Hallo, Leute!
Hier nun also der angedrohte zweite Teil der schleierhaften Bestimmungsversuche des Herbstes.
Teil 1 findet sich >hier<, falls es jemanden interessiert.
Kollektion 2019/08
Bei Wiesbaden in einem kleinen Graben (Südhang, aber schattig und bachnah) auf +/- saurem Untergrund bei Rotbuchen, Eichen, Hainbuche; vergesellschaftet mit Cortinarius cf. talus (siehe nächster Pilz) und Tricholoma saponaeum (hellhütige, glattstielige Form).
Geruch uncharakteristisch; Lamellen und Trama (vor allem Stielsitze) violettblau, Stielspitze ebenfalls bläulich.
Auffallend: Die deutlich radialstreifige Huthaut mit den dunklen Flecken und Marmorierungen, die beim Antrocknen nicht wirklich umfärben.
Stiele mit abgesetzter, rundlicher Knolle (nicht oder nur stellenweise undeutlich gerandet);
Stieloberfläche längsstreifig und nahezu glatt - also kaum Velum feststellbar;
Leider: Im kaum auffindbaren Velum am Stiel waren Sporen noch weniger auffindbar. Ein Hut wurde noch zum Absporen gebracht, aber das Ergebnis muss wohl ignoriert werden, das sieht nach einem typischen Notreifeabwurf aus, dann wären sowohl Sporenmaße als auch Ornamentierung nahezu ohne Aussagekraft.
Bernds spontaner Gedanke bei der Ansicht im Feld war "Sollte man mal mit Cortinarius riederi vergleichen".
Wobei es nict ganz einfach ist, zu der Art gute Vergleichsdokumentationen zu finden, und um den mit FN zu schlüssseln bräuchte man die Sporen (also reife Sporen, nicht sowas wie hier).
Mit Biegen und Brechen käme ich auch mit dem FN - Schlüssel zu riederi, wenn ich bei Sporenmerkmalen jedes Mal beide Alternativen schlüssele - meistens lande ich dann im Nirvana, bei riederi oder ein bis zwei anderen, ähnlichen Arten.
Kollektion 2019/07
Das ist der mit dem oben dokumentierten "Cortinarius cf riederi" vergesellschaftet wachsende Pilz.
Lustig dabei: Die wuchsen quasi durcheinander und sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus, vor allem die Hutoberflächen.
Hier ist das Farbspektrum allerdings etwas anders, die "Streifen" tatsächlich teils schwach hygrophan; blau- und violettöne fehlen völlig, Stielvelum ist deutlich ausgeprägt und die Stielbasis deutlicher gerandet (wenn auch nicht bei jedem Fruchtkörper durchgehend). Der intensive Honiggeruch der Stielbasis im Schnitt führt dann schon im Feld zu einer Art der Multiformes; ausgehend von Huthautmerkmalen, Stielbasisausprägung, Sporen und Standort komme ich mit Funga Nordica sowie dem JEC - Artikel von 2014 zur Sektion Multiformes von Brundrud et Al. hier ziemlich glatt zu Cortinarius talus.
Kollektion 2019/04
Was dann allerdings doof ist: Wenn der zuvor gezeigte Pilz Cortinarius talus wäre, dann müsste der hier was Anderes sein.
Was ich mir hätte gleich denken können, weil bei keinem Fruchtkörper auch nur ein Hauch von Honig feststellbar war.
In diesem Sinne noch mal zurück zu dem schönen Phlegmacien - Tag bei Spechbach, wobei dieser Fund nicht zusammen mit caerulescens, bergeronii und splendens an der famosen Böschung wuchs, sondern weiter hinten im Wald, wo der Boden sauer wird (obreflächensaurer Löß), und die meisten Phlegmacien in der Umgebung folglich Cortinarius anserinus und Cortinarius infractus heißen.
Im Wegrand - Bereich eines schönen Rotbuchenbestandes (eingestreute Eichen und Fichten) halten sich aber auch einige eher Pilze mit eher basischen Bodenansprüchen wie diverse Schnecklinge (zB discoxanthus & chrysodon) und die klassischen Begleiter von basischen Wegrändern in neutralen bis sauren Gebieten wie Hortiboletus rubellus...
Zum Pilz: Null Blautöne, null KOH - Reaktionen, Geruch für mich uncharakteristisch.
Auffallend: Die recht dauerhaften, aber feinen, angeklebten weißen Velumflecken auf den Hüten und die helle, hübsch ockergelbe Huthaut mit einzelnen, irgendwie hygrophan wirkenden Streifen und Pünktchen.
Nach einem etwas gründlicheren Schlüsselversuch komme ich dann auch nicht mehr zu talus, sondern zu Cortinarius xantho-ochraceus. Was beim Vergleichen (und den Mutmaßungen, welche Beschreibungen und Bilder zuverlässig sein könnten) sogar einigermaßen plausibel wirkt.
Kollektion 2019/00
...ist vermutlich zusammen mit dem eingangs dokumentierten "cf riederi" die wackeligste Kollektion:
Weil eigentlich zu wenig Fruchtkörper und allesamt unreif, noch viel zu jung, null Sporen verfügbar. Solche Kollektionen sollte ich eigentlich stehen lassen. ebenso wie Einzelfruchtkörper (habe ich konsequent gemacht) und Kollektionen ohne junge Fruchtkörper (habe ich mich ebenfalls dran gehalten).
Der hier musste trotzdem mit. Die Dinger waren so dick und groß und wow!, ich konnte nicht widerstehen.
Gefunden schon am 12.09.2019; Westrand Südschwarzwald in der Nähe vom Schlüpfingerhof (zwischen Landeck und Freiamt-Ottoschwanden); auf Muschelkalk bei Roteichen, sowie einer der beiden europäischen Eichenarten, Pappel, Hainbuche und Rotbuche, auf der anderen Wegseite wären auch noch Lärche, Weißtanne und Hasel im Angebot.
Die Fruchtkörper saßen direkt am wegrand, in total zerwühlter Erde (Rückearbeiten?), zwei von insgesamt fünf waren schon umgeschubst.
Auffallend & (vielleicht) wichtig:
null Violettöne in jungen Lamellen, an Stielbasis und in Trama, Velum teils aber mit ganz blassem Violettschimmer. Vleum (sollte Velum heißen, aber den Tippfehler lasse ich stehen. "Vleum" klingt toll, ein wenig nach "Flaum") an Stielbasis gar nicht violett aber auffallend kräftig ocker verfärbend;
Trama extrem fest und kompakt und weiß und mit aufregend fruchtig-aromatischem Geruch;
Hut auch in der Mitte mit reichlich festgeklebter (!) Erde, Laubfitzelchen und Krimskrams, der sich nicht abpusten oder abwischen lässt. Witterung am Fundtag war zwar trocken und warm, aber diese Hüte müssen initial durchgehend schleimig gewesen sein.
Wenn man das so vor sich hin schlüsselt, landet man so am ehesten bei Cortinarius balteatocumatilis.
Zu den Variecolores sollte der auf jeden Fall gehören (siehe KOH - Reaktion), und die Erdstinker sowie largus kann ich schon mal ausschließen.
Kollektion 2019/06
Der ähnelt ganz arg der eben vorgestellten Art, dürfte aber letztlich was Anderes sein.
Gefunden am 20.10., im Parkgelände der Rehaklinik Heidelberg-Kohlhof. Da wären wir beinahe achtlos vorbeigelatscht, weil der so auf den ersten Blick aussieht wie Cortinarius variecolor und Cortinarius nemorensis (wenn man die trennen will / kann). Cortinarius variecolor ist in dem Park bekannt und an mehreren Stellen zu finden (bei Laub- und Nadelbäumen).
Irgendwie hatte ich an denen hier dann doch mal geschnuppert, und hoppla. Riecht nicht nach variecolor, sondern riecht nach dem zuletzt dokumentierten Cortinarius cf balteatocumatilis.
Standort ist eigentlich bodensauer (gibt in der unmittelbaren Umgebung auch Sachen wie Boletus edulis, Cortinarius triumphans, Amanita muscaria und sowas), wobei minimaler basischer Einfluss durch die Weganlagen nicht ausgeschlossen ist. Potentielle Mykorrhizapartner: Birke & Fichte, die nächste Hainbuche ist schon etwa 15 bis 20 Meter entfernt, wobei sich Lactarius circellatus auch schon mal 10 oder mehr Meter von dieser Hainbuche weg bewegt.
Auffallend und vielleicht wichtig:
Die sich über die Minuten verstärkende KOH - Reaktion;
Das teils in schicken violetten Zonen um die Stielbasis gelegte Velum, das aber kaum ockerlich verfärbt
Die trockene, schülferige Hutmitte
Fleischkonsistenz ist ebenso hart und fest und kompakt wie beim obigen Fund.
Wenn man dem nachgeht, kommt man am ehesten zu Schwestertaxon von balteatocumatilis, nämlich zu Cortinarius balteatus.
Kleine Beobachtung am Rande: In den Großpilzen BaWü scheint da was vertauscht zu sein. Da wäre balteatocumatilis der mit den violetten Velumbändern an der Stielbasis.
Das wäre dann gemessen an diesen beiden Kollektionen arg verwirrend, nach FN passt es aber recht gut zusammen.
Sodele, für dieses Jahr wäre die Phlegmacienbeobachtung eingestellt. In den meisten Gegenden gab es mittlerweile zu viel Bodenfrost, der zu viele Merkmale zu stark beeinträchtigt als daß noch zufriedenstellende Bestimmungsversuche möglich wären.
Spaß hat's gemacht, und ich freu mich schon auf den kommenden Herbst.
LG, Pablo.