Die Fladen-, Totholz-, Granitstein- und Wasserholz- Pilznerd-Megatour - Teil 2

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 3.823 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Schwammer-Dieter.

  • 06.04.2019: Die Fladen-, Totholz-, Granitstein- und Wasserholz- Pilznerd-Megatour - Teil 2

    Liebe Pilz-Freunde,
    dies ist Teil 2 des Berichtes vom 06.04.2019
    .

    Teil 1 findet Ihr hier
    Teil 3 findet Ihr hier
    Teil 4 findet Ihr hier
    Teil 5 findet Ihr hier
    Teil 6 findet Ihr hier
    Teil 7 findet Ihr hier
    Teil 8 findet Ihr hier
    Teil 9 findet Ihr hier
    Teil 10 findet Ihr hier
    Teil 11 findet Ihr hier

    Den Nachtrag findet Ihr hier


    Und weiter geht's...

    Fundnummer: 2019-04-06-0930-C

    Am Fladen gab es auch Pillenwerfer. Auch diese konnte ich von "Baby" bis ausgewachsen Fotografieren.

    Morphologische Daten:
    Hinter der Pille ist eine starke Einschnürung. Sie sind sehr kurzlebig. In 3 Tagen von null bis zum vergehen.
    Sie sind stark betropft. Die Pillen sind deutlich grob überzuckert. Die Schussflüssigkeit ist gelblich.

    Mikroskopische Daten:

    Sporen:

    Ellipsoid, glatt, mit einer gelblichen Masse gefüllt, die Sporen haben oft je 2 undeutliche helle Flecken
    (9,0) 9,3 - 10,1 (12,6) x (6,6) 6,7 - 7,5 (9,1) µm
    Q = 1,3 - 1,46 (1,5); N = 32
    Me = 9,8 x 7,1 µm; Qe = 1,4

    mush-15389.jpg


    Es handelt sich um den Eingeschnürten Pillenwerfer (Pilobolus kleinii). Der deutsch Name ist frei von mir erfunden.

    Nur wenige Stunden alt sieht der so aus:
    mush-15392.jpg


    Etwas älter... der gelbe Kopf ist nichts anderes als die unreife - später schwarze Pille.
    Unter dieser entwickelt sich dann langsam die Blase.
    mush-15393.jpg


    mush-15390.jpg


    mush-15391.jpg


    Hier schließlich die voll reifen Fruchtkörper kurz vor dem Abschuss:
    mush-15394.jpg


    mush-15395.jpg


    Was mich erstaunte (weil ich es bislang noch nicht wahr nahm):
    Die Wuchsrichtung ist NICHT der Gravitation entgegengesetzt. Und auch NICHT dem Licht entgegen.
    Die Wuchsrichtung in der horizontalen Ebene ALLER Fruchtkörper ist exakt gleich einem der horizontalen aufgestellten Winkel von geschätzten 10° --> Also ideale Abschussposition für die Flugbahn der Pille.
    Die Pillis kommen rundum aus der Kacke heraus und rundum haben ALLE diesen angestellten Abschusswinkel.
    Aber dem noch nicht genug! Nun kommt das wirklich verrückt geniale: UNABHÄNGIG von der Oberfläche des Fladens, zeigen die Stiele aller Fruchtkörper, wenn man von der vertikalen Achse auf sie schaut immer in Richtung des Massenschwerpunkts des Fladens bzw. eines größeren Massenteils davon. Dies offensichtlich deshalb, weil die Schussrichtung eben vom Fladen WEG sein soll. Wie soll das aber bitte technisch gehen? Die einzige Antwort, die ich wüsste ist, dass der Pillenwerfer die winzige winzige Masse des Pillenwerferkopfes welche anziehend auf die relativ ebenso winzige Masse des Fladens wirkt detektieren kann und dem entsprechend das "Zellwachstum" (Begriff stimmt hier natürlich nicht) steuert.
    Der Pillenwerfer wertet also offensichtlich 2 Sachen aus: Die Gravitation der Erde UND die super-winzige Gravitation der dem Stiel entgegen liegenden Masse. Das ist dermaßen genial dass ich dass beim nächsten Fund unbedingt untersuchen muss. Nicht zu glauben ist das - Ich wüsste keinen Sensor der so etwas kann! Physikalisch nicht zu erklären.
    Die folgenden Bilder sind also "flach hin gelegt" - also die Horizontale ist die Vertikale!

    mush-15396.jpg


    mush-15397.jpg


    Fundnummer: 2019-04-06-0930-D

    Ein weiterer Becherling in Zitronengelb kam zum Vorschein.

    Morphologische Daten:

    Substrat: Kuhfladen
    Becher-Durchmesser: ausgereift bis 4,5 mm
    Becher-Farbe:
    überall hellgelb, Fruchtschicht mit lila Sporen

    Becher-Rand:
    hell fransig
    Becher-Außenseite: Mit kleiigen Körnchen überzogen

    Mikroskopische Daten:
    Asci:
    8-sporig

    207 - 222 x 24 - 26.8 µm; N = 3

    Sporen:
    lila bis hellbraun, Oberfläche faltig, ellipsoid
    (20,4) 21,6 - 23,9 (24,5) x (10,8) 11,1 - 12,2 (13,0) µm
    Q = (1,8) 1,9 - 2,0 (2,1); N = 10
    Me = 22,9 x 11,6 µm; Qe = 2,0

    mush-15410.jpg


    mush-15411.jpg


    mush-15412.jpg


    Paraphysen:
    septiert, zylindrisch

    (3,1) 3,2 - 4,7 (5,1) µm; N = 14; Me = 4,0 µm

    mush-15413.jpg


    mush-15414.jpg


    Excipulum:
    (13,4) 27,2 - 37,5 (48,6) µm; N = 8; Me = 33,3 µm

    mush-15415.jpg


    Auch klar - das ist der Kleiige Kotling (Ascobolus furfuraceus):
    Hier wieder zunächst ganz jung - unreif:
    mush-15416.jpg


    mush-15417.jpg


    Schon etwas reifer:
    mush-15418.jpg


    mush-15419.jpg


    Und wieder voll reif:
    mush-15420.jpg


    Den kann man auch mal genau anschauen:
    mush-15421.jpg


    Beim nächsten Fund musste uns Nobi auf die Sprünge helfen - vielen Dank nochmals :)

    Fundnummer:
    2019-04-06-0930-E

    Morphologische Daten:

    Substrat: Kuhfladen
    Becher-Durchmesser: ausgereift bis 0,7-1,9 mm
    Becher-Farbe: außen gelblich - glasig, Fruchtschicht: orange-gelb
    Becher-Außenseite: deutlich tropfenförmig bekleidet
    Haare: Es gibt keine Haare am Becherrand weder im Auflicht noch im Präparat

    Mikrochemische Reaktion:
    Lugol: keine Reaktion
    Melzers: keine Reaktion

    Mikroskopische Daten:

    Asci:
    zylindrisch, 8-sporig, Ascus-Basen sind etwas zugespitzt und strikt abgeflacht
    Maße: ca. 128 x 11,3 - 12,2 µm; N = 2

    mush-15399.jpg


    Sporen:
    glasklar, ellipsoid, fein faltig ornamentiert --> diese feine Ornamentierung ist das was ich zunächst übersah
    Maße:
    (14,0) 14,3 - 15,5 (15,8) x (7,9) 8,0 - 8,6 µm
    Q = (1,7) 1,7 - 1,8; N = 13
    Me = 14,7 x 8,3 µm; Qe = 1,8


    mush-15444.jpg

    Paraphysen:
    1- bis 2-septiert, bräunlich inkrustiert, zylindrisch
    Maße: 50 - 90 x (7,3) 7,7 - 9,9 (11,3) µm; N = 13

    mush-15398.jpg


    Excipulum:
    Die äußersteten der Elemente sind mit einer Kruste überzogen oder warzig punktiert, sie sind manchmal strikt rund aber auch ballon- bis keulen-förmig, es gibt auch kettenartig aneinander gereihte Kugel- oder Blasenelemente
    Maße:
    (12,2) 13,2 - 52,5 (63,4) µm; N = 34; Me = 31.5 µm

    mush-15401.jpg


    mush-15402.jpg


    mush-15400.jpg


    Gemischte Elemente:

    mush-15403.jpg


    mush-15404.jpg


    Nobi half mir auf die Sprünge - ich übersah die fein faltige Ornamentierung der Sporen zunächst.
    Es handelt sich um den
    Körnigen Rinderdungbecherling (Cheilymenia granulata):
    Fruchtkörper wohl noch unreif: Bild vom 16.04.:
    mush-15405.jpg


    Fruchtkörper reif: Bild vom 18.04.:
    mush-15406.jpg


    Fruchtkörper voll reif (fast überreif): Bilder vom 22.04. (Ascobolus furfuraceus hier nicht beachten):
    mush-15409.jpg


    mush-15407.jpg


    mush-15408.jpg



    Weiter zum Teil 3

  • Hallo Dieter,


    wieder mal jede Menge beeindruckender Aufnahmen in den 11 Beiträgen! Da kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr raus.


    Was den Pilobolus angeht, habe ich ehrlich gesagt nicht ganz verstanden, in welche Richtung der nun genau wächst. Aber was ich sicher ausschließen kann ist, daß er die Gravitation zwischen sich und dem Substrat spürt. Die entsprechenden Kräfte sind viel zu klein, um meßbar zu sein. Temperaturunterschiede, Luftbewegung etc. haben da einen viel größeren Einfluß. Von daher würde ich einfach mal vermuten, daß der Pilz sich mithilfe von Erdanziehung und Licht irgendwie orientiert. Auch was den Abschußwinkel angeht, müßte man sich mal genau überlegen, was da jetzt optimal ist. Ohne Luftreibung wäre es ja im 45-Grad-Winkel. Mit Reibung ändert sich das dann zu flacheren Winkeln. Aber 10 Grad gegen die Horizontale kommt mir dann doch fast ein bißchen zu flach vor.


    Björn

  • Hallo Dieter und Matthias,

    die Dokumentation über den Pillenwerfer ist umwerfend. Nicht nur die genialen Fotos, sondern auch die Beschreibung, was der kann. Björns Anmerkung zu dem Abschusswinkel finde ich nachvollziehbar. Aber hängt der nicht auch von der Entfernung zum Zielobjekt ab? Wie weit schleudern die ihre Sporen eigentlich? Das können doch nur wenige cm sein. Kann es sein, dass die Pilze irgendwelche unbekannte "Sensoren" haben, mit denen sie ihre Ziele orten können? Mykorhizzapilze finden ja ihre Pflanzenpartner auch irgendwie und irgendwie mag ich bei Pilzen nicht mehr an Zufall glauben. Die haben es einfach drauf.

    Sehr schön dokumentiert habt Ihr die Dungis in ihren unterschiedlichen Reifestadien. Wirklich klasse!

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Hallo zusammen,

    Was den Pilobolus angeht, habe ich ehrlich gesagt nicht ganz verstanden, in welche Richtung der nun genau wächst.

    Dazu mache ich das nächste mal ne genauere Doku...

    Aber was ich sicher ausschließen kann ist, daß er die Gravitation zwischen sich und dem Substrat spürt. Die entsprechenden Kräfte sind viel zu klein, um meßbar zu sein.

    Das denke ich auch.

    > Temperaturunterschiede, Luftbewegung etc. haben da einen viel größeren Einfluß. Von daher würde ich einfach mal vermuten, daß der Pilz sich mithilfe von Erdanziehung und Licht irgendwie orientiert.

    Erdanziehung ginge eben nur für die eine Achse. Licht kann ich ausschließen. Eine Abgedunkelte Ecke des Fladens zeigt die gleiche Wuchsrichtung.

    Auch was den Abschußwinkel angeht, müßte man sich mal genau überlegen, was da jetzt optimal ist. Ohne Luftreibung wäre es ja im 45-Grad-Winkel. Mit Reibung ändert sich das dann zu flacheren Winkeln. Aber 10 Grad gegen die Horizontale kommt mir dann doch fast ein bißchen zu flach vor.

    Stimmt... Na ich schaue mir das in zukunft mal genau an was da los ist.

    die Dokumentation über den Pillenwerfer ist umwerfend. Nicht nur die genialen Fotos, sondern auch die Beschreibung, was der kann.

    DANKE DANKE ;-))

    Björns Anmerkung zu dem Abschusswinkel finde ich nachvollziehbar. Aber hängt der nicht auch von der Entfernung zum Zielobjekt ab?

    Hm... tja... Was ist ein gutes Zielobjekt? Ich vermute einfach der Boden selbst, nur eben so weit wie möglich weg.

    Wie weit schleudern die ihre Sporen eigentlich? Das können doch nur wenige cm sein.

    Das weiß ich nict, aber vermutlich gehen die schon mehrere dezimeter weit. Die kleben dann seitlich an den Wänden der Feuchtekammer. Der Klebstoff ist wahnsinn. Man bekommt dies Sporen nur mit mechanischen starken Schubben mit scheuerpulver ab. Selbst einweichen hilft fast nichts. Das ist ein kleber der Spitzenklasse.

    Kann es sein, dass die Pilze irgendwelche unbekannte "Sensoren" haben, mit denen sie ihre Ziele orten können?

    Ziele denke ich nicht, aber sie seltsamen Sensoren betreffen eher die Gravitation - wenn man wüsste wie es geht, das wäre einer der größeten Revolutionen in der Technik des Jahrhunderts. Da forschen die Wissenschaftler schon Jahhunderte und sind nicht einen Schritt weiter gekommen.
    Naja, oder doch einen kleinen. Inzwischen ist die "Druck-Theorie" die wahrscheinlichste. Es zieht uns also wahrscheinlich keine Kraft AN die Erde, sondern wir werden durch eine Kraft an die Erde GEDRÜCKT. Und zwar deshalb weil die unbekannte Kraft, welche alles erfüllt, auch das Vakuum, durch Materie abgeschwächt oder abgeschirmt wird. Je größer die Materie, um so größer die Abschwächung. Und weil die Erde groß ist hält sie viel von der Richtung ab die "unter" und ist also die wo quasi in Australien als gedanklich richtungsvektorisierte Kraft durch die Erde durch geht und bei uns übrig bleibt. Sie ist schwächer als die was von oben auf uns trifft und deshalb drückt es uns immerzu an die Erde. Wir denken das wäre eine "Anziehung" - dabei ist es ein Druck. Bei Magneten ist das ebenso. Die ziehen sich vermutlich keineswegs an (und ziehen auch kein Eisen an). Sie weden gegeneinander gedrückt und zwar von der gleichen unsichtbaren, unbekannten Kraft.
    Wer es schafft, diese Kraft zu entdecken kann vielleicht eine Möglichkeit finden sie durch etwas anderes als Materie abzuschwächen. Dann hätte er das "Antigraviationsfeld" erfunden. Deshalb ist die Erforschung dieser Kraft und auch ihrer Sensoren, sie wir in jedem Pilz finden so interessant.
    Beste Grüße
    Dieter