Hallo,
in der letzten Zeit tauchen im Forum ja immer wieder Anmerkungen und Anfragen zu "kritischen" Speisepilzen, bzw. Pilzen mit "uneinheitlich beurteiltem Speisewert" auf.
Punkt 1:
Für mich persönlich ist das so, dass ich Pilze, die nicht von jedermann vertragen werden ("individuelle Unverträglichkeit") , aber - soweit bisher bekannt - allenfalls ein temporäres "Unwohlsein" verursachen können, durchaus gerne probiere und bisher auch keine Probleme hatte (Hallimasch-Arten z.B.)
Punkt 2:
Etwas anders sieht es schon aus mit Pilzen, die allergisierend wirken können (sollen) ...
Wenn es auch da nur um allergische Unverträglichkeit mit geringfügiger vorübergehender Symptomatik geht, dann probiere ich die auch (betrifft Butterpilz und es soll den Körnchenröhrling ebenso betreffen - wobei ich nur den letzteren hier bei mir finde ... und die auch bisher folgenlos in kleinen Mengen verzehrt habe.)
Punkt 3:
Noch anders sieht es aus mit Pilzen, bei denen bekannte Inhaltsstoffe sich im (Tier-)versuch als mutagen und zelltoxisch erwiesen haben. Aus exakt diesem Grund würde ich keine Nebelkappen essen (auch ohne jetzt ganz genau zu wissen, wie viel von welchem Stoff nun was ausgelöst hat), nicht etwa wegen der verbreiteten "temporären" Unverträglichkeit.
Die Wirkungen der zelltoxischen Stoffe führen ja nicht von hier auf jetzt zu Problemen sondern eher auf lange Sicht.
Mir ist bekannt, dass wir mit der Nahrung und der Umwelt im Allgemeinen schon einiges zu uns nehmen, was nicht immer "gut" ist, was mutagen und zelltoxisch ist - deshalb minimiere ich es da, wo ich es weiß und ohne Probleme und ohne große Einschränkungen machen kann.
Trotzdem habe ich gestern eine kleine Nebelkappe in Scheiben geschnitten in Butter gebraten ... nur um mal den Geschmack zu testen (nichts gegessen, nur gekaut) ... ob ich da auch nichts verpasse...
Und obwohl der Geruch des frischen Pilzes noch angenehm war (die haben mich - ehrlich gesagt - immer schon mal angelacht) fand ich sowohl Geschmack (das Parfümierte kam deutlich durch) als auch Konsistenz ("glubschig") nicht gut.
Punkt 4:
Was die Rhabdomyolyse (Tricholoma-equestre-Syndrom, Muskelschwäche) betrifft .... Grünlinge gibt es bei mir nicht, da komme ich also nicht so sehr in Versuchung.
ABER:
es wundert mich jetzt, dass im aktuell herunterladbaren PDF der DGfM "Liste der Pilze mit uneinheitlich beurteiltem Speisewert, (Stand 16.06.2017), Tricholoma terrereum immer noch mit einem Hinweis gelistet steht.
(Aber diverse andere Ritterlinge, T. agyraceum, cingulatum stehen in der Positivliste, Stand: 19.05.2015)
"Aufgrund einer Veröffentlichung in Chemistry (Chem. Eur. J. 2014, 20, 7001 –“ 7009) ist zu befürchten, dass T. terreum - ähnlich T. equestre - demnächst als Giftpilz eingestuft werden muss."
Gab es da nicht in 2016 eine Untersuchung, die da Entwarnung gab - und aufgrund derer auch ich in 2016 bei Tricholoma terreum zugegriffen habe ... die lachten mich auch immer schon so an?
aus Wiki:
"Entwarnung gab es von Prof. Dr. Siegmar Berndt, Toxikologie der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, der errechnete, dass Menschen von 70 kg Körpergewicht ca. 46 kg Frischpilze zu sich nehmen müssten, damit durchschnittlich die Hälfte von ihnen einen Schaden erleiden würde.[6]"
Warum ist denn diese Untersuchung in die durchaus aktuelle Liste noch nicht eingeflossen?
Punkt 5:
Die tödlich verlaufend könnende "Allergisierung" durch Kremplinge (Paxillus-Syndrom) ist da ja noch eine ganz andere Größe.
Dann steht hier im >>Porträt von Boletus luridus (Netzhexe) - und wird auch in Beiträgen im Forum hier neuerdings so zitiert:
"Speisewert: roh auf jeden Fall giftig. Bis vor einigen Jahren existierte das Märchen, daß B. luridus mit Alkohol zusammen giftig wäre. Das beruht aber entweder auf individuellen Unverträglichkeiten oder auf verwechslungen mit dem Ochsenröhrling (Boletus torosus), der im Gegensatz zu B. luridus tatsächlich Coprin enthält (Giftstoff, der den Alkoholabbau behindert). Inzwischen ist bekannt, daß B. luridus wohl ähnliche Inhaltsstoffe (Involutin) enthält, wie der Kahle Krempling (Paxillus involutus). Ob diese Stoffe verantwortlich sind für das Eintreten des Paxillus –“ Syndroms (schwere allergische Reaktionen mit Hämolyse bei regelmäßigem Verzehr größerer Mengen) ist noch nicht abschließend geklärt.
Schade wäre es, wenn diese Vergiftungserscheinungen auch von B. luridus ausgelöst werden können, da der Pilz gut erhitzt ein ausgezeichneter Speisepilz wäre."
... Und mit diesem Hinweis wird in letzter Zeit hin und wieder hier im Forum vor dem Verzehr gewarnt.
Flockenhexen kommen bei mir nicht vor, Netzhexen schon ... und als ich 2016 madenfreie bzw. madenarme Exemplare hatte, habe ich selbstverständlich auch diese probiert (nach normaler Buchinformation und weil es hieß, dass mit dem Coprin sei eine Falschmeldung und weil ich sowieso eher selten Alkohol trinke ) ... die Information mit dem Involutin ging völlig an mir vorbei.
In der DGfM-Liste (von 2017!) steht bisher ausschließlich:
"selten individuelle Unverträglichkeit mit Alkohol" (insofern veraltet!)
Aber ... woher stammt diese Information mit dem Involutin bei Boletus luridus überhaupt, was ist die Quelle und wo kann man das nachlesen??
Suchmaschiniert man das, findet man erst mal fast ausschließlich Beiträge in hiesigen Pilzforen.
Sucht man in Englisch mit "containing involutin" findet man Hinweise auf eine Quelle:
http://www.meducator3.net/algo…axillus-mushroom-syndrome
Dort wird Boletus luridus in einem Atemzug genannt mit Paxillus involutus und Clitocybe clavipes.
Als Quelle wird genannt:
Koppel C. Clinical symptomatology and management of mushroom poisoning. Toxicon. 1993; 31: 1513-1540 (page 1527-1529).
Also etwas, was schon 1993 publiziert wurde von C. Koppel (heißt wohl Köppel, teilweise auch Koeppel geschrieben (Medical Intensive Care Unit, Universitätsklinikum Rudolf Virchow, Freie Universität Berlin, Germany)
Man findet aber keinerlei (?) frei verfügbaren Zugang zu dem Text, nur einen Abstract:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8146866
Und seit 1993 gibt es dazu keinerlei weitergehende Untersuchungen? Und auch sonst gar nichts?
Ich bin da schon etwas verwirrt ... und denke, falls es wirklich etwas auf sich hätte mit Boletus luridus ... dann hätte man da schon mehr von gelesen ... irgend etwas Eindeutigeres ...
Hat jemand da weiterführende Informationen?