Prunus serotina vs Prunus padus oder aber Taphrina - The Neverending Story

Es gibt 24 Antworten in diesem Thema, welches 13.613 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mykologicus.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    nur damit es nicht verwundert. Den Titel und das Unterforum des Threads habe ich bewusst so gewählt.


    Es geht um die Unterscheidung zwischen der einheimischen "Frühblühenden" Traubenkirche Prunus padus und der nicht einheimischen, zunächst absichtlich gepflanzen aber inzwischen stark invasiven "Spätblühenden" Traubenkirsche. Ich habe einige Naturfreunde, welche Jungexemplare letzterer rigoros herausreisen, aber das nur mal so am Rande.

    Bis vor kurzem habe ich schließlich die Spätblühende Traubenkirsche gefunden. Seit 2-3 Wochen aber begegnet mir unsere einheimische immer öfter; bevorzugt in Bachtälern. Zudem möchte ich gerne ein paar markante und teilweise recht häufige Arten vorstellen und Fundanregungen geben.


    Ein Unterscheidungskriterium ist die Blühzeit. Die deutschen Namen kommen nicht von ungefähr. Das "Früh" und das "Spät" sind aber stark von Region und Höhenstufe abhängig. Für mich aber sind die Blätter das wichtigste Unterscheidungsmerkmal. Die Blätter von Prunus padus sind matt (nicht glänzend) und die Blattnerven sind eingesenkt, bzw. erhaben, je nachdem welche Seite des Blattes man betrachtet. ==Gnolm7


    Bilder meines Erstfundes der Art vom 23.4.







    An dieser wächst Taphrina padi, die mir leider noch fehlt. ==Gnolm6 Ulla hat die Art aber hier sehr schön vorgestellt. Die Narren sind los


    Prunus serotina hingegen hat fast glatte Blätter (Blattnerven fast nicht eingesenkt), glänzende Blätter mit deutlicher Wachsschicht. Fotos von heute; "leider" sind die Blätter nass. Bilder von trockenen ergänze ich gerne.





    An dieser wächst Taprina farlowii, die ich schon mal vorgestellt habe.



    Die ganze Gattung Tahprina ist sehr spannend. Alle mir bekannten Arten lösen immer irgendwelche Deformationen oder Wucherungen aus, indem sie das Pflanzengewebe zum atypischen Wachstum anregen.


    mehr oder weniger bekannte Beispiele: Pfirsichkräuselkrankheit - Taphrina deformans Phytoparasiten/Wucherlinge/Taphrina_deformans


    Narrentasche von Pflaumen - Taphrina pruni



    Wer von euch Roteichen in der Nähe hat, kann auch mal nach Taphrina caerulescens suchen. Taphrina caerulescens – Plant Parasites of Europe


    Recht bekannt ist auch noch Taphrina alni, die gerne Erlenzapfen befällt Taphrina alni | (Obligat) Phytoparasitische Kleinpilze


    oder aber Taphrina betulina, welche die Hexenbesen an Birken hervorruft. Hexenbesen an der Birke auf Arbofux - Diagnose-Datenbank für Gehölze


    Taphrina-Arten bilden selbst keine Fruchtkörper aus. Die Asci werden "nackt" direkt auf den entsprechenden Oberflächen gebildet. Ein wichtiges Bestimmungsmerkmal ist, ob die Asci eine sterile Fußzelle haben oder nicht. Ein Apikalaparat existiert nicht. Die Asci platzen bei Sporenreife einfach auf. Danach ist aber teilweise immer noch die typische keulenförmige Form der Asci zu erkennen.



    So langsam geht die Taphrinazeit los und es lohnt sich wirklich mal danach Ausschau zu halten. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr eure Funde zeigt. Bis jetzt warte ich noch in 2020 auf meinen ersten Taphrina-Fund.


    Viel Spaß auf der Jagd.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

    • Offizieller Beitrag

    Spannend. ==Gnolm26 Zum Substrat magst du dich noch nicht äußern? Auf jeden Fall bin ich gespannt, was daraus wird.


    l.g.

    Stefan

  • Mit Substrat ist es ja einfach ;) Ist tatsächlich auch T. farlowii, die offenbar keine Lehrbücher liest. Wuchs auf Prunus serotina und die Ascuslänge im Bereich 20-30 µm paßt auch zu T. farlowii. Nur das Wachstum an Früchten nicht. Interessanterweise hat sie das an dem Baum letztes Jahr aber schon genauso gemacht.


    Björn

  • So langsam geht die Taphrinazeit los und es lohnt sich wirklich mal danach Ausschau zu halten. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr eure Funde zeigt.

    Das ist in der Tat eine spannende Gattung, Stefan!:thumbup:

    Ich bündele hier also meine wenigen Funde, die ich alle bereits weit verstreut in diesem Forum gezeigt habe.

    Los geht's mit Taphrina padi (Traubenkirschen-Narrentasche) an Prunus padus, der Gewöhnlichen Traubenkirsche (BW, Kaiserstuhl, 2011)


    38514004fd.jpg


    Und hier Taphrina alni, die Erlen-Narrentasche an Alnus incana, der Grau-Erle (BY, Fichtelgebirge, Fichtelsee, 2019)


    38514010dp.jpg


    sowie an Alnus glutinosa, der Schwarz-Erle (MV, Pälitzhof, 2019)


    38514011bt.jpg


    Abschließend noch Taphrina pruni, die Pflaumen-Narrentasche, an Hauspflaume (Prunus domestica). Mit Asci!

    (SN, Mohorn - OT Grund, eigener Garten, 2019)


    38514012sc.jpg


    Liebe Grüße

    Nobi

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    Einmal editiert, zuletzt von nobi_† ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ihr lieben,


    herzlichen Dank für die Ergänzung. Ich habe mir die Entwicklung zwar etwas anders gedacht; macht aber nix. So finde ich es deutlich besser als meine Ursprungsidee. ==Pilz26==Gnolm8


    Ich hoffe ja sehr, dass die Taphrinas mich dieses Jahr nicht komplett meiden werden.


    l.g.

    Stefan

  • Servus beinand,


    ich hätt da noch Taphrina crataegi im Angebot.

    Die Blätter muss man sich aber schon genau anschaun. Da ist meistens Tierisches am Werk.



    Meine T. farlowi war an Blättern und Früchten von P. serotina.



    Und auch noch eine T. alni an Alnus incana aus Tirol. Da wirken manchmal die Erlen aus der Ferne zur rechten Zeit fast rötlich, so stark sind die befallen.




    An liabn Gruaß,

    Werner

  • Hallo zusammen,


    Dann ergänze ich auch mal bisherigen Taphrinas:

    Taphrina alni ex Alnus incana


    Taphrina deformans ex Prunus persica


    Taphrina padi ex Prunus padus


    Taphrina pruni ex Prunus spinosa


    Taphrina sadebeckii ex Alnus glutinosa


    Auf die Taphrina crataegi warte ich ja immer noch vergebens. Und Taphrina alni scheint die Berge zu mögen. Ich hab meine einzigen Funde in Les Diablerets, VD in den Alpen gemacht.


    Björn

    • Offizieller Beitrag

    Werner Edelmann und boccaccio Danke für eure Ergänzungen. Die meisten der Arten fehlen mir noch.


    l.g.

    Stefan

  • Zitat

    Jetzt haben wir einen Vorstellungsthread für die Formenvielfalt einer ganzen Gattung im Forum.

    Zum Glück ist es ja eine überschaubare Gattung. Stell dir das Gleiche mal bei den Cortinarien vor :D


    Björn

  • Hallo zusammen,

    sehr schön, was Ihr zusammengetragen habt.
    Beisteuern kann ich noch Taphrina betulina von 2017 aus der Nordeifel.


    und zwei weitere Bilder von T. farlowii

    Früchte befallen, aber nicht deformiert


    Starker Befall mit Deformation der Treibspitze


    LG Karl

    • Offizieller Beitrag

    Auch dir vielen Dank Lucky.

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


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  • Sehr schön, die fehlt mir noch. Bis vor ein paar Tagen wußte ich aber auch nicht mal, daß es auf Roteiche eine Taphrina gibt. Das ist halt das Problem bei den Taphrinas: Meistens ist der Blick von Pilzlern ja zum Boden gerichtet, da übersieht man Taphrinas leicht.


    Björn

  • Moin, zusammen,

    der Thread ist zwar schon etwas älter, aber ich hätte da noch Taphrina carnea vom Mai 2016 aus dem Salzburger Land als Ergänzung. Frischproben davon sind dem Fungarium der Uni Wien zur Verfügung gestellt worden.




  • Ein hochinteressanter Fund, Sabine und wunderbar dokumentiert! :thumbup:


    Laut Klenke/Scholler "Pflanzenparasitische Kleinpilze, 2015" besiedelt die Art vermutlich die Blätter aller Birkenarten.

    Sie bevorzugt dabei luftfeuchte Gebiete.

    Taphrina carnea ist laut Pilze-Deutschland nur mit zwei Funden von einem MTB bekannt, hinzu kommen vier sächsische Nachweise.

    Gern soll der Pilz auch an Jungpflanzen zu finden sein.

    Allein das ist ein Grund, mal wieder Birkenbestände in entsprechenden Lagen zu kontrollieren.


    LG, Nobi

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  • Dankeschön, lieber nobi,

    für deinen netten Kommentar und die ergänzenden Informationen. Die sächsischen Nachweise sind nicht bei pilze-deutschland.de zu finden, aber vielleicht werden die aus besonderen Gründen erst später veröffentlicht. Für Österreich gibt es nur 3 Funde, alle vom selben Fundort und aus 2016:

    Mykologische Datenbank

    Tatsächlich waren alle Funden an ganz jungen Birken, die genauer zu bestimmen hat sich niemand getraut, weil Birken offenbar gern auch Hybride bilden. In den Folgejahren war nie wieder auch nur eine dieser leuchtenden Taphrina zu finden.


    Die hier vorgestellte Taphrina caerulescens habe ich vermutlich bei mir daheim auch schon gesehen, dem werd ich mal nachgehen.

  • Die sächsischen Nachweise sind nicht bei pilze-deutschland.de zu finden, aber vielleicht werden die aus besonderen Gründen erst später veröffentlicht.

    Genau so ist es, Sabine.

    Nachdem 2021 das Buch "Pilze in Sachsen - Basidiomyceten Teil 1 + 2" veröffentlich wurde, wird aktuell an dem Nachfolgeband "Ascomyceten" gearbeitet. Nach dessen Erscheinen werden die Daten der sächsischen Ascomyceten natürlich auch bei Pilze-Deutschland einsehbar sein.


    LG, Nobi

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    Chips: 72

  • Liebe Pilzfreundinnen und Pilzfreunde,
    nachdem hier Taphrina caerulescens vorgestellt wurde, habe ich letztes Jahr die zahlreichen Roteichen in meinem direkten Umfeld (Norderstedt, südliches Schleswig-Holstein) untersucht und bin auch fündig geworden.


    Ergänzen möchte ich eine Taphrina-Art, die in diesem Faden noch nicht vorgestellt wurde: Großer Erlenblatt-Wucherling Taphrina tosquinetii.

    Funddaten: Österreich, Bundesland Salzburg, Pinzgau, Salzburger Schieferalpen, Maria Alm, Rundweg Möserhöhe, 960 m, verlandendes Restmoor mit Bruchwald an den Blättern von Schwarz-Erle Alnus glutinosa, 22.09.2024.








    Gemeldet in der Österreichischen Pilzkartierung:

    Mykologische Datenbank