Russula ionochlora - warum sind Griseinae so schwer bestimmbar?

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.422 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tricholomopsis.

  • Servus beinand,


    ich möchte einen Täubling vorstellen, den ich am 10. Juni 2019 gleich zweimal aufgesammelt habe (jeweils ein Einzelfruchtkörper). Unter den Griseinae ist dieser vermutlich noch eher einfach zu bestimmen, aber ehrlich gesagt schwimme ich in der Sektion sehr, weshalb ich die Bestimmung erst im BMG-Forum habe abklären lassen: Russula ionochlora?

    Das heißt nicht, dass die Bestimmung nicht auch angezweifelt werden kann - auch hier bin ich für jeden Einwurf dankbar!


    Zum Pilz selbst - es waren jeweils Einzelfruchtkörper. Das Habitat - einmal ein Kalkbuchenwald (was ökologisch nicht passt), dort aber eine stark übersäuerte Ecke, an der entsprechend alle Kalkzeiger fehlen - und der zweite ein Buchen-Kiefern-Mischbestand auf saurem Boden.


    Hier erstmal der erste Fruchtkörper (aus Purk bei Moorenweis, Oberbayern)







    Im Gelände hatten mich die Lamellen irritiert - ich dachte an Russula subterfurcata... die Lamellen waren etwas biegsam, brachen dann aber doch und waren auch zu cremegelb für das Blaudeiberl (Frauentäubling).



    Die Grüntöne am Stiel, die zur Stielspitze in ein leichtes Violett übergehen, wunderten mich auch...


    Das Sporenpulver war für die Griseinae sehr hell, nur IIa, was die Artauswahl deutlich einschränkt.


    Die Mikroskopie:


    Die Huthuathaare sind m.E. typisch für R. ionochlora



    Die Dermatocystiden sind einzellig, meist keulig, mit SV werden sie grau bis grauschwärzlich, sie sind 5-7 µm breit, meist gestreckt keulenförmig. Der im mittleren der drei Fotos dargestellte "Wurm" wunderte mich auch ein wenig, ich fand genau diese Struktur auch bei der zweiten Aufsammlung... die Fotos mit rosarotem Hintergund sind in Sulfovanilin, die anderen in Wasser als Medium.


    Die Sporen:

    Die Sporen sind isoliertwarzig bis mit sehr kurzen Verbindungen zwischen den Warzen versehen, nicht mal angedeutet netzig; das Ornament ist maximal 0,5 µm hoch. Der Apiculus und die Plage sind inamyloid.

    Sporenmaße: 6,0-7,0-8,0 x 5,5-6,0-6,75 µm; Q = 1,1-1,17-1,25


    Die zweite Aufsammlung westlich von Purk, am "Meyerhof":





    Wieder diese Gabelungen - hier aber ohne Anastomosen...




    Wieder die kurzgliedrigen Haare, die basal aus Tönnchenzellen bestehen...



    Wieder so ein "Wurm"



    In SV wieder grau...



    Und die Sporen mit gleichen Maßen, gleichem Ornament...


    Ich bin sonst mehr im Kalk unterwegs und mache um Griseinae zudem meist einen Bogen. Da die Auswahl im Moment nicht sooo groß ist, habe ich die beiden Mal mitgenommen und etwas genauer unter die Lupe genommen. Die Bestimmung mittels Sarnaria, dem alten Schlüssel von Bon, Einhellinger und Marxmüller fiel mir dennoch nicht leicht. Letzten Endes half das Sporenpulver.


    Mir fehlt halt die Erfahrung in dieser Sektion. Deshalb bin ich natürlich für Input dankbar.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Tricholomopsis

    Hat den Titel des Themas von „Russula ionochlora - warum sind Griseinae so schwer bestimmbat?“ zu „Russula ionochlora - warum sind Griseinae so schwer bestimmbar?“ geändert.
    • Offizieller Beitrag

    Hallo Christoph,


    in einem der Tintlinge der letzten Zeit gabs einen Artikel über die Griseinae-Gruppe, bzw. gibts auch einen schönen Artikel von Felix Hampe und Robin Dost aus dem Jahr 2010 dazu.


    Ich würde dir die Tage beide mal zukommen lassen. Ad hoc kann ich dir auch mal raten im Gröger nachzuschlagen. Meist waren meine Funde aus der Gruppe R. ionochlora oder R. parazurea, klar saure Wälder halt, da kommen beide Arten gern. :)


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo Christoph,


    in einem der Tintlinge der letzten Zeit gabs einen Artikel über die Griseinae-Gruppe, bzw. gibts auch einen schönen Artikel von Felix Hampe und Robin Dost aus dem Jahr 2010 dazu.

    Hallo Stefan

    Die Arbeit von Felix und Robin im Tintling Heft 6/2010 Nr. 67 S. 34ff ist überholt. Der Typus von R. columbicolor ist gentechnisch mit dem Typus von R. grisea identisch. Das heißt natürlich jetzt nicht, dass alle Funde von R. columbicolor jetzt R. grisea darstellen, sondern die Meisten sind R. ionochlora. R. plumbeobrunnea ist nicht Anderes als R. pararzurea. Natürlich findet man die "vier" Arten schon mal in genau der Ausprägung, wie in dem Artikel, aber eben auch alle Übergänge.

    LG Karl

  • Hallo Christoph,

    der Problematik bei den Griseine bin ich auch nach Jahren noch nicht beigekommen. Ich habe nach Erscheinen der oben genannten Arbeit monatelang jeden Täubling untersucht und hatte alle "vier" Arten und R. grisea als sicher bestimmt angesehen. Inzwischen bin ich zu der Ansicht gekommen, dass alles entweder R. parazurea oder R. ionochlora ist. Auch 2 Kollektionen von R. grisea aus dem Werk von Helga Marxmüller sind gentechnisch als R. ionochlora bestimmt worden. Ob R. ionochlora konstant etwas helleres SPP hat also IIa - IIb gegenüber IIc bei R. grisea hat, erscheint mir inzwischen auch nicht mehr sicher, was die Problematik noch verschärft. Man wird zwar mit der Zeit sicherer, aber es gibt immer wieder Exemplare, bei denen man ins Grübeln kommt.

    Bei beiden Kollektionen von Dir hätte ich mit R. ionochlora kein Problem. Sporenornament isoliert ist bei dieser Art wohl zwingend, aber kurze Grate bzw. Verbindungslinien dürfen vorhandensein. Bei R. parazurea haben die Sporen mehr Verbindungen und einzelne Maschen, wenn auch kein vollständiges Netz. Ein gutes Merkmal für R. parazurea, wenn bei älteren oder verregneten Exemplaren der Reif fehlt, ist das fehlen jeglicher violettlicher Töne unter der Huthaut. R. grisea ist für mich ein kräftigerer Pilz, den ich nur einmal im Kalkbuchenwald hatte.

    LG Karl

  • Servus beinand,


    vielen Dank für den vielen Input! Dass mit der Genetik (auch, dass zwei R. grisea-Kollektionen von Helga genetisch ebenfalls R. ionochlora sein sollen - und dass R. columbicolor gleich R. grisea s.str. sein soll).


    Bei beiden Kollektionen von Dir hätte ich mit R. ionochlora kein Problem. Sporenornament isoliert ist bei dieser Art wohl zwingend, aber kurze Grate bzw. Verbindungslinien dürfen vorhandensein. Bei R. parazurea haben die Sporen mehr Verbindungen und einzelne Maschen, wenn auch kein vollständiges Netz. Ein gutes Merkmal für R. parazurea, wenn bei älteren oder verregneten Exemplaren der Reif fehlt, ist das fehlen jeglicher violettlicher Töne unter der Huthaut. R. grisea ist für mich ein kräftigerer Pilz, den ich nur einmal im Kalkbuchenwald hatte.

    Im BMG-Forum zeigt Hias Dondl eine typische Russula grisea. Für uns auf dem Kalk ist Russula ionochlora ziemlich selten. Wir im Münchner Raum sind zu wenig im mehr sauren Tertiärhügelland unterwegs, denn es zieht uns immer wieder in die Kalkbuchenwälder wegen der vielen tollen Schwammerl dort. So hat Hias, der wirklich sehr viel im Gelände ist, seit über zehn Jahren keine Russula ionochlora mehr gehabt. Nach unserer Diskussion im BMG-Forum war ich mir auch sicher mit der Bestimmung. Die Problematik ist aber eben bei den Griseinae, dass wohl manche Merkmale variabler sind als man früher dachte. Wenn die Sporenpulverfarbe doch schwanken kann oder das Ornament etwas variabler ist, als bisher gedacht, dann greifen eben die meisten / alle(?) Schlüssel ins Leere.


    Die Arbeit von Felix und Robin im Tintling Heft 6/2010 Nr. 67 S. 34ff ist überholt. Der Typus von R. columbicolor ist gentechnisch mit dem Typus von R. grisea identisch. Das heißt natürlich jetzt nicht, dass alle Funde von R. columbicolor jetzt R. grisea darstellen, sondern die Meisten sind R. ionochlora.

    Mit dem Ausdruck "ist gentechnisch identisch mit" habe ich ein bisserl Schwierigkeiten. Es wurde ja m.W. nur die ITS verglichen. Werner (Jurkeit) hat bei der Originalbeschreibung von R. columbicolor doch einige Merkmale herausgearbeitet, die die Art als eigenständig und erkennbar definiert. Nur weil die ITS gleich ist, würde ich das alles nicht direkt in Frage stellen. Bestätigt es sich in Multigen-Stammbäumen, dann natürlich o.k. - und dann sollte man auch Übergänge finden. Gerade hier dachte ich,die sehr kleinen Sporen und die Form der Pileocystiden mit den apikalen Anhängselchen seien doch sehr charakteristisch.


    Wie gesagt - eine schwierige Sektion.


    Ich war jedenfalls recht froh, mal eine Russula ionochlora s.str. zu haben. Auf Kalk fehlt sie nämlich wie gesagt - bis auf sehr saure Stellen im Wald...


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Mit dem Ausdruck "ist gentechnisch identisch mit" habe ich ein bisserl Schwierigkeiten. Es wurde ja m.W. nur die ITS verglichen. Werner (Jurkeit) hat bei der Originalbeschreibung von R. columbicolor doch einige Merkmale herausgearbeitet, die die Art als eigenständig und erkennbar definiert. Nur weil die ITS gleich ist, würde ich das alles nicht direkt in Frage stellen. Bestätigt es sich in Multigen-Stammbäumen, dann natürlich o.k. - und dann sollte man auch Übergänge finden. Gerade hier dachte ich,die sehr kleinen Sporen und die Form der Pileocystiden mit den apikalen Anhängselchen seien doch sehr charakteristisch.

    Hallo Christoph,
    da sind wir völlig einer Meinung und mit dem isolierten "ist gentechnisch identisch mit" hätte ich selber Schwierigkeiten :D. Bei meiner Antwort an Stefan ist mein Nachsatz, den ich formuliert hatte verloren gegangen.

    PS. Meines Wissens ist bisher nur die ITS verglichen worden und das ganze gilt natürlich nur, wenn es es sich bei Untersuchung weiterer Genabschnitte bestätigt.

    Ich weiß ja, das Werner R. columbicolor schon über 10 Jahre kannte, bevor er sich zur Neubechreibung entschlossen hat und niemand hat Russulakollektionen sorfältiger studiert als er.

  • Ich weiß ja, das Werner R. columbicolor schon über 10 Jahre kannte, bevor er sich zur Neubechreibung entschlossen hat und niemand hat Russulakollektionen sorfältiger studiert als er.

    Ja, Werner war auch zimliech niedergeschlagen und konnte es nicht nachvollziehen. Aber es ist halt nur die ITS. Das hatte ich ihm dann auch erklärt und er weiß, dass es nur ein Gegenargument ist, was den Artrang angeht. Die Synonymie ist noch nicht endgültig geklärt - es stehen sich nur Argumente pro und kontra eigenständiger Art gegenüber.

    Was ich bei sowas nicht verstehe, warum mittlerweile sofort komplett synonymisert wird und nich als Kompromiss eine Varietät anerkannt wird.


    Liebe Grüße,

    Christoph