Moor-Highlights aus dem Norden !

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  • Letztes Wochenende waren wir mal wieder zum Pilzesuchen im Breesener Moor in Nordwestmecklenburg – wir, das sind Torsten Richter (TR), Vorsitzender des Rehnaer Pilzvereins, und ich (CE), einfacher Freizeitmykologe aus Lübeck. Mal wieder heißt, wir hatten dieses Gebiet in den letzten drei Jahren schon 15mal gemeinsam aufgesucht, um die dortige Pilzwelt zu erkunden. Da das Torfabbaugebiet aktuell immer noch gemanagt wird, führen Änderungen der Wasserstände und größere Erdbewegungen immer wieder auch zu Änderungen in der Pilzflora. Bisher gab es bei unseren zwei- bis dreistündigen Exkursionen fast immer ganz besondere und überraschende Pilzarten zu entdecken – und auch dieses Mal, Ende November bei feucht-milder Witterung, sollte sich das Breesener Moor wieder als Highlight und Hotspot für ganz besondere Pilze erweisen!



    Breesener Moor im November. Foto: CE


    Schon auf dem kurzen Fußweg von der Straße ins Moor fällt uns rechter Hand ein größerer Bestand Beinwell auf – Torsten hatte schon im Kopf, was dort vielleicht zu finden sein könnte. Und tatsächlich, schon nach ein oder zwei Minuten gezielter Suche an der Basis der Beinwellpflanzen finden wir beide zeitgleich die gesuchte Kostbarkeit: Hemimycena candida, einen hübschen kleinen Scheinhelmling, der an Wurzeln von Beinwell wächst.



    Hemimycena candida an Beinwell. Foto: CE


    Auch die weiteren zweihundert Meter zum Moor sind wir versucht anzuhalten, weil zum Beispiel links aus der Hecke frische Judasohren leuchten, ein kräftiger Feuerschwamm zum Anschauen einlädt und an herabgefallenen Blättern und Zweigen so manche Kleinpilze zu vermuten sind – aber wir wollen ja weiter, ins Moor, und hoffen dort in speziellen Habitaten und an besonderen Substraten wieder ungewöhnliche Pilze zu finden.


    Gleich zu Beginn fallen uns zwischen liegenden Juncus-Stängeln und auf torfigem Boden scharenweise kegelige Helmlinge auf – die nehme ich zur näheren Bestimmung mit. Die mikroskopische Untersuchung zu Hause zeigt, daß es sich tatsächlich um den „Kegeligen Helmling“. Mycena metata handelt. Dessen igelige Zystiden sind unter dem Mikroskop ein optisches Leckerli !



    Mycena metata mit Mikromerkmalen. Fotos: CE


    Die überall feucht liegenden Stängel haben aber noch mehr zu bieten: auf alten Juncus-Stängeln wächst eine Hypocrea, offenbar mit grünen Sporen. Auch diese Arten sind mikroskopisch sehr interessant, weil sie 16-sporige Asci aufweisen. Nach einem im Internet gefundenen Schlüssel lande ich bestimmungstechnisch bei Hypocrea spinulosa. Ob das aktuell so (noch) stimmt, weiß ich nicht, denn wie so mancherorts hat sich taxonomisch und artentechnisch bei den Hypocreales in letzter Zeit doch einiges getan!



    Hypocrea spinulosa auf Juncus. Foto: CE


    Sehr hübsch anzusehen sind im moorigen Gelände die zahlreichen Torfmoos-Schwefelköpfe Hypholoma elongatum, von denen ich sicherheitshalber auch einige zur Bestimmung einsammle.



    Hypholoma elongatum mit Mikro-Merkmalen. Foto: CE.


    Unter den kleineren Arten erfreuen mich noch auf einem von Torsten aufgehobenen Stängel die Fruchtkörper des Gemeinen Kugelschnellers Sphaerobolus stellatus.



    Sphaerobolus stellatus. Foto: CE.


    Als in diesem Moment eine rund 20-köpfige Wildschweinrotte nahe vorbeigallopiert, haben wir den Eindruck, wir sollten unsere Pilzsuche vielleicht lieber auf der anderen Seite des Moores fortsetzen.


    Während auf der Ferne ein Kolkrabe ruft und ein Seeadler vorüberfliegt, notieren wir im Vorbeigehen noch „Allerweltsarten“ wie Rotrandigen Baumschwamm, Violetten Knorpelschichtpilz, Schmetterlingstramete, Grünblättrigen Schwefelkopf und Dickschaligen Kartoffelbovist. Uner Ziel ist ein größerer, inzwischen durch Entwässerung fast schon trockengefallener Röhrichtbestand, wo wir in der Vergangenheit schon öfter tolle Funde gemacht haben. Und auch heute sollten wir nicht enttäuscht werden! Eines der Highlights für mich fand sich bald an jedem zehnten alten Schilfstängel: dort wuchsen an vorjährigen, feucht liegenden Schilfblättern in Scharen kleine weiße Schirmpilzchen: Marasmius limosus, der Schilf-Schwindling, fühlt sich offenbar in genau diesem Habitat sauwohl.



    Marasmius limosus an Schilf. Foto: CE


    Ein abschließender Gang durch ein kleines Wäldchen am Ein- bzw. Ausgang des Moores erbrachte dann noch einmal Arten mit ganz anderen Habitatansprüchen. Am Waldrand zunächst in größerer Zahl auffällige Lacktrichterlinge, die ich zu Hause aufgrund der breitelliptisch bis subglobosen Sporen von 6,3-9 x 5,9-6,8 µ und angedeuteter lila Färbung im Schnitt der Stielbasis vorsichtig als Laccaria bicolor, den Zweifarbigen Lacktrichterling, ansprechen würde. Ihr könnte euch ja gerne das Foto hier nochmal anschauen:



    Die Sporenmaße führen mich hier zu Laccaria bicolor. Foto: CE


    Warum ich nicht gleich darauf kam, daß es sich bei dem auffallenden weißer, auf der Unterseite zwweifarbigen Porling, der dachziegelartig an einem liegenden Ast wuchs, tatsächlich um den Zweifarbigen Porling Gelatopora dichroa handelte, muß ich wohl meiner Vergeßlichkeit zuschreiben – denn die Art habe ich in der Vergangenheit schon mehrmals gesehen. Als Torsten mir später den Namen verriet, fiel es mir natürlich gleich wieder ein. Ich meine, daß diese Zweifarbigkeit schon makroskopisch zumindest einen guten Hinweis auf die Identität des Pilzes gibt!



    Gelatopora dichroa. Foto: CE


    Und auch der Name eines weiteren, im Feld eigentlich schon eindeutigen Pilzes fiel uns beiden erst nachträglich ein: bei der Exidia am Fichtenstamm handelte es sich um Exidia pithya, den Teerflecken-Drüsling – bei Trockenheit sieht man von dem nur einen schwarzen Belag, aber jetzt bei dem feuchten Wetter zeigte er sich sehr schön aufgequollen.



    Exidia pithya. Foto: CE


    Tja, und das im Wäldchen liegende Totholz erwies sich bei näherem Hinsehen als alles andere als tot: darauf lebten zahlreiche Arten wie Mycena speirea, Macrotyphula fistulosa, Chaetosphaerella phaeostroma, der Winterstielporling Polyporus brumalis und einige andere.



    Polyporus brumalis mal in die Poren geschaut. Foto: TR


    Torsten, dem es besonders die kleinen Ascomyzeten angetan haben, findet und bestimmt noch Paorobiliopsis minuta auf harter Birkenrinde.



    Paorobiliopsis minuta. Foto: TR


    Einige kleine Hutpilze mit kurzem lateralen Stiel kann Torsten gleich vor Ort als zur Gattung Simocybe gehörig ansprechen. Aber welche Art? Die Mikromerkmale wie Sporengröße gegen 11 µ, kopfige, an der Spitze maximal um 6 µ breite Cheilozystiden und das offenbare Fehlen deutlich blasiger Elemente in der Huthaut führen uns zu Simocybe haustellaris (Simocybe rubi).



    Simocybe haustellaris (Simocybe rubi). Foto: TR


    Merismodes confusa, der „Wirre Harrschüssselrasen“, läßt sich nur anhand der Sporenbreite von dem makroskopisch identischen „Gelbbraunen Haarschüsselrasen“ Merismodes anomala unterscheiden, war also auch etwas für die Nacharbeit zu Hause.



    Merismodes confusa. Foto: CE


    Überhaupt kommt die eigentliche Bestimmungsarbeit und viele Aha-Effekte ja meist erst zu Hause, in den Tagen danach. So schreibt mir Torsten ein paar Tage später, als die meisten Funde nachbearbeitet und bestimmt sind, noch von weiteren Knallern: "...habe gerade auf dem Salixast mit Orbilia eucalypti einen Erstnachweis entdeckt: Hyphodiscua theiodeus.... habe ich noch nie gesehen!" Was bei Torsten einiges heißt! Und noch etwas später: "Ich habe gerade noch eine unbeschriebene Art unterm Mikro - aus Breesen natürlich!"


    Und dann: „Kein Wunder, wer sammelt in solchen Biotopen.....nur wir Beide; und dann muß man auch noch die unbeachteten Substrate beachten..... unsere Wanderung war jedenfalls SUPER.“

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Bis zum nächsten Mal, wenn wir uns verabreden: „Auf nach Breesen!“



    Chris (re.) & Torsten (li.) im ehemaligen Torfabbaubereich von Breesen. Foto: TR


    Sollte jemand Lust bekommen haben, selbst mal in einem solchen Biotop zu suchen, können wir das nur empfehlen – man findet jedenfalls andere Arten, als wenn man immer nur im Wald und auf der Wiese herumkriecht. Und sollte jemandem in diesem Bericht bemerken, daß uns ein Fehler unterlaufen ist – gerne gleich heraus damit, denn wir lernen immer noch dazu. Das ist überhaupt das Großartige an der Mykologie: daß man sie nie völlig ausschöpfen kann, sondern immer wieder Neues findet.


    Chris Engelhardt, Lübeck

  • Hallo,

    Einfach schön , gerne bin ich da virtuell mitgegangen.

    Grüße

    Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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  • Was für ein stimmungsvoller Beitrag, Chris!

    Ich habe ihn von der ersten bis zur letzten Zeile genossen!

    Man hört die Wildschweine förmlich galoppieren, sieht den vorüberfliegenden Seeadler und hört den vertrauten Ruf des Kolkraben.

    Und das Schlussbild gemeinsam mit Torsten ist genau der Punkt aufs i. :thumbup:

    Ein paar Bemerkungen noch.

    Die überall feucht liegenden Stängel haben aber noch mehr zu bieten: auf ihnen wächst eine Hypocrea, offenbar mit grünen Sporen. Auch diese Arten sind mikroskopisch sehr interessant, weil sie 16-sporige Asci aufweisen. Nach einem im Internet gefundenen Schlüssel lande ich bestimmungstechnisch bei Hypocrea spinulosa. Ob das aktuell so (noch) stimmt, weiß ich nicht, denn wie so mancherorts hat sich taxonomisch und artentechnisch bei den Hypocreales in letzter Zeit doch einiges getan!

    Womit hast Du geschlüsselt?

    Zu den grünsporigenen Hypocrea-Arten gibt es eine wunderbare Arbeit von Walter Jaklitsch. Kannst Du hier downloaden, fall Du sie noch nicht kennst.


    Der Beinwell-Scheinhelmling steht bei mir noch auf dem Wunschzettel.

    Den Schilf-Schwindling hast Du wunderbar portraitiert, eine Art, die ich seit mehreren Jahren nicht mehr fand.

    Und den Teerflecken-Drüsling kenne ich tatsächlich nur als schwarzen Fleck. Schön, ihn mal frisch zu sehen.

    Das ist überhaupt das Großartige an der Mykologie: daß man sie nie völlig ausschöpfen kann, sondern immer wieder Neues findet.

    Oder wie einst Isaac Newton sagte "Was wir wissen, ist ein Tropfen; was wir nicht wissen, ein Ozean."

    Ich hoffe auf noch viele solch großartiger Beiträge von Dir, auf dass sie unser Wissen erweitern mögen.


    Liebe Grüße

    Nobi

    Hier geht es zu meinen Themen.

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    Chips: 72

  • Hallo Chris


    Großartig , besonderes Marasmius limosus . Hab über 15 Km (3 Tage) rund um Waginger See Schilf untersuchen und kein gefunden , aber Mycena belliae ja


    LG beli !

  • Hallo Chris, das ist ja grandios, was Ihr im Moor entdeckt und dann auch noch fabelhaft fotografiert habt. Der Winterstielporling hat mich am meisten beeindruckt. Da lohnt sich wirklich der Blick durch die schaffen Augen. Den hätte ich nie mit solchen „gefährlichen“ Stacheln vermutet.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Hallo Chris, hallo Torsten!

    Ein wundervoller Bericht! Ach, wie schön, wenn man da mitgenommen wird. Ihr habt so tolle Fotos gemacht von den ganzen kleinen Schönheiten.

    Die Marasmien, das Polyporusdetail und die Rasenschüsselchen gefallen mir am besten. :)