Servus beinand,
meine Kenntnisstand war bislang, dass Pilze keine echten Gewebe ausbilden, sondern nur Geflechte aus Pilzfäden, also aus Hyphen. Diese Geflechte werden Plectenchym genannt, während echte Gewebe Parenchym genannt werden.
Die Gehäuse von manchen Ascomyzeten sehen aus wie Gewebe, also wie ein echter Zellverbund, sind aber nur Zellfäden mit Zellen, die so aussehen, als würden sie aus einem Meristem (Teilungszone) entspringen. Sowas nennt man dann ein pseudoparenchymatisches Plectenchym.
Und siehe da - jetzt wurden echte Gewebe bei Flechten gefunden - es betrifft den Thallus der Gattungen Leptogium (L. austromericanum, L. burnetiae, L. chloromelum, L. marginellum) und Scytinium (S. gelatinosum, S. lichenoides) - beides Vertreter der Familie der Collemataceae.
Interessanterweise werden Falten des Thallus, aber auch die Isidien oder die Loben des Thallus durch die regelmäßige Teilung von Meristemzellen ausgebildet. Das bedeutet, dass hier echte Gewebe vorliegen und diese Arten somit letzten Endes sogar echte Organe bilden.
Andere Gattungen innerhalb der Familie bilden all das wie bisher bekannt pseudoparenchymatisch - es scheint also eine Weiterentwicklung innerhalbe der Familie zu sein, was phylogenetisch auch sehr interessant ist. Diese Pilze haben letzten endes einen Entwicklungssprung vollzogen. Jetzt müsste man eine Zeitmaschine haben, um zu sehen, was sie evolutiv betrachtet aus dieser Möglichkeit machen.
Echte Gewebe kennt man sonst nur von Tieren, Pflanzen (also Grünalgen i.w.S) sowie Braunalgen. Und jetzt eben auch von Ascomyzeten...
Publiziert wurde das in der Mycologia:
William B. Sanders & Asunción de los Ríos (2019): The cellular cortex in Collemataceae (lichenized Ascomycota) participates in thallus growth and morphogenesis via parenchymatous cell divisions, Mycologia 111(2): 206-216, DOI: 10.1080/00275514.2019.1566810
Liebe Grüße,
Christoph