Hygrocybe cf. aurantiosplendens

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  • Guten Abend,


    heute möchte ich Euch eine Hygrocybe vorstellen, die ich Anfang November zusammen mit einer Freundin gefunden habe. Erst mal unerfahren in der genaueren Bestimmung habe ich zunächst aus Zeitgründen nur dokumentiert und des Rätsels Lösung auf den Winter geschoben.


    Nun komme ich in meiner Bestimmung zu Hygrocybe cf. aurantiosplendens. Da dieser Pilz nicht so oft gefunden wird und ausserdem nicht so leicht abzugrenzen bzw. lt. Literatur kritisch ist, stelle ich diesen Pilz hier zur Diskussion ein. Vielleicht findet sich ja ein Spezialist, der aus meinem cf. eine sichere Bestimmung macht (auch wenn‘s dann ganz ein anderer wäre).


    Fundort: Innleiten, Osthang, Magerwiese

    Datum: 07.11.18, Fotos vom 07.11.18, 13.11.18 und 16.11.18

    Hut: hygrophan ausblassend/fleckig, Rand kurz streifig, mehrfach eingerissen

    Orange/rot/gelb wird zu orange/gelb/weißlich

    Durchmesser 4,5 cm

    Huthaut: längsfaserig, läßt sich tortenstückartig abziehen (nur bei älterem Pilz probiert)

    Lamellen: creme gelb, in der Tiefe mit rötlichem Schimmer, im Alter gegen orange verfärbend, leicht herablaufend

    Stiel: zitronengelb, mindestens 6 cm lang, Durchmesser 0,8 cm

    Sporenpulver: weiß

    Geschmack: leicht bitter im Abgang (älterer Pilz)

    Geruch: leicht würzig (Mandel?) (älterer Pilz)

    Hut: leicht schleimig (im Vergleich zu stark schleimigen Hygrocybe)

    Stiel: sehr leicht schleimig (feucht?)

    Hutdeckschicht: Hyphen mit Schnallen und Haken

    Basidien: 4-sporig bis 54 µm

    Lamellentrama: Hyphen bis 202,84 µm lang

    Sporen: überwiegend phaseoliform mit 1 Kern


    7.11.18



    13.11.18






    7.11.18

    Viele Grüße


    13.11.18





    7.11.18







    13.11.18





    16.11.18







    Liebe Grüße

    Renate

  • Hallo Renate,

    laut BOERTMANN passen die Daten deines Fundes sehr gut zu H. aurantiosplendens. Dort wird die Hygrophanität des Hutes besonders hervorgehoben. Über die Hut- und Stieloberfläche wird gesagt: "lubricous to viscid hygrophanous cap" bzw. "smooth or ... fibrillose, whitish pruinose particularly towards top", das passt doch auf deinen Fund. Von den Sporen wird dort gesagt, dass mehr als 50 % eine Einschnürung haben. Dein Sporenbild ist nicht wirklich scharf, sodass ich mir kein Urteil erlauben will, aber du selber hast das Ganze ja scharf und im Original gesehen.

    Hast du den BOERTMANN? Dann lies doch die Beschreibung auf S. 140f. durch und entscheide, ob das auf deinen Fund passt. Was, du hast den BOERTMANN nicht? Dann aber nichts wie kaufen, für die Saftlingsbestimmung ist das Buch mMn ein Muss-Haben.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo an alle,


    der Pilz ist ja eigentlich nicht mehr in einem bestimmbaren Zustand gewesen, aber die gegenüber dem Hut deutlich orangefarberen Lamellen zusammen mit den leicht eingeschnürten Sporen passen gut zu H. quieta. Ich denke auch, dass die Lamellen teilweise breit angewachsen waren, und nur durch Trockenschäden vom Stiel abgerissen sind ( so deute ich jedenfalls das letzte Bild vor dem Sporenbild).


    aurantiosplendens hat weißliche Lamellen, die fast frei sind.


    Grüße,

    Wolfgang

  • Hallo Oehrling, hallo Wolfgang,


    vielen Dank für Eure Antworten.


    Der Boertmann steht auf meiner Wunschliste ganz weit oben und ich hoffe das klappt bis Herbst. Es gibt ja so viele Bücher, die ich gerne hätte...


    Hygrocybe quieta hatte ich auch schon überlegt. Aber ich fand den Geruch eher angenehm. Und mich hatte die doch bei mehreren Pilzen vorhandene Zweifarbigkeit in der Entwicklung irritiert. Letzten Endes fehlt mir aber die Erfahrung, was da entscheidend ist. So bin ich sehr froh und dankbar über Deine Einschätzung und die Hinweise zur Bestimmung.


    Ich hoffe, dass ich die Pilze in diesem Herbst wieder finde. Dann werde ich mir jüngere Pilze aussuchen, bessere Mikrobilder machen und besser dokumentieren … . Dann wird das Ganze vielleicht aussagekräftiger und bestimmbar.


    Viele Grüße

    Renate

  • Hallo Renate,


    das Bestimmen von Pilzen in schwierigen Gattungen erfordert stets zwei aufeinanderfolgende Arbeitsschritte, die beide funktionieren müssen, wenn es zu einem befriedigenden Ergebnis kommen soll. Für den ersten Arbeitsschritt, das Erheben/Dokumentieren der Merkmale, brauchst du Bestimmungsutensilien wie Mikroskop, Reagenzien ... sowie deine persönlichen körperlichen Sinne (Geschmack, Geruch, Farbensehen ... ). Für den Schritt 2, das Interpretieren der Merkmale und das Zuordnen zu einem vorhandenen Artkonzept, brauchst du Literatur.


    Oft ist nicht das Problem, dass ein Fund nicht sauber dokumentiert wäre, sondern die Bestimmung scheitert an der fehlenden oder unzureichenden Literatur. Im BOERTMANN z. B. stehen so ein paar Sachen drin, die dich in die richtige Richtung "schieben" können. Z. B. wird bei H. aurantiosplendens viel Gewicht auf die weiße Bereifung am Stiel gelegt - so was hätte beispielsweise H. quieta nicht. Andererseits wird für H. quieta ein blattwanzenartiger Geruch angegeben - das wiederum findet man an H. aurantiosplendens offenbar nicht.


    Beide Arbeitsschritte können auch ineinander übergehen oder in der Reihenfolge vertauscht werden - z. B. könnte man erst in der Literatur nachschauen, auf welche Bestimmungsmerkmale es bei einem konkreten Bestimmungsproblem überhaupt ankommt, danach die (und nur die) entscheidenden Merkmale erheben.


    Beispiel: H. aurantiosplendens oder H. quieta? Beide sehen von den Farben und der Größe her ziemlich ähnlich aus. Leider sehen auch die Sporen (Größe, Form) ziemlich gleich aus. Für das Bestimmungsproblem aurantiosplendens vs. quieta ist also die Sporenmikroskopie nutzlos. Aus dem BOERTMANN geht stattdessen hervor, dass man zu beurteilen hat, wie die oberste Schicht der Huthaut aussieht - bei H. quieta liegen die Hyphen der obersten Huthautschicht dem Rest der Huthaut mehr oder weniger eng und waagerecht an ("cutis"), bei H. aurantiosplendens sind diese Hyphen vom Untergrund abgelöst und bilden großteils nach oben ragende "Ärmchen" bzw. "Zweiglein" ("trichoderm").


    Auf so etwas muss man allerdings erstmal kommen. Oder hättest du beim Fund deiner Saftlinge gleich gewusst, dass es zur Bestimmung wichtig ist, ob die Pilze nach Blattwanzen (Stinkwanzen) gerochen haben oder nach was anderem? Oder dass man in der oberen Stielhälfte hätte nachschauen müssen, ob da eine weißliche Bereifung zu sehen war oder nicht? Wer dagegen so etwas weiß, hätte sich z. B. gleich im Feld notieren können: roch nach Blattwanze bzw. roch nach allem möglichen, aber nicht nach Blattwanze. Woher man so etwas wissen kann? Nun, Literatur eben... Soll heißen, ohne Mikroskop machst du nix, aber ohne Literatur machst du halt auch nix. In diesem speziellen Fall muss man auch noch gemeinerweise wissen, wie eine Blattwanze riecht... Das Dokumentieren machst du jedenfalls absolut vorbildlich, so dass, falls es bei dir zu Bestimmungsproblemen kommen sollte, es bestimmt an Schritt 2 liegt, aber nicht an Schritt 1.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Hallo Oehrling,


    erstmal Danke für das "vorbildlich" :giggle::cool: ,


    Seit Montag ist der Boertmann da. Natürlich habe ich gleich angefangen zu lesen und hatte gleich mal bei der Einleitung mit den Erläuterungen meine ersten Aha-Erlebnisse.


    Ich füge nochmal Bilder vom untersuchten Pilz in voller Größe bei:






    Eine weißliche Bereifung hat es auch gegeben (könnten vielleicht auch Sporen sein?):







    Und ein paar Bilder zur Hutdeckschicht gibt es auch, allerdings nicht in der kompletten Übersicht, sondern nur getrennt:







    Im Herbst werde ich an die Hygrocybe auf alle Fälle anders herangehen und dann (hoffentlich) zum richtigen Ergebnis kommen.


    Vielen Dank nochmal an Wolfgang und Dich.


    Viele Grüße

    Renate