Sistotrema confluens). Leider kriegt man den nur schwierig fotografisch eingefangen. Ein echter Stinker übrigens.
27)
Da war ein Sparriger Schüppling (Pholiota squarrosa) ganz gut zum Runterkommen nach dem ganzen Spektakel um die nie zuvor gesehenen Arten.
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Last but not least: Irgendwo eingesammelt hatten wir noch eine Kammförmige Koralle, die dunkel verfärbt war. Dabei dürfte es sich um den sehr häufigen Pyrenomyceten Helminthosphaeria clavariarum, den ich zuvor nie bewusst gesehen hatte. Auch den muss ich noch mithilfe des Mikroskops absichern. EDIT: Der Verdacht hat sich bestätigt, siehe unten.
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Und das war's leider auch schon wieder. So viele Wälder, in die wir nicht reingehen konnten. So viele Schreie, die wir noch hätten hören können...
Nein, klagen können wir nun wirklich nicht. Das waren zweieinhalb perfekte Tage. Einen lieben Dank an Harald für die kompente und humorvolle Kursleitung und natürlich die geniale Exkursionsortswahl. Auch die übrigen Kursteilnehmer, die nicht zu unserer Gruppe gehörten, waren sehr nett und haben für eine angenehme Gruppenstimmung gesorgt. Danke selbstverständlich auch an die "Crew", die verrückt genug war, Aktionen wie dieses Wochenende in riesiger Ferienwohnungsgemeinschaft mitzumachen. Und natürlich müssen wir den Pilzen danken, dass sie sich uns in so großer Menge sowie Artenvielfalt und so schöner Optik präsentiert haben. Und das nächste gemeinsame Wochenende kommt bestimmt...
Ergänzungen, Korrekturen, Anmerkungen, weitere Bilder sind erwünscht!
Liebe Grüße
Jan-Arne