Cortinarienwoche 2018

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.612 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Harald Andres Schmid.

  • Hallo, zusammen,


    Nach der Cortinarienwoche 2016

    und der Cortinarienwoche 2017


    jetzt der Bericht über unsere

    Schleierlings-Aktivitäten dieses Jahr.


    Hier seht ihr das berüchtigte

    "Trio infernale"

    während der Jagd nach "Veiled Beauties"

    auf der mittlerweile bekannten Bank in Malix:



    Von Links:

    Uwe, Anna Maria und ich.


    Uwe hat mich gebeten,

    doch wieder einen "launigen" Bericht zu schreiben.

    Also:


    Du bist noch kein Schleierlingsfan?

    Du willst nie einer werden?

    Vorsicht:

    Versuche doch mal,

    Dich nicht in diese Schönheit hier zu verlieben:

    Cortinarius barbarorum


    Ist sie nicht wunderschön?

    Falls Du jetzt nicht augenblicklich

    der Göttin Cortinaria ewige Treue

    und unverbrüchliche Gefolgschaft gelobst,

    ist Dir wirklich nicht zu helfen...


    Die Art ist höchst fazinierend.

    Sie reagiert sowohl am Hutrand

    wie auch am Basalmycel (rechter Pilz!)

    und am Knollenrand

    sehr heftig blutrot mit KOH:




    Die Art ist vermutlich nicht selten,

    (früher wohl irgendwo den Calochroi zugeschlagen),

    aber durch den Neubeschrieb als

    C. barbarorum Bidaud, Moenne-Locc. & Reumaux

    in der Literatur noch nicht zu finden

    und dadurch so gut wie unbekannt:







    Auch nicht ganz einfach einzuordnen ist die folgende,

    ebenfalls im Bergnadelwald wachsende,

    ebenfalls sehr faszinierende Art:


    Cortinarius corrosus




    Er heisst auf Deutsch:

    Vergrabener Klumpfuss


    Das charakterisiert ihn recht gut.

    Irgendwie will er seinen Stiel

    nicht recht aus dem Boden strecken...




    Die Art kann einen narren.

    Denn oft sieht man einen Rosaton in den Lamellen.

    Sie schlüsselt sich jedoch nicht so.

    Sie hat offiziell keine Violetttöne in den Lamellen

    und reagiert nirgends mit KOH:







    Hier das Beispiel,

    wie der Rosaschimmer in den Lamellen

    einen auf die falsche Fährte locken kann:




    Ludwig stellt

    C. corrosus Fr.

    in den Formenkreis um

    C. multiformis


    Er unterscheidet dabei in diesem Komplex

    vierzehn (!) verschiedene Arten,

    und präzisiert bei den Nadelwaldformen,

    die oft gesägte Lamellen aufweisen, wie folgt:

    Kleine Art, aprikosenfarben, mit Velumresten - C. armicorius

    Mit stark gerandeter Stielknolle, Sporen gross, grobwarzig - C. corrosus

    Hut Ziegelrot, mit Flecken - C.rufoallutus

    Gerandete Knolle, silbrige Velumreste - C. talimultiformis

    Knolle undeutlich oder fehlend, manchmal Honiggeruch: C. multiformis


    Das hier wäre dann die Typusform

    mit ihren kleinen, fast glatt wirkenden Sporen:


    C. multiformis



    Der Artenkomplex ist wirklich nicht ganz einfach.

    Die obigen Exemplare hatten

    zum Beispiel keinen Honiggeruch,

    dafür die typisch gesägten Lamellen.


    Wenn die Lamellen nicht gesägt sind,

    kann es schon wieder verwirrlich werden,

    wie bei den folgenden Exemplaren,

    die nur zwei Meter neben den obigen standen

    und ein wenig an C. varius erinnerten:


    C. multiformis (?)



    Der rosa Schein in den Lamellen trügt.

    Bei den jungen, durchgeschnittenen Exemplaren

    war keinerlei Violett erkennbar.

    Mit einer deutlichen Knolle

    wären wir wieder bei C. corrosus angelangt...

    Vielleicht wird mir noch jemand

    diese "Bestimmung" widerlegen...


    Ebenfalls sehr hübsch und gut kenntlich,

    auch aus dem Bergnadelwald,

    und ebenfalls ohne Violett ist dieser Geselle:

    C. saginus





    Bleiben wir bei den Phlegmacien:


    Ihr habt in den Berichten der letzten zwei Jahre gesehen,

    wie wir darum gekämpft haben,

    die schwierige Gruppe um C. percomis in den Griff zu bekommen.


    Momentaner Stand des Irrtums:


    C. russeoides




    C. russeoides M. M. Moser


    - hat deutlich rötliche Velumgürtel

    - stinkt unerträglich den Raum voll

    - hat ungleichmässig rötlich-fasrig-marmorierten Hut auf gelbgrünem Grund.

    - hat nur leicht olive KOH-Reaktion:




    C. Mussivus


    C. mussivus (Fr.) Melot

    - hat blassere Velumgürtel

    - hat blasseres Fleisch

    - stinkt ebenfalls den Raum voll

    - ist meist stämmiger gebaut

    - hat ebenfalls kaum KOH-Reaktion

    (das Bild ist vom letzten Jahr)


    C. nanceiensis


    C. nanceiensis Maire

    - stinkt nicht, Geruch angenehm nach Bananenschale oder Apfelsorte Cox orange

    - Velumgürtel dunkel grüngelb

    - meist schlank mit keuliger Basis

    - KOH-Reaktion im Fleisch innert Sekunden leuchtend blutrot!

    (das Foto ist vom letzten Jahr)


    C. percomis



    C. percomis Fr.
    - hat einheitlich gefärbten Hut

    - Velumgürtel spärlich, blass, oft nicht wahrnehmbar

    - stinkt nicht, Geruch angenehm nach Bananenschale oder Apfelsorte Cox orange.

    - KOH-Reaktion im Fleisch erst olivgrün, erst nach längerer Zeit rot.






    Es ist nicht so einfach....

    Wenn die Pilze sich nur an Regeln halten würden!


    Bei den Fulvi

    sind die einschlägigen Doppelgänger

    der obigen Pilze

    um die Typusart C. splendens

    herum zu finden.


    Die haben aber eine deutlich gerandete Knolle.

    Haben die?

    Die blöden Pilze lesen keine Bücher:


    C. meinhardii


    Wer mag keine Hautköpfe?


    Es ist auch schwierig:

    Die Hautköpfe schlüsseln sich über

    - Lamellen orange

    - Lamellen zimtorange

    - Lamellen rötlichorange

    - Lamellen gelborange

    - Lamellen rostorange

    - usw.


    Wie schlüsselt man dann den folgenden Pilz?

    (aussichtslos, oder?)




    Nicht immer nur in die Schlüssel starren!


    Warum nicht mal den Pilz durchschneiden?

    Der obige Pilz hat olivgrün geflecktes Fleisch im Stiel

    und einen schön orangerandigen Hut

    (den kennt Ihr in Zukunft auf Anhieb!):


    C. malicorius


    (die Lamellen von C. malicorius sind übrigens "chromgelb"...)


    Wer mag keine Telamonien?


    Das folgende Pilzchen kann man getrost kennen und mögen.

    Es erinnert kein bisschen an einen Haarschleierling.

    Hat nämlich keinen Haarschleier.


    So kann man die Art einfach erkennen.

    Lustig, oder?

    Also, zum Mögen und Gernhaben, bitteschön:


    C. renidens


    Die wird zum Formenkreis der Armeniaci gestellt.

    Da hat es ein paar spannende Pilzchen.


    Hier die Typusform:


    C. armeniacus

    Pilze lesen keine Pilzbücher.

    C. caninus dürfte kein blaues Fleisch haben.

    C. anomalus sollte zur Unterscheidung blaues Fleisch haben.


    Seufz...


    C. caninus

    Bis jetzt alles in Ordnung, oder?

    Die grossen, ritterlinsartigen Exemplare könnten einen narren.

    Sogar verführen, bei den Klumpfüssen zu suchen.

    Das braune Fädchen bei der abgesetzten Ringzone ist jedoch ein gutes Indiz.

    C. anomalus hat ein gelbes Fädchen.

    Alles in Ordnung?

    Nein!



    Autsch!

    Die Pilze sind aus der gleichen Aufsammlung.

    Sie blauen wahlweise oder auch nicht...

    Man kann sich auf nichts verlassen..


    So, das wäre es eigentlich gewesen.


    Die restlichen Exemplare sind identisch

    mit den Aufsammlungen

    in den Berichten der letzten zwei Jahre.

    2016

    2017

    Siehe dort!


    Ich mache eine Ausnahme.

    Weil er so schön ist:

    C. stillatitius

    Er riecht an der Stielbasis nach Honig.


    Sein Schwesterchen, C. collinitus

    wurde übrigens unlängst genetisch "einkassiert".

    Man kann es vielleicht aus der Nomenklatur verbannen,

    und irgendwann aus unserem Bewusstsein verbannen,

    aber niemals aus unseren Herzen....

    Tschau, liebes Blaustiel-Schleimfüsschen.... tschau...


    So, das wär's

    Ich hoffe, es hat ein wenig gefallen...



    Euer auf ewig getreuer Harald Andres

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Harald Andres!


    Was für ein wunderbarer Bericht von wunderbaren (und wundersamen) PIlzen.

    Manches geht schon sehr in die Tiefe, was mir sehr gut gefällt. Ein paar aktuelle, fachliche Informationen haben noch nie geschadet.

    In der Tat gucke ich mir schon gerne mal den einen oder anderen Schleierling an, bin aber zugegebenermaßen nicht wirklich drin in der Materie. Es ist wirklich ein weites Feld, aber eben ein ganz Wunderbares.

    Schade, daß wir von Cortinarius collinitus Abschied nehmen müssen. Dessen Trennung von C. stillatitius war mir aber schon zuvor ein wenig rätselhaft.
    lividoochraceus bleibt aber, sozusagen als etwas anders aussehende Laubwaldvariante von stillatitius?



    LG, Pablo.

  • Hallo Harald,

    ja, Schleierlinge sind tatsächlich besondere Pilze. Für mich sind sie völlig unüberschaubar. Aber ich kann eure Begeisterung gut verstehen und der Beitrag bildet das ganz ausgezeichnet ab. Danke für’s Zeigen.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Hallo Harald Andres,

    So sehr mich Bestimmungsversuche bei dieser Gattung auch immer frustrieren ....

    Eine gelungene Präsentation pilzlicher Schönheiten.

    Gruß

    Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110. -15 für APR 2024 = 95

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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  • Danke Harald Andres,


    ein mykologisch-ästhetischer Genuß und Ansporn auch ein mal die winzige Tür zu dieser faszinierenden Gattung zu finden.


    Beste Grüße

    Stefan F.

  • Hallo Harald Andres,


    das macht doch Laune, so einen schönen Bericht zu lesen! Sehr schöne Vorstellung der Pilzchen, sowohl fachlich als auch humorvoll geschrieben!


    Danke!

    Gnüße von Gelbhex-Gnarifa und Fani ausm Süüüüdn! Sonn' is! Gnihihihii! :sun: :sun: :sun:

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