Ausflug 20.05.2021 - Schwierige Psathyrella und ein paar Normalos

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 2.586 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Werner Edelmann.

  • Hallo zusammen


    Heute Abend habe ich mal wieder eine kleine Runde gemacht. Da ich mich dieses Jahr intensiver mit Psathyrella beschäftigen will, war ich gezwungen diese hier mitzunehmen:


    Das sieht mal nach Ps. spadiceogrisea agg. aus. Sie wuchsen auf Holzresten (vermutlich irgendwelches Gebüsch, schwer zu sagen).

    Auffallend sind die faserigen Velumreste am Hutrand und die geschwollene, striegelige Basis.

    Sie bleichen hygrophan bis praktisch weiss aus.



    Die Sporen haben einen deutlichen Keimporus, sind 7.8-9.2 x 4.5-5.2 µm, teilweise etwas zugespitzt und nicht wenige etwas phaseoliform.


    Die echten Cheilozystiden sind nur verstreut vorhanden, recht vielgestaltig, schnell kollabierend.

    Dazwischen sehr viele, recht grosse Parazystiden.


    Pleurozystiden waren spärlich, aber an jedem Lamellenfragment gab es welche. Die dargestellte Form war die häufigste, manche auch angedeutet kopfig.

    Apikal oft mit schwachen Inkurstationen.


    Nach zwei schweisstreibenden Stunden meine ich, dass ich sie nach Voto et al. 2019 bestimmen konnte:

    Psathyrella albescens Hesler & A.H. Sm. 1972

    Die Art ist aus Nordamerika beschrieben, wurde genetisch aber auch in Europa nachgewiesen.

    Vermutlich gar nicht so selten, aber meistens bleibt es halt bei Ps. spadiceogrisea agg.

    Die morphologischen Unterschiede zwischen Ps. albescensa und Ps. spadiceogrisea sind sehr fein, bei Voto et al. sind sie hervorragend beschrieben.

    Ich meine alle Unterschiede an meiner Kollektion wiederzufinden.


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    Dann noch ein paar alltägliche Funde, für alle die ich jetzt gelangweilt habe.



    ... und die Kronenbecherlinge waren auch am Start, aber noch nicht reif, die durften dort bleiben.


    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,

    Vorab, ich finde es bemerkenswert, wie engagiert Du Dich an die Bestimmung teils schwieriger Pilze wagst!:thumbup:

    Vermutlich gar nicht so selten, aber meistens bleibt es halt bei Ps. spadiceogrisea agg.

    Die morphologischen Unterschiede zwischen Ps. albescensa und Ps. spadiceogrisea sind sehr fein, bei Voto et al. sind sie hervorragend beschrieben.

    Ich meine alle Unterschiede an meiner Kollektion wiederzufinden.

    Für mich waren jahrelang alle schmalblättrigen Mürblinge im Frühjahr Psathyrella spadiceogrisea.

    Mittlerweile glaube ich, dass eine genaue Bestimmung der Frühlingsmürblinge nur genetisch möglich ist, wenn überhaupt.

    Oder wie es vor kurzem der Psathyrellenkenner Andreas Melzer in einem Statement auf den Punkt gebracht hat.


    "Kleiner Hinweis am Rande: Lasst die Finger von der spadiceogrisea-Gruppe. Die schuf der Teufel, an einem Montag."


    Schön, dass Du trotzdem an dem Artenkomplex dranbleibst. Ich wünsche Dir jedenfalls viel Erfolg.

    Und nachdem Andreas sich +/- von der Mykologie verabschiedet hat, brauchen wir dringend wieder einen Psathyrellen-Spezialisten!;)


    LG, Nobi

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    Chips: 72

  • Servus Nobi,


    sowas spornt doch eher an. Die Arten sind per Sequenz gut bestimmbar, das heißt man kann Bestimmungsversuche immer (stichpunkthaft) neutral überprüfen und kann also mit Sicherheitsnetz und doppeltem Boden arbeiten. Ist doch ideal. Da gibt es viel schlimmere Artkomplexe ^^


    Wenn man akribisch an die Sache rangeht, dann geht sicher mehr, als man denkt. Und ja, es ist gut, dass sich jetzt mehr Leute für Psathyrella interessieren. Ich möchte an die Artikelserie erinnern, die z. B. Josef Christan, Mathias Dondl und Alfred Hussong vorantreiben. In der aktuellen Mycologia Bavarica (ist gerade im Druck, wird am 25.5. fertig sein) werden wieder drei Psathyrellen vorgestellt (darunter Psathyrella ammophila, die in Bayern nachgewiesen ist - aus dem üblen Formenkreis um Psathyrella obtusata s.l.). Hias (Matthias) und Josef sind im Moment sehr aktiv mit Psathyrella dabei.


    Hias arbeitet auch molekular - Clavaria: da würde sich ein Austausch sicher lohnen. Ich fange mittlerweile auch an, mir die Arten näher anzusehen, da ich mit Josef und Hias ja zwei gute Leute direkt an der Hand habe, die mir helfen können. Ich kam früher mit dem Kits van Waveren nicht zurecht - dank der aktuellen Arbeiten (auch von Andreas Melzer) geht es deutlich voran.


    Also keine Sorge, wir haben genügend Nachwuchs, um sogar eine kleine Gruppe draus zu machen. Vielleicht hast du ja Lust, mitzumachen und den Kontakt zu knüpfen.


    Liebe Grüße,

    Christoph

  • Hallo zusammen


    Es macht mir halt Spass, an so schwierigen Pilzgruppen herum zu tüfteln.

    Damit habe ich natürlich längst nicht immer Erfolg und gewiss kommt auch die ein oder andere Fehlbestimmung dabei raus.


    Bisher habe ich darauf verzichtet, solche Funde sequenzieren zu lassen, in der Schweiz sind da die Möglichkeiten sehr begrenzt.

    Beim WSL wird zwar sequenziert, aber nicht kommerziell, da müsste ich immer um einen Gefallen bitten.

    Ich denke inzwischen ernsthaft darüber nach, mir in den nächsten Jahren selber das nötige Equipment zum Sequenzieren zu beschaffen, damit ich da von niemandem abhängig bin.

    Aber vielleicht ist das für einen Hobbymykologen doch eine Nummer zu gross...


    Was ich bisher mache ist noch längst nicht auf dem Niveau der genannten Namen.

    Aber Interesse an einem Austausch ist natürlich da. Vielleicht kann ich zumindest ein paar spannende Kollektionen beitragen.


    Gruss Raphael

  • Servus Raphael,


    die Spadiceogrisea-Gruppe ist in der Tat vermintes Gelände.

    Es war ja vorher schon schwierig bis unmöglich, hier auf Art zu bestimmten, aber jetzt kommt noch dazu, dass sich die maßgeblichen neuen Fachartikel zu der Gruppe gegenseitig widersprechen. Voto et al. (2019) haben sich bei ihrem molekularen Konzept von P. spadiceogrisea an Örstadius (2015) orientiert, also wohl an seinen Kollektionen LO 92-01 und LO102-98. Die Epitypifizierung von P. spadiceogrisea durch Andreas Melzer (2018) in der Z.Mykol 84/1 haben sie offenbar ignoriert. Dieser Epitypus stimmt anscheinend genetisch mit P. albescens überein (habe gerade mal eine Blast-Anlalyse laufen lassen). Die genannten Kollektionen von Örstadius sind im phylogenetischen Baum von Wächter & Melzer (2020, Mycological Progress 19) jedoch bei P. cascoides verortet. Voto et al. wiederum stufen P. cascoides als Synonym von P. spadiceogrisea ein. Da kennt sich wirklich keine Sau mehr aus:giggle:


    Aber schaun wir uns lieber deine Schwammerln an. Ich denke, dass sie mit meinen Kollektionen 2019-01 und 2016-09 übereinstimmen könnten, wobei Letztere der von Melzer (2018) designierte Epitypus von P. spadiceogrisea ist. Der junge Fruchtkörper auf deinem ersten Foto gehört aber nicht zur Kollektion, oder? Der sieht mir eher nach einem Tintling aus, Coprinellus xanthothrix oder sowas in der Art.


    Ob du deine Kollektion jetzt als P. albescens ss. Voto et al. oder als P. spadiceogrisea ss. Melzer bezeichnest, ist ja nicht so wichtig. Letztliche Sicherheit bringt in der Gruppe wahrscheinlich nur die Sequenzierung. Würde ich bei 2 Fk aber nicht machen.


    Grüße

    Hias

  • Hallo Hias


    Vielen Dank für die Verwirrung :)

    Immerhin bin ich froh, dass ich wohl mit meiner Bestimmung soweit richtig liege, wie sich das morphologisch beurteilen lässt.

    Ich bin noch daran eine Auslege-Ordnung der neueren Psathyrella-Literatur zu machen. Danach brauche ich eine Reihe von guten Kollektionen, wirklich in die Thematik einarbeiten kann ich mich nur am lebenden Objekt.


    Den kleinen Fk habe ich gestern nicht mehr untersucht, war zu spät. Der wuchs keine 10 Zentimeter von den anderen entfernt, ganz alleine. Aufs Foto hab ich ihn dann zur Sicherheit drauf genommen, dachte aber auch eher an einen Tintling. Im Netz fand ich später albescens-Abbildungen mit ähnlichen kleinen FK, aber wie verlässlich diese Bilder sind weiss ich nicht. Heute Abend weiss ich mehr.


    Gruss Raphael

  • Hallo zusammen,

    Eure Psathyrella-Debatte hat mich ich ziemlich mutlos gemacht. Ich habe heute eine recht kegelhütige (vermutlich) Psathyrella gefunden. Ich kapere mal diesen Thread um eure Einschätzung zuhören, ob es sich lohnt, dass ich als Laie probiere, den Namen dieses Pilzes herauszubekommen, oder ob ich's gleich sein lassen soll. Danke!





    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


    Hier im Forum gibt es grundsätzlich keine Verzehrfreigaben.

    Pilzsachverständige findest du hier.

  • Hallo Claudia


    Die Fruchtkörper sind teilweise schon recht alt, da könnte es schwierig werden.

    Ich würde es jetzt wohl trotzdem versuchen, wenn ich gerade keine besseren Kollektionen habe.

    Zumindest Sporen, Zystiden, HDS und Schnallen kann man ja mal gründlich untersuchen und ein wenig herumschlüsseln.

    Das aber unbedingt mit den neueren Schlüsseln (Örstadius, Voto oder Melzer, wie oben erwähnt).

    Wozu das führt zeigt sich dann... vielleicht eine Sackgasse, oder es reicht für eine halbwegs verlässliche Bestimmung, wenigstens bis in ein Artenaggregat.

    So oder so lernst du etwas dabei. Wenn du es nicht schaffst, darf das einfach nicht in Frust ausarten :)


    Gruss Raphael

  • So oder so lernst du etwas dabei. Wenn du es nicht schaffst, darf das einfach nicht in Frust ausarten :)

    Danke Raphael,

    dann werde ich mal ein paar Mikroaufnahmen und einen Sporenabwurf machen, ein Exikkat herstellen und alles sorgfältig aufschreiben. Dann warte ich auf jüngere Fruchtkörper und versuche ihn zu knacken. Mit dem Schlüsseln jetzt wird das für mich als Anfängerin sicher nichts und ich hasse es, wenn ich stundenlang herumsuche und nichts Gescheites dabei herauskommt. Frust ist da nicht vermeidbar.


    Ich habe noch einen Helmling in deutlich besserem Zustand zu bestimmen. Langeweile kommt bei mir also nicht auf.

    Lieben Gruß


    Claudia


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