Naturschimmel auf Fleisch und Käse

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 3.823 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Satansbratling.

  • Ich beschäftige mich hobbymäßig mit der Herstellung von luftgetrockneter Salami, Schinken und dergleichem, außerdem mache ich auch Käse selbst.


    Ich habe einige Fragen zu diesem Themenkomplex, daher wird dieses Posting etwas länger ausfallen.


    Man kann ja nun auch Edelschimmelkulturen kaufen, mit denen man die Wurst der den Käse impfen kann, damit unerwünschter Schimmel verdrängt wird. Ich habe mich aber für Naturschimmel entschieden, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass sich in meinem Reifekeller sich zumindest auf dem Fleisch nur flacher Weiß- und (in deutlich geringerem Maß) Blauschimmel ansiedelt, (offenbar Penicillium-Arten) und die fertigen Produkte genau so aussehen wie profesisonelle Ware mit Naturschimmel, insbesondere aus Frankreich und Italien.


    Bei Deutschen Hobbywurstern gibt es eine weitverbreitete Abwehrhaltung, ja fast schon eine Angst vor jeglichem Schimmel, es sei denn es ist eine Edelschimmelkultur. Schimmel ist grundsätzlich "bäh", und es gibt nicht weinge, die sofort mit dem schnapsgetränkten Lappen anrücken, wenn sich ein paar weiße Fleckchen zeigen. So manches was auf Märkten in Südeuropa feilgeboten wird, wäre dort schon längst als "ungenießbar" in die Tonne gewandert.


    Natürlich habe ich keine professionelle Schimmelanalyse von meinen Produkten machen lassen, aber ich bin mir der Problematik mit Schimmeltoxinen selbstverständlich bewußt. Ich habe mich auch schon so gut es für einen Laien geht eingelesen, bis hin zur Lektüre von wissenschaftlichen Studien. Aber im Laufe der Zeit haben sich eine ganze Reihe Fragen angesammelt, von den ich hoffe, hier einige aufklären zu können.


    1. Nicht nur bei mir, sondern auch bei praktisch allen Wurstern, die über Schimmelbefall klagen, siedelt sich zuerst grundsäzlich immer flacher weißer Schimmel an, der makroskopisch immer gleich bzw. sehr ähnlich aussieht.



    Es dürfte sich also jedesmal um die gleiche oder ähnliche Schimmelarten handeln. Gehe ich recht in der Annahme, dass man es mit P. candidum oder Verwandten (z. B. P. nalgiovense) zu tun hat, also im Prinzip die gleichen Arten wie in den Edelschimmelkulturen?


    2. Gibt es "böse" Schimmelarten, die dem weißen Edelschimmel täuschend ähnlich sehen und sich ebenso gerne auf tierischem Eiweiß niederlassen?


    3. Bei mir tritt vermehrt Blauschimmel auf, seit ich Blauschimmelkkäse mit selbst gezüchtetem P. roqueforti (Roquefort auf Sauerteigbrot) mache. Analog zu der vorigen Frage: Gibt es "böse" Blauschimmel, die P. roqueforti täuschend ähnlich sehen und die gleichen Wachstumsbedingungen haben?


    4. Ich habe eine Risikoanalyse der amerikanischen Ernährungsbehörde zu P. roqueforti gefunden, in der es heißt, dass das PR-Toxin mit den bei der Käsereifung entstehenden frein Aminosäuren zu ungefährlicheren Substanzen reagiert. Kann man dies a) für andere Penicillium-Arten verallgemeinern und b) von der Käse auf die Fleischreifung übertragen? Denn im Prinzip spielen sich hier die gleichen Prozesse ab. Beidesmal handelt es sich um Milchsäure-basierte Fermentation von tierischem Eiweiß.


    5. Gibt es nachgewiesene Fälle von Erkrankungen oder Vergiftungen, die durch Verzehr von Fleisch, Wurst oder Käse mit Naturschimmel verursacht wurden? Das Lebensmittel-Kontrollwesen scheint mir komplett auf die Vermeidung von bakteriellen und parasitären Risiken fixiert zu sein. Für die Reifung mit Naturschimmel scheint man sich nicht zu interessieren. Ich habe zumindest keinerlei Warnungen vor Risiken gefunden. Kann man daher im Umkehrschluss sagen, dass das Risiko wirkich nicht besonders groß ist?


    6. Was für wirklich gefährliche Schimmelarten könnten sich unter Umständen bei der Fleisch- oder Käsereifung ansiedeln? Die Faustregel unter Hobbywurstern lautet: "Wenn es bunt, schwarz, haarig oder schleimig wird: wird es gefährlich. Aber zumindest für "haarig" stimmt das auch nicht immer. Mucor dient z.B. der Rindenbildung beim Tomme de Savoie, einem traditionellen französischen Käse. Und die Rinde wird natürlich mitgegessen. Für die Wurst ist das siche nicht vorteilhaft, aber gefährlich ist es auch nicht.


    Ich hoffe, dass der gesammelte Sachverstand dieses Forums vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen kann.

  • Hallo,

    die Fragen stelle ich mir auch oft beim Käse. Wie kann da jemand wissen, welcher Schimmel giftig ist und welcher nicht?

    Tomme de Savoie ist teilweise wirklich bunt verschimmelt.


    Man kann wohl nur aus der jahrundertelangen Erfahrung schließen, dass diese Schimmelkäse wohl nicht sondernlich giftig sein können, ansonsten würde sich das statistisch bei bestimmten Personenkreisen niederschlagen.

    Aber ob sich das gleiche Ergebnis bei Hobby-Käsern und -Wurstern zu Hause einstellt, ist schon fraglich. Wenn man einen Fisch bei sich zu Hause auf den Balkon hängt, dann wird das auch nicht unbedingt ein toller Stockfisch wie von den Lofoten.^^

  • Aber ob sich das gleiche Ergebnis bei Hobby-Käsern und -Wurstern zu Hause einstellt, ist schon fraglich

    Das sehe ich nicht unbedingt so. Die bekannten Edelschimmel wie P. candida/camembertum oder P. roqueforti sind ubiquitär, also praktisch überall vorhanden. Das heißt wenn die klimatischen Bedingungen für die Reifung passen, können sie wachsen, vorausgesetzt es gibt nicht noch "stärkere" andere Arten, die sie verdrängen. Der typische blaue Brotschimmel ist z.B. in der Regel P. roqueforti.