Kleiner Risspilz im Mai: Inocybe perchtana

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 3.563 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Ditte.

  • Hallo zusammen


    Ich bin noch (fast) neu hier im Forum, beschäftige mich aber schon lange mit Pilzen.

    Seit zwei Jahren mikroskopiere ich fleissig und konzentriere mich mehr und mehr auf schwierige Gattungen.


    Ich habe gesehen, dass hier im Forum immer wieder Risspilze gezeigt und bestimmt werden.

    Und dachte mir - das könnte mir helfen.


    Hier eine erste Kollektion, an der ich lange herumbestimmt habe.

    Mir fehlt noch der Überblick in dieser Gattung, aber es macht richtig Spass.


    Angaben zum Fund soweit im Foto nicht erkennbar:

    - Fundort: 1020 m.ü.M., fast reiner Fichtenwald. Am steilen Strassenhang in karger Vegetation, 10.05.2020, Vercorin, Wallis/Schweiz

    - Hutdurchmesser bis ca. 15mm, fein faserig

    - Stiel bräunt stark bei Berührung. Oben mehlig (Kaulos), unten überfasert (keine Kaulos).

    - Geruch: Frisch angenehm, schwer definierbar. Später gerieben spermatisch.




    Sporen in Kongorot, 400x:


    Sporen in Kongorot, 1000x:

    Auf diesem Bild eine "Ausreisser-Spore", von der Sorte gab es nur sehr wenige (< 1%).


    Cheilos in Kongorot, 400x:


    Cheilos in Kongorot, 1000x:


    Pleuros (spärlich) in Kongorot, 400x:


    Kaulos in Kongorot, 400x, Stielspitze:


    Mit Stangl und Funga Nordica kam ich schliesslich auf Inocybe tjallingiorum.

    Bin gespannt wie weit ich daneben liege :)


    Bin auch dankbar für Tipps, was ich bei Risspilzen noch besser machen kann.


    Viele Grüsse

    Raphael

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    so aus der Ferne würde ich deinen Fund anhand der Bildlage auch so nennen.


    Was du noch besser machen kannst:


    1. Angaben zur Stielbereifung mit metuloiden Kaulozystiden. Wie weit reicht diese herab? (oberstes Zehntel, oberstes Drittel, bis zur Hälfte, Bis zur Basis)


    2. in 3%igem KOH mikroskopieren. Kongorot ist bei Inocyben immer Mist. Bei einigen Arten reagieren die Zystidenwände gelb auf Laugen. Wenn du mit Kongo mikroskopierst hast du dieses Merkmal nicht.


    Ansonsten tolle Anfrage. ==Gnolm8


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Hallo Raphael,

    mir geht es eigentlich wie dir. Risspilze machen wirklich Spaß, aber auch mir fehlt noch der Überblick in der Gattung. (Was wohl auch noch einige Zeit so weiter Bestand haben wird:)) Deshalb sind jetzt auch die folgenden Sätze mit etwas Vorbehalt zu lesen. ^^

    Für Inocybe tjallingiorum. kommen mir deine Zystiden insgesamt zu langhalsig vor. Außerdem schreibst du, dass die Bereifung nur im oberen Teil da wäre. Das würde eigentlich gegen deinen vorgeschlagenen Pilz sprechen.

    Mich erinnern deine Mikromerkmale irgendwie an Inocybe sindonia, der ja auch bei Fichten wächst. Makroskopisch bin ich auch noch nicht so überzeugt, aber vielleicht ist es noch eine Idee.

    Liebe Grüße

    Matthias

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    für I. sindonia sind mir die Hüte zu dunkel. Dennoch gebe ich dir recht, dass Raphael uns nix über die Stielbereifung verrät.


    Clavaria wie ist die Stielbereifung nun genau? Kannst du bitte auch mal in 3%igem KOH mikroskopieren und nach den Zystidenwänden schauen?


    l.g.

    Stefan

  • Hallo zusammen


    Danke für die Inputs, das hilft mir sehr.


    Nochmal mikroskopieren kann ich leider nicht - habe die Pilze nicht mehr :(

    Ich bin erst auf I. tjallingiorum gekommen, nachdem ich diese Bestimmung ein paar Wochen zur Seite gelegt hatte.

    Sonst hätte ich das längst nachgeholt.


    Habe nur an der Stielspitze Kaulozystiden gefunden, an der Basis nicht. Aber vielleicht habe ich nicht gründlich genug gesucht.

    In der Stielmitte habe ich leider nicht geschaut.

    Auf meinem zweiten Foto sieht man gut, dass der Stiel nur im oberen Drittel wirklich stark mehlig ist. Unten eher faserig.

    Das passt gut zu den Bildern hier: Inocybe - tjallingiorum

    Auch dort ist der Stiel oben stärker bereift, unten nur noch schwach und die Kaulos dürften entsprechend spärlicher sein.

    Daher meine Schlussfolgerung, dass ich wohl etwas zu nachlässig war.


    Viele Grüsse

    Raphael

  • Hallo Raphael (und Matthias und Stefan - und wen es interessiert)


    also zunächst mal: Das hast du gut vorbereitet alles, eine schöne Doku!

    Es ist Pech, dass du gleich an so schwierige Art geraten bist, eine, die du nicht im Stangl oder sonstwo findest.

    Fest steht zum einen, dass das nicht tjallingiorum ist - eben u.a. aus den Gründen, die Matthias schon richtig sagte: nur oben bereifter Stiel und falsche Zystidenform. Und es ist ebenso sicher nicht sindonia, weil die sowohl eine andere Hutfarbe wie andere Sporen und Zystiden hat.

    Es wäre wichtig gewesen, einen der Stiele nach Berührung zu fotografieren, denn:

    Mir fällt dazu nur eine einzige Art ein, aber nur dann, wenn das „Bräunen“ auch ein „Röten“ sein könnte. „Bräunen“ im wirklichen Sinne kenne ich nur von wenigen Gruppen, z.b. die leiocephala-Gruppe, tenebrosa etc. - aber deine Art gehört sicher zu keiner von denen.

    In dem Fall, also falls es eher ein Röten war, käme eigentlich nur Inocybe perchtana in Frage, die wir gerade in der Myc Bav neu beschrieben haben. Sie passt - soweit ich das aus der Ferne und mit den gegebenen Daten beurteilen kann - in vielerlei Hinsicht auf deinen Fund: Ich habe sie immer in einer solchen hochmontanen Höhe bei Fichte gefunden. Sie hat, wie es bei einigen deiner Fruchtkörper zu sehen ist, eine weißliche Velipellis, eine recht glatte Hutoberfläche, die Farbe kann so sein, wie man auf meinem angehängten Foto sehen kann, und weithalsige Zystiden (siehe weiteres angehängtes Foto) hat sie auch, wie man sie auch bei dir sieht. Und sie riecht aromatisch, was zu deiner Aussage passen würde.

    Sie sollte eigentlich auch unten zumindest vereinzelte dickwandige Caulozystiden haben, das könntest du nochmal überprüfen. Und: Die Sporen müssten im Durchschnitt kürzer als 9 µm sein und im Schnitt um 5.5 µm. Wenn es ein wenig mehr oder weniger ist, macht es nichts. Aber ungefähr muss es schon stimmen. Und schau doch mal, ob du nicht noch ein paar längere und wellige Caulozystiden findest - ganz oben am Stiel.


    Wenn das alles also zutrifft, bin ich recht sicher, dass es I. perchtana ist: Perchtas Risspilz.

    Wenn du den Artikel möchtest, kann ich ihn dir privat schicken, schreib dann an meine email Adresse, also meinen Vornamen, Punkt, Nachnamen und @gmx.de.

    Die Art hab ich noch nicht auf die Website gesetzt, mach ich aber als nächstes.



    Generell gilt für die Bestimmung von Risspilzen:

    1. Immer ein Schnittbild anfertigen, denn die Farbe oben im Stiel gibt oft einen wichtigen Hinweis, in welche Großgruppe die Inocybe einzuordnen ist. Manchmal ist auch die Farbe des Fleisches in der Stielbasis wichtig. Und ob er hohl ist oder nicht.

    2. Stets mindestens 20 Sporen messen und einen Mittelwert ausrechnen (ich selbst messe immer 40 Sporen). Nur damit bekommt man einen guten Eindruck, was nun typisch für die Art ist. Ausreißer nicht mitmessen, sondern notieren, dass es eben auch 2-sporige Basidien gibt.

    3. Stets ebenfalls etliche Zystiden messen (ich messe 15) und einen Mittelwert ausrechnen. Und schauen, was die charakteristische Form ist - also welche wiederholt sich am meisten. Das zu beurteilen ist, denke ich, für Anfänger in der Gattung mit das Schwierigste.

    4. Bei den Caulozystiden schauen, was denn die häufigste (charakteristische) Form ist, denn die sind oft uneinheitlich.

    5. Nicht mit Kongorot, sondern nur mit KOH arbeiten, weil man so die Reaktion der Zystidenwände nicht gut sieht. Schrieb Stefan ja schon und ich früher auch. Das kann man höchstens bei den Gattungen Inosperma, Mallocybe und Pseudosperma machen.

    6. Ganz wichtig für eine Bestimmung ist auch immer, ob eine Velipellis bei jungen Fruchtkörpern zu sehen ist und welche Farbe die hat. Und das ggf. notieren, falls man es auf den Fotos nicht sieht.


    Das wars aus meiner Mittagspause, herzliche Grüße, Ditte

  • Sorry, hab eben erst gesehen, dass du geschrieben hattest, Raphael, du hättest kein Exsikkat mehr. Da erübrigen sich meine Fragen nach Caulozystiden unten und nachmikroskopieren natürlich....

    Ditte

  • Hallo Ditte


    Wow, das wäre ja eine Ehre, wenn ich eine kürzlich beschriebene Art gefunden hätte.


    Habe auf meinen Mikrobildern die Sporen nachgemessen.

    - Länge: Im Schnitt 8.4 µm, 90% sind kürzer als 9.1 µm.

    - Breite: Im Schnitt 5.5 µm.


    Und die Verfärbung: Nun ja, ich habe leider eine schwache Farbfehlsichtigkeit (Rot-Grün-Schwäche).

    Dadurch kann ich nie sicher sagen, ob etwas rein braun ist oder eher rotbraun. Ausser ich sehe beides nebeneinander, dann ist es (meistens) klar.

    Ich habe aber den im Bild liegenden Fruchtkörper vorher angefasst, wenn auch nur sehr kurz und vorsichtig.

    Vielleicht lässt sich daraus die Verfärbung erahnen.


    Und:

    Es ist Pech, dass du gleich an so schwierige Art geraten bist, eine, die du nicht im Stangl oder sonstwo findest.

    Das ist nicht Pech, sondern Glück. Einfache Arten machen viel weniger Spass :)


    Viele Grüsse

    Raphael

    • Offizieller Beitrag

    Ich gebs auf... mein Beitrag löscht sich immer selbst. Versuche morgen nochmal.

    Hab den ersten wieder reaktiviert. :) Auch erstmal herzlichen Glückwunsch von mir zum wahrscheinlich tollen Fund.


    Leider bin ich etwas aus der Übung, weil ich die letzten 2-3 Jahre fast keine Inocyben gefunden habe. Dann kommt noch hinzu, dass ich mich seit ein paar Jahren verstärkt mit phytopathogenen Pilzen befasse.


    Ich hoffe auf ein für mich Inocybenreiches Jahr in der Hoffnung, dass ich wieder ein bisschen Routine bekomme.


    l.g.

    Stefan

  • Hallo zusammen,

    wow, toll, eine erst kürzlich beschriebene Art, und alles scheint ja darauf hinzudeuten, dass es tatsächlich Inocybe perchatana ist. Auf deinem Foto, Raphael, kann man zumindest auch etwas Rötliches erkennen, aber ob das nun durch die Berührung entstanden ist? Wer weiß...

    In der Risspilzwelt scheint es ja einiges am Entstehen Werden und Entdecken zu geben. Auch mit den schon beschriebenen Arten ist es schon sehr schwierig, zu einer Artbestimmung zu kommen, aber das empfinde ich auch immer als sehr spannend.

    Und toll, dass du Ditte dabei so tatkräftig unterstützt.:)

    Liebe Grüße

    Matthias

    • Offizieller Beitrag

    Hi,


    ja das ist das spannende in der Gattung. Es werden ständig einerseits neue Arten beschrieben. Ditte ist nicht die einzige, es gibt beispielsweise Herrn Vauras und Ellen Larsen, die auch an Inocyben forschen. Andererseits wurden in der Vergangenheit auch gute Arten synonymisiert, die nun wieder aufgetrennt werden müssen.


    Ich für meinen Teil werde auch immer vorsichtiger, weil ich nie weiß, ob es nicht eine Art gibt, die mit meiner Bestimmung ähnlich ist, bzw. ob es nicht auch eine neu beschriebene Art sein kann.


    Ditte arbeitet ja auch an einer Monographie, die ich mir auch sofort zulegen werde, wenn sie erscheint. ==Gnolm7==Gnolm8


    Mehr sage ich nicht zu dem Thema. Ich bin auch nur, wenn überhaupt, ein Einäugiger unter den Blinden, was Inocyben angeht.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Also, ich denke, dass da alles zusammenpasst, nicht zuletzt nun die rot-grün-Schwäche:), und dass es sich also um Inocybe perchta handelt. Glückwunsch zu diesem besonderen Fund.

    Zumindest bis ein Fund bestimmt ist, von dir selbst oder jemand anderem, würde ich auf jeden Fall das Exsikkat aufheben, es könnte ja auch was sehr Seltenes sein, und es kann ja sein, dass ein Merkmal nochmal überprüft werden muss. Außerdem sind Exsikkate von früheren Funden für Vergleichzwecke eigentlich unerlässlich - wenn man sich ernsthaft mit der Gattung beschäftigen möchte.

    Herzlich, Ditte

  • Danke, das freut mich :)

    Ditte arbeitet ja auch an einer Monographie, die ich mir auch sofort zulegen werde, wenn sie erscheint. ==Gnolm7==Gnolm8

    Echt? Das wusste ich nicht. Eine Monographie wäre wirklich ein Segen in dieser Gattung. Ist hiermit vorbestellt :)


    Lg, Raphael

  • Clavaria

    Hat den Titel des Themas von „Kleiner Risspilz im Mai“ zu „Kleiner Risspilz im Mai: Inocybe perchtana“ geändert.
  • Guten Morgen: das mit dem Buch dauert leider noch ein paar Jahre. Aber ich habe grad gesehen, dass ich den Namen oben falsch geschrieben habe: Inocybe perchtana muss es natürlich heißen.

    Herzlich Ditte