Bin verwirrt: Helvella alpestris vs. Helvella philonotis

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  • Hallo zusammen


    Ich bin auf Kriegsfuss mit dieser kleinen Lorchel, die ich regelmässig in den Bergen finde:



    Diese Lorchel wird gerne Helvella alpestris Boud. genannt.

    Man findet sie so in Büchern abgebildet und auch meine Pilzkollegen im lokalen Verein nennen sie so.


    Aber: Wenn ich in dieses Dokument (Skrede, Carlsen & Schumacher) lese, sieht es ganz anders aus.


    Helvella alpestris wird hier mit nicht gefurchtem, schwarzem Stiel und stark kleiiger Aussenseite beschrieben.

    Das passt so gar nicht zu meinem Fund.

    Wenn man dem Schlüssel im Dokument folgt, kommt man unweigerlich zu Helvella philonotis.

    Dort werden Helvella alpestris ss. Häffner und Helvella corium f. alpestris ss. Favre als misapplied names aufgeführt.


    Bei ascomycete.org sieht es ähnlich aus (Helvella alpestris zeigen die gar nicht).

    Dann geistert noch der Name Helvella dovrensis herum, was aber angeblich ein Synonym von Helvella philonotis sein soll.


    Kennt sich jemand in der Ecke aus und kann mich erleuchten?

    Christoph ( Tricholomopsis ) hat hier neulich eine Kollektion gezeigt, die mich veranlasst hat dieser Sache endlich mal auf den Grund zu gehen.


    Hier noch ein paar weitere Bilder:


    Gleiche Kollektion wie oben, aber am Standort. Leider im Regen aufgenommen. Lac de Châteaupré, 2350 m.ü.M.


    Sporen


    Hier noch ein Fund aus dem Jahr 2018, Furkapass, 2500 m.ü.M. Damals hatte ich leider noch kein Mikroskop.

    Keine Garantie, dass es wirklich dieselbe Art ist.



    Für dieses entsetzliche Foto schäme ich mich. Aber man sieht deutlich den stark kleiigen Rand.

    Etwa so würde ich mir die Helvella alpestris ss. Skede, Carlsen & Schumacher vorstellen.

    Fund auch aus dem Jahr 2018, Nufenenpass, in alter Gletschermoräne auf 2600 m.ü.M., ohne Mikros.


    Viele Grüsse

    Raphael

  • Lieber Raphael,


    bei meiner Kollektion war der Stiel nicht auf ganzer Länge gerippt, sondern nur unten, in der unteren Hälfte. Die Bestimmung ist von Inge Rössl, die sich seit Jahren intensiv auch mit Helvella beschäftigt - wir waren damals gemeinsam am Hochtor unterwegs. Wir fanden noch weitere Lorchelarten. Ich hatte diese schwarze, nur unten geripptstielige Lorchel als Helvella cf. corium im Feld angesehen, wusste aber, dass es alpine Arten gibt.


    Der Fund stammt aus dem jahr 2013, also aus der Zeit, bevor die aktuelleren Paper erschienen. Ich weiß nicht, auf welcher Basis Inge damals bestimmt hatte. Bei Skrede et. al (2017) taucht Helvella alpestris aber noch in der Helvella-corium-Gruppe auf. Auf alle Fälle gehört er nochmal überprüft - danke für das Anstubsen! ich werde bei Gelegenheit Inge fragen - sie hat den Beleg.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Sequenzier-Update hierzu, falls es jemand interessiert:

    Meine erste Lorchel stimmt zu 99.87% mit Helvella philonotis ss. Skrede et al. 2017 überein.


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,


    danke für die Mitteilung. Ich hatte bisher noch nie etwas von dieser Art gehört.


    VG Jörg

  • N'abend Jörg,

    Ich hatte bisher noch nie etwas von dieser Art gehört.

    da bist Du nicht der Einzigste. Aber so eine Aufklärung ist schon irgendwie sehr spannend.


    VG Marcel

    »Experts do not exist,

    we all are beginners

    with greater or lesser knowledge.«

    Luis Alberto Parra Sánchez


    Gnolmokratisches:

    100 PCs Startkapital - 4 PCs (2023 an Boletaceae bei KiZaRü/Psathyrella-Challenge verloren) u. - 21 PCs (2024 an Schwarzhex hilmgridd gespendet) = 75 PCs in stock

  • Servus Raphael und die anderen Lorchel-Interessierten,

    bei der Nachbearbeitung meiner Funde von 2024 bin ich über dieses Thema hier im Forum "gestolpert", weshalb ich es nochmal nach vorne bringen will. Mein Arbeitsname war auch H. alpestris. Die Frage stellt sich, ob alle alpinen Kollektionen mit grubigem Stiel H. philonotis sind oder ob noch weitere Verwechslungsarten dort oben existieren. H. alpestris scheint jedenfalls etwas Anderes zu sein.

    Gruß Helmut

  • Hallo Helmut


    Sehr interessant, danke fürs Zeigen deiner Kollektion!


    Ich würde das hier auch Helvella philonotis nennen.

    Inzwischen habe ich die klassische Literatur etwas besser im Griff. Daraus geht eigentlich klar hervor, dass Helvella alpestris etwas anderes ist:



    Boudier beschreibt 1894 eine becherförmige, gestielte Lorchel.

    Das lässt sicherlich noch etwas Interpretations-Spielraum offen, aber passt ganz und gar nicht zu dem, was an manchen Stellen in der modernen Literatur als Helvella alpestris gezeigt wird.

    So zeigt Jamoni 2008 unter dem Namen Helvella alpestris sicher auch Helvella philonotis.

    Da kann man nur vermuten, dass irgendwenn jemand nach dem Prinzip "nomen est omen" bestimmt hat.

    Also wenn die Lorchel im alpinen Raum wuchs, dann muss es dem Namen nach Helvella alpestris sein.


    Helvella alprestris s.str. sollte eine stets gestielt-becherförmige Lorchel sein, wie Helvella corium (oder sogar ein Synonym davon).

    Helvella philonotis kann im Einzelfall auch becherförmig sein. Aber wenn man mehrere reife Fruchtkörper sammelt, sind die meisten irgendwie sattelförmig oder unregelmässig lappig.


    Gruss Raphael