Tatsächlich war ich vor 30 Jahren zuletzt in Köln. Ich meine nicht diverse Vororte, sondern mitten drin. Und damals war meine Frau dabei. Alleine, also ohne irgendjemanden an der Seite, bin ich da noch nie gewesen.
Heute aber, heute hatte ich Premiere. Ich könnte mir auf die Brust trommeln und rufen "Ich war allein in Kölle" analog zu " Ich habe Feuer gemacht".
Die Fahrt zum S-Bahnhof war ja noch ein Klacks. Oft genug hab ich meine bessere Hälfte dort abgeholt, also null Problem. Das Problem begann am Fahrscheinautomaten. Ich hab zwar nach kaum 5 Minuten gerafft welchen Fahrschein ich wie lösen muss, aber dann kam die Umsetzung. Als ich endlich begriffen hatte, dass ich den Button "bezahlen" drücken muss, damit der blöde Automat endlich meinen Geldschein nimmt, kam die S-Bahn. Als der Apparat endlich fertig war mit drucken und Rückgeld rausgeben, war sie wieder weg. Na toll.
Die nächste Bahn hatte 10 Minuten Verspätung, wie unpassend. Die davor hätte Verspätung haben sollen.
Egal, ich saß dann halt in der nächsten Bahn. Ratternd und schaukelnd ging es Richtung Köln.
Vorbei an den Hinterhöfen der Vororte. Alte Baracken, verfallene Hütten, Müll und verrostete Autos. Interessiert betrachtete ich die ungezählten Graffitis die an allen unmöglichen Flächen aufgebracht waren. Irgendwie erschienen sie mir doch sehenswerter, als das schnöde grau der jeweiligen Untergründe. OK, ich kann mir unter Zronk, Schnatzubil, Frontsch und ähnlichen Schriftzügen nicht viel vorstellen. Fuck u, das hab ich verstanden.
Dann lese ich in etwas krakeliger Sprayschrift " Wir das Primium Deutschlands". Ich überlege, was zum Teufel "Primium" bedeutet und komme zu dem Schluß, dass der Urheber wohl "Premium" meinte. Und ich hoffe, er hat unrecht.
Irgendwann trudelt die Bahn dann im Hauptbahnhof ein. In den Katakomben des Bahnhofs muss ich mich für rechts oder links entscheiden. Links wäre richtig gewesen, wie ich einige hundert Meter weiter rechts feststellte. Nuja, so hab ich zumindest den ganzen Bahnhof gesehen. Ich komme also dann an der richtigen Seite aus dem Bahnhof, und stehe vor einer riesigen alten Kirche. Nä, watt sin die Städter bekloppt. Unsere Kirchen auf ´m Dorf sind zehnmal kleiner, und kaum halb mit Publikum gefüllt. Wie wollen die das Ding denn voll kriegen? Oder sind die Städter alle hochkatholisch? Wahrscheinlich sind es nur Angeber.
Nu, auf gehts in die City. Den Weg hatte ich mir zu Hause gut angeschaut. An der Kirche vorbei, die Hohe Straße runter, die Schildergasse (oder war ´s die Schloßallee?) lang bis zum Neumarkt. Leut ich sag Euch, sowas habt Ihr noch nicht gesehen. Ein Geschäft neben dem anderen, aber nix mit was man wirklich brauchen kann. Klamotten, Schuhe, Schmuck, Freßtempel, Klamotten, Schuhe, Schmuck usw. Wer soll das alles kaufen?
An einem Uhrenladen bleib ich stehen und betrachte in der Auslage eine Rolex. 48000 € steht da dran. Komma verjessen?
Schön ist sie ja, aber ich beschließe Verzicht.
Die Straßen sind proppevoll mit Leuten. Mindestens die Hälfte läuft mit gesenktem Haupt und klimpert auf dem Smartphone. Ich stelle fest, dass die Städter noch evolutionäre Reste natürlichem Schwarmverhaltens haben. Wenn bei uns auf ´m Dorf mal mehr wie 5 Leute auf der Straße sind, stoßen zwei garantiert zusammen. Hier nicht. Wie ein Vogelschwarm laufen die miteinander, gegeneinander und quer zur Stoßrichtung. Nix passiert, muss Instinkt sein.
Dann fängt es an zu regnen. Ich öffne meinen Schirm und sofort kommt der Schwarm durcheinander. Noch drei, vier Schirme gehen auf, das Chaos herrscht. Nachdem ich mit meinem Schirm zwei Mützen von irgendwelchen Köpfen gestreift habe mache ich ihn lieber wieder zu. Ich will ja niemanden verletzen. Und so laufe ich gebeugten Hauptes, aber ohne Smartphone, durch den Regen.
Nachdem ich mein Ziel erreicht und mein Vorhaben ausgeführt habe, gehts den gleichen Weg wieder zurück. Schildergasse, Hohe Straße, vorbei an der Kirche zum Bahnhof.
Gleis 10, hab ich mir gemerkt. Hundert andere auch.
Die S-Bahn kommt und die Fahrt geht zurück. Vorbei an den mir bereits bekannten Graffitis, an den alten Hütten und verrosteten Autos.
Dann kommt die Durchsage: " Verehrte Fahrgäste, auf Grund eines auf dem Gleis liegenden Baumes fährt die Bahn nur bis Dellbrück".
Wie jetzt? Mein Auto steht nicht in Dellbrück. Zum Glück sehe ich nach dem aussteigen, dass direkt am Bahnhof auch der Busbahnhof liegt. Zu meinem Unglück haben das auch an die zweihundert andere Fahrgäste aus vorherigen Bahnen gesehen. Und bis die weggekarrt sind, kommen sicher nochmal drei Bahnen.
Nä, nicht mit mir. Ich entere ein zufällig vorbeikommendes Taxi und lass mich zu meinem Auto fahren. Von da an läuft alles. Kurz vor zu Hause, an dem kleinen Wäldchen, halte ich kurz an und umarme einen Baum.
Leute, die Großstadt und ich, wir werden keine Freunde. In diesem Leben nicht und auch nicht im nächsten.
Wie bitte? Warum ich denn überhaupt nach Köln gefahren bin?
Naja, nachdem mich das Christkind die letzten zwei Jahre bei der Bescherung glatt übergangen hat, hab ich die Sache nun eben selbst in die Hand genommen.