Die Mysterien des Steinpilzwachstums - Erfahrungen, Zusammenhänge und wissenschaftliche Hintergründe

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 3.134 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Grüß euch!


    Heute war ich wieder in "meinem" Wald.

    Kurz gesagt es war grandios, einer dieser Tage die es nur für kurze Zeit einmal im Jahr gibt.

    Die Steinpilze (Boletus edulis) waren massenhaft da. In meinem Wald gibt es das immer nur einmal jährlich für ein bis zwei Wochen.

    Natürlich findet man auch vorher und nachher Steinpilze, aber diese Häufung ist schon auffällig.


    Dazu ein paar Fragen und Gedanken...


    Warum fruchten die Myzelien in einem Waldstück nahezu synchron? Ich nehme an das liegt in der Chance auf Vermehrung begründet.

    Aber wie "wissen" die Pilze wann sie zu fruktifizieren haben? Tages- und Nachttemperaturen? Feuchtigkeit? Vielleicht auch Tageslänge obwohl sie kein Licht brauchen?

    Oder gibt es einen Informationsaustausch der Pilze (z.B. über irgendwelche Botenstoffe)?

    Der Zeitpunkt scheint jedenfalls von der Witterung im Jahresverlauf abzuhängen.

    Bei mir treten diese Schwemmen normalerweise Anfang September auf. Heuer war es besonders warm, darum kommen sie wohl später.


    Noch ein Punkt ist mir aufgefallen.

    Es gibt in diesem Wald normalerweise eine große Artenvielfalt.

    Wenn die Steinpilze massenhaft auftreten aber nicht. Natürlich findet man auch andere Arten, aber relativ wenige Exemplare.

    Wenige Maronen, wenige Eierschwammerl, wenige Täublinge, keine Hexenröhrlinge, einfach weniger Mykorrhizapilze ausgenommen dem Steinpilz.

    Natürlich ist an solchen Tagen der Sammlerblick auf die Steinpilze geeicht, aber ich meine doch diesen Effekt beobachtet zu haben.

    Wäre es möglich dass diese Massenfruktifikation fast die gesamte "Kapazität" der Mykkorhizapartner beansprucht? Also dass für andere Arten weniger Nährstoffe übrig bleiben.


    Ich hoffe auf eine lebhafte Diskussion, Erfahrungsberichte und auf Informationen bzgl. biologischer Hintergründe falls ihr da was wisst.


    Zum Abschluss ein paar Bilder von heute.





    LG Bernhard

  • Mmmh, ich habe da so meine Theorien, die auf meinen Erfahrungen basieren. Diese sind aber vermutlich zu gering für haltbare Theorien...


    Meiner Meinung nach fruchten miteinander verwandte Myzele gleichzeitig.

    Ein Myzel fruchtet immer ungefähr zur selben Zeit im Jahr.


    Beim Fruchten kommt das Myzel, das im Boden steckt, praktisch ans Tageslicht und packt sich zu Fruchtkörpern zusammen. Der Stoff zum fruchten muss ja vorher erstellt werden und irgendwo gespeichert sein. Das nimmt Platz ein. Danach ist es "weg" und die anderen Myzele haben Platz, sich dort auszubreiten.


    (Erfahrung mit verschiedenen Pilzen in meinen Bonsaikörben und den überschaubaren Beständen auf meinem Hof)

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

  • Dass Steinpilze, aber auch Pfifferlinge, Parasol oder andere Pilze relativ alleine und in synchronen Schüben massenhaft fruchten ist mir auch schon aufgefallen.

    Mir scheint das an zwei Faktoren zu liegen:


    1. Jede Pilzart hat vielleicht ein anderes und spezifisches ideales Temperatur-Feuchtigkeits Profil über das Jahr.

    Nachdem in einem begrenzen Bereich die Bedingungen gleich sind, sollten auch alle Mycelien die auf diesen Bedingungsverlauf ansprechen zeitgleich fruchten.


    2. Massenhaftes Auftreten beobachtet man nur an idealen Plätzen, die genau deshalb vom entsprechenden Mycel offensichtlich besonders intensiv durchwachsen sind.

    Damit bleibt für Mycelien mit ähnlichen Ansprüchen weniger Resourcen übrig.

    Mycelien mit anderen Ansprüchen, die parallel wachsen können, haben aber wahrscheinlich nicht zufällig genau den gleichen Anspruch an den Feuchte-Temperaturverlauf und fruktifizieren deshalb zu etwas anderer Zeit.


    Zudem gibt es vielleicht auch eine "optischen" Effekt.

    Wo viele große Steinpilze wachsen, werden die Augen groß und größer und sehen nichts anderes mehr :)

    Selektive Wahrnehmung


    Dass Mycelien mit 500m Abstand zu unterschiedlichen Zeiten massenhaft fruktifizieren habe ich auch schon erlebt. Das ist aber weniger spektakulär und damit nicht auffällig.

  • Hallo,

    Wenn in einem Waldstück Mengen an gleichartigen Pilzen zugleich erscheinen , kann es sich durchaus auch um ein einziges Myzel handeln.

    Die sind ja beim Springen von Wurzel zu Wurzel nicht größenbeschränkt.

    Grüße

    Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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  • Hallo,


    Vielleicht können die Mykologen hier im Forum mehr dazu sagen .


    Hier nur meine persönliche Meinung:

    Dass Fruchtkörper in möglichst großer Zahl gleichzeitig gebildet werden, hat wohl mit der geschlechtlichen Vermehrung der Pilze zu tun. Je mehr Sporen der eigenen Art gleichzeitig ausgebracht werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die richtigen zusammen finden.

    Das ist ja in der Natur nichts ungewöhnliches. Auch Pflanzen blühen zu unterschiedlichen Zeitpunkten gleichzeitig und Tiere treffen zur gleichen Zeit an bestimmten Orten zusammen, um sich zu paaren.

    Ich sehe das so, dass Pilze ein bestimmtes Zeitfenster haben, in dem sie fruktizieren und wenn dann die Verhältnisse (Feuchtigkeit, Temperatur usw.) stimmen, gleichzeitig ihre Fruchtkörper ausbilden, wobei dann die verschiedenen Arten unterschiedliche Zeitfenster u. Bedürfnisse haben oder auch einfach nur früher o. später darauf reagieren bzw. mehr o. weniger Zeit brauchen, um ihre Fruchtkörper auszubilden.

    Ich möchte aber noch eine weitere Theorie in die Runde werfen:

    Wenn es stimmt, wie einige behaupten, dass Pilze eine Art Netzwerk oder unterirdisches "Internet" bilden und über Botenstoffe Informationen austauschen, könnte es vielleicht auch sein, dass sie sich auf diese Art zum gemeinsamen Fruktizieren miteinander abstimmen.


    Liebe Grüße,

    Josef


    P.S. Wenn an bestimmten Stellen viele Fruchtkörper gleichzeitig erscheinen und an anderen Stellen nicht, stimme ich mit Norbert überein.

  • Grüß euch!

    Meiner Meinung nach fruchten miteinander verwandte Myzele gleichzeitig.

    Ein Myzel fruchtet immer ungefähr zur selben Zeit im Jahr.

    Das habe ich auch beobachtet, plus minus 2 Wochen je nach Witterung.


    Ok. Also auch ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht habe. Die selektive Wahrnehmung sollte man natürlich nicht außer acht lassen.

    Wenn in einem Waldstück Mengen an gleichartigen Pilzen zugleich erscheinen , kann es sich durchaus auch um ein einziges Myzel handeln.

    Die sind ja beim Springen von Wurzel zu Wurzel nicht größenbeschränkt.

    Das stimmt. Aber wie groß kann eigentlich so ein Steinpilzmycal werden?? Vom Riesen-Hallimasch weiß man ja, aber wie ist das bei Steinpilzen?


    Dass Fruchtkörper in möglichst großer Zahl gleichzeitig gebildet werden, hat wohl mit der geschlechtlichen Vermehrung der Pilze zu tun. Je mehr Sporen der eigenen Art gleichzeitig ausgebracht werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die richtigen zusammen finden.

    Das ist ja in der Natur nichts ungewöhnliches. Auch Pflanzen blühen zu unterschiedlichen Zeitpunkten gleichzeitig und Tiere treffen zur gleichen Zeit an bestimmten Orten zusammen, um sich zu paaren.

    Ich sehe das so, dass Pilze ein bestimmtes Zeitfenster haben, in dem sie fruktizieren und wenn dann die Verhältnisse (Feuchtigkeit, Temperatur usw.) stimmen, gleichzeitig ihre Fruchtkörper ausbilden, wobei dann die verschiedenen Arten unterschiedliche Zeitfenster u. Bedürfnisse haben oder auch einfach nur früher o. später darauf reagieren bzw. mehr o. weniger Zeit brauchen, um ihre Fruchtkörper auszubilden.

    Ich möchte aber noch eine weitere Theorie in die Runde werfen:

    Wenn es stimmt, wie einige behaupten, dass Pilze eine Art Netzwerk oder unterirdisches "Internet" bilden und über Botenstoffe Informationen austauschen, könnte es vielleicht auch sein, dass sie sich auf diese Art zum gemeinsamen Fruktizieren miteinander abstimmen.

    Das trifft genau die Frage die für mich auch so interessant ist. Dass viele Fruchtkörper zu besseren Vermehrungschancen führen ist klar. Aber ist diese Fruktifikation nur ein Ergebnis von Umwelteinflüssen oder von Kommunikation unter den Organismen?


    LG Bernhard

  • Hieß es nicht, dass sich ein Pilzmyzel nur mit einem Baum verbindet?

    Aber da das Zeug ja kein Lebewesen im herkömmlichen Sinn ist, wäre das ja nicht das Problem, wenn sich ein Myzel teilt und der andere Zeil eine andere Verbindung eingeht.

    Dazwischen können sich mit der Zeit dann andere Arten ansiedeln.

    Die Arten bei mir im Hof sind ziemlich durchmischt und die Fruchtkörper wachsen mal hier und mal da.

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

  • Hieß es nicht, dass sich ein Pilzmyzel nur mit einem Baum verbindet?

    Aber da das Zeug ja kein Lebewesen im herkömmlichen Sinn ist, wäre das ja nicht das Problem, wenn sich ein Myzel teilt und der andere Zeil eine andere Verbindung eingeht.

    Dazwischen können sich mit der Zeit dann andere Arten ansiedeln.

    Die Arten bei mir im Hof sind ziemlich durchmischt und die Fruchtkörper wachsen mal hier und mal da.

    Nun ja, wenn ein Myzel an den Wurzeln eines Baumes an Wurzeln eines anderen stösst , wird es sich (bei passendem Baum) einklinken - soweit nicht von "Vorbewohnern" gebremst.

    Die derzeitigen Erkenntnisse sagen ja , dass so der ganze Wald kommuniziert.

    Gruß

    Norbert

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    -15 für APR 2022 = 110

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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    • Offizieller Beitrag

    Salut!


    Ein einzelner Baum verbindet sich normalerweise mit ganz, ganz vielen Pilzen (bildet mehrere Mykorrhizaverbindungen). Und jeder einzelne Pilz verbindet sich - wenn möglich - auch mit mehreren Bäumen gleichzeitig. Ist ja auch logisch: Dadurch funktioniert die gegenseitige Versorgung einfach besser, falls mal der eine oder andere Partner unpässlich wäre.
    Ein (einigermaßen gesunder!) Wald ist komplett vernetzt. Der Informationsaustausch zwischen diversen Pilzen (also zwischen einzelnen Mycelien gleicher Art aber auch zwischen mycelien verschiedener Arten) funktioniert wohl vorwiegend über chemische Botenstoffe. An dem Austausch beteiligt sind aber nicht nur Mykorrhizapilze, sondern eigentlich alles, was zum hochkomplex verflochtenen Biotop gehört. Also Pilze aus allen ökologischen Nischen, Pflanzen und Tiere.

    Pilze sind insofern von hoher Bedeutung, als die Mycelien eben so flexibel sind, sich recht schnell ausbreiten, zurückbilden, umstrukturieren und natürlich in ihrer Weise auch fortbewegen können. Waldboden ist nicht in erster Linie "Erde" oder "Humus", sondern vor allem ein kompliziertes Geflecht aus Millionen von Lebenwesen. Damit das dann funktioniert und im Gleichgewicht bleibt, ist Austausch von Informationen ein notwendiger Schritt.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo!


    Dass es das Wood Wide Web gibt weiß ich.

    Gibt es Untersuchungen ob die Myzelien bzgl. des Fruchtungszeitpunkts miteinander kommunizieren?

    Ich weiß, etwas speziell, aber für mich eine hoch interessante Frage.


    LG Bernhard

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Bernhard!


    Mir ist jedenfalls nichts von solchen Untersuchungen bekannt.
    Es wäre allerdings schon zu erwarten, nur wissen wir eben so wahnsinnig wenig darüber, wie das alles in Wirklichkeit abläuft in einem Wald.
    Man könnte sagen, wir haben bislang allerhöchstens "an der Oberfläche gekratzt".



    LG, Pablo.