Russula curtipes var. gelb

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 4.090 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Oehrling.

  • Hallo Pilzfreunde,


    auf den Tag genau und am gleichen Platz erschien auch dieses Jahr meine Russula curtipes.

    Allerdings mit einer kleinen Überraschung, die ich euch hier zeigen möchte.

    Aber erst ein Bild wie er für mich ja gewöhnlich aussieht.


    R. curtipes bei Buchen und einer Eiche am Waldrand im Gras

    Bild 1


    Bei dessen Dokumentation ist mir ein weiterer, gelb erscheinender Pilz im vorgeschriebenen Corona-Abstand im Gras aufgefallen.

    Ah, bestimmt ein neuer mir unbekannter Täubling. Mir schossen alle gelbhütigen Pilze durch den Kopf, von ochroleuca angefangen über cyanoxantha bis claroflava bis ich mich ihm endlich widmen konnte.

    Bild 2


    Ein wunderschönes Exemplar, Hut trichterförmig und so 13cm Durchmesser

    Bild 3


    Hutrand teils stärker gerieft, die Huthaut fast 1/2 abziehbar, Geschmack vollkommen mild.

    Bild 4


    Ich machte Fotos und drehte dann das Teil um.

    In diesem Moment platzten all meine Vorstellungen, der hat ja ockergelbe Lamellen.

    Bild 5


    Der Stiel war weiss mit ein paar ockergelben Flecken an der Basis aber schon schwammig

    Bild 6


    Sporenabwurf ergab dann sattes IVc

    Bild 7


    Erst hier bemerkte ich beim Schlüsseln, dass es vielleicht eine weitere R. curtipes sein könnte. Der geringe Abstand zur ersten Gruppe würde ja auch passen. Eine fo. Cuculiformes?

    Die Chemie mit FeSo4 leicht rosa und Guajak pos. blau-grün stimmte auch überein.

    Auch die weitere Mikroskopie des Fundes bestätigte für mich eine curtipes.


    Kongo: DZ überwiegend unseptiert, schmal auch mit Divertikel

    Bild 8


    Kongo: Endglied der Huthaut Haare lanzettförmig spitz zulaufend, teils auch gelb anzeigend

    Bild 9


    Kongo: Dz und Endglied Haar

    Bild 10


    SV: DZ spärlich und nur sehr schwach angefärbt

    Bild 11


    Melzer: Sporenornament teil-netzig, auch vereinzelt isoliert stehend

    Bild 12


    Melzer: Warzenhöhe um die 1 mü

    Bild 13


    Fazit: Für mich ist hier R. curtipes der Favorit und eine R. romellii die die gleichen mikroskopischen Hutmerkmale haben soll und im gleichen Schlüsselzweig steht kann wegen ihrer „komplett“ abziehbaren Huthaut ausgeschlossen werden.

    Habt ihr schon mal eine gelbe curtipes gehabt?


    LG

    claus

  • Hallo Claus,


    ein rein optisch wirklich krasser Fund. Aber R. curtipes? Ich habe noch nie R. curtipes anders als mit der typischen Zweifarbigkeit des Hutes (innen, d. h. im Trichtergrund grünlichgelb, gegen den Rand zu weinrot) gesehen. Das heißt für sich natürlich noch nichts.

    Die Farbe des zuallererst gezeigten Exemplars passt mMn dagegen nicht. Der Pilz ist auf dem Hut bläulich rosa und sieht ja fast wie ein Frauentäubling aus, d. h. bei dem müssen blaue Pigmente in der Huthaut sein. So was kann mMn R. curtipes beim besten Willen nicht.


    Im SARNARI (hast du den?) wird als Sporenpulverfarbe für R. curtipes 3c bis 4a angegeben, das von dir gemessene 4c ist also zu dunkel. R. romellii hat dagegen 4c bis 4d, das passt besser. Die Mikroskopie weist für R. curtipes neben langen, zugespitzten Haar-Endgliedern auch reichlich verbreiterte, kurze Endglieder aus, während die bei R. romellii vorwiegend lang, dünn und zugespitzt sind. Ich würde dir R. curtipes viel leichter glauben, wenn du auch kurze, verbreiterte und nicht nur lange dünne, zugespitzte Haarglieder zeigen würdest. Zu den Dermatozystiden hätte ich noch die Anmerkung, dass die von dir gezeigten eine charakteristische Zebrierung zeigen (z. B. auf dem Bild mit dem Sulfovanillin haben sie regelrechte "Zebra-" bzw. "Tiger-Streifen"). Letztes Jahr hatte ich eine von den sonstigen Merkmalen "bombensichere" R. romellii, bei der mir diese "Zebrastreifen" der Dermatozystiden zum ersten Mal so richtig aufgefallen sind. Was dagegen für R. curtipes und gegen R. romellii sprechen würde, sind die Divertikel an den Huthautelementen, die du anscheinend gesehen hast.


    Fazit: Mit R. curtipes könntest du recht haben. Ich für meinen Teil tue mich dagegen schwer, weil ich weiß, dass R. romellii von weinrot über violettrot über hellgrün bis gelb alle Farben kann (ich habe sogar mal eine wunderliche bläuliche Form aufgesammelt, die makroskopisch als "gelbsporiger Frauentäubling" =Odaherkam und sich später duch einen winzigdünnen brombeerroten Hutrand verriet!), R. curtipes andererseits immer gleichfarbig daherkommt bzw. sich mir immer gleichfarbig präsentiert hat. Daher wäre für mich R. romellii Kandidat Nr. 1.


    Aber das hier ist auf jeden Fall eine ergebnisoffene Diskussion, und wunderschön und diskussionswürdig ist der Täubling allemal.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    3 Mal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Hallo Claus, sehr spannend, hat der einen Geruch. Marxmüller schreibt zum gelben romellii: schwacher Brotgeruch, später, am Exsikkat sehr intensiv.


    vielleicht könnte das noch einen kleinen Hinweis bieten?


    Beste Grüße Sebastian

  • Hallo Oehrling, hallo Karl hallo Sebastian,


    danke für die Antwort, ja das ist eine spannende Sache.


    sebastian,der ist trotz Trocknung für mich bis jetzt noch geruchlos, neutral schwach pilzig

    Karl, danke für die schöne Aufsammlung, gab mir schliesslich ein wenig Hoffnung.

    Oehrling, auch dir erstmal ein Danke für deine wertvolle Meinung und Einschätzung zu diesem Fund.


    Ich versuche mal auf das geschriebene zu antworten und darzulegen, warum ich zu R. curtipes tendiere und nicht zu R. romellii. Vielleicht bestimme ich diesen Fund und die Funde dieser Art davor schon immer falsch, wer weiss. Aber mir bleibt nichts anderes übrig als so zu verfahren.


    Das einzige was mich gewaltig stört ist die SpP Farbe. Da gebe ich Dir vollkommen Recht. Die ganzen Funde der letzten Jahre waren alle IVc. Bei dem vorgestellten Fund hätte ich fast IVd gesagt.

    Die Farbe des zuallererst gezeigten Exemplars passt mMn dagegen nicht. Der Pilz ist auf dem Hut bläulich rosa und sieht ja fast wie ein Frauentäubling aus, d. h. bei dem müssen blaue Pigmente in der Huthaut sein. So was kann mMn R. curtipes beim besten Willen nicht.

    Dazu stelle ich nochmals 3 Bilder ein

    Bild 14 das ältere Exemplar jetzt aus 2020


    Bild 15 das junge Exemplar jetzt aus 2020


    Bild 16 Exemplare aus 2019


    Ich würde dir R. curtipes viel leichter glauben, wenn du auch kurze, verbreiterte und nicht nur lange dünne, zugespitzte Haarglieder zeigen würdest.

    Auf Bild 8 Mitte oben, da sind meiner Meinung welche zu sehen


    Jetzt komme ich mal zum Mikro.


    Zitat MARXMÜLLER aus 2-578

    “…Epikutishaare auf. Letztere tragen an ihrer Spitze manchmal eine schmale, längliche

    Zelle mit gelblichem Inhalt, die aussieht wie eine verkümmerte Pileozystide. („G" für „gelb" auf der mikroskopischen Zeichnung)“ Ende Zitat


    Bild MM


    Diese verkümmerte Elemente beobachte ich seit Anfang an und nehme das als Kriterium der Pilzbestimmung an. Zu sehen auch auf meinem Bild 9 bei der Ziffer 8 und in der Vergrösserung unterhalb der Ziffer 7, einer sogar in gelb.


    Das was mich weiter von romellii abhält ist die Abziehbarkeit der Huthaut, darunter ist sie auch noch rötlich. Hier ein Bild von meinem einzigen Fund (schon mal gezeigt) vom 22.08.2016.

    BILD 17


    Ist das ein Argument?

    Bei R. curtipes oder auch R. rubroalba ist die Huthaut nur max ½ oder nur wenig abziehbar

    ( s. EINHELLINGER, GRÖGER, ROMAGNESI)


    Und solange dieses eine Merkmal der Huthautabziehbarkeit nur auf romellii zutrifft, bin ich trotz dunklerem Sporenpulver auch wenn es IVd ist gezwungen, Russula curtipes oder Russula spec. zu sagen.


    Huthautfarbe hin oder Huthautfarbe her.


    LG

    claus

  • Hallo,


    ich habe da jetzt noch etliche eigene Aufzeichnungen von meinem Russula-Chef über R. romellii gefunden.

    Die muss ich erst noch mal alle durcharbeiten. Da ist auch die Abb. von SARNARI 2005/7, S.983 dabei.

    Vielleicht versteife ich mich einfach zu sehr auf MARXMÜLLER etc. und alles war bisher R. romellii.


    Was mir auch noch heiss einfällt, die Huthaut meines Fundes ist später beim Präparieren weiter als die Hälfte abgegangen. Nachher weiss ich mehr, da muss ich erstmal durch. Danke.


    LG

    claus

  • ... bin ich ... gezwungen, Russula curtipes oder Russula spec. zu sagen.


    Huthautfarbe hin oder Huthautfarbe her.

    Hallo Claus,

    Russula spec. brauchen wir aufgrund deiner hervorragenden Dokumentation nicht mehr zu sagen. Wir sind uns glaube ich einig, dass es sich entweder um R. curtipes oder um R. romellii handelt, je nach persönlicher Sichtweise und Gewichtung der Bedeutung einzelner Merkmale. Du gewichtest die Form der Huthautelemente höher, ich die Hutfarbe und die Sporenpulverfarbe. Du bestimmst nach MARXMÜLLER/EINHELLINGER, ich nach SARNARI. Da ist es kein Wunder, dass wir jeweils bei der anderen Alternative herauskommen.

    Bei allen Pilzen auf deinen neuen Fotos würde ich dem Aussehen nach R. romellii vermuten, bei keinem R. curtipes. Dagegen entsprechen die Pilze auf Karls Foto meinem Bild von R. curtipes.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Oehrling,


    danke für deine Überzeugungsarbeit und das helle Licht deiner Taschenlampe.


    Fakt ist, die Sporenpulverfarbe dieses Fundes und die Sporenpulverfarbe aller davor am gleichen Platz gefundenen Pilze ist IVc.


    Bei dem damaligen Erstfund wurde von mir wohl eine Fehleinschätzung bei der Ablesung der Farbtabelle oder auch mit dem Zugeständnis einer +/- Karenz verursacht. Dass dann danach die am gleichen Ort aufgesammelten Arten in das gleiche Muster gesteckt wurden ist nicht verwunderlich, da ein Vergleich einer „echten R. curtipes“ fehlt.


    Dabei gilt die Sporenpulverfarbe gerade bei Täublingen als eine Art Fingerabdruck, das hätte ich besser wissen müssen. Die Farbe IVc ist IVc und nicht IVb oder IVd.


    Meine Aussage:

    „Und solange dieses eine Merkmal der Huthautabziehbarkeit nur auf romellii zutrifft, bin ich trotz dunklerem Sporenpulver auch wenn es IVd ist gezwungen, Russula curtipes oder Russula spec. zu sagen.“


    Dies ist schlicht falsch, weil „SPORENPULVERFARBE FIRST“


    Ergo, ist dieser Fund und alle meine vorherigen Aufsammlungen R. romellii und NICHT R. curtipes


    Ist jetzt nur noch für mich abzuklären, wie weit lässt sich eine Hh bei R. curtipes tatsächlich abziehen.


    Zu den bei MARXMÜLLER hervorgehobenen Endzellen in der Hh findet sich übrigens zu romellii auch bei ROMAGNESI auf Tafel 992 / S.779 so ein verkümmertes Teil, aber ohne Kommentar.


    Ich danke vielmals dass ich von Dir wieder was gelernt habe. :daumen:


    LG

    claus

  • Hallo Claus,

    das Kompliment an Oehrling kann ich natürlich nur unterstreichen und zur Abrundung des Beitrags habe ich aus meinem Fundus noch zwei Aufnahmen von R. romellii rausgesucht, die die Variabilität der Art erahnen lassen. Bild 1 ist übrigens am gleichen Tag im gleichen Wald aufgenommen, wie das oben gezeigte Bild von R. curtipes .

    LG Karl



  • Ist jetzt nur noch für mich abzuklären, wie weit lässt sich eine Hh bei R. curtipes tatsächlich abziehen.

    Hallo Claus,

    wenn ich das nächste Mal wieder eine R. curtipes sehe (und sei es nur auf einer Pilzausstellung :whistling:), werde ich eben das testen.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!