Helminthosporium oligosporum

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 4.327 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tricholomopsis.

  • Moin Moin liebe Pilzfreunde
    wünsche noch ein gesundes neues Jahr.


    Heute will ich einen Pilz zeigen, den ich zweimal hinternander, in kurzer Zeit, im NSG Selketal finden konnte.
    Es handelt sich um Helminthosporium oligosporum, der an abgefallenen Lindenästchen wächst.
    Funddaten: 26.12.2017 NSG Selketal ca. 1km östlich der Selkemühle
    30.12.2017 NSG Selketal zwischen III. und IV. Hammer


    Entfernung der Fundstellen ca 4km.


    Der Pilz scheint häufig zu sein, man findet ihn aber nur mit gezielter Suche.
    syn. Corynespora olivacea (Wallr.) M.B. Ellis 1960


    http://www.pilze-deutschland.d…cea-wallr-mb-ellis-1960-1



    Er ist recht unscheinbar, die Freude kommt erst unterm Mikroskop.














    LG Harzi

  • Glückwunsch zu diesem WAHNSINNSfund, Harzi!
    Superportrait mit tollen Mikrofotos! :thumbup:
    Wird Zeit, dass ich mir mal wieder ein paar Lindenäste anschaue.


    Liebe Grüße vom Nobi

    Hier geht es zu meinen Themen.

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    Chips: 72

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Hartmut,


    das ist sehr interessant, weil eigentlich Helminthosporium eine "anamorphe Pilzgattung" ist und nach meinem Kenntnisstand bisher noch keine teleomorphe Form zugeordnet werden konnte und ich deren Vertreter eigentlich auch nur von krautigen Pfanzen (Kartoffel und Mais) kannte . Bisher hatte ich nur H. solani und H. turcicum auf der Fundliste. Dein Fund ist teleomorph, was irgendwie so überhaupt nicht in mein mykologisches Weltbild passen will. Kann es sein, dass du da irgendwas verwechselt hast?


    Wie ich soeben nachgelesen habe, wurde H. turcicum in Setosphaeria turcica umbenannt. Leider habe ich dafür nur Bilder der anamorphen Form und keine weiterführenden Infos, warum die Pilzart umbenannt wurde.


    Danke für deine tollen Bilder und den tollen Beitrag.


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


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  • Lieber Hartmut,


    sehr gut Dokumentation! Ich verstehe ja nicht viel von dieser Pilzgruppe, muß aber taxonomisch auch diese pflegen.
    Die Gattung Helmithosporium und Corynespora stehen doch beide für anamorphe Ascomyceten. Aus welcher Literatur hast du die Synonymie von Helmithosporium oligosporum und Corynespora olivacea? Bei Index fungorum und Mycobank sind beide getrennt.


    Beste Grüße und alles Gute für 2018
    Frank

  • Hallo Stefan,
    Hallo Frank,


    ihr seid nicht so ganz up-to-date bzgl. der Taxonomie von Pilzen, denn laut ICBN gilt schon seit einigen Jahren "one fungus = one name". Das greift vor allem bei den Arten, bei denen bisher zwei unterschiedliche Morphotypen mit zwei unterschiedlichen Namen benannt wurden, z.B. Nectria/Tubercularia, Trichoderma/Hypocrea, Valsa/Cytospora und etliche weitere. Ihr müsst die öffentlich verfügbaren Artikel der SiM blättern, dort ist auch die hier von Hartmut gut in Szene gesetzte Helminthosporium oligosporum abgebildet und beschrieben.


    ---------------------
    Jaklitsch & Voglmayr 2017: Corynespora, Exosporium and Helminthosporium revisited –“ New species and generic reclassification, IN: STUDIES IN MYCOLOGY 87: 43–“76 (2017).
    ---------------------


    Franks Frage ist berechtigt. Die vollständige Synonymie lautet:
    Basionym:
    Coryneum oligosporum Corda, Icon. Fung. 5: 81. 1842.


    Synonyme:
    Sporidesmium olivaceum Wallr., Fl. crypt. Germ.


    (Norimbergae) 2: 228. 1833, non Helminthosporium olivaceum
    Berk. & Ravenel, in Berkeley, Grevillea 3(no. 27): 102. 1875.


    Clasterosporium olivaceum (Wallr.) Sacc., Syll. fung. (Abellini) 4:
    390. 1886.


    Corynespora olivacea (Wallr.) M.B. Ellis, Mycol. Pap. 76: 32.
    1960.


    Ich hoffe, dass ich euch damit etwas weitergeholfen habe. Ich ertappe mich selbst oft genug dabei, nur indexfungorum oder mycobank zu vertrauen, dabei muss aber unbedingt beachtet werden, dass die Datenbanken bei der Masse an neuen Publikationen niemals den aktuellsten Stand darstellen können und, im Falle von indexfungorum, die subjektive Meinung von P. Kirk einfließt.


    LG Björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

  • Lieber Björn,


    vielen Dank für deine Erklärung zu meiner Anfrage.


    Zitat: "ihr seid nicht so ganz up-to-date"


    da hast du schon teilweise Recht. Aber einerseits ist es aber kaum möglich, zu allen Pilzgruppen immer die aktuelle Literatur zur Verfügung zu haben, andererseits ist mir die neue Regel "one fungus = one name" bestens bekannt, auch das jetzt ältere Namen einer anamorphen Gattung zum gültigen Namen einer bisherigen teleomorphen Gattung werden können (müssen?). Es ist nur sehr schwierig, da noch die Übersicht zu behalten und z.B. nomenklatorische und taxonomische Gerüste sinnvoll in einer Publikation, wie wir sie gerade mit der Pilzflora Sachsens erstellen, den Benutzern logisch zu vermitteln. Bei der inflationären Entwicklung in der Nomenklatur und Taxonomie der Mykologie kann man immer nur einen momentanen Stand darstellen, der einen Monat später wieder überholt sein kann.
    Solange die offiziellen Portale wie Index fungorum und Mycobank dieser rasanten Entwicklung hinterherhinken müssen und dazu noch unterschiedliche Namen zur gültigen Art erklären, werden immer wieder solche Fragen auftauchen.


    Beste Grüße
    Frank


  • Lieber Frank,


    das ist völlig einleuchtend, mir selbst passiert es oft genug, dass ich entweder die Namen nicht parat habe oder einfach noch nicht mitbekommen habe, dass sich etwas geändert hat. Ich mache daher folgendes: ich habe viele der Homepages von nationalen und internationalen Zeitschriften in der Lesezeichenleiste meines Browsers, und die gehe ich von Zeit zu Zeit einfach durch, vor allem solche, die öffentlich verfügbar sind (Studies in Mycology, Persoonia, Sydowia, Mycologia, Mycotaxon und Fungal Diversity haben immer wieder was zu bieten, manchmal muss man halt Uni-Leute fragen, ob diese Zugang zu den Artikeln haben). Ich weiß, es ist wahnsinnig schwierig und aufwändig, mit sämtlichen Pilzgruppen up-to-date zu sein und mittlerweile angesichts der modernen Möglichkeiten völlig utopisch anzunehmen, dass man mithalten könnte, zumal wir alle einer Beschäftigung nachgehen.


    Die Helminthosporium oligosporum (genauso wie auch H. tiliae) sind mir schon seit 2013 bekannt, allerdings hatten sie da noch keine gültigen Bezeichnungen oder es war nur ihre Anamorphe bekannt. Jaklitsch und Co. machen da schon ganz gute Arbeiten, mit denen man wirklich was anfangen kann.


    LG Björn

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    • Offizieller Beitrag

    Hi Björn,


    schönen Dank auch. X( Das ist totaler Quatsch für den Alltag. Da erkennt man ja absolut keine verandtschaftlichen Verhältnisse mehr, wenn man jetzt einfach Ananmorphe und Teleomorphe "Gattungsnamen" als gültige Namen nehmen kann. Da wird ja dann die Verwirrung noch größer. Was passiert denn eigentlich mit den Pilzen, die im obigen Fall nicht (mehr) zu Helminthosporium zählen, weil die verwandtschaftlich nicht mehr in die Gattung passen. Hat Helminthosporium oligosporium überhaupt eine anamorphe Form, welche die typischen Helminthosporium Konidien ausbildet? Wenn nein, wie kann es dann überhaupt in die Gattung gehören? Fragen über Fragen. 8| Da fand ich die vorherige Regel schöner, dass die Teleomorphen Namen zu verwenden sind. Bei diesen taxonomischen Regeln sehen die angewandten Mykologen doch völlig alleine da; insbesondere die in den Pflanzenschutzämtern und im Forst etc. Ich halte das für vollkommen unpraktikabel.


    Weißt du, wie das jetzt mit den "Septorias" auf den Getreiden ist? Heißen die jetzt wiede Septoria tritici und nodorum, oder bleiben die bei den Teleomorphen Namen stehen Mycosphaerella graminicola und Phaeosphaeria nodorum stehen.


    l.g.
    Stefan

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    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


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  • Glückwunsch zu diesem WAHNSINNSfund, Harzi!
    Superportrait mit tollen Mikrofotos! :thumbup:
    Wird Zeit, dass ich mir mal wieder ein paar Lindenäste anschaue.


    Liebe Grüße vom Nobi


    Moin Nobi
    Besten Dank. An Linde finde ich derzeit am meisten. Oft sehen die Pilze gleich aus, aber unterm Mikro sind es dann doch verschiedene Arten. Absolut spannend.


    LG Harzi
    [hr]


    Hallo Stefan,
    Hallo Frank,


    ihr seid nicht so ganz up-to-date bzgl. der Taxonomie von Pilzen, denn laut ICBN gilt schon seit einigen Jahren "one fungus = one name". Das greift vor allem bei den Arten, bei denen bisher zwei unterschiedliche Morphotypen mit zwei unterschiedlichen Namen benannt wurden, z.B. Nectria/Tubercularia, Trichoderma/Hypocrea, Valsa/Cytospora und etliche weitere. Ihr müsst die öffentlich verfügbaren Artikel der SiM blättern, dort ist auch die hier von Hartmut gut in Szene gesetzte Helminthosporium oligosporum abgebildet und beschrieben.


    Hallo Björn
    Besten Dank für deine ausführliche Antwort. Da bin ich leider Anfänger. So sehr will ich mich da auch nicht vertiefen, umsomehr erfreue ich mich aber über die Mikrostrukturen.
    LG Harzi
    [hr]


    Hallo Hartmut,



    Danke für deine tollen Bilder und den tollen Beitrag.


    Gern geschehen :)
    [hr]


    sehr gut Dokumentation! Ich verstehe ja nicht viel von dieser Pilzgruppe, muß aber taxonomisch auch diese pflegen.
    Die Gattung Helmithosporium und Corynespora stehen doch beide für anamorphe Ascomyceten. Aus welcher Literatur hast du die Synonymie von Helmithosporium oligosporum und Corynespora olivacea? Bei Index fungorum und Mycobank sind beide getrennt.


    Beste Grüße und alles Gute für 2018
    Frank


    Hallo Frank
    Besten Dank. Wünsche dir auch noch alles Gute für 2018. Björn hat ja freundlicherweise ausführlich geantwortet, das hätte ich so nicht gekonnt.
    LG Hartmut
    [hr]
    Die Sporen dind ungewöhnlich variabel. Die zumeist länlichen Sporen habe ich folgendermaßen vermessen:
    Sporen [95% –• 6 –• QPr –• v –• H2O(nat) ] = 55,2 - 59,3 - 63,4 x 10,2 - 12,2 - 14,1 µm


  • Hallo Stefan,


    da stimme ich dir nicht in allen Punkten zu. Um die Sache mit der Helminthosporium zu klären: der Name war zu keiner Zeit für eine Anamorphen-Gattung reserviert, sondern für eine Pilzgattung. Anamorphe Formen von Pilzen sind de facto auch Pilze, Organismen mit einem taxonomischen Rang einer individuellen Art, sofern sie den Regeln für eine eigenständige Art gerecht werden. Die Diskussion, was im Zuge der Genetik eine Art ist, wird aber auf einem anderen Brett ausgefochten, leider wird auch das sehr bald ein größeres Problem darstellen.
    Nun wurden in der Gattung Helminthosporium und dergleichen Arten mit farbigen Phragmokonidien beschrieben. Das ist wahrscheinlich das, was du mit "Anamorphen-Gattung" meinst. Ich sags nochmal: das hat es nie gegeben, anamorphe und teleomorphe Phänotypen von Pilzen hat es immer gegeben, wir haben sie nur nicht erkannt und daher in Gattungen, ja sogar in ganze Systeme aufgesplittet: auf der einen Seite die Ascomyceten und Basidiomyceten, die vollständigen (geschlechtliche Fortpflanzung, also "vollständig"), und auf der anderen die Deuteromyceten, die "Fungi Imperfecti", die unvollständigen, weil sie nicht zur geschlechtlichen Fortpflanzung befähigt sind.


    Helminthosporium oligosporum nehme ich jetzt einfach als Modellorganismus für das Verständnis von mykologischen Organismen, da die Art auf Lindenästen mit genannten Phänotypen auftritt, also auch mit typischen Konidiensporen und eben einer teleomorphen Erscheinung, die erst seit ein paar Jahren als der anamorphen Erscheinung zugehörig erkannt wurde. Ich finde das gut, denn es ist ein Fortschritt in die richtige Richtung. Wie sonst als Helminthosporium oligosporum würdest du denn die Teleomorphe nennen, mit dem Wissen, dass es der gleiche Organismus ist wie der, der die von dir beschriebenen Konidiensporen macht? Ich finde, ein erweitertes Verständnis dieser Zusammenhänge macht die neue, ungewohnte Namensgebung der Pilzarten logischer. Ich bin auch ein Gewohnheitstier und nutze gerne altbewährte Namen wie Hypocrea, Annulohypoxylon (unsere europäischen heißen jetzt Jackrogersella) oder Mycena speirea (ja, Phloeomana speirea). Erst, wenn ich verstanden habe, warum die Änderungen sinnvoll und notwendig sind, dann gehe ich hin und eigne mir die neuen Namen an.


    Möge der Imperator mit dir sein. Torosus, Ende.


    LG Björn


    Edit: Ja, Mycosphaerella. Das ist aber auch ein großes taxonomisches Ungeheuer, das viele anamorphen-Gattungen hinter sich herschleift. Ich zitiere hier gerne die aktuelle Arbeit von Videira et al. 2017 aus der SiM 87:


    Aktueller Name:
    Zymoseptoria tritici (Desm.) Quaedvlieg & Crous, Persoonia 26: 67. 2011.
    Basionym: Septoria tritici Desm., Ann. Sci. Nat., Bot., Ser. 2, 17:107. 1842.


    Dort enthalten ist auch ein, sagen wir, "Versuch" eines phylogenetischen Stammbaums der Familie Mycosphaerellaceae, mit insgesamt 120 verschiedenen Gattungen, deren Arten früher in Mycosphaerella untergebracht waren.


    Und, Phaeosphaeria nodorum heißt schon seit einiger Zeit
    Parastagonospora nodorum (Berk.) Quaedvlieg et al. Stud. Mycol. 75: 363 (2013)


    nachzulesen in der SiM 75, da gibt es gleich zwei größere Artikel über die "Gattung" Septoria.

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    Einmal editiert, zuletzt von bwergen ()

  • Hi, Björn,


    wenn Du schon mal hier bist.
    Was ist eigentlich mit "Funghiparadise" geschehen? 8|
    Kannst Du das wieder zum Leben erwecken?
    Die Seite fehlt mir sehr!


    Und wie komme ich an Deine Bücher?


    Liebe Grüße vom Nobi

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    Chips: 72


  • Hallo Nobi,


    noch mehr Fragen ^^


    Also: Funghiparadise wird es bis auf weiteres nicht mehr geben. Um die Seite zu rekonstruieren, brauche ich leider sehr viel Zeit, die ich momentan für andere Dinge verwende (diverse Projekte, Seminarvorbereitungen, das übliche halt).


    An meine Bücher kommst du folgendermaßen:
    einfach bescheid geben, ob du ein Exemplar von 1a und 1b haben willst, dann füge ich dich der Interessentenliste hinzu. Wenn demnächst eine neue Fuhre von 1b eintrudelt (was sich derzeit leider hinzieht), dann sende ich sie dir automatisch zu.


    LG Björn

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  • Servus Björn,


    jetzt widerspreche ich dir partiell ;)


    Richtig ist, dass man zwischendurch mangels Wissens imperfekte Stadien von Pilzen als eigene, von den perfekten Stadien unbterschiedliche Arten aufgefasst hat, die teils auch im System entfernte ingeordnet wurden. Dass man davon Abstand gewinnen will, ist nachvollziehbar und richtig.


    Man hat aber auch diese Gattungen, in denen man "imperfekte Stadien" zusammenfasste, anatomisch definiert. Kurz gesagt: die Form der Phialiden, der Konidienträger, der Konidien usw. war ausschlaggebend für Gattungskonzepte. Beispiele: Trichoderma, Aspergillus, Penicillium usw.


    Diese Benennung nach anatomischen Merkmalen hat auch seine Vorteile - man kann diese Formgattungen gut erkennen. Und ja, man ist sie gewohnt.


    Es ist ungewohnt, zu einer "Hypocrea", die gar keine "Trichoderma-Nebenfruchtform" besitzt, jetzt Trichoderma zu sagen (nur als hypothetisches Beispiel - ich weiß nicht, ob alle Hypocreae Trichoderma-Stadien besitzen). Ich fände es da einfacher, den ältsten Namen einer Teleomorphe als prioritär zu verwenden. Dann wäre es eine Hypocrea, die keine trichodermatoide Nebenfruchtform besitzt. Ein Pilz, ein Name wäre dann immer noch gegeben.


    Manche Namen sind allerdings nicht so einfach. Was, wenn verschiedene Teleomorphe die gleiche Nebenfruchtform ausprägen und als solche nicht unterscheidbar sind (außer genetisch)? Dann könnte man den Namen der Nebenfruchtform weiter nutzen - aber eben nur als Bezeichnung für eine Sammelart.


    Oder nimm Aspergillus:


    Eurotium hat Aspergillus-Nebenfruchtformen, Petromyces ebenfalls. Nimmt man den Namen Apsergillus, weiß man nicht genau, welche Gattung im engeren Sinn gemeint ist bzw. man muss manche typischen Aspergillus-Arten in eine andere gattung stecken. Und bei den Aspergilli, bei denen keine Teleomorphe bekannt ist, nimmt man auch weiterhin den Namen der Anamorphe her. Wo wäre das Problem?


    Oder Penicillium:


    Chromocleista, Eladia, Eupenicillium, Torulomyces und Thysanophora haben Penicillium-Nebenfruchtformen. Fasst man alle fünf Gattungen zusammen (aufgrund von DNA-Stammbäumen), dann nimmt man halt den ältesten der fünf Namen. Und wenn sich zeigt, dass manche "Aspergillus-Arten" wie Aspergillus crystallinus, A. malodoratus und A. paradoxus auch da hinein gehören, dann gibt es eben auch "Aspergillus-Nebenfurchtformen" innerhalb der Gattung Chromocleista (oder welche auch immer die älteste ist). Das finde ich "schöner" als eine Aspergillus-Nebenfuchtform als Penicillium crystallinum zu bezeichnen.


    Es ist praktikabler, die Nebenfruchtformen rein nach Formgattungen aufzugliedern. Und ja, man weiß dann, dass das nicht systematisch gemeint ist - davon gehe ich aus.


    Die Doppelnomenklatur bleibt übrigens auch nach dem Umbruch. In Apotheken kauft man immer noch Secale cornutum und nicht Claviceps purpurea. Und in Mikrobiologielabors bleibt es dabei, auch dann Anamorphe als Namen zu verwenden, wenn die Teleomorphen älter als Name sind.


    Die Frage ist, ob man bewusst in der Systematik eine Doppelnomenklatur fährt, was unsinnig wäre, oder in der Anwendung, wo es sinnvoll sein kann.


    Mein Hauptargument gegen die Änderung im Code ist, dass so die alte Idee und Grundregel, die Benennung soweit möglich, stabil zu halten, also möglichst wenige nomenklatorische Änderungen zu bewirken, weiter in den Hintergrund gerät. Mir geht es dabei nicht um Namensänderungen aufgrund des Aufspaltens in mehrere Gattungen, weil sich das Wissen erweitert, sondern um die Stabilität der Namensgebung ohne Neuerungen, die auftreten.


    Gerade Hypocrea ist hier für mich das Paradebeispiel. Es ist m.E. völlig unnötig, Hypocrea Trichoderma zu nennen. Lieber nenne ich Trichoderma-Arten Hypocrea, wenn die Trichoderma einer Hypocrea zuzuordnen ist. Und wenn nicht, dann den Formnamen Trichoderma, bis man's weiß.


    Die Meinungen gehen hier auseinander, klar. Imperator ist aber ein hinkendes Beispiel, da es hier um eine Hauptfruchtform geht. Und dass große Gattungen zerpflückt werden, ist Folge des Wissenszuwachses.


    Was ich mich da frage: muss man nicht die Gattung "Sclerotium Tode 1790" wieder auspacken? Der Gattungstypus ist Sclerotium complanatum, was heute als Typhula phacorrhiza var. complanata De Bary 1844 interpretiert wird?


    Dir ist bewusst, dass alles, was Sklerotien bildete, mal da reingenommen wurde? Und dass man jetzt die gut definierte Gattung Typhula, Typus der Tyhpulaceae wegwerfen muss, und als Sclerotium bezeichnen muss? Und dass vermutlich manche Namen besetzt sind, weil es sehr viele "Sclerotium"-Kombinationen gibt?


    Ich finde das absolut unnötig und überflüssig. One Fungus one Name geht auch mit Telemorphen. Und dann ist Typula immer noch Typhula. Und viele Namen bleiben stabil. So haben wir ziemliches Chaos. Unnötiges Chaos.


    LG
    Christoph


  • Hallo Christoph,


    das könnte eine endlos lange Diskussion werden, die man lieber vor Ort ausfechtet als über das Internet. Soweit ich weiß, sind wir uns noch nicht über den Weg gelaufen ;)


    Jedenfalls vertrete ich in vielen Punkten die Auffassung und die Probleme, wie du sie auch darstellst. Das Aspergillus-Problem ist mir durchaus bekannt, wenngleich ich kein Spezialist für anamorphe Pilze bin (ich beschäftige mich weitgehend nur mit Teleomorphen).


    Die Sache mit dem Wissenszuwachs und den genetischen Unterschieden teile ich allerdings nicht. Gattungen wie Imperator, Paralepista, Paralepistopsis, das völlige Zerpflücken von Gattungen bishin zur Monotypie, auf dass es bald mehr Gattungen als Arten gibt, ist meines Erachtens unnötig und z.T. durch den Produktivitätsdrang universitärer Personen geschuldet, die auf Teufel-komm-raus irgendwas erbringen müssen, damit sie eine wie auch immer geartete Abschlussarbeit auf den Tisch hauen. Genau da fängt die Diskussion mit dem Art- und Gattungsbegriff an. Das "3-Merkmale"-System verrutscht sich zugunsten der Genetik auf "3-Basenpaare", wobei genetische Unterschiede sich nicht zwangsläufig in morphologische, ökologische etc. Unterschiede widerspiegeln müssen. Es werden neue Arten und Gattungen beschrieben, ohne dass man überhaupt weiß, worin die makro- und/oder mikroskopischen Differenzen liegen. Soll das etwa Fortschritt sein? Eine Disziplin (mykologische Genetik) macht dann andere (Ökologie, Kartierung und ähnliche) unmöglich oder zumindest derart anspruchsvoll, dass sich niemand mehr damit beschäftigt. Warum soll ich denn Nectria-Arten erfassen wenn ich sie alle nur noch mit dem Kürzel "s.l." abheften muss?


    Was die Benennung der Pilze an sich angeht, da bin ich für die "one fungus = one name"-Regel. Warum sollte ich die Hauptfruchtform anders nennen als die Nebenfruchtform, wenn es sich um den gleichen Organismus handelt? Die "Fehler", die in der Vergangenheit bzgl. der Beschreibung von Pilzen zugetan haben, und selbst wenn es sich um Sklerotien handelt, können doch nicht einfach unberücksichtigt weiter existieren, nur weil wir aus Gewohnheit die alten Namen behalten wollen. Also wird auch aus Hypocrea Trichoderma und aus manchen Phaeosphaeria-Arten Stagonospora oder Parastagonospora.


    LG Björn

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    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
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  • das könnte eine endlos lange Diskussion werden, die man lieber vor Ort ausfechtet als über das Internet. Soweit ich weiß, sind wir uns noch nicht über den Weg gelaufen ;)


    Servus Björn,


    ich bin halt so selten in Hornberg (ist für mich sehr weit entfernt). Vielleicht sehen wir uns am 21.4.2018 - ich wurde als Referent zum PSV-Treffen eingeladen.
    Zudem will ich nix ausfechten - und gerade, dass man mit Personen diskutieren kann, die nicht ums Eck wohnen, ist ja der Vorteil des Internets. Und endlos muss das auch nicht sein.


    Zitat

    Jedenfalls vertrete ich in vielen Punkten die Auffassung und die Probleme, wie du sie auch darstellst. Das Aspergillus-Problem ist mir durchaus bekannt, wenngleich ich kein Spezialist für anamorphe Pilze bin (ich beschäftige mich weitgehend nur mit Teleomorphen).


    Wie gesagt - es ist im Grunde egal, ob man teleomorphe oder anamorphe Gattungsnamen verwendet. Das Prinzip, dass der älteste Name verwendet werden soll, ist ja einleuchtend. Nur dadurch, dass man bislang immer die Teleomorphe verwendete, wenn es zu einem Konflikt kam, kommt es so jetzt zu sehr vielen Namensänderungen, die ich halt unnötig finde.


    Zitat

    Die Sache mit dem Wissenszuwachs und den genetischen Unterschieden teile ich allerdings nicht. Gattungen wie Imperator, Paralepista, Paralepistopsis, das völlige Zerpflücken von Gattungen bishin zur Monotypie, auf dass es bald mehr Gattungen als Arten gibt, ist meines Erachtens unnötig und z.T. durch den Produktivitätsdrang universitärer Personen geschuldet, die auf Teufel-komm-raus irgendwas erbringen müssen, damit sie eine wie auch immer geartete Abschlussarbeit auf den Tisch hauen


    Hm, da steckt sehr viel Polemik in deinen Aussagen. Wissenszuwachs an sich finde ich (als Wissenschaftler) gut. Und bei Boletus ist es deutlich mehr als nur die Genetik. Zu den Lepisten sage ich mangels tieferen Wissens mal nichts. Deine Breitseite gegen die universitäre Mykologie hingegen weise ich zurück. Es mag immer Einzelfälle geben - das ist aber menschlich und nicht auf die Unis beschränkt.
    Das Grundproblem ist, dass die Nomenklatur der Systematik, also der Verwandtschaft folgen soll. Und da sind wir wieder bei dem Punkt, den ich ja ansprach: Theorie vs. Anwendung. Ökologie, Kartierung etc. (wie du es ja angesprochen hast) haben damit ihre Probleme. Sage ich ja... Deshalb wird man immer unterschiedliche Benennungssysteme parallel laufen lassen. Bei Trichoderma vs. Hypocrea findest du es gut, bei Boletus i.w.S. vs. Kleingattungen findest du es schlecht. Vielleicht kannst du so aber auch etwas Verständnis für die aufbringen, die eben lieber Hypocrea statt Trichoderma sagen...


    Zitat

    Genau da fängt die Diskussion mit dem Art- und Gattungsbegriff an. Das "3-Merkmale"-System verrutscht sich zugunsten der Genetik auf "3-Basenpaare", wobei genetische Unterschiede sich nicht zwangsläufig in morphologische, ökologische etc. Unterschiede widerspiegeln müssen.


    Das "3-Merkmale-System" ist, sorry, Unsinn und nicht begründbar. Das ist ein reines Hilfskonstrukt und nur für manche Organismengruppen anwendbar. Das Artkonzept an sich - und da gibt es viele - ist hingegen ein äußerst kompliziertes Thema. Nur werden wir hier vermutlich wirklich keine konstruktive Diskussion hinbekommen, denn das Thema ist viel zu vielschichtig, um es nebenbei abzuhandeln. Ich gehe davon aus, dass du dein eigenes, morphologisches drei-Merkmale-Konzept hast und das als richtig empfindest. Alle anderen Artkonzepte würden damit kollidieren.


    Zitat

    Was die Benennung der Pilze an sich angeht, da bin ich für die "one fungus = one name"-Regel. Warum sollte ich die Hauptfruchtform anders nennen als die Nebenfruchtform, wenn es sich um den gleichen Organismus handelt?


    Das könnte man diskutieren. Manchmal hat die Nebenfruchtform eine andere Lebensweise und besetzt eine ganz andere ökologische Nische. Daher ist es dann gerade ökologisch sinnvoll, die beiden namentlich zu trennen. Man muss das nicht tun, man kann auch immer hintenanstellen, ob es die Teleomorphe oder die Anamorphe ist. Geniculodendron pyriforme ist ein bekannter Parasit an Fichtensamen, Caloscypha fulgens die Hauptfruchtform, bei der man, wenn ich mich recht erinnere, sogar Mykorrhiza vermutete. Mir geht es ja nur darum, dass ich den Namen der Teleomorphe bevorzugen würde, wie es früher war. Dann heißt der Pilze Caloscypha fulgens (und eben auch der Fichtensamenschimmel). Warum wäre das nicht "one fungus = one name"?


    Zitat

    Die "Fehler", die in der Vergangenheit bzgl. der Beschreibung von Pilzen zugetan haben, und selbst wenn es sich um Sklerotien handelt, können doch nicht einfach unberücksichtigt weiter existieren, nur weil wir aus Gewohnheit die alten Namen behalten wollen. Also wird auch aus Hypocrea Trichoderma und aus manchen Phaeosphaeria-Arten Stagonospora oder Parastagonospora.


    Kann man so sehen, muss man aber nicht. Der Nomenklaturcode hat Jahrzehntelang auch dazu gedient, die Gewohnheit zu erhalten. Deshalb gibt es auch die Möglichkeit, Namen zu konservieren. Dem muss man nicht folgen, klar. Ich persönlich finde aber - und das ist meine subjektive Meinung - dass es sehr schade ist, dass der Code dieses Ziel mehr oder weniger aufgegeben hat. Dem musst du überhaupt nicht folgen. Nur Polemik hilft da nicht weiter. Meinungsvielfalt ist erlaubt und gewünscht. Auch und gerade in der Wissenschaft.


    LG
    Christoph