Protostropharia dorsipora - ein aktueller Fund aus Oberbayern

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 3.856 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von JanMen.

  • Servus beinand,


    schon am Montag hatte Boris Zurinski (der mich besucht hat) bei einer gemeinsamen Exkursion einen Pferdeapfel mit Protostropharia erspechtet. Wir haben aber nur von der Sonne ausgedörrte Exemplare gefunden. Natürlich nimmt man auch das mit - das spart Energie für den Dörrex - und schaut mal rein. Und siehe da, der Keimporus war dorsal verschoben, schräg ansitzend. Inosfern klarerweise Protostropharia dorsipora.


    Jetzt hatte es Dienstag und Mittwoch durchgeregnet - und am Vatertag war wieder strahlender Sonnenschein. Also los, hin zum Fundort und nochmal nachgesehen - und ja! Zwei Fruchtkörper sind nachgewachsen. Jetzt waren sie frisch und in bestem Zustand. Ein leichtes Zwerdrücken von Lamellen ergab auch den für die Art typischen Mehlgeruch (nur so dran gerochen hat man den üblichen Pilzgeruch, den auch Protostropharia semiglobata aufweist). Der Stiel ist auch dünner, die Fruchtkörper nicht ganz so kräftig wie der Halbkugelige Dungträuschling. Pr. dorsipora scheint bei uns auch nur an Pferdeäpfeln zu wachsen.


    Es gibt weitere Unterscheidungsmerkmale zu Protostropharia semiglobata und zu den Gattungsgenossen, aber (Stand jetzt) ist es die einzige Art mit einem solch verschobenen Keimporus. Einen Schlüssel und die Beschreibung des Erstnachweises von Pr. dorsipora für Bayern habe ich in der Mycologia Bavarica 15 veröffentlicht (es gibt weitere Arten bei uns). Da die meisten Bücher nur eine einzige Art abbilden, nämlich Protostropharia semiglobata, werden andere Arten vermutlich meist übersehen.


    Für die Dung-Fans: an Hirschdung findet man potentiell Protostropharia alcis - der nicht nur an Elch vorkommt.


    Jetzt aber zurück zur Protostropharia dorsipora...


    Übersichtsfoto mit Substrat (Pferdeapfel)


    Etwas näher betrachtet - man sieht schön das gelbe Velum universale, das auch die Ringzone verursacht.


    Stielbasis mit Velum universale, das fast eine Volva bildet (natürlich verklebt mit dem Stiel)


    Man sieht hier schön, dass auch der Ring gelblich ist - er ist kein Teilvelum,sondern wird von der Gesamthülle gebildet.


    Die Lamellen zeigen diesen schönen graublauen Ton und sind ausgebuchtet angewachsen.


    Nun noch ein paar Sporen, an denen man sehr gut den verschobenen Keimporus erkennen kann. Da die Sporen sehr groß werden (über 20 x 10 µm) ist das leicht zu erkennen, zumal der Porus recht breit ist und die Sporenwand dick. Die Sporen wurden in Wasser untersucht. In KOH quellen die Wände extrem auf - solche Bilder findet man im Netz, aber so sehen die Sporen lebendig nicht aus.



    Hier können nicht nur Dung-Spezialisten zuschlagen, nein, diese großen, auffälligen Pilze kann jeder sammeln. Schaut mal, ob ihr auch Pr. dorsipora finden könnt. Es ist im Moment ziemlich unklar, wie häufig die Art ist. Ich habe nach dem ersten Fund jetzt ein paar Jahre warten müssen, bis ich wieder einen unter der Linse hatte. Es besteht hier noch Kartierungs- bzw. Forschungsbedarf.

    (Können die hiesigen Dung-Experten was dazu sagen oder ist euch der Pilz "zu groß"?)


    Der hier vorgestellte Fund ist aus Oberbayern, Lkr. Fürstenfeldbruck, Gemeinde Hattenhofen, Ortsteil Haspelmoor - direkt südlich der Bahnstrecke.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Christoph,


    wie du weißt, kann ich auf Expertenebene nicht mitdiskutieren. Aber ich habe durch deinen post den Schiefporligen Träuschling kennengelernt. Vielen Dank dafür!


    Liebe Grüße

    Rotfüßchen

    "Pilze sind erst einmal nicht anwesend, sie verstecken, verbergen, verschließen und tarnen sich, aber es gibt eine Wahrscheinlichkeit und eine Hoffnung, sie zu finden. Die Suche bedeutet Aufbruch, Verheißung, Abenteuer, und je vergeblicher und erfolgloser der letzte Pilzgang war, desto mehr Spannung, Erfüllung, Belohnung verspricht der nächste." (Hans Helmut Hillrichs: Pilze sammeln)


    Pilzmärchen

  • Servus Rotfüßchen,


    es freut mich, dass du durch das Posting den Schiefporigen Dungträuschling kennengelernt hast - wenn man selber von solchen Pilzen begeistert ist, freut es einen immer, wenn auch andere sich davon anstecken lassen. ==Gnolm8 Das geht vermutlich allen so, die hier ihre Pilze vorstellen. Trotz aller "Wissenschaftlichkeit" geht es ja dennoch um Emotion und um das Naturerlebnis.


    Stell dich zudem bitte nicht zu sehr unter den Scheffel. Außerdem kannst du hier auch makroskopisch bzw. olfaktorisch vorgehen. Pferdeäpfel mit solchen Träuschlingen i.w.S. dran, findet man ja immer wieder mal. Und wenn dann die Stiele nicht zu dick sind, sondern eher dünner (also eher 4 mm statt 7-8 mm) und dann noch nach dem Zerdrücken der Lamellen ein Mehlgeruch feststellbar ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, diese Art gefunden zu haben, sehr groß (sage ich mal so). Und es findet sich dann immer jemand, der per Mikroskop nachbestimmt (kann ich beispielsweise sehr gerne machen).


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • :daumen:

    "Pilze sind erst einmal nicht anwesend, sie verstecken, verbergen, verschließen und tarnen sich, aber es gibt eine Wahrscheinlichkeit und eine Hoffnung, sie zu finden. Die Suche bedeutet Aufbruch, Verheißung, Abenteuer, und je vergeblicher und erfolgloser der letzte Pilzgang war, desto mehr Spannung, Erfüllung, Belohnung verspricht der nächste." (Hans Helmut Hillrichs: Pilze sammeln)


    Pilzmärchen

  • Danke für dieses schöne Portrait, Christoph!:thumbup:

    Die Art ist mir bisher noch nicht untergekommen.

    Ich fand Protostropharia immer an Rinderdung, was dann stets zu P. semiglobata führte.

    Natürlich hoffe ich, sowohl P. dorsispora als auch P. alcis irgendwann entdecken zu dürfen.

    Schaun mer mal ;)


    Liebe Grüße vom Nobi

    Hier geht es zu meinen Themen.

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    Chips: 72

  • Gern geschehen, Nobi,


    ich vermute, dass - wie auch bei anderen Dungpilzen - die Voraussetzung des Vorkommens eine Darmpassage der Sporen ist. Pferde, die im Stall stehen und nur zum Ausreiten rauskommen, dürften keine Protostropharia auf ihrem Dung erzeugen.


    Wir haben hier in der Gegend ein paar Pferdekoppeln - ich gehe davon aus, dass von diesen Pferden auch jeweils die Äpfel sind, auf denen dann die Protostropharia wächst. Protostropharia semiglobata geht auch an Pferd, während Protostropharia dorsipora zumindest in Europa nur von Pferd bekannt ist.


    Ich vermute, dass die Dungträuschlinge (wie auch die echten Träuschlinge) nematophag sind, also Fadenwürmer töten und auffressen. Sie haben aber Acanthocystiden anstatt der Acanthocysten der echten Träuschlinge. Das würde auch ein bisserl das Auftraten auf älterem Dung erklären, da ja erstmal genug Nematoden gefangen werden müssen, um genug Stickstoff für die Fruchtkörperbildung aufzubringen. Ist aber nur rein spekulativ.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Christoph,

    seit 2015 habe ich 10 Funde von Protostropharia auf Pferdedung untersucht und bisher immer P. semiglobata gefunden. Allerdings waren diese Funde alle im gleichen Gebiet fast immer zusammen mit Poronia punctata und gelegentlich mit Conocybe pubescens, Psilocybe fimetaria oder Panaeolus papilionaceus.

    Ich fand Protostropharia immer an Rinderdung

    Hallo Nobi,

    im Depot ist P. semiglobata häufiger an Pferd als an Rind. Noch wesentlich häufiger an Pferd ist allerdings P. punctata 8o:giggle:

    Ich vermute, dass die Dungträuschlinge (wie auch die echten Träuschlinge) nematophag sind, also Fadenwürmer töten und auffressen. Sie haben aber Acanthocystiden anstatt der Acanthocysten der echten Träuschlinge. Das würde auch ein bisserl das Auftraten auf älterem Dung erklären, da ja erstmal genug Nematoden gefangen werden müssen, um genug Stickstoff für die Fruchtkörperbildung aufzubringen. Ist aber nur rein spekulativ.

    Hallo Christoph,

    zumindest die Beobachtung, dass P. semiglobata eher an älterem Dung vorkommt als andere Großpilze (z. B. Conocybe pubescens), kann ich bestätigen, werde zukünftig aber noch besonders darauf achten.

    LG Karl

  • Servus Karl,


    ich selber habe bislang auch nur dreimal Protostropharia dorsipora in Händen gehabt - zweimal mittlerweile bei mir: der Fund aus Mammendorf, den ich publiziert habe, wurde offenbar in Pilze-Deutschland eingegeben und den zweiten aus Haspelmoor habe ich ja hier gezeigt - und den dritten hatte ich in Österreich (Steiermark, Semriach, auf Pferdekoppel - leg. Inge Rössl, zusammen mit Protostropharia semiglobata auf Pferdeäpfeln in der Nähe). Ich habe blöderweise erst fotografiert, dann mikroskopiert. Für das Foto habe ich die zwei Äpfel nebeneinander gelegt. Der aufrecht stehende Fruchtkörper mit dem kräftigeren Stiel (noch jung) ist Protostropharia semiglobata, die beiden anderen dünnstieligen sind Protostropharia dorsipora.


    Protostropharia dorsipora (liegend), Protostropharia semiglobata (stehend).


    Damals hatte ich eine Mykologin aus Vorarlberg gebeten, bei sich mal die Protostropharien an Pferdeäpfeln zu prüfen und kurz darauf hatte sie den Erstnachweis für Vorarlberg - seitdem hat sie die Art auch nicht mehr finden können. Vielleicht gibt es gute und schlechte Protostropharia-dorsipora-Jahre. Möglicherweise kann man die Art jetzt wieder öfter finden.


    Hallo Christoph,

    seit 2015 habe ich 10 Funde von Protostropharia auf Pferdedung untersucht und bisher immer P. semiglobata gefunden.


    Auf Pilze-Deutschland sind wie gesagt erst zwei Fundpunkte zu sehen. Ganz so selten kann die Art eigentlich nicht sein, denn soooo viele Pferdeäpfel habe ich jetzt nicht nicht beprobt und wurde dennoch fündig. Daher wünsche ich viel Geduld und viel Erfolg, falls du dich von den 10 Pr. semiglobata hast "frustrieren" lassen.


    Wie gesagt: Stiele recht dünn, Geruch der Lamellen nach Zerdrücken mit Mehlkomponente - will sagen: Suchaufruf an alle, die nicht an Pilzen an Dung vorbeigehen :)


    Liebe Grüße,

    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Christoph,


    mir wurde gestern auf einer Exkursion dieser Pilz in die Hand gedrückt. Er wuchs sehr wahrscheinlich auf Resten der auf diesem Waldweg sehr zahlreichen Pferdeäpfeln. Cheilozystiden-Länge und die z. T. fast kopfige Form (siehe Gröger) sowie der exzentrische Keimporus, den ich bei einigen Sporen zu erkennen glaube, führen mich zur Bestimmung: Protostropharia dorsipora. Der mehlige Geruch beim Zerreiben passte ebenfalls.

    Denkst du, das könnte passen?



    Beste Grüße

    Jan-Arne

    • Offizieller Beitrag

    Der Vollständigkeit halber: Ich habe Christoph noch mal angemailt und er konnte die Art bestätigen.