Echte Gewebe bei Pilzen - ja, das gibt es! (für mich eine kleine Sensation)

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 1.858 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Servus beinand,


    meine Kenntnisstand war bislang, dass Pilze keine echten Gewebe ausbilden, sondern nur Geflechte aus Pilzfäden, also aus Hyphen. Diese Geflechte werden Plectenchym genannt, während echte Gewebe Parenchym genannt werden.


    Die Gehäuse von manchen Ascomyzeten sehen aus wie Gewebe, also wie ein echter Zellverbund, sind aber nur Zellfäden mit Zellen, die so aussehen, als würden sie aus einem Meristem (Teilungszone) entspringen. Sowas nennt man dann ein pseudoparenchymatisches Plectenchym.


    Und siehe da - jetzt wurden echte Gewebe bei Flechten gefunden - es betrifft den Thallus der Gattungen Leptogium (L. austromericanum, L. burnetiae, L. chloromelum, L. marginellum) und Scytinium (S. gelatinosum, S. lichenoides) - beides Vertreter der Familie der Collemataceae.


    Interessanterweise werden Falten des Thallus, aber auch die Isidien oder die Loben des Thallus durch die regelmäßige Teilung von Meristemzellen ausgebildet. Das bedeutet, dass hier echte Gewebe vorliegen und diese Arten somit letzten Endes sogar echte Organe bilden.


    Andere Gattungen innerhalb der Familie bilden all das wie bisher bekannt pseudoparenchymatisch - es scheint also eine Weiterentwicklung innerhalbe der Familie zu sein, was phylogenetisch auch sehr interessant ist. Diese Pilze haben letzten endes einen Entwicklungssprung vollzogen. Jetzt müsste man eine Zeitmaschine haben, um zu sehen, was sie evolutiv betrachtet aus dieser Möglichkeit machen.


    Echte Gewebe kennt man sonst nur von Tieren, Pflanzen (also Grünalgen i.w.S) sowie Braunalgen. Und jetzt eben auch von Ascomyzeten...


    Publiziert wurde das in der Mycologia:

    William B. Sanders & Asunción de los Ríos (2019): The cellular cortex in Collemataceae (lichenized Ascomycota) participates in thallus growth and morphogenesis via parenchymatous cell divisions, Mycologia 111(2): 206-216, DOI: 10.1080/00275514.2019.1566810


    Liebe Grüße,

    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Christoph!


    Ui, spannend. :)
    Und ausgerechnet lichenisierte Ascomyceten, also Pilze, die doch vermeintlich zu einem eher älteren Entwicklungszweig stammen sollten. Aber das hat ja nicht viel zu sagen in der Hinsicht. Welche Frage sich bei mir auffdrängt: Wie viel weiß man denn über die Zellverbände des Mycels (nicht der Fruchtkörper) von Basidiomyceten, insbesondere zB da, wo Sklerotien und ähnliche "Organe" (hier sicher auch der verkehrte Begriff) gebildet werden?

    Zum Beispiel Rhizomorphen von Hallimasch oder Sklerotien von zB Polyporus sollten doch schon einigermaßen untersucht sein, vermutlich doch auch Ozonien von Tintlingen?
    Alles plectenchymatisch dort?



    LG, Pablo.

  • Servus Pablo,


    hinsichtlich der Ontogenie von Rhizomorphen wurde sehr viel angeschaut (z.B. von Agerer) - und der Hallimasch war wohl der allererste, der diesbezüglich untersucht wurde, weshalb manche Autoren den Begriff Rhizomorphe nur auf ihn anwenden, da der egriff für ihn geprägt wurde und seine Rhizomorphen eigentlichgestreckte Sklerotien sind - für andere Rhizomorphen wird dann der Begriff Hyphenstränge verwendet (ich komme aus dem "Agerer-Stall" - und da haben wir den Begriff Rhizomorphen allgemein angewendet). Sklerotien diverser Pilze wurden ebenfalls gut untersucht - bislang wurde - meines Wissens - dort kein echtes Gewebe entdeckt. Bei Polyporus kenne ich nur Pseudosklerotien - da ist es sehr offensichtlich, dass es nur Plectenchyme sind. Für die Sklerotien von Paxillus, Gyrodon und Hygrophoropsis kann ich bestätigen, dass es Plectenchyme sind, weil ich die auch selbst angeschaut habe.


    Liebe Grüße,

    Christoph