Russula (borealis? oder ähnliches?)

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 3.954 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Norbert.S.

  • Hallo zusammen,


    gestern habe ich mich an eine Russulabestimmung gewagt (siehe auch Bilder).


    Große Art, Hut bis über 10cm (Foto), Farben wie Bild, mitte gelblich-bräunlich ausblassend, sonst schön rosa, bis zum Rand. Huthaut bis zur Hälfte etwa abziehbar. Lamellen ins gelbliche, gegabelt. Stiel reinweis, typische Reaktionen auf Gujak und Eisensulfat (rosa) ... siehe Bilder. Stiel reinweis, fest.


    Geschmack mild. Geruch war für mich keiner feststellbar.


    SPP nach meinem dafürhalten 4c nach Romagnesi (abgleich mit der entsprechenden Tafel), im Foto immer schwierig.


    Mikromerkmale: Sporen 8-9x7µm, deutlich amyloid, weitestgehend isoliertwarzig, nach meinem dafürhalten ausgeprägte Warzen. Vereinzelt kratig verbunden? In der Masse aber eher nicht!

    Basidien 4-sporig, Cheilos zylindrisch (werden bei R. borealis als fusiform beschrieben).

    HDS: siehe Bild in Karbofuchsin (das sollten die Pileozystiden sein, richtig?): deutlich verzweigt, septiert, teils bauchig und Endzellen schmal auslaufend. Es fällt mir schwer die Zellen da zu beschreiben, ich lese allerlei aber die Zuordnung der Begriffe zu dem Gesehenen fällt mir schwer.


    Vorkommen: Wegrand reiner Laubwald, insbesondere Buche, entfernt Eiche, Esche.


    Am ehesten bin ich bei R. borealis (oder laeta?) gelandet. Ausschließen würde ich alle scharfschmeckenden Täublinge mit ähnlichem Aussehen, desweiteren R. paludosa, R. nitida mit ähnlichem Aussehen, aber anderen Mikromerkmalen.


    Beste Grüße

    Sebastian

  • Hallo Sebastian,


    hast du mal mit Russula curtipes verglichen? Kannst du die Huthaut auch in SV mikroskopieren? Dann sieht man Zystiden typischerweise besser und kann auch direkt beurteilen, ob sie sich schwärzlich verfärben.


    Björn

  • Hallo Björn,


    habe diese Richtung wohl zu schnell verlassen, weil ich von isolierten Warzen ausgegangen bin, die Beschreibung im Bon mit "teilweise netzig" könnte aber mit den vereinzelten Verbindungen zusammenpassen? Allerdings sind diese nur spärlich zu finden.


    In Sulfovanillin (=SV?) sehen die Zystiden (?) rosa bis pink aus (siehe Bilder).

  • Das spricht dann wohl eher für R. curtipes, eine Schwarzfärbung in Sulfovanillin sehe ich nicht. Hatte nur eine stärkere Netzzeichnung erwartet bei R. curtipes.

  • Hallo Sebastian, ==Gnolm8


    meine Meinung: gute Doku, anstelle Karbolfuchsin hätte ich aber vowiegend in Kongo mikroskopiert.

    Ausser in Wasser die bessere Wahl um spitz zulaufende und teils verhungerte Huthauthaare bei dem Pilz zu erkennen. In KF siehst du nur Incrustationen, die curtipes ja nicht hat, auch keine weiteren Feinheiten.

    Ich bin auch bei R. curipes, typischer Buchenbegleiter, auch von den Sporen her.


    Zitat MARXMÜLLER:

    "Dieser Täubling, dessen Stiel, wie der Name besagt, stets kürzer als der Hut breit ist, wächst unter Buchen und fallt nicht besonders auf - es sei denn durch die rundlichen Fraßstellen am Hut, auf die mich Einhellinger aufmerksam machte..."

    Ende Zitat


    Auf @oehrlings Kommentar warte ich noch und endlich geht´s wieder los


    Grüsse

    claus

  • Hallo zusammen,

    gegen die Diagnose R. curtipes spricht aus meiner Sicht nichts. Die typische Zweifarbigkeit der Hutoberfläche (innen gelb, außen rot), die man bei nahezu jedem einzelnen Exemplar von R. curtipes beobachten kann, ist hier fotografisch gut festgehalten. Sporengröße und -ornament passt.

    Die Dermatozystiden sind in der Tat nicht gut zu sehen, das soll aber nach SARNARI (vgl. Band 2, S. 1004) bei R. curtipes üblich sein. In Beitrag #3 auf dem ersten Foto, am linken Rand befindet sich ein Stück entfärbte Huthaut, in der ein paar grauschwarze Würmchen zu sehen sind. Wenn man irgendwo Dermatozystiden sehen kann, dann dürften dies welche sein. Lt. SARNARI müssten diese in Form und Größe den Huthauthaaren ziemlich ähnlich sein und eine Breite von höchstens 6 My besitzen.

    Die anfänglich ins Spiel gebrachte R. borealis hat noch gelberes, fast schon orangegelbes Sporenpulver, außerdem ein rein isoliertes Sporenornament, wohingegen man auf dem Foto schon ein paar Verbindungslinien sieht.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo zusammen,


    ganz herzlichen Dank für die Rückmeldungen und eure weiterführenden Hinweise zu makroskopischen (Frassstellen, sehr interessant) und mikroskopischen Merkmalen.

    Weiß eigentlich jemand, ob man an die CD oder gar die Bücher von Marxmüller (Icones Russularum) noch irgendwie herankommt. Die CD hatte Sie ja im letzten Jahr in verschiedenen Foren "beworben", hatte dann jetzt aktuell mal auf die Email, die dort angegeben wurde geschrieben. Leider ohne Erfolg. Keine Antwort bisher. Hätte schon ein großes Interesse an weiterführender deutschsprachiger Literatur zur Gattung Russula. Vielleicht weiß jemand von euch, wie man da weiterkommen kann?


    Noch eine Bitte. Mir ist nun immer noch nicht ganz klar, was genau ich auf den Fotos der HDS sehe. Vielleicht könntet ihr mich da im Lernen noch etwas unterstützen, so ihr denn mögt. Auf jenem mit Karbolfuchsin, dass sollten doch schon Pileozystiden (=Dermatozystiden der HDS, richtig?) zu sehen sein (schmal auslaufend). So würde ich diese Zellen deuten oder vertue ich mich da in der Zuordnung. Und wenn das keine Pileozystiden sind, was sind es dann für Zellen, normale Hyphen?


    Unter normalen Hyphen würde ich das verstehen, was sich da Pink in SV zeigt und die HDS durchzieht.

    Primordialhyphen müssten sich von normalen Hyphen abheben durch andere Gestalt (Inkrustierung?) aber die würde man bei R. curtipes ja sowieso vergeblich suchen, weil nicht vorhanden. Soviel habe ich schon rausgefunden.


    Herzliche Grüße

    Sebastian

  • Hallo Sebastian,


    auf dem Mikrofoto einer Täublingshuthaut sieht man grundsätzlich einfache Hyphen, von denen man die letzten vier bis fünf Endglieder als "Haare" bezeichnet (und nur diese sind für die Bestimmung erstmal interessant). Besonders interessant sind Form und Breite der letzten Endglieder.


    Dazu kommen je nach Täublingsart relativ dicke, lange, mit einer grauen Substanz gefüllte Dermatozystiden (DZY), bei denen Form, Breite und Länge interessant sind sowie die Merkmale, ob sie zur Gänze oder nur spärlich mit der grauen Substanz gefüllt sind und ob sie Kristallauflagen ("Inkrustationen") tragen oder nicht.


    Ebenfalls können je nach Täublingsart etwa "haar"-dicke und "haar"-förmige, aber wesentlich längere, unverzweigte, in kurzen Abständen auffallend kettenartig gegliederte Hyphen vorkommen, die immer irgendwo Inkrustationen tragen, die "inkrustierten Primordialhyphen" (IPH). IPH sind relativ monoton gestaltet und unterscheiden sich vor allem in der Breite.


    Bei den Speisetäublingen gibt es noch ein viertes Element: lange, dickwandige, rosshaarförmige Haare mit nadelspitzem Ende ("Crins"). Sieht man die, klopft man sich auf die Schulter, denn man ist dann mit der Bestimmung schon fertig.


    Mit Erfahrung (d. h. wenn man aufgrund seiner Erfahrung weiß, wie es jeweils auszusehen hat) kann man schon alle vier Elemente sehen, wenn man die Huthaut bloß mit Kongorot anfärbt. Daher sollte man zuerst einmal mit Kongorot an die Huthaut gehen, in der Hoffnung, dass sich dann die aufwändigeren Färbetechniken erübrigen. Warnhinweis: Kongorot-Dämpfe sollten wegen Kanzerogenität nicht eingeatmet, Kongorot-Präparate daher niemals erhitzt werden. Der Inhalt von DZY sieht in Kongorot hellgrau aus, Inkrustationen erscheinen als grünlich schillernde Pünktchen oder Placken.


    Nicht alle Leute erkennen bei bloßer Kongorot-Färbung DZY und IPH.


    Daher verwendet man Sulfovanillin, damit sich die DZY möglichst grauschwarz färben und danach nicht mehr zu übersehen sind. Bei manchen Arten werden sie leider aber nur ein bisschen dunkler grau und sind dann immer noch nicht gut zu sehen (z. B. bei den schon erwähnten Speisetäublingen). Auf jeden Fall wäre auch das ein bestimmungsrelevantes Merkmal. Verwendet man Sulfovanillin, färbt sich der Rest der Huthaut pinkfarben. Das gute SV-Präparat zeigt also eine pink gefärbte Huthaut, in der schwarzgraue Würmer, Zylinder, Keulen, Würste usw. herumliegen. Leider löst SV wegen der enthaltenen Schwefelsäure die Huthaut binnen weniger Minuten komplett auf, so dass man nur sofort nach dem Präparieren wirklich etwas sieht.


    Man verwendet Karbolfuchsin, damit man die IPH besser sieht. Extrem wichtig ist dabei, das Karbolfuchsin mit einer Säure, die schwach sein darf, z. B. HCL 2%, zu entfärben. Tut man das nicht, ist auf dem Bild alles lila, so wie in diesem Thread auf dem allerersten Bild, und man sieht gar nichts. Das ideale KF-Präparat zeigt vollkommen farblose Huthautelemente, einzig die Inkrustationen sind lila, sonst nichts. Beim Entfärben kommt es auf jede einzelne Sekunde an, in der das Präparat in der Säure liegt, denn leider haben die Inkrustationen die unangenehme Eigenschaft, sich unter Säureeinwirkung von den Huthautelementen abzulösen und dann frei im Präparat herumzuschwimmen, ohne dass der Bestimmer noch erkennen kann, von welchen Elementen sie herstammen. Daher ist es dringend notwendig, das Präparat nach dem Entfärben gründlich und lange in Wasser auszuwaschen. Oft wird es dabei wieder lila - dann muss man so lange auswaschen, bis das Präparat nicht mehr lila, sondern blass graugrünlich aussieht.


    Mehr kann ich hier erstmal nicht schreiben, das übersteigt sonst den Rahmen des Fasslichen. Zweckmäßiges Erstellen von Täublingspräparaten kann auf jeden Fall technisch anspruchsvoll sein. Am besten kann man das auf den von den gängigen Pilzschulen angebotenen Täublings-Mikroskopierkursen lernen.


    FG

    Oehrling

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  • Hallo Oehrling,


    ganz herzlichen Dank für deine umfangreichen Darstellungen. Damit verstehe ich schon deutlich mehr. Zu der Prozedur mit dem Entfärben hatte ich glaube ich schon mal eine Anleitung in Bildern gesehen, konnte das jedoch nicht richtig zuordnen.

    Vor Kongorot bin ich wegen der gesundheitsgefährdenden Eigenschaften etwas zurückgeschreckt. Ich denke generell ist beim Einsatz der Chemikalien größte Vorsicht geboten, dennoch klingen die Warnhinweise im Zusammenhang mit Kongorot nochmal gefährlicher (so zumindest mein Eindruck), du schreibst es ja auch nochmal.

    Die von dir beschriebenen DZY sind jene, die man (im Zusammenhang mit der Hutdeckschicht) auch als Pileozystiden bezeichnet, richtig?


    Dank deines Beitrages ist mir der Einsatzzweck der unterschiedlichen Reagenzien, die Zielstellung und die Einsatzweise nun doch viel verständlicher. Dafür meinen ganz herzlichen Dank!


    Beste Grüße

    Sebastian

  • Das ist richtig. Dermatozystiden (so von SARNARI bezeichnet), werden z. B. im EINHELLINGER als Pileozystiden bezeichnet.

    Ich für meinen Teil finde die konzentrierte Schwefelsäure, die man für SV braucht, oder das Anilin, das manche auf Täublingslamellen schmieren, konkret gefährlicher als Kongorot. Aber wer bin ich schon, darüber ein allgemeinverbindliches Urteil abzugeben.

    FG

    Oehrling

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  • Hallo,

    Bei den geringen Mengen an Chemikalien mit welchen wir arbeiten sehe ich gar keine Gefahr.

    Da gilt nur : nicht auf die Haut schmieren , schon gar nicht trinken , nicht zum Schnüffeln verwenden (Anilin).

    Und natürlich vor Kindern wegschliessen.

    Dann gibts keine Probleme.

    Grüße

    Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110. -15 für APR 2024 = 95 +5 APR2024 Platz und einschätzung = 100

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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