Neuzüchtung

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 7.240 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von pilz-kultur.

  • Hallo Forum, liebe Pilzzüchter,


    heute möchte ich eine Frage stellen, die mir schon einige Zeit auf der Zunge brennt.


    Es gibt ja bekanntlich einige Pilzsorten die problemlos oder auch unter Mühe gezüchtet werden können.
    Wie verhält es sich da mit Neuzüchtungen?
    In der Pflanzenwelt ist dies ja schon seit langem möglich.
    Als Beispiel nenne ich mal die Weinrebe; hier können durch Kreuzungen neue Rebsorten enstehen mit - wenn es optimal klappt - den Eigenschaften der Kreunzungspartner ( Bsp. Riesling x Silvaner = Müller-Thurgau/Rivaner [hier hat es eigentlich nicht so gut geklappt :D])
    Geht das bei Pilzen auch?


    Wäre ja ne tolle Sache: Speisemorschel x Champignon :D


    Gruss Georg

    Genieße jeden Tag, aber nicht jeden Pilz, es könnte sonst Dein Letzter sein

    100 Pilzchips

  • Hallo Georg,


    ja, das geht auch bei Pilzen, ist aber etwas schwieriger. Im Laufe der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte haben sich durch Inzucht und Mutationen sowieso schon viele verschiedene Stämme von Zuchtpilzen herausgebildet, also z.B. weiße oder braune Champignons mit großen oder kleinen Fruchtkörpern, Austernseitlinge, die bei verschiedenen Temperaturen fruchten usw. Diese Pilzstämme werden auch untereinander und mit Wildpilzen gekreuzt, dafür braucht man aber ein Labor und reichlich Erfahrung, da man einzelne Sporen zum Auskeimen bringen muß, um dann später kontrolliert zwei dieser einkernigen Mycelien zusammenzubringen und eine fruchtungsfähige Kreuzung zu erhalten. Zuchtziele sind meist Krankheitsresistenz, höherer Ertrag, bessere Lagerfähigkeit oder geringere Sporenproduktion, um das Erntepersonal zu schonen.


    An Artübergreifenden Kreuzungen wird auch geforscht, da werden dann einzelne Zellen mit Chemikalien behandelt, die die Zellwand auflösen (z.B. Klapperschlangengift) und mit Zellen einer anderen Art zusammengebracht. Manchmal überleben und verbinden sich die beiden Zellen, sind aber wohl nur sehr selten überlebensfähig und dann meist genetisch instabil. Über nutzbare Ergebnisse ist mir jedenfalls bisher nichts bekannt. Auf die Morchignons mußt du wohl noch länger warten.


    Grüße, Carsten

  • Vielen Dank Carsten,


    1. Deine Antwort war hinsichtlich des Informationswerts zu meiner vollsten Zufriedenheit. :thumbup:


    2. Deine Antwort war hinsichtlich meiner Hoffnungen enttäuschend ;( > keine Morchignons in absehbarer Zeit :D


    Gruss Georg

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  • Hallo Georg, hallo Carsten!
    Da stellt der Georg ja eine interessante Frage. Aus der Botanik ist es bekannt, dass viele Arten bastadieren. Hybridformen kennen wir von den Weiden-und Orchideenarten und vielen mehr. Warum gibt es zum Beispiel keine stabilen Hybridpopulationen? Eine Kreuzung zwischen nahen Verwandten wie dem Steinpilz und der Marone? Und das alles ohne Labor?


    Gruß
    Winfried

  • Hallo zusammen,



    Georg
    Freut mich, wenn ich dir weiterhelfen konnte.



    Winfried
    Deine Frage ist auch sehr interessant, jedoch muß man aufpassen, daß man nicht Arten und Sorten verwechselt.


    Da ja Sorten immer zur gleichen Art gehören, ist es nicht weiter verwunderlich, daß man mittels Kreuzung meist vermehrungsfähige Nachkommen bekommt. Es gibt aber auch Ausnahmen, wo sich bestimmte Teilpopulationen derselben Art nicht mehr kreuzen lassen.

    Bei Arten kommt das ganze schon seltener vor, ist aber nicht ausgeschlossen. Manchmal ist eine Kreuzung möglich, jedoch sind die Nachkommen unfruchtbar. Es hängt wohl immer davon ab, wieweit sich die jeweiligen Arten genetisch voneinander entfernt haben, seit sie sich von einem gemeinsamen Vorfahren abgespalten haben. Irgendwann erkennen sich die Zellen einfach nicht mehr oder haben unterschiedliche Anzahlen von Chromosomen, etc.


    Zu allem Überfluß streiten sich die Biologen auch noch über eine genaue Definition von Art und Sorte.


    Wenn man nun zwei verschiedene Pilze hätte, die sich kreuzen lassen, bekäme man aber nicht automatisch einen stabilen Hybriden, sondern eine große Bandbreite der möglichen genetischen Kombinationen. Man müßte erst über einige Generationen hinweg Selektion betreiben und alle Ausreißer aussortieren.


    Ich vermute, daß so eine Artkreuzung in der freien Natur sehr rar ist und dann nach einigem Rätseln der einen oder anderen Spezies zugeordnet wird. Wer würde schon darauf kommen, daß sein etwas untypischer Pilz eine Kreuzung darstellt und wie sollte man das prüfen? Oder sollte die Pilzbestimmung nur deswegen so schwierig sein, weil Kreuzungen ständig vorkommen? :evil:
    Aber im Ernst, da Sporen meist zu mehreren zusammenkleben, gemeinsam auskeimen und sich die Geschwister gegenseitig befruchten, gehe ich sowieso davon aus, daß bei Pilzen Inzucht die häufigste Vermehrungsform ist.


    Grüße, Carsten

  • Hallo Carsten!
    Vielen Dank für den ausführlichen Exkurs zum Thema "Hybridpopulationen". Sicherlich ist eine Sorte etwas anderes als eine Art. Dies wird besonders deutlich, wenn wir die vielen Apfelsorten unterscheiden. Und alle hundert Sorten sind eine Art! Dennoch scheint der damalige Artbegriff schon lange nicht mehr haltbar, da sich durchaus eine Hybridform munter vermehren kann und nicht zwingend taub sein muss. In der Botanik kann man heute kaum noch eine Pflanze ansprechen, da es sich vielfach um Hybridformen handelt, bzw. Rückkreuzungen. Das wird besonders deutlich bei Orchideenarten wie zum Beispiel das "Übersehene Knabenkraut" oder bei den "Salix" Arten. Einige Arten scheinen sich völlig aufzulösen, so dass es kaum noch "reine" Arten gibt. Dieses Problem der Kreuzungen scheint mir bei den Pilzen wesentlich geringer zu sein.


    Gruß
    Winfried

  • ..eine spannende Frage wie auch Zukunftsaussichten:thumbup:


    Beim Austernpilz (ostreatus) u. Kulturchampignon liegt das Genom bereits vor....hab ich erst kürzlich bei einer Tagung erfahren...jetzt gehts an das Eingemachte...man nimmt für die Zucht relevante Gene auf`s Korn u. versucht somit gezielt Eigenschaften zu verändern....


    Einen persönlichen Kommentar dazu versage ich mir , bin wahrscheinlich eher konservativ u. altmodisch um dann Genmanipulation um jeden Preis gut zu heissen...




    Aber die Zukunft ist offen u, wird den Weg weisen...hoffentlich in die richtige Richtung...



    Gruß
    Walter

    We must be mushrooms , for they keep us in the dark and feed us dung :D !