Cortinarius mit Unterstützungsbedarf

Es gibt 22 Antworten in diesem Thema, welches 4.099 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Matsutake.

  • Liebe Pilzexpert*innen,


    gestern habe ich in einem Mischwald, aber direkt unter einer großen Buche einen schönen Cortinarius gefunden und dachte, dass ich den mal richtig zu bestimmen versuche. Aber ich bin mir nicht mal bei der Untergattung sicher und brauche Hilfe.


    Ein noch recht junger aber vollständig geöffneter Fruchtkörper ist ca. 5 cm groß, ein zweiter mit noch vollständigem Schleier etwa 4 cm.

    Hut war im Wald etwas schmierig, Stiel trocken. Huthaut mit Violetttönen, Lamellen aber fahl-orangegelblich, komplett ohne Violett.

    Stiel keulig dick, aber ohne deutlich abgesetzte Knolle.

    Fleisch im Schnitt gelblich weiß,

    KOH40%-im Stielfleisch: Keine Farbreaktion, nur randlich orangebraun wie an anderen Verletzungsstellen auch.


    Beim Schlüsseln der Untergattungen komme ich so eigentlich zu Phlegmacium, finde dort aber keine Arten mit Violetttönen in der Huthaut aber nicht in den Lamellen. Ergo stehe ich jetzt erstmal auf dem Schlauch.


    Hier die Bilder, es handelt sich immer um die gleichen 2 Exemplare. Sorry, das erste und letzte Bild sind gedreht (kann man das beim Erstellen eines Forumsbeitrags eigentlich korrigieren?)





    Fleisch im Schnitt gelblich-weiß (zunächst v.a. weiß, dann zunehmend gelblicher)


    keine KOH-Reaktion außer randlich orange-braun.


    In welche Richtung könnte die Reise bei diesen Pilzen gehen?


    LG

    Lars

  • Hallo Lars

    der gehört schon in die Sektion Variecolores

    Makroskopisch hätte ich dazu sofort C.largus gesagt, allerdings braucht es dazu eine klare gelbe KOH Reaktion im Fleisch

    Kann es sein das dein KOH zu stark ist und es einfach nur Löcher in den Pilz brennt ?

    Verdünne mal etwas KOH mit 5 Teilen Wasser und teste dann nochmal
    Normalerweise bekommst du mit 3 - 10% KOH die beste Reaktion bei dieser Gruppe

    Gruss

    uwe

  • Hallo Uwe,


    vielen Dank für Hinweis und Tipps!

    Ja, mein KOH war 40% und hat tatsächlich große Krater erzeugt. Hab's gerade noch mal mit 20% probiert, und es ist tatsächlich schön gelb geworden. Dazu - weil ich ja jetzt wusste, wo ich gucken muss - auch noch Guajak getestet: leuchtend (grün-)blau. (siehe Bild unten, beides im Hutfleisch getestet).


    C. largus passt dann wohl, obwohl der eigentlich eher auf Kalk stehen sollte, was hier nicht zutrifft (allerdings Baumschule nicht weit entfernt, wer weiß, was da in den Boden gelangt ist). Ich sehe immer noch kein Violett oder Blau in den Lamellen, was mich ja auch zunächst in die Irre geführt hatte. Aber ich nehme an, das reicht nicht, um C. largus auszuschließen, korrekt?


    LG

    Lars


  • Hallo Lars

    Das KOH ist immer noch deutlich zu stark

    Es sollte keine Löcher im Pilz geben

    Violette Lamellen sieht man bei largus am ehesten am Hutrand und beim jungen Pilz

    Wenn der junge Pilz im Fleisch keinerlei Blautöne zeigt , dann ist es eventuell kein largus

    Allerdings ist largus ein sehr variabler Pilz

    Die französischen Cortinariologen hatten 18 Arten beschrieben, die dann genetisch alle gleich waren und jetzt wieder C.largus genannt werden dürfen

    Gruss

    Uwe

  • Ok, KOH nochmal mit Wasser verdünnt, jetzt keine Löcher mehr, aber immer noch gelbe Reaktion.

    Allerdings im Fleisch des ganz kleinen Pilzes (frisch aufgeschnitten) null Violett und auch nicht in seinen Lamellen.

    Aber solange nicht noch jemand eine alternative Idee hat, lege ich den für mich mal als leicht abnormalen C. largus ab.


    LG

    Lars

  • Hallo Lars,

    das würde ich nicht. C. largus ist nach der mir zur Verfügung stehenden Literatur nicht nur über blaue Lamellen, sondern auch über blaues Fleisch definiert. Und beides ist hier für mich nicht ansatzweise zu sehen (vgl. insbesondere das Foto in Beitrag #3), so dass ich mich hier nicht mit der Diagnose C. largus zufriedengebe. Für mich kommt hier eher der Pilz in Betracht, der von A. Gminder in GPBW Band 5, auf S. 90 f. als Cortinarius balteatoalbus beschrieben wird. Auf den Fotos 3 und 4 sind auf einem der Hüte braune Flecken zu sehen, die möglicherweise bestimmungstechnisch Bedeutung haben.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Oehrling,


    wie Du Dir denken kannst, fehlt mir der Überblick über das, was in Frage kommen könnte. Entsprechend hatte ich bisher nie von C. balteatoalbus gehört. Ich habe die Art aber nachgeschaut. U.a. die Abb. und Beschreibungen in der Cortinarius Flora Photografica passen sehr schön zu meinem Fund. Inbesondere die Lamellenfarbe ist genau wie bei meinen Stücken.

    Passen würden auch die braunen Flecken auf dem Hut und an Verletzungen im Stiel und die beiden beobachteten Farbreaktionen.

    Neben dem fehlenden Violett in den Lamellen und im Fleisch, würde auch der Standort auf eher saurem Boden besser zu dieser Art als zu C. largus passen.

    In versch. Literaturangaben soll C.b. v.a. unter Fichte stehen, aber je nach Quelle auch unter Laubbäumen. Bei mir war es Buche, aber ich möchte nicht ausschließen, dass in der Nähe auch noch eine Fichte stand. Da schaue ich bei nächster Gelegenheit nach (war auf der Gassi-Route hinterm Haus).

    Bei Diagnose als C. balteatoalbus (Feinfilziger Schleimkopf) müsste ich zumindest keine abnormalen Exemplare annehmen. Allerdings weiß ich nicht, was sonst noch alles an Spezialarten in Frage käme, auf die alle Merkmale bisher auch zutreffen könnten.


    Vielen Dank auf jeden Fall schon mal soweit!


    LG

    Lars

  • Hallo nochmal,

    Ich hatte ja geschrieben: ohne violettes Fleisch bei jung Exemplaren ist es wahrscheinlich kein C.largus


    Aber C.balteatoalbus passt für mich wiederum nicht so wirklich da ich beim Jungexemplar violette Farben sehe.

    Allerdings sind die Bilder alles andere als farbecht. Da müsstest du Lars nochmal bestätigen, dass keine Blautöne im Hut zu sehen waren

    C.balteatoalbus hat eigentlich nirgendwo Blautöne, es ist ein ausschließlich hell tonfarben bis braun gefärbter Pilz

    Gruss

    Uwe

  • Hallo,


    ich sehe gerade, dass meine gestern vom Handy gepostete Antwort hier nicht angekommen ist. Daher hier nochmal:


    Ich war gestern nochmal am Fundort: Dort steht weit und breit keine Fichte, nur Buchen und etwas entfernt Kiefern und Birken. Leider habe ich keine weiteren Exemplare gefunden. Das Habitat würde damit für beide Optionen eher nicht gut passen (C. largus mag lieber Kalk, und C.b. hätte gerne Fichten).


    Meine beiden Exemplare hatten im Hut wie auf den Bildern zu sehen, etwas Blau/Violett, aber in den Lamellen überhaupt nicht (auch nicht beim ganz jungen Pilz). Die Blaufärbung würde ich etwa so (wenig) intensiv einschätzen wie auf den beiden Pilzen ganz rechts auf der Farbtafel für C. balteatoalbus in der C. Flora Photographica (ich hätte davon einen Screenshot, aber den kann ich hier wohl wegen Copyright nicht posten).


    Für C.b. ist es vielleicht zuviel Violett auf dem Hut und für C.largus zu wenig in den Lamellen. Gibt es wirklich keine Phlegmacium-Art mit Violett im Hut, aber nicht in den Lamellen?


    LG

    Lars


    P.S.: Habe gerade noch mal ein paar Rätsel-Cortinarien gepostet: wieder Cortinarien...

  • Hallo Lars,


    Ich würde C.largus nach meiner (bescheidenen) Erfahrung eher ausschließen. Obwohl die Hutfarben schon auch zu meinen Funden passen würden, kenne ich die KOH-Reaktion dort als deutlich (das funktioniert auch mit 40% KOH sehr gut). Hier mal mit 20%, nach kurzer Zeit ausgeprägter gelber Rand:



    Dann wird es aber auch schon schwierig. Ich habe mich gefragt, ob das eine Caerulescentes-Art sein könnte? Ludwig stellt in Band 4 auf Seite 604 diese Arten mit knolligem Stiel und violetten oder blauen Tönen auf dem Hut gegenüber. Vielleicht C. mairei? MycoDB : Fiche de Cortinarius mairei

    Der müsste aber auch am Stiel apikal blauviolettlich sein, da sehe ich hier max. dezente Einschläge im Stielfleisch. Sehe gerade ausserdem, dass der wohl doch auch bläuliche Lamellen hat. Passt also auch nicht so recht.


    Angaben zu den Sporen wären natürlich auch hilfreich.


    So kann ich dir leider auch nichts wegweisendes anbieten.


    LG Sebastian

  • Hallo Sebastian,


    Sporenpulverfarbe hatte ich nicht speziell geprüft, da ich dachte, das wäre sowieso in allen Fällen braun...


    Die deutlich gelbe KOH-Reaktion hatte ich ja schließlich, als ich das KOH nicht mehr so stark hatte, dass es Löcher in den Pilz brannte. Davor nur an den Lochrändern.


    Wenn Du sonst meinst, es könnte C. largus auch ohne Violetttöne in den Lamellen sein, ist es vielleicht doch selbiger?


    Lg

    Lars

  • Nun ja, die Gelbverfärbung gerade an den Rändern ist ja das Typische. Ludwig schreibt 3% KOH "gelb bis schmutzig ocker oder braun mit gelber Umrandung", das haben mir auch schon andere Mykologen so beigebracht und das sieht man wie gesagt auch bei 20 oder 40% (aus eigener Anschauung).


    Wichtig ist auch, dass die Reaktion nicht stabil ist. Der gelbe Rand verliert sich dann auch schnell wieder. Ludwig: nach 10-20min zu rosabraun umfärbend.


    Wenn sich das so bei dir gezeigt hat, wäre ich schon auch bei C. largus.


    LG Sebastian

  • Hallo zusammen,

    wir sind ja mitten in der Diskussion und im Meinungsaustausch. Meine Meinung dazu wäre, dass ich zwar C. largus schon hundertfach gesehen habe, da das in den passenden Wäldern ein ausgesprochen häufiger Pilz ist. Aber ich habe noch nie einen C. largus gesehen, der an den Lamellen und im Fleisch so wirklich gar nichts Blaues an sich hatte, wie dieser hier. Vielleicht passt C. balteatoalbus auch nicht perfekt, und es gibt noch eine nahe verwandte Art, ich bin ja weit davon entfernt alle Variicolores zu kennen - aber dass der Anfragepilz C. largus sein soll, würde schon ein ziemliches Weltbild von mir über den Haufen werfen.

    Das Abdriften zu den Caerulescentes führt mMn vom Ziel weg, weil die KOH-Reaktion auf dem Anfragepilz ein knochenhartes Argument für einen Variicolores ist.

    Wie gesagt, ein Diskussionsbeitrag von mir.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Oehrling,


    habe auch gerade gelesen, das diese KOH-Reaktion typisch für alle Variicolores ist. Das habe ich nun neu gelernt.

    Denke auch, dass nun wo die KOH-Reaktion klar ist (das war sie für mich anfangs nicht, da die gelbe Umrandung für mich nicht deutlich war) definitiv in diesem Bereich (Variicolores) gesucht werden sollte. Die makrochemische Reaktion sollte ja schon unbestechlich sein (bzw. ein beinhartes Argument).


    LG Sebastian

  • Hallo,

    in der mir zugänglichen Literatur kann ich leider nicht einmal erkennen, welche Arten alles zu den Variecolores zählen. In den GPBW liegen zwischen C. balteatoalbus auf S. 90 und C. largus auf S. 130 ganze 40 Seiten mit Pilzen, die definitiv nicht dazu gehören. Sehr verwirrend.

    Beim Eintrag zu C. largus wird dort übrigens ein Taxon C. nebularis erwähnt, dass kaum Violett im Hut hat und daher C.b. ähnelt. Von Färbung in Fleisch und Lamellen steht dort aber nichts. Vielleicht geht mein Fund ja in so eine Richtung.

    Aber sicher "variecolores" ist ja schon mal was.


    Lg

    Lars

  • Hallo Lars,


    Bei der Beschäftigung mit der Thematik und der Recherche ist mir heute noch ein wie ich finde sehr hilfreiches Dokument untergekommen. Solch ein Überblick wie hier für Phlegmacium würde ich mir auch für andere Bereiche wünschen.


    phlegmacien_systematik.pdf&ved=2ahUKEwiPp_rSscvsAhULoRQKHQJGCL8QFjAAegQIBRAB&usg=AOvVaw2S-3xUSK8Ef6jrUggONocR


    LG Sebastian

  • in der mir zugänglichen Literatur kann ich leider nicht einmal erkennen, welche Arten alles zu den Variecolores zählen. In den GPBW liegen zwischen C. balteatoalbus auf S. 90 und C. largus auf S. 130 ganze 40 Seiten mit Pilzen, die definitiv nicht dazu gehören. Sehr verwirrend.

    Hallo Lars,

    du musst in GPBW 5 erst den vorangestellten Phlegmacium-Schlüssel durchgehen, bis du zu der vermuteten Art kommst, und erst danach in den Beschreibungsteil überwechseln. Aus ersterem ist klar ersichtlich, welche (in BW kartierten) Arten zu den Variecolores gehören, nämlich alle, die im Variecolores-Schlüssel (auf S. 79 f.) enthalten sind. Die Pilze im nachfolgenden Beschreibungsteil sind einfach nur alphabetisch geordnet, nicht nach Sektionszugehörigkeit.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • du musst in GPBW 5 erst den vorangestellten Phlegmacium-Schlüssel durchgehen, bis du zu der vermuteten Art kommst, und erst danach in den Beschreibungsteil überwechseln.

    Ah, das erklärt alles. Der Schlüssel war mir dort bisher entgangen. Das ist der Nachteil, wenn man über die "MeinePilze"-App immer gleich zu den Artbeschreibungen kommt. Aber wenn man weiß, dass es vorangestellte Schlüssel gibt, dann kann man sie auch finden :)

  • Naja, man muss halt wissen, wie man sie am besten benutzt. Die MeinePilze-App ist im Prinzip sehr gut, weil man über die Bibliotheks-Funktion gleich alle seine Bücher mit im Feld hat, und auch am Schreibtisch geht es mit der App deutlich schneller, weil die richtige Art gleich in jedem Buch aufgeschlagen werden kann - ohne Suchen im Index. Wer lieber analog liest, kann sich ja das Originalbuch noch daneben legen, muss dort aber nicht mehr im Index suchen.

    Wenn man in der App Pilzgruppen-Namen eingibt, kommt man auch zu den entsprechenden Schlüsseln in den Büchern. Man muss halt nur wissen, welche Schlüssel es gibt ;).

    Diese spezielle App ist daher eine echte Arbeitserleichterung auch für Menschen, die lieber mit Büchern arbeiten wollen und nichts für das Bestimmen mit Apps übrig haben. Die Bestimmungsfunktion in der App benutze ich selber nie, da sie nur für 367 Arten funktioniert.


    Lg

    Lars