Schwindlingsartiger Pilz mit markantem Geruch

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 4.003 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tricholomopsis.

  • Hallo,


    folgenden Fund habe ich bei einem kleinen Ausflug in den Wald gemacht:


    Fundort war ein kleines Wiesenstück am Waldrand, Kalk, Fichten, Kiefern, Pappeln, Ahorn und Buche ín der näheren Umgebung auch vorhanden. Die Pilkze wuchsen gesellig in der Wiese/Kraut.

    Hut flach, am Rand wellig verbogen. Huthaut etwas durchscheinend, am Rand deutlich gerieft außerdem am Hutrandheller als in der Mitte. Lamellen gelblich (wie der Hutrand) und leicht herablaufend; am Grund auffällig anastomosierend.

    Der Stiel sehr dünn aber zäh, über die gesamte Länge braun und feinsamtig. Spp-Farbe muss leider ausfallen, der Pilz wollte über Nahct nichts preisgeben.


    Das auffälligste Merkmal aber ist der markante und kräftige Geruch: ranzig/harzig mit einer süßlichen Komponente. Meine Frau und ich assoziieren mit dem Geruch das Gleiche - eine Mischung aus Grüner Apfel und Blattwanze.


    Ich dachte zunächst an einen Stinkschwindling oder vergleichbares, aber die müssteneher nach faulendem Kohl riechen (einen Geruch den ich schon selbst in der Nase hatte). An sich scheint mir Rübling oder Schwindling eine gute Idee zu sein, wegen des zähen Stiels und des gesamten Habitus. Blättern in GPBW hat mich erst mal nicht weiter gebracht.


    Womit habe ich es hier zu tun? Und vor allem: welche Merkmale bringen mich das nächste mal schneller zumindest zur richtigen Gattung?







  • Hallo Thomas,


    ich würde den Pilz mal mit dem Ledergelben Schwindling (Marasmius torquescens) vergleichen. Da wird meist der Geruch als unauffällig bis unangenehm bezeichtet.


    Beste Grüße

    Stefan

  • [..] Da wird meist der Geruch als unauffällig bis unangenehm bezeichtet.

    Makro passt sehr gut besonderes große - Lamellen -Stiel an Xeromphalina sp zb X. cornui oder ähnliche aus Gruppe nur Geruch nicht


    Tja, das ist der entscheidende Punkt. Ich bin ein großer Fan von Pilzgerüchen - und dieser Fund hat einen vergleichsweise starken und ausgeprägten Geruch. Ihn als "unauffällig", "unangenehm" oder "fehlend" zu beschreiben wäre m.E. nach unzutreffend. Der Blattwanzen-Geruch ist für mein Empfinden deutlich stärker als beim Eichenmilchling. So eine Eigenschaft müsste doch Eingang in die Literatur finden?!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Marasmius torquescens sieht schon etwas anders aus, bildet nicht solche heablaufenden Lamellen, eine andere Hutform und hat vor allem einen bräunlich behaarten Stiel (sehr feine Haare, Einschlaglupe benutzen).

    Die Xeromphalina - Idee gefällt mir schon mal ganz gut. Manchmal ist es mit den Gerüchen nicht so einfach. Auch wenn es oft ein gutes Merkmal sein kann, gibt es immer auch abweichler. Also Kollektionen, die mal einen völlig atypischen Geruch entwickeln.


    Wenn hier übrigens noch eine deutliche, kohlartige (so im Rahmen abgeerntetes Weißkohlfeld im Winter, wo noch reichlich Reste vor sich hinmodern) Komponente dabei war, sollte man die kohlaartige duftenden Gymnopus - Arten genau vergleichen.



    LG; Pablo.

  • Hallo zusammen,


    Gymnopus scheidet aus - Rüblinge mit herablaufenden Lamellen würde ich gerne mal sehen ;-).

    Marasmius torquescens sieht, wie Pablo richtig schreibt völlig anders aus - auch hier: Lamellen fast frei bis frei, niemals herablaufend.


    Vertraut den Gattungsmerkmalen! ;)


    Auch für mich ist der Pilz hier eine Xeromphalina - und zwar eine der seltenen Arten. Ich selber habe einmal Xeromphalina fraxinophila gefunden (und publiziert). Der Pilz hatte aber keinen auiffallenden Geruch. Die anderen seltenen Xeromphalinen kenne ich aber nicht aus eigener Anschauung.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo !


    Wegen Geruch :


    An Bild ist irgendwelche Rest Pflanze an Stiel zu sehen . Vielleicht Geruch kommt von Pflanzen ? Ich habe in Mediterranraum ein Pilz Gerochen und stark nach Irgendwelche Kräuter Geruch bestimmen . Ein Pilzfreund hat mir erklärt das diese Geruch kommt von Kräuterreste an Pilzstiel an welche Pilz gewachsen ist


    LG beli !

  • Xeromphalina ist wohl die richtige Richtung! Ich hab den Fund (bzw. die die Bilder davon) mal Andreas Gminder gezeigt. Sein Kommentar dazu: Xeromphalina cauticinalis. Wohl sogar Zweitfund für Jena. Auf diese Gattung wäre ich nie gekommen - abgesehen davon das Glöckchennabelinge immer unter meinem mykologischen Radar geflogen sind, habe ich diese Dinger immer deutlicher graziler in Erinnerung gehabt. Der Lamellenansatz ist schon auffällig bogig herablaufend (wenn auch kurz).


    Der Geruch meines Fundes wird in der Literatur leider nicht so stringent wiedergegeben. Ludwig schreibt immerhin "bisweilen stark blüten- oder parfümartig riechend", GPBW beschreibt es ähnlich.

  • Hallo,


    wenn man schon einmal etwas seltenes findet, dann hat man ja mindestens moralisch gesehen die mykologische Pflicht zur genauen Dokumentation. ;) Ich habe also die Gelegenheit zum Anlass genommen, meine Funde etwas präziser zu dokumentieren und dazu Literatur zu wälzen. Ich bin daher noch einmal zum Fundort marschiert und habe neue Exemplare mitgenommen bzw. die Fundstelle genauer angeschaut. Außerdem habe ich (mehr oder weniger zum ersten mal nach einem Einführungskurs in die Pilzmikroskopie im Frühjahr diesen Jahres) das Mikroskop bemüht. Hier noch einmal zusammenfassende Ergebnisse:


    Fundort:

    Mischwald auf Kalk auf ca 300m, direkt neben einem geschotterten Forstweg. Bäume in der Umgebung von 10m waren Fichte, Pappel und Ahorn. Kiefer und Eiche waren in näherer Umgebung sicher auch vorhanden. Die Pilze wuchsen einzeln aber sehr gesellig direkt auf/im Moos unter einer einzeln stehenden mächtigen Fichte. Holz war unterm Moos nicht vorhanden, mit Sicherheit aber Nadelstreu von der unmittelbar daneben befindlichen Fichte. (Die kahle Stelle bei Bild 3. habe ich selbst geschaffen um freies Sichtfeld auf die Fruchtkörper zu haben)


          



    Hut:

    ca 1..2cm im Durchmesser, Hutrand wellig verbogen, im feuchten Zustand am Hutrand durchscheinend (und daher gerieft wirkend), hygrophan, dünnfleischig. Hutmitte vertieft (leicht genabelt). Hutoberfläche feucht glasig (aber nicht schmierig). Farbe lebhaft gelb-ockerlich, Hutmitte dunkler und ins bräunliche gehend.


    Lamellen:

    Gelblich orange, fast etwas wachsartig wirkend, bogig am Stiel herablaufend. Am Grund auffällig stark adrig verbunden.


    Stiel:

    Ca 2..4mm im Durchmesser, Länge um die 4..7cm. Sehr zäh, hohl aber zusamnmengdrückt so dass die Schnittfläche wie eine 8 aussieht. Stielfarbe an der Stielspitze (unterhalb Lamellenansatz gelblich, dann nach unten schnell ins tief braune wechselnd. Stielbasis keulig verdickt. Der gesamte Stiel ist mit ocker-orange-farbenen Härchen besetzt die nach unten immer mehr zunehmen; an der Stielbasis regelrecht filzig (auf den Bildern gut zu erkennen).


    Hier erst mal ein paar Bilder:

          


    Geruch:

    Der Geruch war wie oben beschrieben bemerkenswert. Vor allem weil er verhältnismäßig intensiv ist und eine Note hat die ich von den Pilzen eher nicht so kenne. Der Geruch ist komplex und schwer zu beschreiben (vielleicht Grund dafür dass er in der Literatur oft als indifferent beschrieben wird). Meine Nase riecht eine stark fruchtig-saure Note welche ich mit "Grüner Apfel" (dieses künstliche Zeugs wie in parfümierter Handseife oder einem Duftbaum fürs Auto) oder saure Drops assoziiere. Eine Note nach Blattwanze scheint mir auch dabei zu sein. Der Geruch ist bei getrockneten Fruchtkörpern nicht mehr vorhanden.


    Geschmack:

    Geschmack ist stark bitter und etwas zusammenziehend. Die Bitterkeit braucht ein zwei Sekunden, dann aber kräftig und man muss mit Getränk der Wahl nachspülen um den Geschmack aus dem Mund zu bekommen.


    Chemie:

    Die Lamellen verfärben mit KOH sofort nach lachsrosa (siehe Bild). (siehe Bild). Das Stieltrama und vor allem die feinen Härchen) verfärbt mit KOH ins dunkel-bräunliche.




    Mikromerkmale:

    Sporen ca 5,0..5,5 x 3 Mikrometer (das mit dem Sporen messen muss ich noch üben), zylindrisch bis elypsoid, amyolid. Die Lamellen weisen hier und da (man muss etwas suchen) fingerförmige Cheilozystiden auf, um die 40 Mikrometer lang. Am gesamten Stiel kann man koralloide Caulozystiden finden. Huthaut habe ich nicht untersucht.


    Sporen:


    Caulozystiden:




    Literatur:

    Beim Wälzen der mir vorliegenden Literatur (FN, GPBW, Gröger, Ludwig, PdS, 123Pilze) kommt man mit den obigen Merkmalen recht zuverlässig zu Xerompahlina cauticinalis (wobei mir im Schlüssel der FN die Abtrennung zu X. cornui nicht so richtig klar ist). Zumindest im weiteren Sinne - denn beim Wälzen der Bücher fällt auf dass sowohl die Beschreibung von als auch die Erfassung der Art an sich sehr indifferent ist (was vermutlich miteinander einher geht). Geschmack mild oder bitter, Geruch fehlend, indifferent oder parfümiert blumig, Standort auf feuchten moosige Stellen oder auf Nadelstreu, Verfärbung von Stieltrama und Lamellen hier fehlend, da so und dort wieder anders. Varietäten werden von einem Autor postuliert (teils mit Fragezeichen), von anderen Autoren in Zweifel gezogen.


    FN trennt X.cauticinalis var. cauticinalis und var. subfellea, wobei bei letzterem die Stieltrama mit KOH bräunlich verfärben soll. Gröger schreibt nur von X. cauticinalis. Ludwig wähnt zunächst in X. cauticinalis einen Schreibfehler und schlägt X. caulicinalis vor. Er beschreibt zudem Varietät var. cauticinalis als geruch- und geschmacklos, erwähnt aber bitte Varietäten var. acida und var. subfellea deren exakte Abtrennung er aber selbst in Zweifel zieht. GPBW hält X. caulicinalis für einen Schreibfehler und schlägt X. cauticinalis vor. :/ Außerdem synonymisiert er X. cauticinalis und X. fellea. PdS führt X. cauticinalis gar nicht sondern nur X. fellea. Unser User Tricholomopsis hat mir dankenswerter Weise einen Auszug der Monografie zur Gattung Xeromphalina geschickt. Die Autoren (Nooderloos, 2004) betonen zunächst in der Diskussion die sehr indifferente Artendefinition. Sie selbst kommen trennen X. cauticinalis var. cauticinalis (Stieltrama ocker bis braun in KOH) und var. subfellea (Stieltrama rötlich in KOH). Wo ocker-bräunlich aufhört und rötlich anfängt ist dabei allerdings wieder ein weites Feld.


    Dieses Durcheinander überfordert mich doch "etwas". Ich habe zugegebenermaßen noch nicht wissenschaftlich mit den Pilzen gearbeitet und daher fehlt mir das Gefühl dafür wie die Literatur zu lesen und zu interpretieren ist. Als (ambitionierter Laie) fühle ich mich zwischen den Fachmeinungen reichlich zerrieben, Eine saubere Abtrennung der Arten und Variabilitäten kann ich nicht erkennen, da jeder Autor etwas anderes schreibt. Woran soll man sich nun halten, wer hat recht und wer nicht?! Mein persönliches Fazit lautet: Mein Fund ist Xeromphalina cauticinalis. Punkt. Ohne .var und Schnerzchen. Alles weitere scheint mir eher Fischen im Trüben. Aber was weiß ich schon :P


    Nichts desto trotz habe ich durch diesen Fund einiges gelernt. Und wenn es nur dies ist, dass ich über kurz oder lang mal eine gescheite Kamera zum Mikroskop benötige :cool:

  • Moin Thomas. Super Doku.


    Dank der Bilder weiß ich jetzt auch Bescheid, ich hatte die an der Stelle nämlich auch gesehen und sogar mal eine rausgerupft und kurz angeschaut. Aber alles mit so "Zahnstocher-Stielen" (Schwindlinge, Faserlinge, Nabelinge und Co.) bleibt bei mir vor Ort. Ich habe mit den gröberen Arten noch genug zu tun...


    Aber schön zu wissen was genau das ist. Ich schnupper da sicher nochmal dran, wenn ich mal wieder vor Ort bin. Mal gucken ob meine Nase das ähnlich sieht.


    LG.

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  • Servus Thomas,


    coole Dokumentation :-).


    Was die Widersprüche in der Literatur betrifft... das ist bei so seltenen Pilzen eben durchaus der Fall. Bevor Antonin & Noordeloos (2004) die Monographie herausbrachten, gab es eh nur Einzelpublikationen von Einzelfunden. Ob die dann immer richtig bestimmt sind oder nicht, ist halt die Frage. Selbst bei den Monographien kann es natürlich Interpretationsprobleme geben (damals wurde nicht so viel wie heute seuqenziert). Generell würde ich aber raten, der Monographie zu folgen, da Antonin wohl die meisten Xeromphalina-Belege untersucht hat (allein von X. cauticinalis über 1 Seite Kleingedrucktes an Belegangaben, die er durchgeackert hat). Jetzt sind das aber wohl auch großteils Herbarbelege, da die Arten eben wirklich sehr selten sind. Frischmerkmale können also fehlen. Der Geruch ist ja was Auffälliges.


    Xeromphalina cauticinalis schmeckt extrem bis sehr stark bitter - Ludwig hat (da folge ich Antonin & Noordeloos) wohl in seiner Beschreibung Xerompahlia fraxinophila mit reingemengt.


    Xer. cauticinalis var. subfellea ist auch nach Antonin & Noordeloos kaum von der var. cauticinlais zu trennen. Der Unterschied zwischen mit KOH rotbraun unbd mit KOH deutlich rot ist nicht gerade groß.


    Da auch die Cheilo- und Caulocystiden passen, würde ich ebenfalls hier Xeromphalina cauticinalis als Name verwenden. Allerdings wäre es hier wohl angebracht, ein "cf." zu behalten, da der Geruch ja doch sehr auffällig ist. Wenn du im nächsten Jahr wieder Fruchtkörper findest und sie wieder so riechen, wäre das sehr spannend.


    Gerade hier können wir Amateure, da zahlenmäßig den Profis weit überlegen, helfen - wir finden eben solche Arten (wenn sehr viele suchen, findet irgendwer auch sowas hier). Und wenn diese Funde dann gut dokumentiert sind, ist das sehr hilfreich. Und wer weiß, vielleicht ist der Geruch bei Xer, cauticinalis sehr variabel... oder das hier ist ein eigenständiges, noch nicht abgegrenztes Taxon. Und wenn irgendwo auch "parfümiert blumig" steht, sind besondere Gerüche ja bereits bekannt (wer hat das eigentlich geschrieben?).


    Spannend!


    Liebe Grüße,

    Christoph