Von Pilzen, der Bodenfruchtbarkeit und dem Klimawandel

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 3.443 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von DieterB.

  • In der öffentlichen Debatte zum Klimawandel liegt der Fokus heute auf der Vermeidung von Treibhausgasen. Mindestens genauso wichtig sind aber die Kapazitäten, Treibhausgase dauerhaft aus der Atmosphäre zu entnehmen. Dabei spielen Pilze eine wichtige Rolle.


    Im Kreislauf der Gase zwischen Luft, Pflanzen und Boden ernähren sich die Pflanzen mittels Photosynthese durch Entnahme von CO2 aus der Luft. Ein Teil des Kohlenstoffdioxids wird bei der Verrottung wieder an die Atmosphäre abgegeben. Ein anderer Teil wird durch Wurzeln und assoziierte Pilzgeflechte als Humus im Boden gespeichert.


    Humus bildet fruchtbare Erde, die Pflanzen und damit auch die Tierwelt ernährt. In der traditionellen Humusforschung wird Huminsäure als wichtigster Bestandteil angesehen. Erst 1996 ist es gelungen nachzuweisen, dass Humus ca. 4 Mal mehr Glomalin als Huminsäure enthält. Glomalinist ein Glykoprotein, das von Mykorrhizapilzen auf Hyphen im Boden produziert wird.


    Es reicht also nicht Bäume zu pflanzen, um den CO2 Gehalt in der Luft zu reduzieren. Das CO2 muss auch noch dauerhaft im Boden gespeichert werden. Wenn durch Aufforsten die ursprüngliche Vegetation mit einer Vielfalt von Pilzen durch Bulldozer gerodet wird, um eine Monokultur zu pflanzen, kann aber das genaue Gegenteil passieren. Durch das Roden wird die Boden-Ökologie zerstört. Humus oxidiert an der Bodenoberfläche und die Vielfalt der Pilze wird reduziert. Der Boden verliert also Humus und gleichzeitig die Fähigkeit CO2 im Boden zu speichern. Wenn dann noch das Holz zur Papierherstellung oder anderer gewerblicher Zwecke genutzt wird, verliert der Boden nicht nur an Humus sondern die Emissionen steigen noch durch die Aufforstung.


    Auf den 14 Hektaren unseres Geländes mit der ursprünglichen Vegetation finde ich mehr Pilze als auf hunderten von Hektaren Eukalyptus-Plantagen in unserer Umgebung. Ich kann oft stundenlang durch den Wald gehen ohne einen einzigen Pilz zu finden. Wenn ich dann frustriert zu uns zurückkehre, dauert es meistens nur wenige Minuten bis ich auf Pilze stoße, oft sogar gute Speisepilze. Die Masse und die Vielfalt von Pilzen sind also viel grösser mit ursprünglicher Vegetation, auch wenn die z. T. nur aus Gestrüpp besteht, als in den aufgeforsteten Wäldern. Jedes Mal wenn ein Stück Land aufgeforstet wird, gehen wieder tonnenweise Pilze verloren.


    Der Kohlenstoff, der in der Atmosphäre als CO2 überschüssig ist, fehlt dem Boden als Humus. Dadurch sinkt die Bodenfruchtbarkeit und der Boden kann nur noch durch Kunstdüngung Nutzpflanzen zu unserer Ernährung erzeugen. Durch die Kunstdüngung steigt wiederum der Ausstoß von Treibhausgasen.


    Um diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen, müssen wir uns der Funktion von Pilzen im Kreislauf der Gase stärker bewusst werden. Trotz der öffentlichen Debatte zum Klimawandel und allen Maßnahmen, die mehr oder weniger halbherzig bereits unternommen wurden, sind in diesem Jahr die Treibhausgase wieder massiv angestiegen. Die Menschen werden nicht auf die Annehmlichkeiten der Industriegesellschaft verzichten auch wenn dabei der Planet unbewohnbar werden sollte. Die Populisten, die weltweit an Kraft gewinnen, bezeichnen den Klimawandel als eine Konspiration und wollen wirtschaftliches Wachstum um jeden Preis.


    Technische Lösungen zur CO2-Speicherung sind so Energie-Intensiv, dass sie mehr Treibhausgase erzeugen als sie Speichern. Große Geldsummen in Projekte zu stecken, die CO2 nicht nachweisbar dauerhaft im Boden speichern, ist auch nicht sinnvoll. Pilze haben eine wichtige Funktion, um intelligente Lösungen zu finden, die der Atmosphäre CO2 entnehmen und dies dauerhaft in Form von Humus und natürlicher Bodenfruchtbarkeit im Boden speichern.


    Da der Mensch früher oder später den größten Teil der Erdoberfläche nutzen wird, kann die einzige Lösung nur darin bestehen, gewerblich genutzte Flächen in der Land- und Forstwirtschaft so zu bewirtschaften, dass sie geeignet sind eine größtmögliche Menge an CO2 in Form von Humus im Boden zu speichern. Dadurch werden Treibhausgase reduziert und die natürliche Bodenfruchtbarkeit erhöht. Da fast 90% aller Pflanzen mykorrhizale Verbindungen mit Pilzen als eine Art erweitertes Wurzelsystem nutzt und Humus zum größten Teil aus Glomalin besteht, müssen Pilze dabei eine wichtige Rolle spielen.


    Die vielen zusätzlichen Pilze sollten die Mitglieder dieses Forums besonders erfreuen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Dieter!


    Sehr schön und anschaulich zusammengefasst. :thumbup:
    Das enthält einige wichtige Ansätze, wo man eben mal kreativ in der Richtung weiter denken müsste. Und eigentlich auch forciert, denn die Zeit drängt.
    Für uns, nicht für die Pilze oder das Leben generell.



    LG, Pablo.

  • Hallo Dieter


    Danke für den Beitrag.

    Er zeigt die logische Konsequenz aus dem bislang bekannten Wissen auf.

    Leider scheint der eingeschlagene Weg zur Zeit noch in die Gegenrichtung zu gehen. So werden immer mehr Privatwälder über Waldbau-vereinigungen möglichst kostenoptimiert bewirtschaftet und mit Hilfe von Harvestern und schweren Ŕückemaschinen abgeerntet. Man kann nur hoffen daß die Generation nach uns mehr und mehr umweltverträglichere Methoden nutzt.


    Gruß Gerald

  • Hallo Pablo,


    ich bin kein Wissenschaftler, aber es erscheint mir Einleuchtend, dass Pilze am besten geeignet sind, CO2 im Boden zu speichern. Wir können Menschen auf den Mond schießen, aber unser Wissen über das Bodenleben unter unseren Füssen ist noch sehr unvollständig.


    Pilze haben natürlich auch eine wichtige Funktion in der Zersetzung von organischen Materialien. Es würde mich nicht wundern, wenn zukünftige Lösungen zum Klimaschutz aus der Mykologie kommen.


    Paul Stamets ist ein amerikanischer Mykologe. Sein Enthusiasmus für Pilze mag manchen suspekt erscheinen, aber an seinem Fachwissen gibt es keinen Zweifel.


    6 Ways Mushrooms can Save the World.


    Leider scheint der eingeschlagene Weg zur Zeit noch in die Gegenrichtung zu gehen. So werden immer mehr Privatwälder über Waldbau-vereinigungen möglichst kostenoptimiert bewirtschaftet und mit Hilfe von Harvestern und schweren Ŕückemaschinen abgeerntet. Man kann nur hoffen daß die Generation nach uns mehr und mehr umweltverträglichere Methoden nutzt.

    Hallo Gerald,


    für die nächste Generation kann es bereits zu spät sein.


    Wir haben kaum Einfluss darauf, welche Entscheidungen die Politik oder die Wirtschaft, für unsere gemeinsame Zukunft treffen. Sie sind selbst Getriebene - von den Umfragewerten oder der Gewinnoptimierung. Alles was wir tun können, ist in unserem eigenen Verhalten nach Nachhaltigkeit zu streben, als Konsument, als Wähler, als Land- oder Forstwirt oder als jemand, der sich für Pilze interessiert.


    Landbau muss nicht unbedingt Bio sein. Auch im konventionellen Anbau ist Gründüngung, Kompostieren usw. möglich, um den Humusgehalt im Boden zu erhöhen. Durch die richtigen Anreize können Landwirte motiviert werden, den Boden zu verbessern, sogar mit industriellen Methoden. Der organische Anteil in traditionell mit Stallmist bewirtschafteten Böden kann bis zu 12% betragen. Ich hab sogar von sehr fruchtbaren Böden mit bis zu 30% organischem Anteil gehört. Durch Kunstdüngung sowie vielerlei Chemikalien ist der organische Anteil in nur wenigen Dekaden in vielen Anbauflächen jedoch auf 1 oder 2% gefallen. Da gibt es sehr viel Spielraum, um CO2 in Form von Humus im Boden zu speichern.


    Ob eine im Rahmen des Klimaschutzes geförderte Maßnahme wirklich sinnvoll ist, kann ganz leicht nachgewiesen werden indem der organische Anteil im Boden gemessen wird.


    Auch in der Forstwirtschaft werden wir nicht ohne industrielle Methoden auskommen. Wir können nur versuchen, das Aufforsten so schonend wie möglich zu gestalten, Monokulturen zu vermeiden und schon beim Aufforsten daran zu denken, wie z. B. Pilzkulturen gefördert werden können. Das Einimpfen von Pilzen steckt noch in den Kinderschuhen, aber wenn es gelingt, kann das sogar einen wirtschaftlichen Nutzen haben, weil Bäume besser wachsen und sich besser vor Krankheitskeimen schützen können, wenn sie durch ein ausgedehntes Netzwerk von Pilzen ernährt werden. Sogar die Fruchtkörper von Speisepilzen können dem Betreiber noch einen Nebenerwerb verschaffen, wenn sie in ausreichender Menge wachsen.


    Und falls es tatsächlich gelingen sollte, wirtschaftliche Methoden zur industriellen Sequestrierung von CO2 aus der Atmosphäre zu entwickeln, kann es gut sein, dass Pilze auch dabei eine wichtige Rolle spielen.


    Lg. Dieter

    PS: Mir ist gerade eingefallen, dass die meisten Pinienwälder in unserer Umgebung durch Krankheitsbefall sterben. Nur drei sehr große Pinien in einem Eukalyptus-Wald gegenüber unserem Gelände scheinen keinerlei Krankheitsbefall zu haben. Dafür produzieren sie jedes Jahr sehr viele Pilze. Neben einigen bisher nicht identifizierten Pilzen wachsen dort Täublinge, Röhrlinge, Ritterlinge und eine große Menge Edelreizker, Pfifferlinge und Semmelstoppel Pilze für den Kochtopf. Leider sind zwei der Pinien schon umgekippt weil sie durch die Eukalyptus-Bäume verdrängt werden. Trotzdem hatten wir in diesem Jahr schon 4 Pilzmahlzeiten von der einzigen verbleibenden Pinie obwohl die Pfifferlings- und Semmelstoppel-Saison noch nicht einmal angefangen. Ich glaube es ist kein Zufall, dass andere Pinien sterben und nur die Pinien mit den Pilzen überleben.


    Im ersten Bild stehen noch 2 Pinien vor dem abgeholzten Eukalyptus-Wald links und unser Gelände rechts. In diesem Frühling ist dann die zweite Pinie umgekippt (Bild 2) - direkt auf unsere Einfahrt.



  • Danke, Dieter,


    für diese immens wichtigen Aspekte.

    Auch und gerade, weil mir beim Lesen (vor dem Frühstück)

    na, sagen wir mal, mir dreht sich dabei Alles.

    wo man eben mal kreativ in der Richtung weiter denken müsste

    nix denken. Genug wir haben gedacht. Tun wir müssen!

    46 Jahre - ja, sechsundvierzig - ist es her, daß diese Studie:

    The limits to growth vom Club of Rome herauskam und

    einen verschwindend kleinen Teil der denkenden Menschheit aufgerüttelt

    (oder nur kurz geschüttelt) hat.

    Danach "saurer Regen" "Waldsterben" Ozonloch" "Klimawandel" etc.

    Alles nur Stichpunkte.

    Der Mensch als Spezies macht einfach weiter.

    Wie die Lemminge. Neee. Schlimmer...

    Man kann nur hoffen daß die Generation nach uns

    Nix da!

    Stellt Euch vor, wir wären "die Generation danach"

    und läsen dies.

    Wir täten uns an den Kopf klopfen! Mit den Zeigefingern, ja!

    Und fragen wir uns täten: Wieso, Ihr Neunmalklugen vor uns, habt Ihr, die Ihr das Alles habt kommen sehen,

    nichts bzw. nicht das Richtige bzw. davon genug getan, um uns, die Erbenden,

    vor diesem Elend zu bewahren?


    So, Malone, jetzt haste wieder Kluges abgesondert.

    Aber Lösungsvorschläge haste auch keine, oder?

    Dann, marsch, zurück in Dein Körbchen!


    Tja, so isser... der Malone...


    GHG

    Peter

    Link zu Pilzlehrwanderungen: Pilzschule Rhein-Main

    Link: Verzehrfreigaben gibt es online nicht

    Galerie: Pilzfotos "zum Anfassen"/Stereobilder

    Der frühe Vogel fängt den Wurm. Soll er doch im Dunkeln tappen...ich fange lieber Pilze. Fossas sind auch nur aktiv, wenn es sich lohnt.

    Meine Fotos und Artwork dürfen nicht ohne meine vorherige ausdrückliche Genehmigung außerhalb dieses Forums verwendet werden!

    Pilz-Chips: 90+8 für Nobis Pilz-Cover-Rätsel=98, +2 Interne Tribünen-Punkte-Wette APR 2022=100, +4 PhalschPhal-Gedicht APR = 104 +5 Rätselgedicht = 109, 3 als Rätselprämie an Lupus = 106

  • @ Dieter - Danke für den Link.


    Mit dem Verweis auf die nächste Generation wollte ich nichts auf die lange Bank schieben aber mit zunehmendem Alter merkt man eben das die eigenen Möglichkeiten Einfluss zu nehmen immer geringer werden. Selbst die Schilderung vergangener Zeiten (Wetter; Artenvielfalt; Individuenanzahl) wird heutzutage ja oft als nostalgisch verklärte Fehlsicht abgetan. Macht einen oftmals schon ganz schön mutlos.


    Gerald

  • Plants' ability to slow climate change depends on their fungi


    In kurz, was der verlinkte Text besagt ist, dass die Fähigkeit der Pflanzen, den Klimawandel zu verlangsamen, von ihren Pilzen abhängt.


    In Versuchen hat man festgestellt, dass ein erhöhter CO2 Gehalt in der Luft zu stärkerem Pflanzenwachstum führen kann, was wiederum dazu führt, dass die Pflanzen bis zu 30% mehr CO2 aus der Luft entnehmen können.


    Die sogenannte CO2-Düngung funktioniert aber nicht bei allen Pflanzen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Pflanzen mit Ektomycorrhizapilzen (ECM) ein erhöhtes Wachstum bei steigendem CO2 Gehalt aufweisen, wogegen Pflanzen mit arbuskulären Mykorrhizapilzen (AM) kein erhöhtes Wachstum zeigen.


    ECM Pilze sind üblicherweise mit Waldpflanzen assoziiert und AM Pilze mit Wiesenpflanzen.