massenhaft Scheiben Lorcheln
- Preetzer
- Erledigt
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Hallo Preetzer,
hoffentlich hast du ein paar stehen gelassen, die steht nämlich in Schleswig-Holstein, Hessen, Nordrhein-Westfalen auf der Roten Liste.
LG, Chris
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warum hast du die gesammelt? gyromitra ancilis ist kein speisepilz
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Hallo, Leute!
Stimmt, vom Verzehr der Scheibenlorchel wird generell abgeraten. Vermutlich kann sie (ist aber wohl stark schwankend) in gewissen Mengen Gyromitrin enthalten, also den gleichen tödlichen Giftstoff, der sich auch in Frühjahrslorcheln befindet. Eventuell sind dann auch noch andere, unbekannte (oder bekannte?) Toxine im Spiel, sowie die üblichen individuellen Unverträglichkeiten. Vieles lässt sich dabei aber wohl durch ordentliches Erhitzen destabilisieren.
Ich denke, es ist mit diesen Scheibenlorcheln so wie mit diversen anderen Arten, die verzehrtechnisch zu Recht kritisch zu betrachten sind (herbstlorchel, Grünling zB). Eben eine individuelle Entscheidung, ob man das Risiko eingeht, oder nicht. Daraus würde ich niemandem einen Vorwurf machen, zumindest nicht in diesem Fall, denn auch ich kenne einige Leute, die Scheibenlorcheln gegessen haben oder auch noch gerne essen. Das Risiko sollte aber bekannt sein, und der Hinweis ist hier auch berechtigt, denn dadurch klärt man ja auch stille Leser auf, die das vielleicht gar nicht wussten.
Geschützt ist die Art glaube ich in mehreren Ländern, aber da verhält es sich ja wie bei diversen anderen geschützten Arten auch: Sie dürfen in geringen Mengen zum Eigenbedarf gesammelt werden. Meiner Ansicht nach muss das wirklich nicht bei jeder Art sein: Extrem seltene Arten wie Kaiserlinge oder Königsröhrlinge sollte man immer stehen lassen, auch wenn man mal mehrere Dutzend in einem Gebiet findet. Da ist jede produzierte Spore wichtig für den Arterhalt.Scheibenlorcheln sind allerings in vielen Gegenden nicht allzu selten, nicht vergleichbar zB mit diversen Stachelingen...
...wenn man die mal massenhaft vorfindet, und sich trotz des Giftrisikos an ein toxisches Experiment wagen mag, ist das meiner Ansicht nach wirklich kein Drama.
Und wird auch hoffentlich keines (also bitte wirklich gut und lange durchgaren).
LG; Pablo.
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sehr gut erklärt, Pablo. ich wollte auch nur darauf hinweisen. gyromitra stehen nicht auf der positiv-liste von DGfM, da laß ich mir lieber Disciotis venosa schmecken. schönen sonntag
LG *jürgen*
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Hallo zusammen,
Mir kommt die Darstellung des Schutzstatus etwas unrund vor. Da ich das ja kürzlich erst lernen musste, gebe ich hier meinen Kenntnisstand wieder:
Die Roten Listen von Bund und Ländern haben meines Wissens keine rechtliche Auswirkung (schonenswert sind die dort aufgeführten Arten aber natürlich ungeachtet dessen).
Hingegen dürfen die per Artenschutzverordnung bundesweit geschützten Arten und Gattungen i.d.R. nicht für den privaten Eigenbedarf entnommen werden, es sei denn, es steht dabei.
Die Anwendung und Durchsetzung dieser Bestimmungen und im Einzelfall auch deren Sinnhaftigkeit steht dann wieder auf einem anderen Blatt.
LG, Craterelle
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Servus beinand,
Craterelle hat da völlig recht - es werden immer wieder die Bundesartenschutzverordnung und die Rote Liste verwechselt. Was gesetzlich geschützt ist, ist geschützt. Nur bei einzelnen Arten ist eine Ausnahme explizit für dem Privatgebrauch definiert. So darf man beispielsweise streng genommen keine Schafeuter sammeln (die ganze Gattung ist ohne Ausnahmeregelung geschützt).
Geschützt Arten müssen nicht selten sein und seltene Arten nicht geschützt. Was den Schutzstatus angeht, geht es auch um Biotopschutz (Trüffeln sind geschützt, obwohl häufig - die Wälder sollen nicht umgegraben werden usw.).
Was jetzt die Lorcheln hier angeht - zum einen gibt es eine ganze Reihe von Lorchelarten, die als "Scheibenlochel" wachsen - siehe z.B. diesen Schlüssel. Wer sagt denn, dass es Gyromitra perlata überhaupt ist? Wer weiß, wie viel Gyromitrin in anderen Scheibenlorcheln ist?
Neben dem toxikologischen Aspekt muss jeder selbst überlegen, inwiefern man seltene Arten unbedingt zum Essen sammeln muss. Ich esse selber gerne Pilze, aber die Liebe zur Natur steht bei mir im Vordergrund. Wäre es Gyromitra perlata, so wäre die hier im Süden so weit verbreitet, dass ich kein schlechtes Gewissen hätte, sie einmal zu probieren (wie gesagt, abgesehen vom toxikologischen Hintergrund). In Schleswig-Holstein sieht das vielleicht anders aus.
Klar, man sammelt nur die Fruchtkörper, der Pilz selbst bleibt ja am Leben. Aber ist eine Art wirklich selten und kämpft ohnehin mit der sich durch uns Menschen ändernden Umwelt (Klimawandel, Stickstoffeintrag, Biotopzerstörung), muss ich dann auch noch die Möglichkeit, sich zu vermehren und zu verbreiten einschränken, indem ich auch noch möglichst viele Fruchtkörper aus der Natur entferne?
Jetzt hoffe ich mal, dass es wirklich "nur" Gyromitra perlata ist, was da weggerupft wurde und keine der wirklichen Raritäten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es z.B. der deutsche Zweitfund von Gyromitra spinosospora ist, sollte wirklich sehr klein sein. Nur wie soll man das wissen?
Wenige Fruchtkörper für Bestimmungsversuche hätten gereicht. Jetzt werden sie vermutlich entsorgt. Da hat sich das Sammeln ja gelohnt. Oder sie werden doch gegessen. Dann hoffe ich, dass keine Spuren von Gyromitrin übrig bleiben. Die direkte Toxizität ist ja das eine, die Cancerogenität kann auch bei geringen, nicht deterministisch toxischen Mengen nicht vernachlässigt werden.
Liebe Grüße,
Christoph
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Hallo zusammen,
danke euch erstmal für die Aspekte und die Aufklärung über den Artenschutz.Die Stellungnahmen lassen mich auch nicht unberührt...
Ich habe die Pilze im Wald in größeren Mengen und an verschiedenen Plätzen gefunden.Gerne benutze ich ja auch das Internet z. B. 1,2,3 Pilze.de...
Dort wird er als guter Speisepilz geführt und unter Besonderheit ich zitiere "
Sehr guter Speisepilz, roh stark giftig wie alle Lorcheln und Morcheln. Diese Lorchel ist einer der relativ unbedenklich essbaren Lorchelarten!"
beschrieben. Auch über den Schutzstatus in Schleswig Holstein steht da nichts.
Bei Laux Der große Kosmos Pilzführer steht: essbar, aber gut abkochen...nun gekocht haben wir ihn gut, aber der Geschmack war für mich enttäuschend.
Ich werde die Scheiben Lorchel natürlich nicht mehr sammeln, finde es aber auch nicht einfach, verlässliche Informationen zu recherchieren.
Deswegen hier noch mal an alle ein wirklich ernst gemeintes Dankeschön und ich werde meine Sammelleidenschaft evaluieren.
Einen schönen Sonntag aus Schleswig Holstein und liebe Grüße Armin
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Servus Armin,
bei 123-Pilze ist - so mein Eindruck - alles essbar, was nicht nachweislich giftig ist. Früher stand sogar bei dem Duftenden Afterleistling (eine extrem seltene Art, die kaum jemand findet), sie sei ein guter Speisepilz. Das geschah wohl, weil bei 123 alle Hygrophoropsis-Arten als essbar eingeschätzt wurden (selber der häufige Falsche Pfifferling ist ja eigentlich kein Speisepilz und hat Probleme bereitet). Jetzt steht die Art in einer anderen Familie (Hygrophoraceae) und in einer eigenen Gattung. Man kann nur sagen: Speisewert völlig unbekannt.
Man kann natürlich hin und her argumentieren... bei den meisten Pilzen müsste man sagen "Inhaltsstoffe nicht ausreichend bekannt" - andererseits werden aus Vorsicht wohl auch wirklich essbare Arten generell als ungenießbar eingestuft (z.B. bei den Milchlingen Lactarius blennius und L. camphoratus, sie man wirklich essen kann). 123 scheint hier gegen das "Vergessen von Essbarkeit" einzutreten. Der Nachteil: dann wird etwas empfohlen, was durchaus problematisch sein kann.
Die Gyromitrin-Menge der Scheibenlorchel Gyromitra perlata ist wirklich übersichtlich gering - hier kann man durch Trocknen und Abkochen entgiften (selbst die Giftlorchel kann man entgiften, in Finnland wird sie immer noch gegessen). Nur sollten dann solche Seiten, die ja im Netz sehr präsent sind, m.E. dann doch warnen. Scheibenlorcheln sind makroskopisch nicht sicher auf Artebene bestimmbar. Wie ist der Giftgehalt anderer Scheibenlorchelarten?! So etwas als Speisepilz zu empfehlen, finde ich fahrlässig. Ich bin aber auch auf der sicheren Seite die "safety first" sagt. Hat man sicher Gyromitra perlata vor sich, kann man die auch meiner Meinung nach ungiftig machen. Beim Kochen ist allerdings der Dampf giftig - man müsste sie unter einem Abzug in einem Chemielabor kochen. Zumindest Küchenabzug an, Fenster auf und Küche verlassen, wenn sie frisch ist. Getrocknet enthält sie kaum noch Gyromitrin.
Die Cancerogenität ist aber auch dann unklar.
Daher ein "Speisegiftpilz" - ich hatte sie selber auch einmal probiert, aber nur einen Becher, den vorher getrocknet. Ich habe auch nichts lohnenswertes am Geschmack finden können. Vergiftet habe ich mich aber nicht. Daher wirst du in dem einen Pilzbuch finden, dass es ein essbarer Pilz sei, in anderen, er sei kein Speisepilz (usw.).
Jetzt ist jedenfalls klar, warum du so viel gesammelt hast. Mach dir bitte keinen allzugroßen Kopf - die Pilzmyzelien haben das ganz sicher überlebt und werden auch weiterhin fruktifizieren.
Liebe Grüße,
Christoph
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Vielen Dank für deinen Beitrag Christoph.
Deine Einschätzung und praktische Informationen sind für mich als Orientierung sehr wichtig.
Ich finde es auch sehr bedenklich, dass z.B. 1,2,3 Pilzsuche als App. viel tausendfach auf Smartphones installiert ist und falsche Anleitungen bietet.
Da kann ich nur sagen Mahlzeit!
Bei mir ist noch nicht alles zu spät, denn ich versuche ja aus ganz vielen Quellen Wissenszuwachs zu erhalten.
Außerdem hab ich noch einen Schutzengel in Gestalt meiner Frau neben mir.
Die hat heute wieder meine Sammlung schimpfend und zeternd kommentiert.
Liebe Grüße Armin
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Hallo zusammen!
Gibt es in der Bundesartenschutzverordnung nicht den Unterschied zwischen "geschützt" (darf nicht kommerziell gesammelt werden, aber in geringen Mengen zum eigenbedarf) und "besonders geschützt" (darf gar nicht gesammelt werden, zB alle Arten Hygrocybe s.l., Albatrellus spec. oder einzelne Arten von Boletus s.l.)?
Und klar ist das mit dem Schutzstatus etwas unrund. Oder sogar sehr unrund, eben aus den Gründen, die auch Christoph schon anschneidet: Wie soll der ambitionierte Pilzfreund / Sammler denn bittschön erstens wissen was nun auf welchen Listen steht und zweitens was dann damit auch im einzelnen gemeint ist und drittens wie diese Arten und / oder Gattungen überhaupt zu bestimmen sind?
Da ist auch mir Vieles nebulös, weil unklar formuliert, schwammig geregelt, ziemlich verworren organisiert...
Ist ja auch so, wenn man sich nicht schon mal hier und da ein bissel reingelesen hat, dann wird man kaum gewahr sein, daß es eben mehrere heimische Scheibenlorcheln gibt, die sich teils nur mikroskopisch (und ansatzweise durch ökologie) unterscheiden?
Und wie soll man wissen, daß manche dieser Arten stark bedroht sind?
Insofern hat dein Fund einen sehr positiven ökologischen Aspekt, Armin:
Auch wenn er nicht geschmeckt hat, wissen nun alle, die hier mitgelesen haben, etwas mehr über diese Pilze, ihre Seltenheit, ihre Diversität und die Risiken bei der kulinarischen Verwendung.LG; Pablo.
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Hallo zusammen,
ich habe gehört, dass sich die Experten der misslichen Situation um häufige - aber unter generellem Schutz stehende Arten bewusst sind. Dass aber niemand Lust hat, "dass Fass" wieder aufzumachen, da die Begehrlichkeiten groß sind, dann auch den Schutzstatus von mancher unbedingt schützenswerter Art aufzuweichen. Das betrifft nicht nur Pilze, sondern auch Pflanzen, Insekten etc. Also bleibt es bei den beschriebenen Unzulänglichkeiten. Mir war z.B. überhaupt nicht bewusst, dass die Schafporlinge geschützt sind, da sie hier in Massen auftreten - sofern es Pilze gibt. So werden wohl öfter Individuen einzelner geschützter Arten Opfer der Unwissenheit. Und ehrlich gesagt, wenn es Orte gibt, an denen die Arten eimerweise wachsen, ist der generelle Schutz dort vermutlich nicht nötig. So wie die berühmte Rote Ampel auf menschen- und autoleeren Straßen. Gerechterweise muss man aber auch sagen, dass Gesetze nicht für jeden Ausnahmefall gemacht werden können. Wenn wir uns alle ein bisschen umsichtig und verantwortungsvoll verhalten, funktionieren sie (die meisten jedenfalls) ganz gut.