Servus beinand,
das Thema wird vermutlich nur Nomenklatur-affine Pilzfans interessieren, weshalb ich es ins Wissenschaftsforum gestellt habe. Hintergrund: ich bin überrascht, dass so viele kritiklos hinnehmen, dass die Pappelrotkappe unnötigerweise nochmal beschrieben wurde und der jüngste Name, Laccinum albostipitatum wirklich verwendet wird.
Persoon beschrieb bereits 1799 mit "Boletus" leucopodium eine weißstielige Rotkappe beschrieben, die sich eben dadurch von den anderen Rotkappen unterscheidet, dass sie jung einen völlig weißen Stiel (weiße Schuppen auf weißem Grund) habe, während "Boletus" aurantiacus rötliche Schuppen besäße. Das passt gut zu dem Konzept der Pappelrotkappe.
Dörfelt & Berg (1990) haben sich mit der Nomenklatur der Gattung Leccinum ausgiebig befasst und die historischen Beschreibungen interpretiert, die Tafeln diskutiert und dann soweit möglich lectotypisiert. Hierbei kamen sie zum Schluss, dass Leccinum aurantiacum die Eichenrotkappe sei und Leccinum leucopodium die Pappelrotkappe. Die Birkenrotkappe lasse ich jetzt außen vor, ebenso die Nadelbaumrotkappen.
Jedenfalls haben Dörfelt & Berg (1990) klargestellt, dass Persoon (1799) drei Rotkappenarten getrennt hat, die man gut auf die drei Klassiker Birke-, Pappel-, und Eichenrotkappe anwenden kann.
Damit war geklärt, dass die Pappelrotkappe mit dem weißen Stiel eben die Pappelrotkappe ist.
Was jetzt kommt, ist für mich fast Realsatire...
den Bakker (2005: 96) schreibt tatsächlich: "Careful examination of the stusy of Dörfelt & Berg (1990), however, showed, that their interpretaion of L. Leucopodium is the same as our concept of L. aurantiacum. They had introduced the name L. leucopodium for the taxon grwoing under Populus, as the name L. aurantiacum was applied for the taxon associated with Quercus."
Kurz gesagt: den Bakker ist der Meinung, dass Dörfekt & Berg (1990) in ihrer Interpretation der Pappelrotkappe eine Eichenrotkappe unter Pappeln meinten. Eigentlich müsste sich den Bakker mit der Originalbeschreibung von Persoon (1799) auseinandersetzen, was er nicht tat. Zudem schreiben Dörfelt & Berg ja explizit, dass sie unter L. leucopodium (was übersetzet "weißfüßig" heißt) wie Persoon es explizit beschreibt, die weißschuppige Rotkappe mit jung rerin weißem Stiel meinen. Und zudem die weißstielige, die unter Pappel wächst. Das trifft eben ganz und gar nicht das, was den Bakker als L. aurantiacum versteht (das ist nämlich das, was auch Dörfelt & Berg als L. aurantiacum verstehen).
Um dem Fass die Krone aufzusetzen, beschreibt den Bakker mit Leccinum albostipitatum erneut eine weißstielige Rotkappe unter Pappel, weil die weißstielige Rotkappe unter Pappel eben keine sein soll. Häh? Leccinum leucopodium ist keine Pappelrotkappe, weil sie einen weißen Stiel hat und bei Pappeln wächst, deshalb beschreibt man eine neue, weil eben diese einen weißen Stiel hat und unter Pappeln wächst... Sorry, ist mir zu hoch...
Würde sich den Bakker auf die Originalbeschreibung beziehen, hätte er sogar ein bisserl was ansetzen können, da die Ökologie von Persoon als "in fagetis" beschrieben wurde (im Buchenwald...). Im Buchenwald können aber auch Pappeln stehen, zumal damals nicht sehr auf die Ökologie geachtet wurde.
Jetzt haben wir zwei konkurrierende Beschreibungen der Weißstieligen Rotkappe - eine aus dem Jahr 1799 und eine aus dem 21. Jahrhundert. Welche ist dann gültig? Klar, die ältere.
Warum eigentlich seit Jahren hierzulande, trotz der gut erreichbaren, bekannten, und auf deutsch geschriebenen Studie von Dörfelt & Berg die Neubeschreibung ohne jedes Mucken und Diskussion anerkannt wurde und man immer wieder fast schon inflationär Leccinum albostipitatum lesen muss (was auch "weißfüßig" heißt - fällt da gar nichts auf?), verstehe ich nicht. Ich fürchte, weil es MycoBank übernommen hat - da wurde einfach die letzte Veröffentlichung mit Genetik verwendet. MycaBank ist keine Quelle für die Richtigkeit von Synonymisierungen...
Ich jedenfalls kann es nicht nachvollziehen. Würde das Schule machen, dann kann man alles neu beschreiben. Ich erkenne, dass der Fichtensteinpilz bei Fichte wächst und einen braunen Hut hat. Deshalb beschreibe ich den unter Fichten wachsenden, braunhütigen neu und synonymisiere Boletus edulis mit dem Sommersteinpilz... Würde man dem auch blind folgen? Ich glaube nicht... Warum dann einer Studie, die Leccinum genetisch bearbeitet hat, dabei aber nur Teile der ITS nutzen konnte (ging damals nicht besser wegen der Mikrosatelliten), blind folgen? Zumal die Genetik hier keine Rolle spielt, da es nur um die Interpretation der Originalbeschreibungen der klassischen Rotkappen geht.
Und wie ist das? Kann man eine Art in die Synonymie verweisen und neu beschreiben, ohne sich mit der Originalbeschreibung zu befassen und das dann zumindest zu diskutieren? Offenbar ja... Dann viel Freude damit, wenn das jeder machen würde - dann hätten wir immer wieder neue Namen für bekannte Pilze.
Ich bleibe jedenfalls solange bei Leccinum leucopodium (Pers.) Dörfelt & G. Berg, bis ich durch Argumente davon überzeugt werden könnte, diese weißstielige Rotkappe Leccinum albostipitatum den Bakker & Noorfeloos zu bezeichnen.
Oder übersehe ich irgendwas Essentielles? Gibt es Argumente dafür, dass unter Pappeln eine weißstielige Rotkappe wächst, die in Wirklichkeit eine Eichenrotkappe ist?
Helft mir da bitte
Liebe Grüße,
Christoph