Hallo Ingo, hallo Öhrling,
Alles anzeigenHallo Öhrling!
"Tja, nützt nichts," wird man dann zu den Seminarteilnehmern sagen, "weiter kriegen wir das hier mit unseren veralteten Mitteln wie Augen und Mikro nicht mehr hin, aber im Nebenraum steht der Sofort-Sequenzierer, den könnten wir dazu befragen."
Meine Bedenken sind halt wirklich, dass man kein Ende finden wird. Also der nächste Saftporlings-Sequenzierer findet natürlich noch mehr Blaue Saftporlinge als 6 und der übernächste sagt, so grob kann man die Einschätzung nicht lassen und macht 120 draus.
Die Zeit wird weiter laufen, uns gibt es dann nicht mehr. Vielleicht gehört später der Mobile Sofortsequenzer zum Ausrüstungsgegenstand des Pilzsammlers, und man wird unsere heutigen Ansichten belächeln.
Andreas hatte das schöne Beispiel mit Fries, so ungefähr stelle ich mir das vor.
VG Ingo W
was ist denn so schlimm dran, bei der Bestimmung "Blauender Saftporling" zu bleiben und zu wissen, dass man mit bestimmten Methoden da noch weitere Taxa abtrennen kann (wobei sich da ja auch die Wissenschaftler nicht immer einig sind). Und ist es letztlich nicht völlig egal, ob nun aus Blauenden Saftporling 6 Arten gemacht werden, wovon ich zwei Artengruppen anhand des Substrats unterscheiden kann aber auch nicht alle 6, oder ob 120 Arten draus gemacht werden die ich alle nicht unterscheiden kann? Ist es denn so schrecklich wichtig, zu jedem Pilz den wir finden unbedingt einen hundertprozentig nach modernster Ansicht abgesicherten Namen zu haben? Das hat doch noch nie jemand für die ganze Bandbreite der Pilze geschafft, oder gibt es jemanden der alle Pilze kennt? Sicher nicht, und wir machen doch schon immer unsere Einschränkungen und sind in manchen Gruppen genauer und in manchen ungenauer und mit Annäherungen zufrieden. Sind wir nur deshalb so aufgeregt, weil es um Pilzarten geht, von den wir mal dachten wir kennen sie? Und bei Pilzarten von denen wir noch nie das Gefühl gehabt haben wir kennen sie sind wir daher entspannter? Als 1950 der Echte Reizker von Heim & Leclerc in mehrere Arten getrennt wurde, meint Ihr das hat sofort Jubelschreie ausgelöst? Für uns heute eine Selbstverständlichkeit dass es neben Lactarius deliciosus noch weitere Arten gibt. Aber wehe unser Brätling wird in drei Arten aufgespaltet und dann auch noch so dass man nur zwei davon relativ sicher mit "unseren" Methoden erkennen kann. Böse Wissenschaftler!! Bestimmt alles Profilierungssüchtige!!
Als Hobbymykologe auf wissenschaftlichem Niveau zu arbeiten ist heute vielleicht durch andere Methodiken schwieriger geworden, weil man die Kooperation mit Institutionen braucht. Auf der anderen Seite ist die Vernetzung aber definitiv auch ein Vorteil und die modernen Kommunikationsmöglichkeiten erleichtern wissenschaftliches arbeiten auch wiederum.
Und dass Otto Normalpilzler dadurch abgehängt wird, das sehe ich überhaupt nicht. Immer schon gab es eine riesige Bandbreite an - wie soll mans nennen - Beschäftigungsintensität mit Pilzen. Leute denen es reicht eine Ziegenlippe zu erkennen (auch egal wenns eigentlich ein Rotfuß ist ...) bis hin zu denen die sich intensiver in die Rotfußröhrlinge einarbeiten, Huthaut mikroskopieren, ihr Mikroskop mit teuren Objektiven aufrüsten um Sporenstreifung wahrzunehmen.
Und übrigens: Ohne gut dokumentierte und nach besten Möglichkeiten bestimmten Belege - die sehr häufig "wir" gesammelt haben, kommt auch die wissenschaftliche Mykologie nicht so recht vorwärts. Und davon abgesehen werden Naturschutz betreffende Fragestellungen (Rote Listen, Gutachten) sicherlich auch zukünftig nicht molekular erstellt werden. Es wird uns Morphologen auch weiterhin brauchen, selbst wenn eines Tages von sämtlichen Pilzarten das komplette Genom vorliegen würde.
beste Grüße,
Andreas