kleine schwarze Wiesenpilze mitten im Dorf

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 6.645 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Maria.

  • Hallo liebe Pilzfreunde,


    aus dem Auto heraus habe ich gestern neben einer Straße auf einer Wiese vor den angrenzenden Häusern eine größere Gruppe (ca. 20 Exemplare in einem Radius von 5 Metern) von scheinbar schwarzen Pilzen entdeckt. Da ich so etwas noch nie gesehen habe, machte ich ein paar Fotos. Vielleicht kann mir jemand die Gattung bestimmen.

    • Hutdurchmesser: 2-5 cm (im Durchschnitt 3 cm)
    • Hut schwarz/grauschwarz, glatt und trocken, in der Mitte deutliche Trichter, aus der die "Stielspitze zu sehen war" (so wie wenn man einen Nagel in ein Nagelbrett schlägt und noch ein letzter leichter Schlag nötig ist, damit die Oberfläche glatt ist)
    • Lamellen heller als der Hut und der Stiel, eher grau, mit der Lupe kein Kontrast zu den Lamellenschneiden, auch wenn Sie auf den Fotos im Licht heller erscheinen
    • sehr dünner Stiel, bis zu 5 cm, kein Ring, hohl, auffällig ist der weiße Filz an der Stielbasis und einige Pünktchen an der Stielspitze
    • Pilzchen bestehen fast nur aus Lamellen und Huthaut (kaum "Fleisch")
    • kein wahrnehmbarer Geruch
    • in der Eile habe ich es versäumt, Fotos von der Umgebung zu machen, es stand aber zumindest eine einsame Birke in einiger Entfernung
    • Sporenpulver: ich habe über Nacht auf weiß und schwarz aussporen lassen, auf schwarz nichts zu erkennen und auch auf weiß nur einige gräuliche Flecken, für mich zu wenig für eine Aussage
    • nach einer Nacht sind die Pilze stark verschrumpelt und eingelaufen, die Lamellen lassen sich jetzt sehr gut von der Huthaut lösen (vorher nicht versucht), Huthaut jetzt sehr dünn wie durchsichtiges Pergament

    Spekulation auf Gattung: Rötling (aber nur, weil alles andere, was ich besser kenne, noch schlechter passt)


    1 Unebenheit durch Stiel in der Mitte der Krater


    2


    3 und 4 einige helle Pünktchen an der Spitze



    5


    6 weißlicher Filz an der Stielbasis, einige helle Pünktchen an der Spitze


    7 ("Schnittbild" ohne Messer, konnte man per Hand auseinanderziehen), Stiel grau und hohl


    Allen einen schönen Sonntag

    Uwe

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Uwe!


    Das sind Rötlinge aus der Untergattung Leptonia.

    Mit den arg dunkelblauen, teils ins Schwarze spielenden Farben auf Hut und Stieloberfläche und den deutlich schwarzblau pigmentierten Lamellenschneiden könnte das Entoloma serrulatum (Gesägtblättirger Rötling) sein. Leptonien sind allerdings kompliziert, und ohne mikroskopische Untersuchung (Huthauthyphen, Cheilozystiden / Lamellenschneide, subbasidiale Schnallenverhältnisse und Sporenform & -größe) sind die nicht zuverlässig bestimmbar.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo, hallo Beli,


    vielen Dank für die Bestätigung meiner Gattungsvermutung. Mir fehlt offensichtlich noch der Blick zur Erkennung von Farbnuancen. Pablo sieht "deutlich schwarzblau pigmentierte Lamellenschneiden". Jetzt, wo er es sagt... :/


    Also soeben noch einmal zurück zum Schauplatz zur Beschaffung von frischem Material, dieses Mal mit Verstärkung in Person meiner Tochter. Und siehe da: Ohne, dass ich im Vorfeld gequatscht habe, sieht sie einen Blaustich. Und die Lamellenschneiden sind in der Tat eindeutig dunkler.


    Im Pilzkompendium von Ludwig fand ich beim ersten Bildvergleich als mögliche Kandidaten noch lepidissimum (fällt weg wegen "Lamellenschneiden stets gleichfarben" und Hut "0,5 - 2,5 (3) cm", meine Exemplare waren zum Teil größer) und corvinum (auch LS "gleichfarbig" und noch kleiner), beide Varianten habe ich daher gestrichen.


    Beim Blaublättrigen Rötling (chalybaeum) ist bei Lamellenfarbe angegeben "jung blaß bis kräftig blau oder graublau (nie reinweiß"), bei LS "gleichfarbig oder - oft nur streckenweise - dunkler (graubraun bis braun, nicht blau)". Bei der Hutform "konvex-genabelt, seltener konvex-ungenabelt, permanent glockig oder auch mit winziger Papille".


    Bei Gesägter Rötling(serrulatum) steht dort bei Lamellenfarbe "anfangs blaßblau [auch weißlich, graubeige, blaß lila oder dkl. blau], dann zunehmend mit rosa Ton" und bei LS "tief schwarzblau [selten nur in Hutrandnähe zu gesäumt], später dkl.-blaugrün bewimpert (fein gesägt)". Das "fein gesägte" sehe ich jetzt wirklich nicht, oder sieht das jemand anders auf meinen Bildern oben? Auf den Bildern bei 123pilze und hier und hier sieht das doch deutlicher aus. Beim Hut steht bei Ludwig "[anfangs halbkugelig, kegelig-konvex] schon frühzeitg flach konvex mit deutlichem Nabel [auch ohne]". Allerdings sehen die Hüte bei 123pilze "meinen" Exemplaren sehr sehr ähnlich.


    Die Lamellenfarbe ist bei "meinen Exemplaren" auch bei kleinen/jungen Exemplaren nicht so hell wir die Bilder auf 123pilze.

    Bei beiden erwähnt wird die Mittelrille des Stiels.


    Beide Kandidaten bleiben daher für mich im Rennen. Müsste ich den 50:50-Joker nehmen, würde ich mich aufgrund der für mich nicht erkennbaren "gesägten Lamellen" für den Blaublättrigen entscheiden, der wäre aber laut 123pilze RL1 (vom Aussterben bedroht), wohingegen der Gesägte "nur" RL3 ist. Selten sind somit wohl beide, wofür auch die wenigen Treffer bei der erweiterten Suche dieses Foums sprechen.


    Hier gab es eine ähnliche Anfrage, bei der es auch auf die beiden Kandidaten hinauslief.


    Ich freue mich jedenfalls sehr darüber, dass ich bei der Gattung richtig lag, und über meinen seltenen Erstfund.


    Beste Grüße

    Uwe


    (Wenn die Bewohner des Hauses oben mich noch einmal erst parkend vor ihrem Grundstück und dann kniend auf ihrem Rasen beobachten, werden wohl Fragen aufkommen, daher hake ich das Thema zunächst ab.)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Uwe!


    Ich sag's mal so: Für noch mehr Sicherheit müsste man sich angucken, wie die Lamellenschneide im Mikroskop aussieht. Und die Sporenform und die Inkrustierung der Huthauthyphen.

    Was ich auf deinen Bilder sehe: Sehr dunkle (teils fast schwarze) Fruchtkörper, was schon mal die blasseren Arten mit pigmentierten Cheilozystiden (= blaue oder graue Lamellenschneiden) ausschließt. In den Lamellen sehe ich zumindest auf den Bildern einen deutlichen Blauton (was Beli wohl auch zu der Idee mit Entoloma chalybaeum gebracht hat).
    Die Lamellenschneiden sind bei deinem Fund nicht durchgehend blau, aber man sollte auch nicht immer damit rechnen, daß Pilze sich daran hallten, wie wir meinen, daß sie aussehen sollen.
    Die härtesten, makroskopischen Merkmale sind in dem Fall: Farbspektrum von Hut- und Stieloberfläche + Farbe der Lamellenschneiden (egal ob durchgehend oder unterbrochen). Und damit ist halt Entoloma serrulatum die mit abstand wahrscheinlichste Lösung - mit der Restunsicherheit, daß ein Blick durchs Mikroskop das nochmal in Frage stellen könnte.



    LG, Pablo.

  • Hallo Ihr,


    ich finde ja immer wieder einmal Rötlinge, darunter einen der makroskopisch von Gerhard Wölfel als Entoloma serrulatum bestimmt wurde. Die Lamellen waren bisher immer ziemlich weiß, nie so grau-bläulich wie oben gezeigt. Ich füge einmal zwei Fotos zum Vergleich ein.


    Liebe Grüße


    Maria


  • Hallo Maria, hallo Pablo,


    vielen Dank. Auch auf Marias Bildern sieht mein ungeschultes Auge sehr viel deutlicher die "gesägte" Ausprägung. Tja, während andere hier im Forum am Wochenende die 1-Millionen-Frage- abgeräumt haben, bin ich dann wohl mit meinem 50:50-Joker gescheitert. Hätte wohl Pablo anrufen oder aussteigen sollen :rolleyes:


    Habe noch ein wenig recherchiert. Auf entoloma.de (was es alles für Seiten gibt) finde ich chalybaeum gar nicht erwähnt. In Gminders "Handbuch für Pilzsammler" steht bei Artenzahl für "D-CH-A" die Zahl 250 und weiter:

    Zitat

    Gruppe 2: Fruchtkörper mit blauer Hut- und/oder Stielfarbe. Diese Gruppe wird noch weiter unterteilt in Arten mit blauer Färbung von Hut und Stiel sowie in Arten, bei denen nur einer der beiden Fruchtkörperteile blau gefärbt ist. Hier wird dann nochmals unterschieden, ob die Lamellenschneiden dunkel gefärbt sind oder nicht. Diese Gruppe 2 umfasst in Europa alleine schon 100 Arten, die größtenteils selten und rückläufig sind [..].

    Ich freue mich daher umso mehr über meinen Erstfund, hatte bisher nie einen Rötling aus dieser artenreichen Gruppe.


    Beste Grüße aus dem Ruhrgebiet

    Uwe

  • Hallo Uwe,


    nicht verzweifeln sondern einfach nur freuen, egal was es ist :)

    Und ja, vor noch nicht allzu langer Zeit habe ich auch begeistert die geläufigsten Speisepilze gepostet und ganz ehrlich - ich freue mich immer noch darüber. Und weißt Du auch warum? Einmal weil sie mir schmecken, dann weil ich vor nicht allzu langer Zeit nicht viel mehr Pilze kannte und dann, ja dann bin ich in eine Gegend gezogen in der man zwar die seltensten Pilze finden kann aber nicht unbedingt sehr zahlreich die Massenware Marone und Co. ;)


    Rötlinge finde ich hier immer wieder und ganz am Anfang war ich auch leicht am Verzweifeln aber nun bin ich einfach nur glücklich überhaupt zu erkennen, dass es Rötlinge sein könnten und das ich sie hier finden kann. Mir reicht dies erst einmal völlig aus.

    Ich glaube, man muss sich wirklich auf Rötlinge spezialisieren um in den meisten Fällen makroskopisch etwas sagen zu können wobei ich hier niemandem, aber auch wirklich niemandem! zu nahe treten will. :)

    Freue Dich einfach, so wie ich es auch tue, solche Pilze überhaupt gesehen, entdeckt zu haben! Und sind die nicht einfach wunderschön?


    Liebe Grüße


    Maria