Liebe Foris,
es hat eine lange Tradition, dass ich hin und wieder einen Urlaubsbeitrag im Forum schreibe.
Meist bringe ich Euch ein wenig Natur aus wenig bekannten Gebieten nahe, im besten Fall kann ich Euch ein paar Pilze zeigen. Einige regionale Attraktionen fehlen in der Regel ebenfalls nicht. So will ich es auch dieses Mal mit meinem Reisebericht halten, der ein ganz bunter werden wird, soviel sei an dieser Stelle schon versprochen.
Los geht’s bzw. los ging es so richtig ab München, wo wir, nachdem wir unser Auto preiswert und sicher geparkt hatten, den Nightjet der ÖBB nach Rom bestiegen. Feine Sache, 20:10 Start ab München Hbf, Ankunft 9:00 in Orvieto, eine Station vor Rom und nahe unseres Zielortes Manciano in der Maremma, südliche Toscana. Im Schlafwagen mit sehr gutem Bordservice haben wir die Zugfahrt genossen und sind ausgeruht und ausgeschlafen angekommen. Sehr zu empfehlen!
Blick auf einen Teil der kleinen und beschaulichen Ferienanlage Il Poggio di Teo und unseren Pool, ohne den im Sommer in Italien natürlich nichts geht.
Unsere Unterkunft, wo wir gemeinsam mit Freunden das Erdgeschoss bewohnten.
Traumhaft gelegen inmitten von Oliven- und Obstbäumen sowie Lavendelfeldern.
Pfirsische und Lavendel.
Während in den Morgenstunden stets einige Pirole ihre wohlklingenden Pfiffe hören ließen und tagsüber die Luft vom Gesang der Zikaden erfüllt war, hörten wir zu nächtlicher Stunde oft die monotonen und dennoch faszinierenden Rufe der Zwergohreule. Hier mal ein selbst gemachter kurzer Mitschnitt. Einfach auf den Wiedergabepfeil klicken.
Zwergohreule 24.07.2019, 21:42
Ein Spaziergang in unmittelbarer Nähe unseres Domizils führte an größeren Beständen der Wilden Karde (Dipsacus fullonum) vorbei, an denen ich wunderschöne Baumwanzen entdeckte, die ich als Carpocoris cf. pudicus ansprechen konnte. Für die Hilfe bei der Bestimmung dieser Art, auch aller weiteren Insekten, möchte ich mich ausdrücklich bei den Spezialisten vom Naturforum.de bedanken.
Weiblein.
Und Männlein.
Kinderstube an einer benachbarten Distel. Vermutlich L1-Stadium, eines der fünf Larvenstadien, die Wanzen während ihrer Entwicklung durchlaufen.
Natürlich statteten wir dem knapp 20 km entfernten historischen Örtchen Pitigliano einen Besuch ab. Beeindruckend, wie es auf einem ca. 300 m hohen Tuffsteinplateau thront.
Bereits vor über 2500 Jahren hat das antike Volk der Etrusker hier gesiedelt und eine Reihe imposanter Wege in die Felsen gegraben. Die bis zu 20 m tief eingeschnittenen Hohlwege liegen naturgemäß meist im Schatten, sodass sie auch bei hochsommerlichen Temperaturen gut zu begehen sind. Durch häufiges Auf und Ab ist allerdings reichlich Kondition erforderlich.
An einer lichten Stelle konnte ich die wunderschöne Kupferfarbene Prachtlibelle (Calopterix haemorrhoidalis) entdecken.
Ein besonderes Erlebnis hatten wir in einem Straßencafe, wo wir uns nach der Tour von den „Strapazen“ erholten.
Direkt neben unserem Tisch lag ein wie wild zappelndes Männchen eines Hirschkäfers (Lucanus cervus) auf dem Rücken.
In dieser Notlage empfielt es sich, den Käfer anzufassen, ihn umzudrehen und damit wieder auf die Beine zu stellen. Was ich natürlich tat.
Offensichtlich fühlte er sich angegriffen und nahm sofort eine Drohhaltung ein.
Spektakulär das „Geweih“, also seine vergrößerten Oberkiefer (Mandibeln).
Nun wird es, wie in der Überschrift angekündigt, tatsächlich und so richtig bunt.
Die folgenden 18 Bilder habe ich Niki de Saint Phalle zu verdanken, einer großen Künstlerin, die nahe des kleinen Ortes Garavicchio einen einmaligen Skulpturenpark geschaffen hat. Für uns der Hauptgrund unserer Urlaubsreise. Ich lade Euch ein, gemeinsam mit mir den Giardino dei Tarocchi, den Tarot Garten zu besuchen und Euch von den Farben und den fantasievollen Figuren verzaubern und berauschen zu lassen. Insgesamt gibt es 22 riesige, meist begehbare Figuren zu bestaunen, die den Trümpfen des Tarot entsprechen, dem großen Arkana. Ich werde die Bilder nur wenig oder gar nicht kommentieren, ausführlich und lesenswert hat es die Reisebloggerin Petra auf den Punkt gebracht.
Der Magier, die Hohepriesterin und das Rad des Schicksals.
Die Sonne.
Die Kaiserin.
Der Wagen. Er steht im Inneren der als Sphynx gestalteten Kaiserin, wo Niki während ihrer Arbeitsaufenthalte von 1978 bis 1994 auch wohnte.
Im Bauch des vielköpfigen Drachens befindet sich der Gehängte, den ich leider vergaß zu fotografieren.
Allein das wäre ein Grund für einen weiteren Besuch dieses inspirierenden Gartens.
Der Kaiser.
Einige der wunderschönen Spiegel- und Mosaiksäulen, die ihn stützen.
Spiegelmosaik mit Nobi. Habe die Spiegelung erst beim Bild bearbeiten bemerkt.
Einer der vielen verwunschenen Wege.
Nana-Brunnen.
Der Eremit.
Der Mond, eines meiner Lieblingsmotive.
Hier nochmals aus einer leicht veränderten Perspektive.
Zum Schutz des Gartens gilt überall ein Rauchverbot, was bei der sommerlichen Trockenheit absolut berechtigt ist.
Natürlich hat Niki die Schilder selbst gestaltet und sie in verschiedenen Sprachen dezent im Gelände verteilt. Hier eines, dass wir auch ohne Google-Übersetzer verstanden.
Nicht an allen Felsstücken befanden sich solche Schilder, an manchen wuchsen auch hübsche Flechten. Wie diese goldgelbe.
Nachtrag: Matthias (Mreul) benannte sie inzwischen via Mail als vermutliche Rusavskia/Xanthoria elegans. Danke!
Oder diese weißliche. Wenn man genau hinschaut, sieht man übrigens noch mehr winzige Flechten auf den Bildern.
Nachtrag: Dies ist nach Matthias wahrscheinlich Circinaria contorta.
Nach mehreren Tagen mit Temperaturen zwischen 36 und 40° Celsius sorgte ein Gewittertag mit reichlich Regen für eine willkommene Abkühlung.
Blick aus unserer Haustür.
Am nächsten Tag fand ich auf dem noch tropfnassen Rasen bereits die ersten Pilze. Was haben die sich beeilt!
Heudüngerling (Panaeolina foenisecii).
Diese Milchweißen Samthäubchen, vermutlich Conocybe albipes, wuchsen sogar in größeren Gruppen.
Auch einige Insekten lockte die frisch gereinigte Luft aus ihren Verstecken.
Die Sechsfleckige Dolchwespe (Scolia sexmaculata) an Minze.
Oder auch die Grüne Strauchschrecke (Eupholidoptera chabrieri).
Den folgenden Käfer habe ich aus dem Pool gefischt und vorm Ertrinken gerettet.
Rotbeiniger Haarschnellläufer (Harpalus rufipes), vom sehr ähnlichen Rotbeinigen Schnellläufer (Harpalus rubripes) u.a durch die feinen Härchen auf den Flügeldecken unterschieden.
Dieser schön gezeichnete Ölkäfer (Mylabris cf. variabilis) fand sich auf einer Löwenzahnblüte ein.
Ein Ausflug an das nahe gelegene Mittelmeer, sprich zum Monte Argentario an der Küste des Tyrrhenischen Meeres, durfte natürlich nicht fehlen und ergänzte unseren Urlaub um ein weiteres Highlight. Was war es für ein Vergnügen, hier zu schwimmen!
Im Hintergrund übrigens die Isola del Giglio, vor deren Küste das einst größte Kreuzfahrtschiff Italiens, die Costa Concordia, 2012 auf tragische Weise havariert ist.
Im Gedenken an diese Katastrophe hat die französische Band Feu!Chatterton ein ergreifendes Lied geschrieben, das ihr euch, falls ihr möchtet, gern hier anhören könnt.
In Porto Santo Stefano (allein dieser Name ist Musik) gönnten wir uns schließlich ein fantastisches Fischessen. Aus sieben Fischen durften wir wählen.
Wir entschieden uns für den markierten, der, wie ich mich zu erinnern glaube, eine Dorade war und stolze 1,3 kg auf die Waage brachte.
Um die ca. 30 minütige Zubereitungszeit zu überbrücken, entschieden wir uns für zwei „kleine“ Zwischengänge.
Ein Pulposalat, wunderbar zart und äußerst pikant gewürzt.
Die Spaghetti vongole durften natürlich auch nicht fehlen..
Dann kam schließlich unser Fisch, den wir in einer Salzkruste bereiten ließen.
Aromatisch, saftig, einfach perfekt - mehr kann man dazu nicht sagen.
Nach ein paar sehr erfüllten und erholsamen Tagen hieß es schließlich schweren Herzens Abschied nehmen von einer schönen und interessanten Region.
Nach einem letzten abendlichen Bad im Pool
ging es am nächsten Tag zurück nach Orvieto, von wo uns der Nachtzug wieder nach München bringen sollte.
Um in den historischen Ortskern zu gelangen ist es ratsam die Standseilbahn benutzen.
So kann man sich 157 schweißtreibende Höhenmeter ersparen.
Beim nachmittäglichem Bummel durch die Altstadt entdeckten wir noch die sehenswerte Galerie des Schauspielers, Schriftstellers und Malers Umberto Verdirosi, durch die uns seine Tochter mit viel Liebe führte.
Wir waren spontan begeistert und haben gleich mehrere seiner Drucke gekauft. Wie diesen eines mittelalterlichen Wandertheaters mit Harlekin und Pulcinella.
Für die Originalbilder fehlte uns leider das nötige Kleingeld.
Leider geht auch der schönste Urlaub einmal zu Ende.
Waiting for the train.
Ich bedanke mich für euer Mitgehen und hoffe, dass ich euch ein klein wenig neugierig gemacht habe auf eine eher wenig bekannte, dennoch sehr spannende und dank der Österreichischen Bundesbahnen recht komfortabel zu erreichende Region.
Liebe Grüße vom Nobi