Morgenrot...

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 4.312 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kuschel.

  • Edit Nachtrag vom 26.05.2023:


    Auf Grund einer Fehlinterpretation der dargestellten Stielverfärbung durch das Sulfovanillin auf Bild 10, bin ich hier zu den Roseinae anstelle zu den Lilaceinae abgebogen. Diese hier im Bild dargestellte Farbe ist nicht "eosinrot" sondern "violettrot", also negativ und somit scheidet die Gruppe Roseinae aus. Dies erklärt auch so manche Diskrepanz hier im Ablauf meiner Bestimmung, deshalb werden Exsikkate in Zukunft von mir dazu nicht mehr herangezogen.


    Eine Revision durch Paplo Alvarado 5/2023 ergab: "2023-2628-ALV40315 R19-002 = ok, 99.84% Russula lilacea MW286833"

    Dieser hier vorgestellte Pilz ist Russula lilacea und NICHT R. minutula.


    Ich bitte das zu entschuldigen.

    claus


    ......................................


    Hallo liebe Pilzfreunde,


    die Meisten glauben bestimmt vom Titel her an Wetterbilder, nix da, es geht um einen Täubling.

    Angespornt durch "Heidi´s" Funde war auch ich gestern das erste mal unterwegs in meinen Wäldern, umsonst war es nicht, aber dennoch die Natur ist in der Rhön noch zaghaft. Einen meiner Funde möchte ich euch makroskopisch nun zeigen und hoffen, dass die Überschrift dazu auch passt. Aber seht selbst...


    Bild 1

    Hier im Gras am Waldrand bei Buchen, Eichen und noch sonstige Laubbäume stand etliches, Sommersteinpilze so gross wie Suppenteller, Perlpilze, Scheidenstreifling und Täublinge. Der rosa Rucksack ist extra so gewählt wegen den Jägern, nicht dass sie mich für einen "Schwarzkittel" (Wildschwein) halten.


    Bild 2

    Dann ein einzelner ausgeblasster rosa-brauner Täubling


    Bild 3

    Die Geschmacksprobe war mild, nach Zeit vielleicht ein wenig bitter


    Bild 4

    Geruch neutral


    Bild 5

    Hut 5,5cm, seidig glänzend, Hutmitte ockerlich, Hutrand gerieft


    Bild 6

    Huthaut dünn pergamentartig ganz abziehbar, unter der Hh weisslich


    Bild 7

    Lamellen spröde, weisslich-creme, y-gabelig und vereinzelt Zwischenlamellen

    Die Sporenpulver Farbe war heute morgen Ib, der Kreis der Kandidaten wird damit immer enger


    Bild 8

    Stiel 5x1cm, weich, hohl, nach Zeit an der Riffelung etwas grauend, weiss und mit einem rosa Fleck an der Basis!

    Dieser rosa Fleck hat mich total irritiert. Aber EINHELLINGER schreibt auf Seite 165 ZITAT:

    "Nur ein einziges Mal fand ich einen Fruchtkörper mit etwas Rot am Stiel" Zitat Ende. Na dann ist es ja gut...dann bin ich der Zweite...


    Bild 9

    Die Chemie war die nächste Überraschung. Guajak auf dem Stiel negativ (nicht grün), auf den Lamellen positiv.

    Auch da habe ich einen vergrabenen Hinweis bei mir gefunden, ANDREAS GMINDER (mollisia) Zitat:

    "...ist anhand der Guajak-Reaktion recht einfach zu bestimmen: Negativ auf dem Stiel aber langsam positiv in den Lamellen!

    Es gibt nur sehr wenige Täublingen mit unterschiedlicher Reaktion auf Stiel und Lamellen!" Ende Zitat. Also passt auch.


    Bild 10

    Ein weiterer notwendiger Chemie-Test: mit SV wird die Stieloberfläche eosinrot/johannisbeer-rot


    Damit sind wir sicher in der Gruppe der Roseinae und mit allen sonstigen Merkmalen zusammen müsste es

    "Russula velutipes - Morgenrot Täubling" sein. Kommentare oder Berichtigungen erwünscht. Bis bald...


    Grüsse aus der Rhön

    claus

  • Hallo Claus,

    für den Morgenrottäubling sieht mir der Pilz makroskopisch sehr ungewöhnlich aus. Da solltest du mal Energie investieren und mikroskopisch nachprüfen, ob das nicht R. minutula ist, der die tupfengleichen chemischen Reaktionen hat wie R. velutipes, aber ein rein isoliertwarziges Sporenornament hat im Gegensatz zu R. velutipes, bei der man auf jeder Spore ein paar Verbindungslinien zwischen den Warzen sehen müsste. R. minutula hat sich vor mir bisher erfolgreich versteckt, aber wenn der hier das wäre, müsste ich nicht weiter denken: "den gibt's ja gar nicht" ;) Also bitte schau dir die Sporen an, da könnte ich aus der Ferne auch was dazulernen.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Claus,


    makroskopisch sehr gut beschrieben! Vielen Dank.


    Liebe Grüße

    Rotfüßchen

    "Pilze sind erst einmal nicht anwesend, sie verstecken, verbergen, verschließen und tarnen sich, aber es gibt eine Wahrscheinlichkeit und eine Hoffnung, sie zu finden. Die Suche bedeutet Aufbruch, Verheißung, Abenteuer, und je vergeblicher und erfolgloser der letzte Pilzgang war, desto mehr Spannung, Erfüllung, Belohnung verspricht der nächste." (Hans Helmut Hillrichs: Pilze sammeln)


    Pilzmärchen

  • Hallo Pilzfreunde,

    makroskopisch sehr gut beschrieben! Vielen Dank.

    Hallo Rotfüßchen,

    danke Dir vielmals, trotzdem könnte ich mir in den Hintern beissen diesen Beitrag so schnell geschrieben zu haben. Warum? Darum:


    Warum bin ich einfach bei EINHELLIGER´s Buch an R. minutula vorbeigerauscht?

    ...och der soll so selten sein, den gibt´s doch bei mir Heini in der Rhön eh nicht und ausserdem ist kein roter Stiel im Bestimmungstext aufgeführt. Nach Kartoffelbovist hat er auch nicht gerochen sondern neutral und weisst du was Exsudat ist? das kenne ich nur von Bildern. Da geht man zum nächsten Schlüssel. Dann stehen ausserdem keine 50m vom vorgestellten Fund die velutipes nur so rum. Warum sollte DIES keine sein? EINHELLINGER hat doch geschrieben dass er ein einziges Mal eine velutipes mit rot angehauchtem Stiel hatte. Also.

    Gewagte Hypothese: vielleicht war EINHELLINGER´s velutipes mit dem roten Stiel ja eine minutula.

    Ha, wer weiss...


    und mikroskopisch nachprüfen, ob das nicht R. minutula ist

    Hallo Oehrling,


    danke für deine Antwort UND Einwand. Ich habe die Sporen des vorgestellten Fundes gerne nachträglich mikroskopisch untersucht.

    (Als Prüfling waren für mich selbst Sporenaufnahmen von velutipes (weisser Stiel) aus 2017 vorhanden.)


    So wie es aussieht hast du recht mit R. minutula. Die Sporenmerkmale sind erkennbar differenziert gegenüber R. velutipes. Das betrifft sowohl das Ornament selbst sowie auch die Ornament Höhe.

    Eine Entscheidung pro R. minutula allein nach diesen Mikroaufnahmen steht mir als Laie nicht zu.

    Bitte verstehe dass ich die Bilder auch nicht kommentiere.


    Bild 11


    Bild 12


    Bild 13


    Bild 14


    Bild 15


    Herzliche Grüsse und ich freue mich sehr

    claus

  • Hallo Pilzfreunde,


    heute war ich im kühlen Keller um das letzte Beweisstück, die HDS = Hutdeckschicht zu untersuchen

    und weiter oben hatte ich ja schon mal erwähnt "Huthaut pergamentartig", beim Präparieren war das noch viel schlimmer.


    Fassen wir aber erst nochmal zusammen:


    - Wir befinden uns in der "Gruppe Roseinae", weil mit Sulfovanillin der Stiel eosinrot geworden ist.

    - Zu der Gruppe gehören LEPIDICOLOR, MINUTULA, PSEUDO-INTEGRA und VELUTIPES

    (einer MUSS es ja sein)

    - PSEUDO-INTEGRA fällt weg, hat gelbes Sporenpulver um IVb (Romagnesi), die drei anderen alle Ib.

    - LEPIDICOLOR soll NICHT abziehbare Huthaut haben, fällt also weg, bleiben noch zwei

    - VELUTIPES hat bis zu mehrheitlich verbundene Warzen als Ornament, habe ich selbst schon untersucht

    - MINUTULA hat isolierte bis vereinzelt verbundene Warzen im Ornament, ausserdem sind die Warzen insgesamt höher.


    Isolierte bis vereinzelt verbundene Warzen sieht man in meinen obigen Sporenbildern.

    Diese sind definitiv anders als bei velutipes und da sehe ich nun "KEIN Morgenrot" mehr.

    Oehrling scheint Recht zu haben, aber untersuchen wir erstmal die HDS.


    EINHELLINGER zeigt auf Seite 125 eine Zystide A, die wollte ich finden was nicht ganz einfach war.


    Bild 17, Kongo, Huthautfragmente wie bei velutipes auch


    Bild 18, Kongo, teils büschelige Primordialhyphen bis 3,5 mü breit, mehrfach septiert, wie bei velutipes


    Bild 19, Sulfovanillin, keine Pileozystiden nachweisbar, wie velutipes


    Bild 20, Kf-Lactoglycerol, spärliche Verkrustungen, vergleichbar mit velutipes


    Bild 21, H2O, Hymenialzystiden mit teils grösseren Placken

    (Exsudat?, habe ich bei velutipes noch nicht untersucht)


    Bild 22, H2O, HIER... die Zystide wie bei der Abb. von minutula bei EINHELLINGER, fehlt bei velutipes!


    FAZIT

    Meine Makroskopie hat gestimmt, die Mikroskopie sagt Fehlbestimmt.

    Mit diesen Sporen-Merkmalen und diesen Huthaut-Zystiden nenne ich meinen Pilz jetzt:


    Russula minutula - Kleiner Rosatäubling

    (ist ja auch ein schöner Name)


    Danke Oehrling!


    Grüsse

    claus

  • Hallo Claus,

    vielen Dank für deinen für die Bestimmung getätigten erheblichen Aufwand und das sehr erfreuliche Ergebnis :). Jetzt weiß ich also, dass es R. minutula wirklich gibt und ich nur bisher unfähig war ihn zu finden ?(

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Claus,


    Wahnsinn, was Du Dir für uns (gesamte Bilderstrecke) für einen Aufwand gemacht hast, RESPEKT ==Gnolm8

    Ich danke Dir! Vor allem liest sich Dein Bericht nicht trocken, sondern unterhaltsam und sympathisch. Man bleibt gerne am Ball ==Gnolm13