Synoptische Schlüssel

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  • ... interessieren mich, seid ich den Begriff zum ersten mal vernahm (und nachschlagen musste :shy:).


    Spannend finde ich es, weil synoptische Schlüssel ohne Computer und Datenbanken kaum denkbar sind. Sie können also die "klassischen" linearen (dichotomen und polytomen) Schlüssel mit neuen Möglichkeiten ergänzen. Nicht ersetzen, die bewährten Schlüssel bestehen und funktionieren ja weiterhin.


    Ein Artikel, der das Ganze recht gut erklärt, wie ich finde:
    http://www.pilze.ch/pilzbestimmung/Artikel_rw.htm


    Was gibt's denn aktuell so an synoptischen Schlüsseln? Die Handy-Apps sind natürlich welche. Vielleicht gucke ich mir die frei verfügbaren mal an, wenn ich ein ausgedientes Smartphone in die Finger kriege.


    Die Pilzsuchmaschine von Wolfgang Bachmeier gibt's auch als Web-Version (https://www.123pilze.de/2011neuePilzsuche/). Die ist zumindest ziemlich umfangreich, was die Anzahl der Pilzarten betrifft, über 3600 Arten sind es wohl.


    Dann vom BUND ist auch eine online, http://www.mykopedia.org/pilze_bestimmen. Der scheint es an Pilzen zu mangeln, von den "Pilzgruppen" funktioniert nur die Hut-und-Stiel-Fraktion überhaupt ansatzweise, und da fehlen immer noch ganze Gattungen.


    Und noch das Projekt Mycokey. Die Online-Version (http://www.mycokey.com/newMycoKeySite/MycoKeyIdentQuick.html) deckt auch nur Pilze mit Lamellen, Röhren, Leisten oder Stacheln ab. Für mehr braucht es dann den Download, der insgesamt 3300 Arten umfassen soll.


    Die Eingabe- und damit Filtermöglichkeiten sind unterschiedlich umfangreich. Als wirklich komplett empfinde ich aber keine der drei. Bei jeder fehlen mir Merkmale, die zwar schon spezieller sind, aber die Auswahl deutlich einschränken bzw. Arten voneinander abgrenzen. Hier scheint mir eine Herausforderung darin zu liegen, nur die Merkmalen abzufragen, die jeweils sinnvoll sind (bei Röhrlingen also nicht nach gesägten Lamellenschneiden gefragt wird). Dann ließen sich mehr speziellere Merkmale unterbringen, ohne die Auswahl unnötig zu überfrachten.


    Bei Mycokey finde ich die zweistufige Farbauswahl einen sehr guten Ansatz. Selbstverständlich muss dann auch der Variationsbreite Rechnung getragen werden, was sicher nicht trivial ist.


    Eine Mehrfachzuordnung (das also dieselbe Art z.B. sowohl als beringt und ringlos oder als milchend und nicht milchend abgelegt ist) scheint bei allen drei Beispielen zu funktionieren. Mit Wahrscheinlichkeiten arbeitet zumindest soweit ersichtlich nur Mycokey.


    Was haltet ihr davon? Speziell diese, andere oder auch ganz allgemein?


    LG, Craterelle

  • Hallo Craterelle,


    Meiner Meinung nach sind diese Schlüssel den normalen in sehr vielen Dingen überlegen.
    - man kann mit beliebigen Merkmalen anfangen und somit eingrenzen, bei dichotomen Schlüsseln ist der Weg vorgegeben, und wenn man sich nicht sicher ist, hängt man fest
    - Fehler sind, wenn Wahrscheinlichkeiten einkalkuliert sind, etwas weniger folgenreich als bei dichotomen
    - Bei der Erstellung können neue Arten ganz leicht hinzugefügt werden, bei dichotomen muss der ganze Schlüssel komplett neu geschrieben werden.


    Allerdings haben sie einen Nachteil: die Erstellung ist oft zeitaufwändig und komplex. Und zwar gibt es online und offline recht viel Software, aber so richtig hat sich online nichts durchgesetzt. Das, was existiert, sind alles Lösungen, die speziell für die jeweilige Seite erstellt wurdne. Ich habe in den letzten 10 Jahren so einige Forschungsprojekte gesehen, die sich zum Ziel gesetzt haben, tolle Online-Software zu entwickeln um Schlüssel zu erstelllen, aber irgendwie ist alles wieder eingegangen...


    Mycokeys ist ziemlich fortgeschritten, hängt aber öfter mal und zeigt Bilder / Auswahlmöglichkeiten nicht an. Ich suche auch jedes Jahr nach guten synoptischen Online-Schlüsseln (egal für was, können auch Insekten oder Pflanzen sein), weil ich darüber eine Vorlesung an der Uni gebe, aber den idealen Schlüssel habe ich noch nicht gefunden. meistens zeige ich dann doch Mykokeys. Wenn also jemand noch andere kennt: ich wäre auch interessiert!

  • Ich arbeite hin und wieder mit Mykokey in der Version, die der FN 1 beilag. Damit kann man ganz gute Ergebnisse erreichen wenn man sorgfältig arbeitet und auch die Mikromerkmale berücksichtigt. Der scheint mir im Gegensatz zu anderen Schlüsseln dieser Art, derjenige zu sein, der zumindest ein Team solider Pilzkenner im Hintergrund hat, auf der Basis der Funga Nordica.
    Aber das sollte man alles ausprobieren, jeder hat ja verschiedene Ansprüche und wenn solch ein Schlüssel nicht die gewünschten Ergebnisse bringt hat es sich sicher erledigt.


    Beste Grüße
    Harald

  • Je länger ich darüber nachdenke: Ja, das scheint schon recht komplex, so einen Schlüssel aufzubauen. Ich meine jetzt gar nicht in erster Linie von den mykologischen Kenntnissen her, sondern vor allem bzgl. der (Datenbank-)Struktur.


    Was ich mir bei Mycokey noch wünschen würde ist ein Zwischenschritt, wo man zu einem Kandidaten in der Auswahl sehen kann, welche der eingegebenen Merkmale gut passen und welche schlecht (auf das man vielleicht eine Beobachtung nochmals überprüfen und/oder eine falsche Eingabe korrigieren kann).


    Recht gut gelöst finde ich dagegen die Entscheidung, bis zu einer gewissen Merkmalsdichte nur mögliche Gattungen aufzulisten und noch keine Arten.

  • Hallo Craterelle!


    Synoptische Schlüssel sind was feines, sie sind sofern sie Vollständig sind immer ein sehr gutes Vergleichswerkzeug. Einen Super Synoptischen Schlüssel für die Gattungen Peziza Amanita und Boletus gibt es hier zum Download, leider nur auf Französisch, aber auch für einen nicht Franzosen ganz einfach zu verstehen: http://www.shunsoft.net/mycotele_en.htm


    Eine Online-Version gibt–™s davon auch mit mehreren Gattungen und zwar hier: http://www.mycodb.com/search.php aber auch nur auf Französisch.


    Den Pezizen Schlüssel nutze ich sehr oft denn der ist ein super Referenzwerk zum Hohmeyer.

    Liebe Grüße vom Enno  



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    Übers Internet verteile ich KEINE Essensfreigabe! Wer sich unsicher ist sollte einen Pilzsachverständigen aufsuchen!


    Zu meiner Website: Pilze der Lausitz ==)==lamessbar==becher==borste


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    Zur Suche eines PSV's, auch in deiner Nähe einfach >>HIER<<  entlang ;)


    100-20 fürs Adventpilzrätsel = 80

  • Hallo Craterelle,


    ein aktuelles Projekt, das mittelfristig zu einem mehrsprachigen synoptischen Schlüssel führen soll, läuft ja unter "Funga Böhmerwald" mit Beteiligung der DGfM.


    Die ersten Schritte werden hoffentlich im Sommer unter pilze-ohne-grenzen.eu bzw. fungi-without-borders.eu bzw. houby-bez-hranic.eu online gehen.


    Ein so großes Web-Projekt benötigt immer eine hohe Anfangs-Investition, aber Funga Böhmerwald hat immerhin 40.000 EUR für die Software und 70.000 EUR für die Befüllung mit Merkmalen - mal sehen, wie weit man damit kommt. Das Ziel wären > 4000 Arten...


    Der synoptische Schlüssel wird in der 1. Phase noch nicht dabei sein - das bringt's auch erst richtig, wenn die Merkmalserfassung weitgehend abgeschlossen ist. Und schon bei den Merkmalen steckt der Teufel im Detail: welche Auswahlliste legt man hinter das Merkmal "Sporenform", und wie beschreibt man damit seitlich leicht abgeplattete Sporen?


    Ob das Projekt am Ende die ausreichende "Initial-Zündung" geliefert hat, um Community-getragen weiter zu leben, wird sich ohnehin frühestens in 4-5 Jahren zeigen.


    Grüße,


    Wolfgang

  • Servus beinand,


    synoptische Schlüssel sind enorm hilfreich, wenn man nicht alle Merkmale an einer Kollektion erkennen kann. In einem dichtotomen Schlüssel muss man dann zwei Wege gehen und es wird dann oft sehr schwer, was wir ja wohl alle zur Genüge kennen.


    Der Nachteil ist aber meines Erachtens, dass man zu wenig lernt. Man gibt in eine Maske Daten ein und es werden Namen ausgespuckt. Dann kann man die Namen mit Beschreibungen dazu vergleichen und man hat die Art bestimmt. Gut...
    Habe ich sie aber über einen dichtotomen Schlüssel bestimmt, wird mir durch das Stellen der Fragen ja quasi mit erklärt, welche Merkmale wichtig sind, um die möglicherweise unübersichtlich große Gattung in handliche Packerl zu unterteilen, innerhalb derer man dann darauf hingewiesen wird, welche weiteren Merkmale als Differentialmerkmale am besten sind. Schlüssle ich eine Art dann zum zweiten oder dritten Mal, habe ich die Merkmale im Kopf gespeichert. Ich lerne die Art besser kennen. Das setzt natürlich voraus, dass der Schlüssel gut ist. Zudem weiß ich dann sehr schnell, dass man z.B. uralte Schleierlinge kaum bestimmen kann, da dann viele Farbmerkmale aus deren Jugend fehlen, die ständig sehr früh abgefragt werden.


    Kurz gesagt: der Schlüssel nennt mir immer die wenigen, wichtigen Differentialmerkmale. Muss ich eine riesige Merkmalsmaske ausfüllen, weiß ich nicht, was hier nun irrelevant war und was wirklich wichtig war.


    Ich schlüssle daher ehrlich gesagt gerne klassisch. Es schadet aber nie, auch synoptisch ranzugehen - letzten Endes kommt es ja primär auf die Qualität des Schlüssels an, nicht auf die genutzte Technik an sich.


    LG
    Christoph (der schon beide Formen von Schlüsseln erstellt hat)

  • Ich bin da ganz bei Christoph, ich benutze den Mycokey eigentlich nur wenn ich vollkommen auf dem Schlauch stehe und noch nicht mal eine Gattungsahnung habe um mir dann die Richtung weisen zu lassen. In den meisten Fällen ist aber schon mal eine Gattungsdiagnose da und dann ist der klassische dichotome Schlüssel (FN, Gröger, etc.) deutlich zielführender in allen Belangen.


    Grüße
    Harald


  • Schlüssle ich eine Art dann zum zweiten oder dritten Mal, habe ich die Merkmale im Kopf gespeichert. Ich lerne die Art besser kennen.


    Hallo zuammen,


    ich sehe das -aus Sicht des mykologischen Anfängers- genau so.
    Der Lerneffekt bezieht sich zudem nicht nur auf die erschlüsselte Art, da man im Schlüssel meist noch vor und zurück, links und rechts und häufig auch in Sackgassen spazierengeht und dabei etliche andere Arten auch mit Bildvergleichen checkt. So bin ich auch nur selten frustriert, wenn stundenlange Schlüsselei mal zu keinem Resultat führt. Der Aha-Effekt, wenn man tatsächlich eines Tages auf Merkmale stößt über die man schon viel gelesen hatte , ist dafür umso befriedigender.


    Mit synoptischen Schlüsseln habe ich kaum Erfahrung. Ich habe halt den Winkler (2000 Pilze) bei mir rumstehen, war damit aber nie so richtig glücklich obwohl ich das Lochkartensystem damals ganz genial fand. Wenn man sich die Antiquariatspreise anschaut, scheint es auch noch sehr gefragt zu sein.
    Mykokey teste ich auf jeden Fall auch bei Gelegenheit...


    Viele Grüße
    Ralph