Lactarius bertillonii, oder?

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.988 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kuhmaul.

  • Hallo Pilzfreunde,


    so sagt jedenfalls der Schlüssel in PDS zu meinem Pilz, den ich am Sonntag gefunden habe.


    Fundort: zwei Stück auf einer Wiese direkt am Waldrand mit Buche, Eiche, einer Linde und Birke, Höhe 450m

    (Wiese im Herbst voll mit Herbst-Zeitlose (Colchicum autumnale)


    MAKROSKOPIE:

    Hut: creme-weiss, stark trichterförmig, 7 + 12cm DM

    Hutrand: glatt, teils eingerollt

    Hutoberfläche: matt, samtig, zart

    Stiel: farblich etwa wie der Hut, zur Basis verjüngend

    Stieloberfläche: samtig, zart, wie gekalkt

    Stiel Konstistenz: sehr hart und fest

    Lamellen: creme-weiss, auffallend bräunlich verfärbt, gegabelt, Zwischenlamellen

    Milchfarbe: weiss, keine Verfärbung am Pilz oder auf Tuch festgestellt

    Geschmack der Milch: teuflisch scharf nach zwei Sekunden, Dauer ca. 1 min.

    Geschmack Fleisch: danach nicht mehr möglich gewesen

    Geruch: neutral

    Chemie: FeSo4 Stiel leicht rosa, KOH: Milch-Schnittstelle Lamellen: orange

    Sporenpulver: weiss


    MIKROSKOPIE:

    Sporen: lav x bav = 8 x 6,5 µm, Form: oval

    Ornament: isoliert bis fein teilnetzig verbunden

    Warzen: bis 0,25 µm hoch, fast nicht messbar


    HDS: bestehend aus einer sogenannten "lamprotrichoderm" Struktur (s. Bild)

    Cheilomakrozystiden: spindelig bis keulig, mit lichtbrechenden rundlichen Einschlüssen, ohne Bild

    Habe ich was vergessen?


    Meines Wissens gibt es nur zwei Milchlinge mit dieser lamprodichoderm HDS-Struktur. Der Zweite wäre dann Lactarius vellereus.

    Soll ja auch sein optischer Doppelgänger sein und von diesem nur mikroskopisch unterschieden werden können.

    Nun, zum einen wird uns mit Glück die Chemie mit KOH helfen, aufgeschmiert auf die Milch an den Lamellen der Schnittfläche,

    da wird die Milch bei L. bertillonii gelb-orange (s. Bild), bei L. vellereus unverändert.

    Zum anderen hat mein Pilz ein fein teilnetziges Sporen Ornament, dagegen soll L. vellereus ein netzartiges Ornament haben.

    Auch die Milch-Schärfe soll bei vellereus nicht so extrem scharf sein.


    Nun die Bilder zu meinem Pilz


    Bild 1, Doppelpack auf der Waldlichtung nähe Buchen (Eiche, Linde, weiter weg Birke)


    Bild 2, Hut ca 7 + 11cm, Oberfläche matt, zert, samtig, alt stark trichterartig


    Bild 3, Huthaut 1/3 abziebar, unter der Hh ockerbraun gefleckt


    Bild 4, Hutrand glatt, eingerollt, matt, samtig, Milch weiss, unverädert am Pilz wie auf Papier


    Bild 5, Lamellen auffällig stark bräunend fleckend, Stiel zur Basis verjüngt


    Bild 6, Schnittfläche weisslich mit ockerbräunlichen Verfärbungen, Konsistenz sehr fest und hart


    Bild 7, Chemie FeSo4 auf Stieloberfäche zartrosa


    Bild 8, Chemie KOH auf Schnittfläche Lamellen orange (oben)


    Bild 9, Sporen 8 x 6,5 µm, Form oval, Ornament teilnetzig fein verbunden (nicht netzig)


    Bild 10, Warzenhöhe nur 0,2 mü hoch (geschätzt)


    bild 11, Vermessungsprotokoll Sporen


    Bild 12, Medium NH3, HDS Schnitt


    Bild 13, NH3, näher ran, die sogenannte "lamprotrichoderm" Struktur



    FAZIT: wenn ich mir so meine gesammelten Merkmale mit den Beschreibungen zu L. bertillonii vergleiche,

    müsste eigentlich mein Pilzfund auch so heissen...


    Was meint Ihr?


    Grüsse

    claus

  • Servus Claus,


    die Bestimmung ist sehr gut abgesichert - Lactifluus bertillonii. Falls du noch Lust hast: es lohnt sich, die Spitzen der HDS-Haare anzuschauen. Auch dort unterscheiden sich Lactifluus vellereus und Lactifluus bertillonii. Ich will nur nicht im Vorfeld etwas suggerieren. Falls du die HDS-Haarspitzen anschauen willst und fotografierst oder beschreibst, dann löse ich auf, wo der Unterschied liegt (du kannst es natürlich auch selbst nachlesen). ;)


    Schöner Fund - auch bei mir ist Lacitfluus vellereus der deutlich häufigere der beiden.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Kuhmaul,



    Gratulation zu diesem Fund. Er soll ja sehr selten sein.


    Und eine tolle Vorstellung dieses Pilzes.



    Liebe Grüße




    Heidi

    Jeder Tag an dem Du nicht gelacht hast, ist ein verlorener Tag.
    Auch von mir gibt es keine Essensfreigabe.



    100 Chips, da Islandwette verloren = 95 Chips
    95-2 Chips für Jan-Arnes Rätsel = 93 Chips
    93-5 Chips für Grünis Grauen Wulstling= 88 Chips
    88-10 Chips für APR 2017 = 78
    78 + 10 (APR 2017 als erste über die Hälfte der Gesamtpunkte gekommen) = 88

    88-3 Chipse für OPR = 85

    85 - 10 Chips für APR 2018 = 75

    75 + 5 fürs APR = 80

    80 -10 Chipse für APR 2019 = 70 Chipse

    70 +5 Apr 2019 = 75


    Keine Veröffentlichung ohne mein Einverständnis!!!!!!

  • Hallo Heidi, Karl und Christoph,


    danke erstmal für eure Antwort und ehrlich, ich bin im Nachhinein froh, dass der Pilz durch seine Makromerkmale so einigermassen festgenagelt ist. Die nachträgliche Bestimmung nur nach Interpretation der HDS Haare wären eine Katastrophe gewesen.

    Falls du die HDS-Haarspitzen anschauen willst und fotografierst oder beschreibst, dann löse ich auf, wo der Unterschied liegt

    Christoph, es hat ein wenig Muse und Zeit gebraucht um die HDS erneut zu untersuchen.

    Und es hat ein wenig gedauert bis ich der Meinung war, das gesehen zu haben, was andere Autoren laut ihren Skizzen gesehen haben wollen. Aber sicher bin ich mir bis jetzt immer noch nicht ob das das Gesuchte überhaupt ist, zumal ich mit einem Exsikkat arbeiten musste. Bin ich überhaupt am richtigen Platz?


    Ehrlich gesagt, diese gewissen Haarspitzen hätte ich beim normalen Mikroskopiervorgang nie beachtet und nur dann sehe, wenn ich bei mir die Apertur-Blende stark zumache. Normal stellt sich für mich das Bild mit 100er Oel wie im folgenden Bild dar.


    Bild 14, NH3, Auffällige Haarspitzen Fehlanzeige, ausser vielleicht dem kurzen Stummel auf 1/2 3 Uhr.


    Solche Stummel waren öfters zu sehen, interpretierte sie aber als abgebrochene Huthaut Elemente, soll ja durch Quetschung mal vorkommen. Auf dem folgenden Bild habe ich mal solch einen stärkeren "abgebrochenen Stummel" bei mehr zugedrehter Apertur abgebildet.


    Bild 15, "To be, or not to be, that is the question"


    Sieht schon so etwa aus wie auf den Illustrationen von PDS S.49, aber ob das DAS ist, bin ich überfragt. Ich hätte sowas übersehen und nicht beachtet. Vielleicht kann uns da Christoph mit seinem Angebot weiterhelfen, gerne auch mit einer Abbildung oder Bild... Danke


    Und dann kam mir noch dieses Bild unter die Lappen, ich schwöre, da hörst du auf zu mikroskopieren...


    Bild 16, ist schon komisch, sieht ja fast aus wie eine Fehlbestimmung,

    doch "L. vellereus"...??? Ich blick nicht mehr durch.


    Grüsse

    claus

  • Servus Claus,


    das erste Foto sieht aus, als wäre es in Melzers gemacht worden (immer besser in Wasser ansehen...). Wenn die Haare abbrechen, ist es schwierig. Nimmt man einen Skalp in Aufsicht an einem tiefeliegenden, vor Berührung geschützten Stück der Huthaut, müssten genug komplette Haarspitzen zu sehen sein.


    Bei Lactifluus vellereus ist die Haarspitze meist etwas erweitert und dickwandig, bei Lactifluus bertillonii sind die Spitzen meist unauffällig, also nicht aufgeblasen, dafür aber apikel dünnwandig.


    Als Referenzabbildung nehme ich mal die Lactariusmonographie von Heilmann-Clausen et al. (1998):



    Der Pfeil zeigt die typische Spitze von Lactifluus vellereus - abgerundet und dickwandig.



    Bei Lactifluus bertillonii enden die Haare eher etwas ausspitzend und oft dünnwandig.


    Jetzt haben Heilmann-Clausen et al. (1998) auch bei L. vellereus manche Endne dünnwandig gezeichnet und bei L. bertillonii manche dickwandig. Ich muss zugeben, selber auch erst einmal L. bertillonii mikroskopiert zu haben. Da waren die Haare aber wirklich apikal auffallend oft dünnwandig und oft ausspitzend. L. vellereus findet man ja oft genug - die erweiterten Haarenden sind m.E. gut erkennbar, aber man muss immer einige Haare ansehen, um den Durchschnitt beurteilen zu können. Abgebrochene Enden sind da nervig (Heilmann-Clausen et. al (1998) zeichnen davon auch einige bei L. vellereus - das ist nicht arttypisch, sondern hängt daran, wie intakt die HDS-Haare eben sind).


    Ich finde das Merkmal praktisch, wenn man unreife Fruchtkörper hat und somit die (feinen) Unterschiede im Sporenornament nicht zur Verfügung hat.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Christoph,


    herzlichen Dank für deine Mühe.


    "Der Pfeil zeigt die typische Spitze von Lactifluus vellereus - abgerundet und dickwandig."
    "Bei Lactifluus bertillonii enden die Haare eher etwas ausspitzend und oft dünnwandig."


    Na, das ist für einen Laien mal eine verständliche Aussage und mit der ich dann auch weiterhin

    Lactifluus bertillonii sagen kann.

    Beim nächsten Fund werde ich aber versuchen die frische HDS in Wasser zu mikroskopieren um ein kollabieren der ganzen Huthaut-Haare wie jetzt bei meinem Exsikkat zu vermeiden.


    Schade, dass es im I-Net so wenig Information zu den Mikromerkmalen zum Pilz selbst gibt, eine gefundene PDF Seite aus Skandinavien möchte ich euch dennoch anbieten, beinhaltet Makro- wie Mikromerkmale von L. vellereus und L. bertillonii. Hat mir zum Thema sehr gut gefallen.


    karstenia 30-2 1990-1.pdf


    Ich danke euch fürs Mitmachen, bis zum nächsten Ratepilz

    claus