Lorcheln zum Nachtisch

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 3.746 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Hallo Pilzfreunde,


    in meinem Nachtisch aus der Vorwoche hatte ich eine hübsche Lorchel im Beitrag, die ja inzwischen als Bischofsmütze entlarvt wurde.

    Da wir hier auch einen didaktischen Auftrag erfüllen wollen, tische ich etwas transparentere Bilder auf - oder nach (je nachdem).


    Hier haben wir den gleichen Fruchtkörper, genau eine Woche später - ca. 8 cm hoch.


    Wenn der noch einen rilligen Stiel hätte, könnte er glatt als Riesenlorchel (Gyromitra gigas) durchgehen.


    So sind es eindeutig Bischofsmützen (Gyromitra infula).



    Hier zu sehen, wie schon vor drei Jahren, auf einem Pappelstamm, der als Wegebegrenzung abgelegt wurde. Normalerweise wachsen diese Kleriker auf Kiefernstümpfen oder auf vergrabenem Kiefernholz. Bis 2013 konnte ich sie dort noch regelmäßig auffinden. Der "Ersatzwirt" scheint aber auch zu funktionieren. Ganze 10 Fruchtkörper hatten sich auf dem Stamm bereits entwickelt.


    Grüßlis Ingo

  • Servus Ingo,


    wenn der Stiel so deutliche Violettöne zeigt, dann würde ich die Sporen trotzdem mal prüfen, um Gyromitra ambigua auszuschließen. Hier findest du einen Schlüssel: Gyromitraschlüssel für Europa


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Servus Ingo,


    wenn der Stiel so deutliche Violettöne zeigt, dann würde ich die Sporen trotzdem mal prüfen, um Gyromitra ambigua auszuschließen. Hier findest du einen Schlüssel: Gyromitraschlüssel für Europa

    Hallo Christoph,


    tausend Dank für die Anregung. Dank dir durfte ich eben eine neue Art kennen lernen. Nach den Beschreibungen im www ist es eigentlich eindeutig, dass es sich bei der von mir aufgefundenen Lorchel um G. ambigua handelt.


    vor allem:


    Vorkommen auf Resten von Laubbäumen

    runzelige, aderige Hutoberfläche

    rote Pigmente am Stiel

    kleinerer Wuchs

    keine deutliche Mitrasfigur des Hutes

    kleiiger Stiel


    Hier ein Bild von G. infula von 2008 vom Kiefernstubben:



    Da braucht es eigentlich kein Mikroskop mehr. Wenn die jemand dokumentieren mag - bitte melden. Dann stelle ich was davon sicher. Die Fruchtkörper im dritten Bild sollten eigentlich schon Sporen haben.


    Grüßlis Ingo

  • Hallo Jörg,


    wo wurde die denn schon gefunden? Anscheinend ist die Vielgestaltige Lorchel nicht ganz so häufig wie die Bischofsmütze.


    GR I

  • Da braucht es eigentlich kein Mikroskop mehr. Wenn die jemand dokumentieren mag - bitte melden. Dann stelle ich was davon sicher. Die Fruchtkörper im dritten Bild sollten eigentlich schon Sporen haben.

    Servus Ingo,


    aber sowas von... ich würde den Fund gerne dokumentieren. Wenn du mir einen Beleg schickst, wäre das super. Ich schick dir ne PN wegen der (neuen) Adresse.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hi Christoph,


    gerne. Allerdings kann ich nicht einschätzen, ob da schon Sporen drin sind. Aber ich will an den beiden kommenden WE nochmal vorbeischauen. Zuletzt kamen da immer mehr FK aus dem Stamm gewachsen.


    GR Ingo

  • Servus beinand, servis Ingo - ingosixecho,


    das Packerl ist bestens angekommen. Ich lag die letzte Zeit leider völlig flach - aber kein Corona (mehrfach getestet). Jetzt geht es endlich wieder bergauf und heute saß ich das erste Mal wieder am Mikroskop. Ich hatte gleich beim Erhalt des Pakets kurz vormikroskopiert und war mehr als überrascht, was ich im Mikroskop gesehen habe. Ich muss dazu sagen, dass ich Gyromitra ambigua ja noch nie in der Hand hatte und eben nur aus der Literatur kenne.

    Dank der Zusendung habe ich einiges lernen können. Doch erstmal zur Bestimmung...:


    1.) Gyromitra an Pappel - das ist im Mikroskop eine ganz typische Gyromitra infula - also die klassische Bischofsmütze. Insofern war der erste Blick etwas enttäuschend.


    2.) Ingo hatte mir aber eine zweite Gyromitra mitgeschicktl. Und zwar eine "normale" Bischofsmütze von Kiefernholz. Also habe ich da auch mal eben reingeschaut – und war mehr als überrascht. Die Sporen sind deutlichg rößer, dann unregelmäßiger geformt, die Gelkappen an den Sporenenden sind auch recht unregelmäßig, mal eine runde Kappe, mal sogar etwas eingedellt oder auch abgestutzt, selten auch spitz ausgezogen - das gibt es bei Gyromitra infula so nicht.

    Schaut man dann die Paraphysen an, so fällt auf, dass Gyromitra infula wunderschön aufgeblasene, kopfige Paraphysenspitzen zeigt. Die Köpfe sind richtig breit und teils sogar kugelig. Bei gyromitra ambigua sind sie zylindrisch bis etwas verdickt, teils auch etwas kopfig, aber nie so angeschwollen, keine Kugeln am Stiel.


    Jetzt habe ich kein Foto und keine Makrobeschreibung des Fundes - es sei denn, Ingo hat auch Fotos von dieser "normalen" Bischofsmütze gemacht.


    Ich zeige einfach mal die Mikrofotos, die ich von den beiden Aufsammlungen gemacht habe... Gyromitra infula war in einem großen Plastikbeutel (und wuchs an Pappel), Gyromitra ambigua war in dem kleinen Plastikbeutel (Infos für Ingo) und wuchs an Kiefer.


    Gyromitra infula – man sieht schön die breiten Paraphysenenden (aufs Bild klicken...). Was man auch schön sieht: die Sporen sind regelmäßig geformt, ellipsoid, teils angedeutet gebogen, aber in sich immer ähnlich; die Sporenenden sind abgerundet, Gelkappen fehlen oder sind noch sehr schwach ausgeprägt.


    Gyromitra ambigua – Paraphysenspitzen oft nicht oder kaum erweitert, teils auch kopfig, aber nicht so breit und auffällig wie bei Gyromitra infula (Achtung, höhere Vergrößerung als oben - hier ist der Messbalken 10 µm lang)


    Und hier die Sooren von Gyromitra ambigua - sie sind oft einseitig ausgebeult, manchmal deutlich gebogen, insgesamt "schlampiger", nicht so ellipsoid und auch größer (Messbalken 10 µm).


    Hier ist es besser zu erkennen – oben links sind Sporen von Gyromitra infula, unten und rechts von Gyromitra ambigua. Man kann die Unterschiede in der Form, der Größe und der Ausprägung der Kappen gut sehen, finde ich.


    Dann schaut man sich natürlich auch die Originalbeschreibung von Harmaja an, der Gyromitra ambigua aus Finnland beschrieben hat. Er verwendet genau diese vier Trennmerkmale, um sie von Gyromira infula abzugrenzen:


    1.) Paraphysenspitzen

    2.) Sporenmaße

    3.) Sporenform

    4.) Form der Kappen


    Und die Ökologie, denn Harmaja beschreibt die Art als typisch für Sandkiefernwälder (!) und er hat sie nur an Kiefer gefunden (!!).


    Was habe ich daraus gelernt? Einerseits, wie deutlich die Unterschiede der Mikromerkmale sind - die zwei Arten sind wirklich leicht zu trennen. Andererseits, dass makroskopisch wohl gar nichts geht, was das Erkennen im Gelände angeht. Gut, jetzt habe ich kein Foto der Aufsammlung und habe sie nur getrocknet gesehen, aber die Bischofsmütze an Pappel wäre mir seltsam vorgekommen, dabei ist das eine echte Bischofsmütze. Aber das legt eben nahe, dass man hier die beiden Lorcheln wohl wirklich nicht makroskopisch hinbekommt. Ich würde nämlich nicht ausschließen, dass auch die echte Gyromitra infula an Kiefer in Sandkiefernwäldern wachsen kann.


    Nichtsdestotrotz sollte man wohl insbesondere Bischofsmützen von Kiefernholz in Sandkiefernwäldern allesamt nochmal nachbestimmen, indem man sie mikroskopiert. Und die Verbreitungskarten der Bischofsmütze sollten m.E. kritisch hinterfragt werden. Ich würde nur mikroskopierten Aufsammlungen trauen. Denn warum sollte Gyromitra ambigua nur an Kiefer wachsen? Falls dem so ist, wäre das eine sehr wichtige Erkenntnis. Nur muss man dafür erstmal zug Kollektionen prüfen. Spannende Sache!


    Ich kann aber mit Überzeugung sagen: Gyromitra ambigua wächst in den Wäldern von Ingo – und die Bischofsmütze auch.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo Christoph,


    schön, dass es dir wieder besser geht. Und vielen Dank für die Forschungsarbeit. Natürlich hatte ich die zweite Kollektion auch abgelichtet. Die standen tatsächlich auf Kiefernwurzeln, denn es gab vor Ort nichts anderes. Verdrehte Welt also. Die Lorcheln auf der Pappel sahen eher nach "vielgestaltig" aus. Makroskopisch würde ich mir tatsächlich keine zuverlässigen Aussagen mehr zutrauen.

    Bilder:


    Der deutsche Name ist demnach irreführend und gehört geändert!


    Grüßlis Ingo

  • P.S.: hatte vergessen, die Sporenmaße von Gyromitra ambigua anzugeben:


    Mit Gelkappen:
    21-25,6-28,25 x 7,5-9,2-10,5 µm; Q = 2,5-2,78-3,3


    Ohne Gelkappen (nur sauber messbar, wenn Kappe sich von Wand abhebt):

    19,5-24,9-27 x 7,5-9,2-10,5 µm; Q = 2,4-2,60-3,0


    Die Werte ohne Kappe beziehen sich auf weniger Sporen


    Harmaja (1969) hatte noch größere Sporenmaße in der Beschreibung von Gyromitra ambigua angegeben:


    mit Kappen 22-33 x 7,5-12 µm und ohne Kappen 20-29 x 7,5-12 µm (jeweils mit Ausreißern weit nach oben)


    Gyromitra infula hat nach Harmaja (1969) Sporenmaße von 20-23 x 7-10 µm (mit Ausreißern bis 26 µm). Er gibt auch an, dass die Kappen klein sind und der Sporenwand anliegen, während sie bei Gyromitra ambiguia sich deutlich abheben und die Sporenwand getrennt erkennbar ist. Passt alles sehr gut :-).


    Literatur:

    Harmaja H. (1969):

    A neglected species, Gyromitra ambigua (Karst.) Harmaja, n. comb., and G. infula s. str. in Fennoscandia. Karstenia 9: 13-19.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Servus Ingo,


    danke für das Nachreichen der Fotos - Gyromitra ambigua ist dann ein passender lateinischer Name...


    Mit den Fotos: wäre das was als gemeinsame Veröffentlichung (z. B. im Boletus)?


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Halo Zusammen,

    das war ja außerordentlich interessant. Möglicherweise hätte ich einen Fund wie auf Bild 1 der zweiten Kollektion ohne Überprüfung als G. infula abgelegt auch wenn die runzlige Oberfläche von normalen G. infula etwas abweicht. Vielen Dank für Deine Bemühungen Christoph. Mein einziger Altfund von G. infula hat sich nach Überprüfung meiner Aufzeichnungen bestätigt.


    LG Karl

    • Offizieller Beitrag

    MoinMoin!


    Das ist ja eine spannende Geschichte.
    Hätte ich auch niemals gedacht, daß das so rum ausgeht.
    Darum vielen Dank an euch beide, Christoph & Ingo; immerhin weiß ich jetzt, daß wenn ich denn irgendwann mal überhaupt irgendeine Bischofsmütze zu Gesicht bekomme, ich erstmal reinlinsen werde. g:-)



    LG, Pablo.